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Veröffentlicht am 14.02.2021

Eine erfrischende Adaption des grimmschen Märchens

Ensel und Krete
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Inhalt: Ensel und Krete, zwei Fhernhachen-Geschwister, machen mit ihren Eltern im von Buntbären geleiteten Ferienpark "Bauming" Urlaub. Doch der Urlaub ist langweilig. Ensel hat keine Lust mehr, ständig ...

Inhalt: Ensel und Krete, zwei Fhernhachen-Geschwister, machen mit ihren Eltern im von Buntbären geleiteten Ferienpark "Bauming" Urlaub. Doch der Urlaub ist langweilig. Ensel hat keine Lust mehr, ständig Himbeeren zu sammeln. So überredet er kurzerhand seine Schwester Krete, die ausgeschilderten Pfade zu verlassen und sich tiefer in den Großen Wald zu begeben - was strengstens verboten ist. Die beiden verlaufen sich und merken schnell, dass sie nicht die einzigen Wesen im Wald sind.

Persönliche Meinung: "Ensel und Krete" ist der zweite Band des Zamonien-Zyklus von Walter Moers. Wie der kurze Inhaltsteaser und die sprechenden Namen der beiden Hauptfiguren schon andeutet, handelt es sich um eine Neuadaption des grimmschen Märchens "Hänsel und Gretel", an dem sich das Handlungsgerüst von "Ensel und Krete" auch orientiert: Zwei Geschwister verirren sich in einem Wald und treffen dort auf eine (besondere) Hexe. Was "Ensel und Krete" allerdings von "Hänsel und Gretel" unterscheidet, ist, dass die moerschen Figuren auf eine Vielzahl unterschiedlicher zamonischer Wesen (aus Flora und Fauna) treffen. So begegnen sie einem Stollentroll, den Blaubären, einem Laubwolf (ein Hybridwesen aus Wolf und Pflanze) und einer Grasmuräne, die im Grassee lebt. Auch ist die Handlung komplexer als im grimmschen Märchen. Es gibt mehr (potentielle) Gegenspieler und unerartete Wendungen in der moerschen Adaption. Eine Besonderheit von "Ensel und Krete" ist, dass es mit der Autorschaft des Werkes spielt. Moers selbst gibt sich nur als Übersetzer des Märchens, das eigentlich der zamonische Dichterfürst Hildegunst von Mythenmetz geschrieben hat. Am Ende des Werkes findet sich sogar eine kurze (diesmal namentlich von Moers verfasste) Biografie Hildegunsts, sodass hier eine spannende Herausgeberfiktion entsteht. "Ensel und Krete" steht daher weniger in der Tradition der Volksmärchen (wie "Hänsel und Gretel"), sondern eher in der der Kunstmärchen, deren Urheberschaft - im Unterschied zu den Volksmärchen - immer einem Autor zugeschrieben werden kann. Aber Hildegunst begnügt sich nicht damit, als Autor zu fungieren. In Form des von ihm entwickelten Stilmittels der "Mythenmetzschen Abschweifungen" greift er direkt in den Text ein: So unterbricht er mehrmals die Handlung von "Ensel und Krete" und diskutiert in seinen Abschweifungen auf einer Metaebene Literatur (das Schriftstellerleben, der Umgang mit Kritikern, das Spiel mit den Leser*innenerwartungen). Hildegunst ist dabei auch gar nicht bescheiden, sondern teilt ordentlich aus und sieht sich als besten Schriftsteller, den es jemals gegeben hat, wodurch er auch karikatureske Züge annimmt. Besonders aufgrund dieses literarischen Stilmittels und der Herausgeberfiktion um Hildegunst ist "Ensel und Krete" eine interessante und innovative Lektüre.

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Veröffentlicht am 13.01.2021

Hogart ermittelt in Wien

Die Engelsmühle
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Inhalt: Wien. Kurt Hogart, Bruder des Ermittlers Peter Hogart, erhält von seinem alten Freund Abel Ostrovsky einen seltsamen Anruf. Er habe ein Video gefunden, das Kurt schnellstmöglich abholen solle. ...

Inhalt: Wien. Kurt Hogart, Bruder des Ermittlers Peter Hogart, erhält von seinem alten Freund Abel Ostrovsky einen seltsamen Anruf. Er habe ein Video gefunden, das Kurt schnellstmöglich abholen solle. Doch als die beiden Hogarts am nächsten Morgen bei Ostrovksy aufschlagen, wimmelt es dort von Polizisten; Ostrovsky ist ermordet worden. In den Augen der Polizisten ist Kurt dringend tatverdächtig, sodass er in Gewahrsam genommen wird. Seine einzige Hoffnung: Peter und das Video. Doch das Video zeigt eine alltägliche Sequenz, die in keinster Weise auffällig erscheint – zumindest für sich allein betrachtet. Während Peter die Bedeutung des Videos zu ergründen versucht, gehen die Morde in Wien weiter.

Persönliche Meinung: „Die Engelsmühle“ ist der zweite Thriller um den österreichischen Ermittler Peter Hogart. „Die Engelsmühle“ beginnt im Vergleich rasant: Früh kommt es zu einem brutalen Mord, Peter Hogart ist durch die Inhaftnahme seines Bruders unmittelbar und persönlich involviert, zusätzlich dazu spielt (wie auch schon im ersten Band „Die schwarze Dame“) ein Versicherungsfall eine Rolle. Dieser nimmt allerdings nicht so einen breiten Raum wie im ersten Band ein; es wird sich eher auf die Mordfälle konzentriert, wodurch die Handlung insgesamt an Tempo gewinnt. Ein weiterer Unterschied zum ersten Band ist das explizite Auftreten der Familie Hogarts, die in „Die schwarze Dame“ eher angeteasert wurde. Besonders Tatjana, Hogarts Nichte, ist durch ihre erfrischend rotzige Art eine Bereicherung für die Handlung. Sehr gut gelungen ist die Beschreibung der titelgebenden Engelsmühle: Sie liegt einsam in einem knorrigen Wald, macht äußerlich einen verfallenen Eindruck, ist aber bewohnt und urig eingerichtet. Insgesamt umwabert sie eine verwunschene Atmosphäre. Der Fall klug konstruiert. Mir hat besonders gefallen, dass der Inhalt des Videos – für sich und ohne Kontext betrachtet – eigentlich banal ist, keinen Bezug zu einer Straftat aufweist und erst durch den richtigen Blickwinkel ein Mordmotiv ergibt. Zusätzliche Spannung erhält der Thriller dadurch, dass Hogart, immer wenn er fast des Rätsels Lösung gefunden hat, vor einer neuen Sackgassen bzw. Leiche steht: Der Mörder war schneller. Die Aufdeckung der Täterfigur erfolgt mit einem interessanten Twist, allerdings kann dieser leichter erahnt werden als bei „Die schwarze Dame“. Dennoch ist „Die Engelsmühle“ ein solider, spannender und flüssig zu lesender Thriller mit vielen Krimielementen.

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Veröffentlicht am 30.12.2020

Ein spannender Thriller mit einem originellen Modus Operandi

Die schwarze Dame
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Inhalt: Prag. Oktavians 13 Gemälde mit der Thematik „Jesu und seine Aposteln“ sind bei einem Museumsbrand zerstört worden. Eine Versicherungsdetektivin wurde losgeschickt, um den Fall zu prüfen. Doch bevor ...

Inhalt: Prag. Oktavians 13 Gemälde mit der Thematik „Jesu und seine Aposteln“ sind bei einem Museumsbrand zerstört worden. Eine Versicherungsdetektivin wurde losgeschickt, um den Fall zu prüfen. Doch bevor sie ihre Ergebnisse präsentieren kann, verschwindet sie spurlos. Die Versicherung schickt Peter Hogart ins Rennen, mit dem Auftrag, seine Kollegin oder zumindest ihre Unterlagen wieder zurück nach Wien zu bringen. Vor Ort trifft Hogart die Privatdetektivin Ivona, die eine Reihe von Morden untersucht, bei denen den Opfern Hände und Kopf entfernt worden sind. Hogart wittert eine Verbindung.

Persönliche Meinung: „Die schwarze Dame“ beginnt zunächst als (unblutiger) Versicherungsfall. In diesem Part ist Hogart sich früh sicher, den Betrüger ausfindig gemacht zu haben, rennt aber gegen Wände. Da Hogart beginnt, sich im Kreis zu drehen, braucht auch die Handlung etwas, um in die Gänge zu kommen. Dies legt sich aber rasch, als Hogart Verbindungen zwischen seinem Fall und den Verstümmelungsmorden ahnt: Die Handlung gewinnt an Tempo und Spannung. Der Modus Operandi der Morde ist dabei originell und vertrackt. Weil ich hier nicht spoilern möchte, nur so viel: Die verstümmelten Leichname werden auf eine bestimmte Art drapiert und in ganz Prag verteilt, sodass sich ein besonderes Muster ergibt. Was es mit dem Muster auf sich hat, wird nach und nach aufgedeckt, wobei mir die Idee dahinter besonders gut gefallen hat. Beide Ermittlerfiguren (Hogart und Ivona) besitzen eine dunkle Episode in ihrer Vergangenheit, deren Aufdeckung für zusätzliche Spannung sorgt. Die Täterfrage ist bis zum Finale offen und durch einen Twist überraschend. Prag als Handlungsort ist mit seinen vielen Gassen authentisch und detailliert beschrieben, sodass man dem Thriller anmerkt, dass viel Recherchearbeit in ihn hineingeflossen ist. „Die schwarze Dame“ ist ein frühes Werk von Andreas Gruber und nach Angaben des Autors handlungstechnisch weniger komplex als nachfolgende Thriller. Dennoch ist „Die schwarze Dame“ ein spannender Thriller mit einem originellen Modus Operandi und einer atmosphärisch dichten Beschreibung Prags.

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Veröffentlicht am 22.12.2020

Ein schönes Räucherkistchen

Mein Räucherkistchen Raunächte und Winterzeit
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„Mein Räucherkistchen. Räuchern mit traditionellen Ritualpflanzen“ besteht aus einem in die Thematik einführenden Büchlein und einem Kistchen mit 9 unterschiedlichen Räuchermaterialien (Kiefernharz, Fichtennadeln, ...

„Mein Räucherkistchen. Räuchern mit traditionellen Ritualpflanzen“ besteht aus einem in die Thematik einführenden Büchlein und einem Kistchen mit 9 unterschiedlichen Räuchermaterialien (Kiefernharz, Fichtennadeln, Holunderblüten, Mädesüß, Wacholderholz, Zirbenholz und -nadeln, Johanniskraut, Mistel und Beifuß). Das Kistchen ist hochwertig verarbeitet und die einzelnen Materialien in getrennten Fächern einsortiert. Geräuchert habe ich das Räucherwerk mit Holzkohle und es hat sehr gut funktioniert. Das Räucherwerk ist insgesamt vielfältig und führt beim Räuchern zu angenehmen, abwechslungsreichen Gerüchen. Das beigelegte Büchlein ist übersichtlich aufgebaut und mit hochauflösenden Fotos ausgestattet. Im ersten Kapitel „Kleine Räucherkunde“ wird der (spirituelle) Zweck des Räucherns erläutert und zwei Arten des Räucherns vorgestellt (Räuchern mit Holzkohle oder mit Stövchen). Daneben werden Tipps zum Einkauf von Räucherwerk gegeben (am besten ist, man nimmt möglichst naturbelassene Stoffe). Weiterhin wird erklärt, wann das Räucherwerk idealerweise sammeln sollte und wie es aufbewahrt werden sollte. Zuletzt werden Vorschläge gegeben, wie das Mischen von Stoffen gelingen kann. Im zweiten Kapitel „Heimische Kräuter und exotische Harze“ werden 44 unterschiedliche Kräuter und Harze vorgestellt. Es wird dabei erklärt, zu welcher Anwendung sich das jeweilige Kraut/Harz eignet und wo/wann man es sammeln kann. Komplettiert wird das Kapitel durch zwei Tabellen, wann man welchen Bestandteil der jeweiligen Pflanze sammeln kann bzw. wie die Pflanze wirkt.

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Veröffentlicht am 20.12.2020

Eine komplexe Erzählung

Lichternacht
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Inhalt: Am 24. Dezember 2002 treffen sich ein paar Freunde, um eine Hochzeit zu feiern. Während die Gäste auf das Erscheinen der Braut warten, erzählt der Bräutigam eine unglaubliche Geschichte seiner ...

Inhalt: Am 24. Dezember 2002 treffen sich ein paar Freunde, um eine Hochzeit zu feiern. Während die Gäste auf das Erscheinen der Braut warten, erzählt der Bräutigam eine unglaubliche Geschichte seiner Vergangenheit, die keiner von ihnen zuvor gehört hat.

Persönliche Meinung: „Lichternacht“ ist eine Weihnachtsgeschichte von knapp 20 Seiten. Sie besteht strukturell aus einer Rahmenhandlung und einer Binnenerzählung. Die Rahmenhandlung wird aus der Ich-Perspektive eines Gastes erzählt, während die Freunde auf die Braut warten. Die Binnenerzählung wiederum wird aus der Ich-Perspektive des Bräutigams erzählt, spielt allerdings 25 Jahre vor der Rahmenhandlung. Interessant ist dabei, dass sich – wenn auch nur für einen kurzen Moment – beide Erzählebenen zu überlagern scheinen. Die Binnenerzählung spielt – ebenso wie die Rahmenhandlung – zur Weihnachtszeit. Auf die Handlung der Binnenerzählung möchte ich nicht weiter eingehen, da die Spoilergefahr aufgrund der Kürze der Erzählung zu groß ist. Nur so viel: Trotz ihrer Kürze ist die Weihnachtsgeschichte vergleichsweise komplex, literarisch anspruchsvoll und deutungsoffen. Im Anhang des Büchleins findet sich ein Essay von Michaela Kopp-Marx, der ungefähr die gleiche Länge von „Lichternacht“ besitzt. In ihrem Essay interpretiert Kopp-Marx „Lichternacht“ vor dem Hintergrund der Abschieds- und Übergangsthematik, womit sie einzelne, bewusst deutungsoffene Stellen in „Lichternacht“ erklärt. Der Essay hilft insgesamt, „Lichternacht“ besser zu verstehen, allerdings muss man vorsichtig sein, inwiefern der eher deutungsoffene Text mithilfe der Abschieds- und Übergangsthematik zu stark vereinheitlicht wird.

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