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Veröffentlicht am 27.12.2020

Aufstieg und Fall einer amerikanischen Farmer-Familie

Tausend Morgen
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Eigentlich deuten nur wenige Worte im Klappentext darauf hin („König Lear in Iowa“). Aber der Roman ist eine moderne Version von Shakespeare’s „King Lear“. Wir haben in dem Protagonisten Larry Cook den ...

Eigentlich deuten nur wenige Worte im Klappentext darauf hin („König Lear in Iowa“). Aber der Roman ist eine moderne Version von Shakespeare’s „King Lear“. Wir haben in dem Protagonisten Larry Cook den alternden Patriarchen, in seiner stattlichen, 1000 Morgen großen Farm sein Königreich und in Rose, Ginny (Goneril) und Caroline (Cordelia) drei miteinander im Wettbewerb stehende Töchter.
Die Geschichte wird von der ältesten Tochter Ginny erzählt. Während ihr Pendant Goneril aber die verräterischste, gehässigste und unsittlichste von Lears Töchtern ist, trägt Ginny von diesen Eigenschaften nur leichte Züge und sie kommen auch erst nach einer ganzen Weile zu Tage. An der Oberfläche ist sie zurückhaltend, gehorsam, sowohl Vater als auch Ehemann gegenüber unterwürfig. Sie ist kinderlos nach mehreren Fehlgeburten und deshalb eifersüchtig auf Rose mit ihren zwei Töchtern. Auch auf Caroline ist sie eifersüchtig, weil diese dem Landleben entkommen und Anwältin in der Stadt ist.
Zwei Ereignisse bringen die jahrzehntelang bewahrte Kontinuität und den äußeren guten Schein in Unordnung. Der Vater überschreibt die Farm seinen Töchtern, um Erbschaftsteuer zu sparen, und der lange Jahre herumvagabundierende smarte Nachbarssohn mit einem Faible für Bio-Landwirtschaft kehrt zurück. Diese Ereignisse werden quasi wie eine gerade für Farmer folgenschwere plötzliche Wetterkatastrophe dargestellt. Die Beteiligten werden zu Gefangenen ihrer tausend Morgen.
Auffällig ist umso mehr die Stimme der Erzählerin, die stets die Kontrolle über das Erzählte behält und selbst nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen ist, obwohl die Geschichte rasant an Dramatik gewinnt. Themen wie Ehebruch, Kindesmissbrauch, Gewalt in der Familie, geplanter Mord haben große Bedeutung. Allerdings enthält der Mittelteil einige Längen. Die authentischen Schilderungen des Farmlebens (im Jahr 1979) lassen die Geschichte so real erscheinen und stehen in schönem Gegensatz zu neueren Romanen amerikanischer Autoren, die ich eher nicht lese.
Eine interessante amerikanische Familiengeschichte mit vielen unvermuteten Wendungen.

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Veröffentlicht am 22.12.2020

Weiter geht's in Meyerhoffs Leben

Die Zweisamkeit der Einzelgänger
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Inwieweit alles Erzählte biografisch ist, wie es den berechtigten Anschein erweckt, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall erzählt uns der Autor in seinem weiteren Band nach „Wann wird es endlich ...

Inwieweit alles Erzählte biografisch ist, wie es den berechtigten Anschein erweckt, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall erzählt uns der Autor in seinem weiteren Band nach „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, „Alle Toten fliegen hoch“ und „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ aus den Jahren, als er Mitte 20 war und seine ersten Engagements als Schauspieler hatte. Bei seinen Schilderungen der ihm eigentlich verhassten Tätigkeit fragt man sich wirklich, wie aus dem anscheinend untalentierten Meyerhoff (jedenfalls stellt er sich als solcher dar) ein so erfolgreicher Schauspieler werden konnte. Fahrt nimmt das Ganze dadurch auf, dass Meyerhoff privat über geraume Zeit hinweg zwei Privatleben führt – eines mit der ehrgeizigen, in geistiger Hinsicht (auch für uns Leser) sehr anspruchsvollen Studentin Hanna in Bielefeld und eines mit der rassigen Tänzerin und Nachtschwärmerin Franka in Dortmund. Außerdem gibt es noch eine von ihm ebenfalls verheimlichte dicke Bäckerin, der er regelmäßig in der Backstube hilft. Am besten haben mir aber die immer mal wieder eingestreuten Passagen gefallen, in denen Meyerhoff von Kindheitserinnerungen erzählt und die durchaus den Charakter von Anekdoten haben.
Ein sehr kurzweiliges, empfehlenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 11.12.2020

Ein verrücktes Buch über den Corona-Alltag

Die Krone der Schöpfung
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Es ist der erste Roman, den ich zum Thema Corona gelesen habe. Irgendwie ist er total verrückt und gerade deshalb so lesenswert. Die Ich-Erzählerin beschreibt ihr Leben in einem Dorf in der Uckermark in ...

Es ist der erste Roman, den ich zum Thema Corona gelesen habe. Irgendwie ist er total verrückt und gerade deshalb so lesenswert. Die Ich-Erzählerin beschreibt ihr Leben in einem Dorf in der Uckermark in dem Zeitraum von Beginn der Pandemie bis zu den ersten Lockerungen im Sommer. Ihre Erfahrungen im alltäglichen Leben decken sich mit denen der Leser, z.B. soweit es um Homeschooling, untersagte Treffen im größeren Kreis, Kontrollen durch das Ordnungsamt, leer gekaufte Regale im Supermarkt u.ä. geht. In einigen Jahren ist das sicherlich von historischem Wert. Das eigentlich Besondere aber sind weitere Erzählstränge. Der Text enthält viele enzyklopädisch wirkende Recherchen zum Corona-Virus und eine eigenständige Zombie-Geschichte, die die Erzählerin im Rahmen ihres Berufs als Drehbuchautorin als Auftragsarbeit fertigt. Letztere erscheint mir etwas zu irrsinnig. Der Roman liest sich trotz seiner vielen Handlungsteile flüssig. Gefällig sind der Sarkasmus und die leicht bissige Ironie, mit denen die Autorin das so aktuelle Thema beleuchtet.

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Veröffentlicht am 04.12.2020

Fortsetzung der Familiengeschichte der Autorin

Neuleben
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Bereits in ihrem Roman „Zwei Handvoll Leben“ ist die Autorin der leidvollen Geschichte ihrer Großmütter bis zum Jahr 1953 nachgegangen. Jetzt erzählt sie ihre Familiengeschichte weiter, setzt den Fokus ...

Bereits in ihrem Roman „Zwei Handvoll Leben“ ist die Autorin der leidvollen Geschichte ihrer Großmütter bis zum Jahr 1953 nachgegangen. Jetzt erzählt sie ihre Familiengeschichte weiter, setzt den Fokus aber auf das Leben ihrer Tante und ihrer Mutter. Beide emanzipieren sich, was zu ihrer Zeit ein steiniger Weg war – die eine studiert als eine von wenigen Frauen Jura und strebt eine Karriere in der Justiz an, die andere träumt vom Erfolg als Modemacherein. Daneben wird immer wieder der Faden rund um die Großmütter weitergesponnen.
Das Buchcover gefällt mir, weil es zu der Zeit des Aufbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg passt, in der die Geschichte angesiedelt ist. Mit dem Buchtitel hadere ich etwas. Erst im letzten Drittel erfahren wir recht beiläufig, was es mit ihm auf sich hat; einen wirklichen Bezug zu einer der Hauptromanfiguren hat er nicht. Inhaltlich ist wirklich interessant, wie viel die Autorin aus ihrer Familie zusammengetragen hat und wie gut sie etwa zur Juristerei und zur Rolle der Frau in den 1950er Jahren recherchiert hat. Die Geschichte ist in einem ruhigen Ton gehalten und lässt sich angenehm lesen, ist allerdings nach meinem Dafürhalten zu sehr in die Länge gezogen. Sie ist zu empfehlen für jeden, der Familiengeschichten mit realem historischem Bezug mag.

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Veröffentlicht am 29.11.2020

Kindheitserlebnisse eines Kanzlersohnes

Raumpatrouille
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Da ich in Film und Theater nicht so bewandert bin, war mir bis dato gar nicht bekannt, dass Matthias Brandt ein renommierter deutscher Schauspieler ist. Darauf, dass es sich bei ihm sogar um den jüngsten ...

Da ich in Film und Theater nicht so bewandert bin, war mir bis dato gar nicht bekannt, dass Matthias Brandt ein renommierter deutscher Schauspieler ist. Darauf, dass es sich bei ihm sogar um den jüngsten Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt handelt, bin ich erst durch dieses Buch gestoßen.
In ihm erzählt der Autor mehrere zusammenhanglose Episoden aus der Zeit in den 1960er/1970er Jahren, in der er seine Kindheit am Venusberg in Bonn verbrachte. Aus ihnen wird seine Sehnsucht nach einem Leben als ganz normaler Junge deutlich. Stattdessen ist er verdammt zu einem Leben in einer großen Villa, umgeben von Wach- und sonstigem Personal, während seine Eltern, vor allem der Vater, nur wenig Zeit für ihn haben. Interessant sind diese zum Teil recht humorvoll gehaltenen Geschichten – insbesondere was den Einblick vom kleinen Matthias in die große Politik betrifft – vor allem für jene, die wie ich zu gleicher Zeit Kind waren. Denn es findet viel Zeittypisches Erwähnung, an das man sich noch erinnert, seien es Fernsehsendungen wie „Der Große Preis“, Zigarettenmarken wie Lord Extra, das kultige Bonanzafahrrad u.v.a.m.
Ein schönes Buch.

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