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Fever

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.12.2020

Ein Roman mit starker Prämisse, aber nur mittelmäßiger Umsetzung

Seelen unter dem Eis
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In „Seelen unter dem Eis“ von Astrid Korten begleiten wir den zum Tode verurteilen Werbemacher Tom in seinen letzten Tagen auf der Death Row. Während er seine letzten Angelegenheiten regelt, wird in Rückblenden ...

In „Seelen unter dem Eis“ von Astrid Korten begleiten wir den zum Tode verurteilen Werbemacher Tom in seinen letzten Tagen auf der Death Row. Während er seine letzten Angelegenheiten regelt, wird in Rückblenden erzählt, wie es dazu kam: von seiner tödlich endenden Affäre mit seiner Studentin Amal und der immer schwieriger werdenden Beziehung zu seiner Frau Helen.

Der Roman beginnt leise und traurig, ein erschütternder Einstieg in die Lebensrealität eines Mannes, der seinen Tod vor Augen hat. Wir begleiten Toms Alltag im Hochsicherheitstrakt, den er mit anderen Todeskandidaten und dem erstaunlich empathischen Wärter „Goodman“ verbringt. Auf dieser Zeitebene war ich als Leserin ganz gefesselt, habe mit Tom gelitten und empathisiert, obwohl er wegen Mordes verurteilt ist. Ein fein gezeichnetes Porträt eines Menschen, der große Fehler gemacht hat.

Leider gibt es jedoch nicht nur Positives über diesen Roman zu sagen. Der Autorin gelingt es nicht, mich als Leserin in eine US-amerikanische Lebenswelt hineinzuziehen: Da wird dann plötzlich Goethe zitiert, Weizenbier bestellt, und ein Trakt im Gefängnis ist der „Zauberberg“. Das deutsche Bildungsbürgertum mogelt sich so immer wieder in ein vorgeblich amerikanisches Setting.

Die Frauenfiguren, allen voran die „Verführerin“ Amal, werden leider nie mehr als Stereotype: Als femme fatale begeht Amal Tom gegenüber richtiggehende Gräueltaten, ist sexuell unersättlich, und ihr Leben dreht sich einzig und allein um ihn. Eine Biographie, einen Einblick in ihr Warum erhalten wir dabei nie. Auch Helen bedient eine ganze Reihe typisch weiblicher literarischer Topoi, ohne dass ihr eine echte Persönlichkeit oder eine Geschichte zugestanden wird.

Der Roman krankt ganz klar an der fehlenden Tiefe der Frauenfiguren, die jedoch absolut zentral für die Geschichte sind. Auf der Handlungsebene überzeugt er hingegen mit einem intensiven, sich langsam, aber stetig aufbauenden Spannungsboden und einem explosiven Twist. Ein Buch, das ich mit gemischten Gefühlen zur Seite lege.

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Ein bisschen wie „Feuchtgebiete“ in den Wechseljahren – und in bunt

Geile Farben
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„Geile Farben“ von Pola Polanski ist ein ungewöhnlicher Roman, der sich nicht ganz einordnen lässt: Es geht um Kunst und Farben und Abszesse und Sex und Ekel und Liebe. Manchmal surreal, manchmal bestürzend ...

„Geile Farben“ von Pola Polanski ist ein ungewöhnlicher Roman, der sich nicht ganz einordnen lässt: Es geht um Kunst und Farben und Abszesse und Sex und Ekel und Liebe. Manchmal surreal, manchmal bestürzend real. Die Protagonistin Amelie ist Künstlerin, Anfang 50 und kämpft mit ungewöhnlich heftigen Wechseljahresbeschwerden und ihrem impotenten Ehemann. Als sie eines Tages die Galeristin Henriette kennenlernt, wird ihr Leben, ihre Überzeugungen und Werte, auf eine harte Probe gestellt.

In farbigen, eindrücklichen Bildern erzählt „Geile Farben“ eine Art späte „Coming-of-Age“-Geschichte. Amelie muss sich neu erfinden, muss mit ihrem Ehemann Flo, der so einige Geheimnisse hütet, ins Reine kommen und ihre Beziehung neu definieren. Ihr Misstrauen gegenüber ihrem Ehemann, der trotz Impotenz nächtelang Pornos schaut, beschert ihr eine schlaflose Nacht nach der anderen. Als Leserin begeben wir uns mit ihr in eine Abwärtsspirale aus Misstrauen, Angst und schwindendem Selbstwertgefühl. Hier liegt die Stärke des Romans: Die inneren Monologe, die geteilten Emotionen Amelies reißen uns wirklich mit, und wir ertappen uns dabei, ganz unkritisch ihre Empörung unhinterfragt zu übernehmen.

Leider hapert es trotz grandioser Konzeption des Romans immer wieder an der Umsetzung. „Geile Farben“ liest sich manchmal flüssig, wie ein emotionaler Rausch, dann aber wieder hölzern und stockend. Das betrifft vor allem die Dialoge, die meist wie Fremdkörper lose im Text treiben und kaum natürlich wirken. Viele geschilderte soziale Interaktionen leiden dadurch an einer mangelnden Eingliederung ins Geschehen und in Amelies Bewusstsein – als Leserin fühlt man sich einfach „nicht abgeholt“ vom Text. Dadurch werden auch manche von Amelies emotionalen Reaktionen unnachvollziehbar, denn der zugrunde liegende Dialog gibt das, was sie daraus macht, oft gar nicht her. Auch das Ende krankt ein wenig an mangelnder Liebe zum Dialog und schließt ein starkes, buntes Buch leider ein wenig grau und fad ab.

Nichtsdestotrotz ein origineller, lesenswerter Roman, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt!

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Ein spannender Thriller mit aktueller Thematik, aber zu vielen Klischees

Klima
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„Klima – deine Zeit läuft ab“ von David Klass bedient sich prinzipiell einer spannenden Prämisse, kommt aber in der Umsetzung nicht an einer ganzen Reihe amerikanischer Klischees vorbei.

Green Man ist ...

„Klima – deine Zeit läuft ab“ von David Klass bedient sich prinzipiell einer spannenden Prämisse, kommt aber in der Umsetzung nicht an einer ganzen Reihe amerikanischer Klischees vorbei.

Green Man ist ein Umweltterrorist, der durch drastische Anschläge auf symbolträchtige Ziele versucht, auf den Klimawandel aufmerksam zu machen – dabei nimmt er auch den Verlust von Menschenleben in Kauf. Der junge FBI-Agent Tom Smith heftet sich als Datenanalytiker auf seine Fersen und scheint der Einzige im FBI zu sein, der Green Mans überlegenem Intellekt gewachsen ist.

Die Thematik des Romans könnte aktueller nicht sein, und der Spannungsbogen wird intensiv aufgebaut und über lange Strecken gehalten. Da enden aber leider auch schon die Stärken des Romans, denn „Klima“ bedient sich einfach zu vieler amerikanischer Klischees: Da ist der gewiefte, aber doch menschliche Terrorist, der seinen Häschern immer einen Schritt voraus ist, der brillante „auserwählte“ Agent, der als Einziger von 300 FBI-Agenten zu irgendetwas fähig zu sein scheint, der barsche Vorgesetzte, der tumbe Präsident … diese statischen Topoi gleichen leider auch nicht die etwas halbherzig eingeworfenen Fakten zum Klimawandel und der Dringlichkeit des Handelns aus. Dazu kommt eine durchaus fragwürdige Prämisse, denn Green Man hat bereits mehrere Dutzend Unschuldiger auf dem Gewissen, erfährt aber doch sehr nonchalant breite Unterstützung aus der Bevölkerung.

Alles in allem ein durchaus unterhaltsam zu lesendes Buch, aber ohne den Tiefgang, der der Thematik gerecht würde – ein sehr amerikanischer Thriller, der sein wichtiges Thema leider nur auf sehr oberflächliche Art und Weise zu bearbeiten versteht.

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Veröffentlicht am 14.04.2024

Unheimlich zäh

Der rechte Pfad
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„Der rechte Pfad“ von Astrid Sozio klingt vom Klappentext her wie ein kraftvolles Buch mit einem starken Thema, viel psychologischer Spannung und einer intensiven Figurenentwicklung. Hinter diesen Erwartungen ...

„Der rechte Pfad“ von Astrid Sozio klingt vom Klappentext her wie ein kraftvolles Buch mit einem starken Thema, viel psychologischer Spannung und einer intensiven Figurenentwicklung. Hinter diesen Erwartungen bleibt der Roman mit seinen vielen Längen und seiner teils monotonen, wiederholenden Erzählweise jedoch leider deutlich zurück.

Die Handlung von „Der rechte Pfad“ ist dabei durchaus vielversprechend: Auf zwei Zeitebenen erzählt der Roman die Geschichte von Benni, den ein traumatisches Ereignis zurück in das Dorf geführt hat, in dem er als Kind die Schulferien verbracht hat. Als Kind verstand er noch nicht, dass er sich in einer sektenartigen, politisch deutlich nach rechts lehnenden Umgebung bewegte, und wusste die tragischen Ereignisse dieser Zeit nicht recht einzuordnen. Als Erwachsener zieht ihn etwas zurück an diesen Ort, und er muss mit der rückblickenden Einordnung dieser Erlebnisse zurechtkommen und zugleich seinen teils nostalgisch verklärten Blick in der Gegenwart geraderücken.

Was der Stoff für ein spannendes und intensives Buch hätte sein können, zieht sich leider in diesem Roman enorm in die Länge. Auf Handlungsebene passiert kaum etwas, und das, was geschieht, wird unter so vielen Wiederholungen, verklausulierten Gefühlsschilderungen und Alltagsbeschreibungen versteckt, dass weder auf Handlungs- noch auf psychologischer Ebene eine Spannungskurve entsteht. Als es irgendwann doch zur Eskalation kommt, ist es zu spät, um als Leser*in noch einmal einzusteigen, nachdem man sich geistig eigentlich bereits von dem Text verabschiedet hat. Ganz offensichtlich möchte „Der rechte Pfad“ kein reißerisches Buch sein, was bei dem brisanten Thema durchaus ein ehrenwertes und nachvollziehbares Anliegen ist. Der Text verliert sich jedoch in so viel Subtilität, dass für Lesende kaum noch etwas übrig bleibt, an dem sie sich orientieren können.

Trotz der hochinteressanten Grundidee kann dieser Roman leider nicht überzeugen und verliert sich vor allem in enormen Längen und einer sehr zähen Erzählweise.

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Veröffentlicht am 06.02.2024

Tolles Setting, enttäuschende Story

Schneesturm
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„Schneesturm“ von Tríona Walsh könnte eigentlich eines dieser Bücher sein, die die Herzen von Hobby-Detektivinnen höherschlagen lassen: eine einsame Insel mitten in der rauen irischen See, abgeschnitten ...

„Schneesturm“ von Tríona Walsh könnte eigentlich eines dieser Bücher sein, die die Herzen von Hobby-Detektivinnen höherschlagen lassen: eine einsame Insel mitten in der rauen irischen See, abgeschnitten von der Außenwelt durch einen Storm, ein mysteriöser Mord und eine Gruppe alter Freunde rund um das Opfer, die sich nach Jahren wiedertrifft – alle mit ihren eigenen Geheimnissen im Gepäck. Das implizierte Versprechen eines ausgeklügelten Plots kann der Roman jedoch leider nicht einlösen.

Dabei fängt es eigentlich gut an: Polizistin Cara muss nicht nur die Ordnung auf der Insel während des Schneesturms wahren, sondern sich auch mit ihrer tragischen Vergangenheit auseinandersetzen. Denn ihre alten Freunde sind gekommen, um den 10-jährigen Todestag von Caras Ehemann und ihrer aller Freund zu begehen. Schnell kommt die Frage auf, ob der aktuelle Mord im Zusammenhang mit dieser alten Geschichte steht. Um dem Ganzen die Krone aufzudrehen, hat einer von ihnen noch eine Filmcrew mitgebracht, die die Tragödie von damals filmisch umsetzen soll. Eigentlich Zutaten für eine spannende Geschichte, in der zwischenmenschliche Konflikte im Vordergrund stehen.

Leider zerfasert die Handlung jedoch bald in alle Richtungen: Cara scheint planlos von hier nach da zu rennen, viele Handlungsschritte wirken unmotiviert, und auch die anderen Figuren bleiben merkwürdig blass und leblos. Manche Entwicklungen kündigen sich über Seiten hinweg, andere kommen so aus dem Blauen heraus, dass man als Leser
in unwillkürlich die Stirn runzelt. Kurz: Vieles passt hier nicht zusammen. Hinzu kommt ein Stil, der so nüchtern und einfach gehalten ist, dass er bisweilen regelrecht monoton daherkommt.

Für mich hat sich „Schneesturm“ leider nicht gelohnt. Aufgrund der angekündigten Handlung und des Settings hätte das Buch eigentlich genau in mein Beuteschema fallen müssen, aber es konnte mich nicht packen. Wäre die Grundidee stringenter und klarer umgesetzt worden, hätte ich dem Roman mehr abgewinnen können.

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