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Veröffentlicht am 21.03.2017

Die Aasgeier auf der politischen Bühne

Die Zeit der Ruhelosen
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„Wenn man an der Macht war, wandte man die Regeln der Kriegskunst an. Man griff zu den Waffen, wenn man erobern wollte, und tat dies auch, um sich seinen Platz zu sichern. Man ließ geliebte Menschen fallen. ...

„Wenn man an der Macht war, wandte man die Regeln der Kriegskunst an. Man griff zu den Waffen, wenn man erobern wollte, und tat dies auch, um sich seinen Platz zu sichern. Man ließ geliebte Menschen fallen. Man verriet, man verletzte. Man tötete, auch das. Unser Leben gegen euren Tod.“

Inhalt

Drei Menschen kämpfen hier den Kampf ihres Lebens, jeder auf seiner eigenen Bühne, mit ganz persönlichen Dramen, inneren Ängsten, äußeren Beschränkungen und ständig unter der Beobachtung einer ominösen Menschenmenge, die stets die Opposition bildet und doch nie ganz in Erscheinung tritt. Der Unternehmer Vély, der Kunst liebt und als geborener Jude nicht bedenkt, welche Folgen es hat, als er sich auf einem Stuhl in Form einer nackten schwarzen Frau setzt. Der traumatisierte Afghanistan-Soldat Romain, der nur Frieden findet, wenn er Vélys Frau besitzt und der farbige Politiker Osman, dessen politische Felle immer mehr davonschwimmen, nachdem er ein echtes Problem mit rassistischen Bemerkungen zu haben scheint. Sie alle spielen eine Rolle, stehen im Rampenlicht der Öffentlichkeit und fühlen sich doch unendlich einsam. Als sie gemeinsam auf einer Tagung im Irak sind, zerstört der Zufall ihr Leben auf ganz andere Art und Weise, als sie bis dato dachten …

Meinung

Die französische Autorin Karine Tuil setzt sich in diesem weltpolitischen Roman mit großer Aktualität ein kleines Denkmal, denn sie sensibilisiert den Leser für die unsichtbaren, zweitrangigen Belange, mit denen sich Menschen im Rampenlicht tagtäglich auseinandersetzen müssen. Ganz offensichtlich wählt sie die Politik als Auslöser dafür, wie vielfältig und intensiv ein persönliches Schicksal verlaufen kann, welches nur dadurch entsteht, dass ihre Protagonisten dem Rampenlicht zugewandt sind, manch einer ganz bewusst, ein anderer nur durch sein Erscheinen zur falschen Zeit am falschen Ort.

Sie thematisiert dabei viele gesellschaftsrelevante Begriffe wie Moral, Loyalität, Verrat, Macht und Erfolgsstreben, zeigt aber gleichzeitig, welchem Werteverfall die breite Masse ausgesetzt ist. Angefangen von öffentlichen Beleidigungen, Diffamierungen in der Presse und Ausgrenzung aus einem sehr fragwürdigen Freundeskreis, der sich nicht mehr an Menschlichkeit, sondern Prestige orientiert. Doch im gleichen Atemzug geht sie auch in die Tiefe und erörtert, wie sich der Charakter einer Person ändert, wenn sie meint ihr Wert reduziert sich auf das Bild der Anderen.

Ein sehr gekonnter Einstieg und ein hochdramatisches Finale lassen das Buch zu einem spannenden Schmöker werden, dem auch ein etwas schwächerer Mittelteil nur bedingt etwas anhaben kann. Leichte Probleme hatte ich eine Weile mit den drei Protagonisten, deren Einzelschicksale zwar sehr detailliert und umfassend beschrieben werden, deren Zusammenspiel aber wirklich erst im letzten Drittel des Romans ersichtlich wird. So kam mir der Text nicht ganz so flüssig und chronologisch sinnvoll vor, die verschiedenen Handlungsstränge hatten zeitweise keinen gemeinsamen Nenner, dies soll mein Hauptkritikpunkt bleiben in einer Story, die mich in ihrer Gesamtheit überzeugen konnte.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen differenzierten, aktuellen, doch zeitlosen Roman über Menschen, die in ihrem Leben falsche Akzente gesetzt haben und in Folge mehrerer Dramen den festen Boden unter den Füßen verlieren. Menschen, die innere Zerrissenheit spüren und der Übermacht ihres geschaffenen Gesellschaftsbildes nicht mehr gerecht werden können. Sehr treffend formuliert, sehr raffiniert geschrieben und mit viel Stoff zum Nachdenken. Empfehlenswert für alle Leser, die sich mit Sachverhalten gedanklich auseinandersetzen und einen Blick hinter die Kulissen des schönen Scheins werfen möchten.

Veröffentlicht am 17.03.2017

Übernachten will ich bei dir!

Unsere Seelen bei Nacht
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„Ich will nur friedlich vor mich hin leben und darauf achten, was Tag für Tag passiert. Und abends herkommen und bei dir schlafen.“

Inhalt

Addie und Louis leben Haus an Haus in einer Kleinstadt in Colorado. ...

„Ich will nur friedlich vor mich hin leben und darauf achten, was Tag für Tag passiert. Und abends herkommen und bei dir schlafen.“

Inhalt

Addie und Louis leben Haus an Haus in einer Kleinstadt in Colorado. Beide sind über 70 und allein, weil die jeweiligen Ehepartner verstorben sind und die Kinder längst aus dem Haus. Addie mag ihren Nachbarn und fragt ihn, ob er bereit wäre sie abends und nachts zu besuchen um gemeinsam mit ihr in einem Bett zu schlafen – natürlich ohne sexuelle Hintergedanken sondern allein deswegen, weil sich so die Einsamkeit der Nacht besser überstehen lässt. Louis findet die Idee nicht schlecht und möchte es zumindest probieren. Schon bald merken die beiden, dass es sich zu zweit auch im Alter viel entspannter lebt und weiten ihre Treffen auch auf den Tag aus. Doch in Holt, rümpft man die Nase und stößt sich am unkonventionellen Verhalten von Addie und Louis. Überall stoßen sie auf Ablehnung und Unverständnis. Als Addies Sohn von seiner Mutter fordert, dass sie den Nachbarn nicht mehr trifft, weil sie sonst ihren geliebten Enkel verliert, muss sie sich entscheiden …

Meinung

Auf 197 Seiten entwirft der mittlerweile verstorbene amerikanische Autor Kent Haruf eine schöne, leichte und stille Geschichte über die Wünsche und Hoffnungen im Alter, auch diejenigen, die eine Liebe, eine tiefe innere Verbundenheit ausdrücken und die Menschen daran erinnern, dass es für Gefühle und Warmherzigkeit niemals zu spät ist. Die beiden Protagonisten wirken sehr lebensecht, tief verwurzelt in ihren Ansichten und wunderbar ausgeglichen. Beide haben etwas für sich entdeckt, was ihnen wieder mehr Lebensfreude und Energie schenkt und sie sehen es nicht ein, sich in ihrem Alter noch Gedanken darüber zu machen, was andere von ihnen denken. Mit dieser Ausgangssituation fängt der Autor den Leser und bietet im Folgenden eine Geschichte mit Höhen und Tiefen, mit guten und schlechten Entscheidungen und zeichnet dabei ein sehr interessantes Bild über die Möglichkeiten, die sich eröffnen, wenn man dem Glück nur ein wenig die Tür öffnet.

Der Schreibstil von Haruf ist sehr einfach, konzentriert sich auf das Wesentliche und vermittelt dadurch für mich zu wenig echte Emotionen. Was mir z.B. gänzlich gefehlt hat war die Selbstreflexion von Addie aber auch von Louis – als Leser kennt man sie mehr aus zweiter Hand, was zwar objektiv richtig ist, mich aber nicht wirklich teilhaben lässt am inneren Prozess der Gefühlsfindung. Dadurch plätschert das Geschehen etwas dahin und die Aussagekraft des Buches bleibt minimal, denn beide gehen einen gemeinsamen Weg, lassen sich aber wieder voneinander abbringen – wohlgemerkt ohne damit glücklich zu sein. Tatsächlich finde ich den Plot der Geschichte besser geeignet für einen Film, als für ein Buch, schon allein weil es dann den Schauspielern obliegt Gefühle zu transferieren.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen naturverbundenen, einfachen und stillen Roman, der wenig braucht um etwas zu vermitteln und der vielleicht auch an die jüngere Generation appelliert, wie sie mit ihren Eltern und Großeltern in der späten zweiten Lebenshälfte umgehen möchte. Ganz klar und deutlich erscheint mir die Aussage, dass jedes Individuum einen anderen Traum von Glück und Zufriedenheit hat und dass es normalerweise niemanden geben dürfte, der Gefühle nur auf Grund gesellschaftlicher Konventionen abwertet oder sogar verbietet. Lesenswert!

Veröffentlicht am 06.03.2017

Schöne neue Heimat auf Zeit

Das geträumte Land
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„Viel zu lange hatte sie gewartet, etwas aus sich zu machen, und jetzt, mit dreiunddreißig, hatte sie alles, oder war kurz davor, alles zu haben, was sie sich je für ihr Leben gewünscht hatte.“

Inhalt

In ...

„Viel zu lange hatte sie gewartet, etwas aus sich zu machen, und jetzt, mit dreiunddreißig, hatte sie alles, oder war kurz davor, alles zu haben, was sie sich je für ihr Leben gewünscht hatte.“

Inhalt

In ihrem Heimatland Kamerun sehen Neni und Jende keine Perspektiven für sich und ihr gemeinsames Leben, ganz anders als in Amerika, in einem Land, in dem jeder die Möglichkeit bekommt, sich zu beweisen und ungeachtet seiner Herkunft oder Abstammung erfolgreich zu sein. Sie sind jung, engagiert und träumen gemeinsam den Traum einer selbstbestimmten, erfolgreichen Zukunft, fernab der Fesseln ihrer Heimat. Jende arbeitet als Chauffeur des erfolgreichen Geschäftsmannes Clark Edwards und Neni drückt die Schulbank, um in nicht allzu ferner Zeit Pharmazie studieren zu können. Doch was vielversprechend und hoffnungsvoll beginnt, wandelt sich bald in ein schlechtes Omen. Die Jongas haben keine Greencard und stehen kurz vor der Ausweisung, die Wirtschaftskrise zwingt Mr. Edwards dazu, seinen Angestellten zu entlassen und das zweite Kind fesselt Neni an ein ungewolltes Hausfrauendasein. Schon bald müssen die beiden erkennen, dass die schöne neue Welt, in der sie sich bereits tief verankert sahen, ihnen immer mehr entgleitet. Als Jende auch noch krank wird, ziehen sie Bilanz und überdenken erstmals ihre Entscheidung…

Meinung

Die kamerunische Autorin Imbolo Mbue vereint in ihrem Roman viele verschiedene Aspekte des Migrantendaseins in einem Land fern der Heimat. Zum einen entwirft sie das Bild einer zunächst glücklichen Ehe, getragen von gemeinsamen Zukunftsplänen und tiefer, echter Liebe zum anderen zeigt sie die Entwurzelung, die der Sprung ins Ungewisse mit sich bringt. Während in der Heimat existentielle Probleme vorherrschen, denen man sich nicht entziehen kann, wenn es an Geld und Status fehlt, bedrohen in der Fremde eher die mangelhaften Rahmenbedingungen das Glück. Und so wandelt sich nicht nur die Bedeutsamkeit der Eheleute füreinander, sondern es treten zunehmend Dissonanzen in ihrer Beziehung auf, die bald mit Abweisung, Sorge und körperlicher Wut einhergehen. Im fremden Land werden auch die Liebenden zu Fremden, weil alle Gewissheiten, die man in der Heimat hat, hier nicht gelten. Allein die klassische Rollenverteilung in einer kamerunischen Ehe wird intensiv und differenziert beleuchtet, das Dilemma zwischen Verantwortung und Fürsorge einerseits und Freiheitsbeschneidung und Abhängigkeit andererseits. Amerika öffnet Türen, die vorher gar nicht da waren.

Auch der zweite Erzählstrang, der sich nahtlos und in Kombination mit dem ersten abwechselt, zeigt eine typisch amerikanische Familie, die zwar genügend Geld und Status besitzt, aber vollkommen die Werte zueinander verloren hat. Eine betrogene Ehefrau, die ihr Unglück in Alkohol und Tablettensucht begräbt, zwei Söhne, die der Familie zumindest teilweise den Rücken kehren und ein Familienoberhaupt, welches nur noch die Karriere vor Augen hat und darüber hinaus keine Freizeitaktivitäten mehr pflegen kann und möchte. Trotz Geld und Ansehen findet man hier Gefühlskälte und Drama. Interessant ist die Verknüpfung der Lebenswege durchaus, obwohl sich auch Längen einschleichen, obwohl man als Leser schnell erkennt, dass es für die Afrikaner in Amerika kein Happy-End geben wird. Und sich durch die Schreibweise dazu berufen fühlt, keine wirkliche Nähe zu den Protagonisten aufzubauen. Sie stehen eher für Rollenbilder, für Menschen ihres Volkes und weniger für sich selbst. Alles wirkt irgendwie verallgemeinernd und man könnte vielleicht die Namen tauschen, die Schicksale und Lebenswege blieben die gleichen.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen vielschichtigen, unterhaltsamen Migrantenroman, der zeigt, dass sich Träume und Wunschvorstellungen in der Realität manchmal als untragbar und enttäuschend herausstellen, der für Ausgewogenheit und menschliche Nähe plädiert und letztlich auch dafür, sein persönliches Glück eher in den Menschen zu suchen und weniger in der äußeren Lebensweise.

Veröffentlicht am 27.02.2017

Die tödliche Prophezeiung von Carcassonne

Secret Fire
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„Wie ich schon sagte, die Finsternis ist in Ihnen. Aber Sie selbst sind nicht dunkel. Tatsächlich wissen wir über diese Wirklichkeit nur wenig. So viel Wissen ist verloren gegangen. Es wird ein äußerst ...

„Wie ich schon sagte, die Finsternis ist in Ihnen. Aber Sie selbst sind nicht dunkel. Tatsächlich wissen wir über diese Wirklichkeit nur wenig. So viel Wissen ist verloren gegangen. Es wird ein äußerst gefährliches Experiment.“

Inhalt

Sacha bleiben nur noch wenige Tage, bis zu seinem 18. Geburtstag und an diesem denkwürdigen Tag soll sich der uralte Fluch seiner Familiendynastie erfüllen, der besagt, dass Sacha sterben muss. Um dies zu verhindern arbeiten Taylor und der Bund der Alchemisten unter Hochdruck an einer Strategie, die die Unabänderlichkeit der Prophezeiung aufheben kann. Doch ihr Gegner, selbst ein abtrünniger Alchemist hat einen dunklen Pakt mit dem Dämon der Finsternis geschlossen und setzt all seine Energie darauf, den Fluch wahr werden zu lassen. Denn erst wenn Sacha tot ist, kann das Böse die menschliche Dimension durchdringen und Zugang zur realen Welt bekommen. Es beginnt ein erbitterter Wettlauf gegen die Zeit, bei dem es nur einen Sieger geben kann …

Meinung

Nachdem bereits der erste Band dieser Dilogie mein Interesse geweckt hatte, musste die Fortsetzung natürlich auch gelesen werden, denn ich wollte doch unbedingt wissen, ob es den beiden jugendlichen Protagonisten gelingt, mit Hilfe der Alchemie ihre mächtigen Gegner auszuschalten. C.J. Daugherty schafft mit der Reihe „Secret Fire“ eine wirklich gelungene Fantasy-Reihe, die in erster Linie spannend, actionreich und magisch daherkommt und bei der die Liebesgeschichte angenehm im Hintergrund bleibt. Klassische Elemente, wie übersinnliche Fähigkeiten, dunkle Kräfte und bedrohliche Vorkommnisse wechseln hier mit spannenden Kampfszenen und halsbrecherischen Stunts. Oft fühlt man sich als Leser wie in einem Film, der nicht nur in die historische Stadt Carcassonne führt, sondern in alte Kathedralen, verlassene Gebäude und andere magische Orte. Alles steuert in diesem Finale auf einen Zweikampf hin, dessen Ausgang bis zur letzten Minute ungewiss bleibt und dessen Gelingen von vielen entscheidenden doch unbekannten Faktoren abhängig zu sein scheint.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diese gelungene Jugend-Fantasy, die mit sympathischen Protagonisten und einem hohen Spannungsfaktor punkten kann. Sehr geeignet auch für junge Leser und interessant für alle, die gerne mal in das Genre hineinschnuppern möchten. Es empfiehlt sich, den ersten Band im Voraus zu lesen, weil man erst dann alle Zusammenhänge logisch erschließen kann und die Vergangenheit der Protagonisten ausreichend kennt.

Veröffentlicht am 27.02.2017

Die Lücke, die bleibt auch wenn sie sich schließt

In jedem Augenblick unseres Lebens
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„Ja, es gilt wohl den Weg fest im Blick zu behalten und nicht in den Graben zu schauen, sagt sie. Ich weiß nicht, im Graben wachsen jedenfalls Blumen, auf dem Weg nicht, antworte ich.“

Inhalt

Das Leben ...

„Ja, es gilt wohl den Weg fest im Blick zu behalten und nicht in den Graben zu schauen, sagt sie. Ich weiß nicht, im Graben wachsen jedenfalls Blumen, auf dem Weg nicht, antworte ich.“

Inhalt

Das Leben von Tom könnte glücklich sein, denn er hält seine neugeborene Tochter im Arm, die trotz ihrer Frühgeburt ein erstaunlich stabiles Wesen ist. Doch für Tom gibt es kein Familienglück am nächsten Tag, denn während er die Tochter mit Milchnahrung füttert, kämpft seine Frau auf einer anderen Krankenstation um ihr Leben, ein Leben, welches sie an eine besonders schwere, akute Form der Leukämie verliert. Fortan ist Tom auf sich allein gestellt, allein mit einem Herz voller ungewisser Gefühle und einem Kopf voll angestauter Trauer. Karin, die Liebe seines Lebens hat ihm zwar einen Teil ihrer selbst geschenkt, doch sie wird nie wieder zurückkehren in ein Familienleben, in eine Partnerschaft, die Tom derzeit noch viel dringender braucht als seine wunderbare Tochter. Nach und nach richtet er sich ein in einem Leben voller Verantwortlichkeiten und schreibt auf, wie es war mit Karin, was er an ihr liebte, was sie ihm bedeutet hat und warum er jeden Augenblick seines Lebens an ihrer Seite so geliebt hat. Er schreibt es nicht nur für sich, nein sondern auch für seine Tochter Livia, die ihre Mutter nie kennenlernen durfte, sich aber ihrer gewiss sein soll.

Meinung

Dieser Roman reiht sich ein in eine Thematik, die mir im Jahr 2017 bisher sehr häufig begegnet ist. Ein weiteres Buch über den Verlust, die Trauer, das Sterben und die Last der Hinterbliebenen. Und doch ist dieser Roman ganz anders als die bisher gelesenen, denn hier handelt es sich in erster Linie um einen Erfahrungsbericht, direkt aus der Feder eines Betroffenen, der literarisch versucht, sein Leben mit der verlorenen Liebe aufzuarbeiten. Und genau aus diesem Grund, fiel es mir stellenweise sehr schwer, weiterzulesen. Bereits im ersten Drittel des Buches brauchte ich mehr Taschentücher als mir lieb war, angesichts dieser tieftraurigen, hoffnungslosen Situation, in der sich der Protagonist befindet. Schwankend zwischen Hoffnung und Ungläubigkeit muss er miterleben, wie seine Zukunft innerhalb weniger Tage zu Staub und Asche zerfällt und er kann diesem Vorgang rein gar nichts entgegensetzen.

Wie gerne würde ich hier 5 Sterne vergeben, doch ein sehr dominanter aber ungewöhnlicher Schreibstil, hat das Lesevergnügen etwas eingetrübt. Es ist nicht nur die eigenwillige Sprache, die Dialoge fortlaufend aneinanderreiht, so dass man sehr genau lesen muss, welche Person gerade spricht und wer nur antwortet. Nein es sind auch willkürliche Zeitsprünge, mal in die jüngste Vergangenheit, dann wieder in die Kennenlernphase des Paares und hinüber in die Zukunft, mit einem munteren Kleinkind. Ebenso unschön fand ich den zusätzlichen Ausflug, in die aktuelle Familienproblematik, in der Toms Vater nach 10 Jahren seinem Krebsleiden erliegt und sie gemeinsam die letzten Stunden auf der Palliativstation verbringen. Mir hätte es deutlich besser gefallen, wenn es einzig um die Beziehung zwischen Tom und Karin gegangen wäre, auch wenn das Schicksal für Tom gleich zweimal in kurzer Folge Trauer und Leid bereithält.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für einen einmaligen Roman, der ganz nah dran ist am Leser und seinen Gefühlen, der mich emotional tief bewegt und für die Befindlichkeiten eines liebenden Menschen sensibilisiert hat. Die autobiografischen Züge haben mir ausgesprochen gut gefallen, selbst wenn nicht einmal die Namen geändert wurden. Gerade das macht dieses Buch aus, seine Authentizität, seine harte, schonungslose Abfolge unglücklicher, schicksalhafter Fügungen, die man als Mensch nicht rational erklären kann, denen man nicht einmal etwas entgegensetzen kann. Hinterfragt wird hier das Warum? Doch beantwortet wird die Frage nicht, weil der Autor selbst und wohl auch kein anderer eine echte Lösung dafür finden kann. Punktabzug nur für die Schreibweise und hin und wieder zerfaserte Gedankengänge, die dem Geschehen ihren Glanz nehmen aber auch verhindern, dass man daran zerbricht. Lesen sollte man dieses Buch zu einer Zeit, in der man ein stabiles Nervenkostüm hat oder Gefühle sehr nah an sich heranlassen möchte – zum Weinen schön!