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Veröffentlicht am 12.04.2017

Familiengeheimnisse auf griechischen Inselpfaden

Olivensommer
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"Olivensommer" von Isabelle Broom erschien (in Übersetzung vom Englischen in Deutsche von Uta Rupprecht) als TB, broschiert im Diana-Verlag (Verlagsgruppe Randomhouse), 2017.

Schon das dekorativ gestaltete ...

"Olivensommer" von Isabelle Broom erschien (in Übersetzung vom Englischen in Deutsche von Uta Rupprecht) als TB, broschiert im Diana-Verlag (Verlagsgruppe Randomhouse), 2017.

Schon das dekorativ gestaltete Cover deutet darauf hin, wo der Roman verortet sein könnte: Hier ist es Griechenland, genauer gesagt, die Ionische Insel Zakynthos, auf der der Leser auf den Spuren Hollys weilt und die zauberhaft beschrieben wurde:

"Seit dem Tod ihrer Mutter ist Holly Expertin darin, Menschen auf Abstand zu halten. Doch als sie einen unerwarteten Brief ihrer Tante aus Zakynthos erhält, beginnen die Mauern zu bröckeln. Holly reist auf die griechische Insel und versucht, den Spuren ihrer Familie zu folgen - einer Familie, von deren Existenz sie zuvor nichts wusste. Warum hat ihre Mutter nie von ihrer Schwester erzählt? Und was hat es mit der handgezeichneten Karte auf sich, die Holly und ihr Nachbar Aidan in einem alten Haus finden?"
(Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

Holly, Ende zwanzig und mit Rupert, einem ehrgeizigen Banker liiert, sucht für sich den richtigen Lebensweg, als sie unerwartet der Brief ihrer Tante Sandra aus Griechenland erreicht. Sandra, von deren Existenz sie nichts wusste, vererbt Holly ein Haus auf der Insel Zakynthos. Holly reist nach Griechenland, um sich das Haus anzusehen und befindet sich damit bereits auf den Spuren zu ihrer eigenen Geschichte bzw. der ihrer Familie:
Als Kind litt Holly unter dem Alkoholmissbrauch ihrer Mutter, die auch an den Folgen ihres Alkoholismus starb. Wut- und Schamgefühle bestimmen seither ihr Leben mit. Der Brief und die Erbschaft werfen nun Fragen auf: Weshalb hatten sich die beiden Schwestern so zerstritten? Wer ist der leibliche Vater von Holly?

Nach ihrer Ankunft lernt sie den Nachbarn Aidan kennen, der als Tierarzt seit einigen Jahren auf der Insel wohnt. Er bietet ihr an, sie an die Stellen der Insel zu führen, die Holly auf der Karte im Haus der Tante gefunden hat: So folgen beide den Spuren von Jenny und Sandra, als es nach holprigem Beginn der Bekanntschaft anfängt zu knistern....

Es handelt sich um einen Entwicklungs- und Frauenroman, der teils in London und teils in Griechenland, Zakynthos verortet ist: Die Autorin hat es sehr gut verstanden, sowohl Holly als auch ihre aufkeimende Liebe zur Insel in all ihrer inneren Zerrissenheit darzustellen: In London leidet sie unter Schlaflosigkeit, während sie auf der Insel wunderbar schläft; in ihrem Leben in London gibt es einen Job, der sie im Grunde nicht auslastet und einige wenige Freunde. Vor allem aber gibt es einen Freund, Rupert, mit dem sie sich vielleicht eine Zukunft vorstellen könnte - aber ist es der für sie richtige Weg?

Ihr wird klar, dass sie nur auf Zakynthos die Rätsel um ihre Familie lösen kann und hat Unterstützung durch Aidan, der als einziger unter die Schuppen blicken kann, die sie sich hat wachsen lassen - ebenso wie die Schildkröten, die im Meer vor der Insel zu finden sind, pellt sich auch Holly nach und nach aus ihrem Ei und versucht, instinktiv das Richtige zu tun, um ihrem Leben Sinn zu geben und es selbstbestimmt zu führen: Sie tritt die Reise zu sich selbst an und stellt sich ihren Problemen...

Isabelle Broom hat einen flüssig zu lesenden Schreibstil und es ist ihr gelungen, eine Geschichte über Familiengeheimnisse, die eine junge Frau zu lösen hat, auf einer wunderschönen griechischen Insel darzustellen, deren Beschreibungen mich schon fasziniert haben und mich literarisch auf die Inseln zurückzuführen, die ich selbst kenne (Kos, Leros, Korfu z.B.) - Ihr Schreibstil ist authentisch und die Hauptprotagonisten sind realistisch dargestellt; lediglich mit Hollys emotionalen Wirrungen hatte ich nicht so viel anfangen können. Sehr viel hingegen mit ihrer Kreativität und ihrer Entwicklung, die sehr positiv ist - und bei der es gegen Ende des Romans romantisch, ehrlich und auch tragisch zugeht...

Themen dieses Débutromans, den ich im Genre Frauen- und Entwicklungsromane, auch Liebesromane ansiedeln würde, sind vielfältig vorhanden und werden recht schlüssig behandelt; so z.B. Schuldgefühle, Verzeihen, Liebe, Verrat, Familiengeheimnisse, Selbstakzeptanz und die Übernahme von Selbstverantwortung.

Fazit:

"Olivensommer" empfehle ich gerne weiter; besonders LeserInnen, die Frauen- und Liebesromane in Zusammenhang mit Familiengeheimnissen mögen und ein Faible für das wunderschöne Hellas mitbringen - egal ob es die Ionischen Insel, den Dodekanes, den Peleponnes oder sonst eine griechische Region ist: Ich würde es auf jeden Fall mitnehmen als sehr geeigneten Roman für den Urlaub - oder einem literarisch schönen und durchaus lesenswerten Ausflug nach Hellas! Ich vergebe 4 Sterne.

Veröffentlicht am 04.04.2017

Szenen einer (englischen) Ehe

Eine englische Ehe
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"Eine englische Ehe" von Claire Fuller ist ein Débutroman, der (aus dem Englischen Original mit dem Titel "Swimming Lessons" übersetzt von Susanne Höbel) im Piper-Verlag als HC, gebunden mit Lesebändchen, ...

"Eine englische Ehe" von Claire Fuller ist ein Débutroman, der (aus dem Englischen Original mit dem Titel "Swimming Lessons" übersetzt von Susanne Höbel) im Piper-Verlag als HC, gebunden mit Lesebändchen, 2017 erschienen. Das schöne Cover, das sowohl im Original als auch auf Deutsch das Buchäußere ziert, passt sehr gut zu einer Frau, die es liebt, frühmorgens im Meer zu baden...
Der Roman beginnt im Prolog mit einer Szene, in der Gil Coleman, ein Literaturprofessor und angesehener Schriftsteller Anfang 40, seine seit vielen Jahren totgeglaubte Frau Ingrid zu sehen und kurz später verunglückt. Flora, seine jüngste Tochter und Nan, die Ältere, fahren zu ihrem Vater, da er in der nächsten Zeit nicht alleine sein kann....
Ingrid, die Studentin, die sich einst in ihren Professor Gil verliebte und mit ihm eine Liebesbeziehung einging, entgegen der Warnungen einiger Freunde diesen auch heiratete, verschwand spurlos und verließ die Familie, als Flora gerade 10 Jahre alt war. Auffallend ist hier der große Altersunterschied des Ehepaares, wobei Ingrid wusste, bevor sie die Ehe mit ihm einging, dass er als Frauenheld verschrien war. Gil sammelt zeitlebens Bücher wegen der Anmerkungen und Kritzeleien von Lesern oder Fotos, Quittungen etc. die sich oft in Büchern befinden, so ist sein Haus voller Bücher.Während Nan sich mit dem Verlust der Mutter abfindet und in deren Rolle schlüpft, trifft es die jüngere Flora umso heftiger, die sich fortan nach ihrer Mutter sehnt und in deren Kleider schlüpft...
In Rückblicken beschreibt Ingrid in Briefen an Gil, die sie stets (thematisch passend) in seine Bücher steckte und die seine häufige Abwesenheit und ihre Sehnsucht nach ihm bezeugen, die Anfänge ihrer Beziehung. Der zweite Erzählstrang handelt von Flora, die wohl vieles mit der Mutter gemeinsam hat und ebenso gerne frühmorgens im Meer schwimmen geht - die Familie lebt an der englischen Küste, der Strand ist unweit vom Haus. In den Worten Ingrids liegt anfangs eine gewisse Naivität, die ihrem Alter geschuldet ist - sie ist Anfang 20 - und der unschönen Situation, meist mit den Mädchen alleine zu sein, während Gil unter der Behauptung, sich mit Verlagsmitarbeitern zu treffen oder Besprechungen zu haben, seine Bücher betreffend, sie betrügt.
Als Nan, die erste Tochter, zur Welt kommt, wird Ingrid bewusst, dass nun die Idee, mit ihrer Studienfreundin Louise zu reisen und sich die Welt anzusehen, in weite unerreichbare Ferne rückt...
Während Floras Geschichte in der Gegenwart spielt, ihren Freund Richard mit einschließt, der für den erkrankten Vater eine Hilfe sein möchte und die morbiden Familienstrukturen, auch anhand diverser Reaktionen von Flora, erkennt, liest man immer mehr von Ingrids Briefen, die in die (eheliche) Vergangenheit reisen: Mich hat die Tatsache, dass der wesentlich ältere Gil mit einer solch jungen und lebensfrohen Frau eine Familie gründen wollte (für sein eigenes Ego?) und sie dann nicht nur alleine lässt, sondern auch betrügt, sehr an diesem Protagonisten geärgert: Seine Selbstsucht und auch die Verantwortungslosigkeit für beide Töchter sind anhand seines beschriebenen Verhaltens sehr ersichtlich; während er seine Familie kurzerhand an der Küste "parkt", vergnügt er sich gerne in London und führt im Grunde sein voriges Leben weiter, während Ingrid die Freiheit gesucht hatte und in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau gefangen war. Die einzige Freiheit findet sie beim allmorgendlichen Schwimmen im Meer, wo sie bis zur Boje schwimmt und - zurück.
Während gegen Ende des Romans die Emotionen hochschlagen, wird das neue Buch von Gil ein Erfolg - den er im Grunde seiner Frau Ingrid zu verdanken hat. Es folgt eine weitere Kränkung Ingrids...
Der Stil von Claire Fuller hat mir sehr imponiert und auch gefallen; sie erzählt in sensibler Sprache und eher leisen Tönen vom Schicksal einer jungen Frau, die in ein Leben "geschubst" wurde, das sie im Grunde gar nicht wollte. Statt einem eintönigen und verantwortungsvollen Eheleben wollte sie die Welt bereisen, Abenteuer erleben - und eigene Wünsche und Vorstellungen erfüllen. Diese tragische Entwicklung und das Schwimmen als Ausgleich und Ingrids Ausdruck von Lebensfreude und Freiheit durchziehen den gesamten Roman. Die Figur des Gil war mir sehr unsympathisch, da ich ihn selbstsüchtig, untreu und durch stete Abwesenheit glänzend beschrieben fand. Für Ingrid hätte ich mir ein Leben gewünscht, das nach ihren Vorstellungen hätte verlaufen können. Das Trauma , in diesem Falle die elementare Erfahrung des Verlusts der Mutter, kommt durch Flora sehr gut zum Tragen.
Andere Themen des Romans sind auch Verrat, Betrug, Verzweiflung, aber auch Freundschaft, die bei Jonathan sowohl zu Gil als auch zu Ingrid zutage tritt. Leider bleibt bis zum Ende unklar, ob Ingrid noch am Leben ist - oder dieses vielleicht selbst beendet hat. Ich habe da meine eigene Theorie...

Fazit:

Ein ernsthafter, durchaus lesenswerter und sehr sensibel geschriebener Roman über den verhinderten Lebensentwurf einer jungen Frau; tragisch, teils von Melancholie begleitet, dessen englischen Titel ich hier noch passender fand. Ich vergebe gerne 4 Sterne und eine Leseempfehlung für Leser von Beziehungsromanen, die zum Nachdenken anregen.

Veröffentlicht am 01.03.2017

Botschaften auf dem Weg zu mehr Achtsamkeit....

Die Verseflüsterin
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"Die Verseflüsterin" von Nicolas Fougerousse, aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Liebl, ist im Libra-Verlag (HC, gebunden) 2017 erschienen. Das Cover dieses mit ca. 220 Seiten nicht allzu umfangreiches ...

"Die Verseflüsterin" von Nicolas Fougerousse, aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Liebl, ist im Libra-Verlag (HC, gebunden) 2017 erschienen. Das Cover dieses mit ca. 220 Seiten nicht allzu umfangreiches Büchleins ist sehr ansprechend und symbolisiert mit dem fliegenden Blatt, einer "Botschaft" auf einem hellblauen wolkenverhangenen Himmel eine gewisse Leichtigkeit, die schnell mein Interesse wecken konnte.

Marcus, verheiratet mit Isabelle, führt in Paris als IT-Manager ein durchgetacktetes Berufs- und Privatleben, Isabelle ist der Bücherwelt sehr zugetan und arbeitet in einer Bibliothek. Eines Morgens findet Marcus einen Zettel auf seiner Windschutzscheibe, auf dem "Höre auf deine Gefühle" steht.
Nach einer mysteriösen Begegnung mit einem Fremden, Angelo, lässt sich Marcus auf ein Experiment ein: Angelo erklärt Marcus, wie man Bilder visualisieren kann; es geht darum, dass es nicht viel braucht, um ein realistisches Ziel erreichen zu können: Selbstvertrauen, an sich glauben, klare Zielvorstellungen, denen man sich Schritt für Schritt nähern kann. In den Dialogen finden sich immer wieder interessante Sätze, die teils philosophisch, aber auch psychologisiert für mich klingen.

Marcus weiß nicht, von wem diese Botschaft und die folgende - die er als E-Mail erhält, bekommen hat, jedoch haben die Botschaften einen Einfluss auf sein Leben, das sich nun ändert. Auch Isabelle fällt diese Veränderung 'angenehm' auf: Die beiden Männer, Marcus und Angelo, treffen sich wieder und zweiter beteuert, dass er mit der Versendung der Botschaften nichts zu tun hat, sich jedoch über deren positiven Auswirkungen sehr freut; ein freundschaftliches Verhältnis hat sich entwickelt. Marcus erlernt mit Yoga eine Technik, "stets im Hier und Jetzt" zu sein, was ihm als Entspannungstechnik in unserer stressigen Zeit sehr gut tut und ihm ein neues, besseres Körpergefühl gibt. Auch das Thema "Zeit haben" hat mir sehr gut gefallen, da so mancher durch sein eigenes Leben hetzt - oder sich hetzen lässt:

So wäre es besser, "nicht unserem Leben mehr Stunden oder Jahre zu geben, sondern unseren Stunden und Jahren mehr Leben zu verleihen" (Zitat S. 87/88). Gemeint ist die Intensität des Erlebens: "Was dem Leben Tiefe gibt, sind unsere Gefühle". (S. 88)

Weitere Themen sind Kommunikation, Sexualität, Bewusstsein, Atem, die allesamt in kleine Geschichten verpackt sind, die sehr anschaulich vermittelt werden und auch in Romanform überzeugen können.
Der Roman ist in Teil I bis III gegliedert; der dritte Teil beginnt mit Briefen von Sarah, die sie niemals abschickte und dem Roman über lange Strecken einen geheimnisvollen Anteil bis zur Auflösung geben, auch lernt man Sarah, die Mutter von Marcus, besser kennen.
Die Vergangenheit von Angelo war etwas bruchstückhaft, mir war bis zum Schluss nicht ganz klar, was man als Leser von ihm halten sollte; meine anfängliche Sympathie konnte sich nicht bis zum Schluss halten. Daran änderte sich auch nichts durch die Pilgerreisen von Angelo, die ihn zu sich selbst führen sollten. Mit den Themen zum Romanende konnte ich hingegen sehr wohl etwas anfangen: Schuld, Reue, Vergebung und Tod - aber auch: Liebe und Abschied. Ein letzter "Vers", ein Dankeswort des Autors, eine Playlist der Musik, die an der Entstehung des Romans beteiligt war und Angaben "Zur Vertiefung" runden das in klaren, quellfrischem Sprachstil gehaltene kleine Buch "auf dem Wege zur Achtsamkeit" sehr gut ab.

Für mich ist das Thema Achtsamkeit nicht neu; ich las einige Bücher darüber (wie auch über die verwandte Resilienz) und besuchte Seminare; die Herangehensweise von Nicolas Fougerousse, der einige dieser Themen in eine berührende Romanhandlung verpackte, finde ich recht gelungen; das Leseinteresse war von Beginn bis zur letzten Seite bei mir vorhanden.

Fazit:

Ein berührender Roman mit philosophischen und psychologischen Anteilen über einen Weg hin zur Achtsamkeit und Selbstfürsorge, die unterhaltsam zu lesen ist und aus der man vieles lernen kann. Eine Leseempfehlung besonders für Menschen, denen es schwerfällt, aus ihrem Hamsterrad auszusteigen und literarisch (sowie persönlich) zu entschleunigen.

Veröffentlicht am 12.02.2017

Amrum und die 'Angeschwemmten'.....

Die Namenlosen von Amrum
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"Die Namenlosen von Amrum" (ein Insel-Krimi) von Jürgen Rath erschien als TB im Sutton-Verlag, Erfurt 2015 und ist der 2. Fall für Steffen Stephan, seines Zeichens Archivar und hier im speziellen Friedhofsforscher, ...

"Die Namenlosen von Amrum" (ein Insel-Krimi) von Jürgen Rath erschien als TB im Sutton-Verlag, Erfurt 2015 und ist der 2. Fall für Steffen Stephan, seines Zeichens Archivar und hier im speziellen Friedhofsforscher, der 1964 auf Amrum nach Antworten auf die "Gräber der Namenlosen" sucht, da ihm sein Chef die Aufgabe gibt, mit einer neuen Idee aufzuwarten und er um seinen Arbeitsplatz bangen muss... Zur Seite gestellt wird ihm Lilianne, eine Studentin der Literaturwissenschaft, die lernen möchte, wie man recherchiert, um später Journalistin zu werden.

Beide stoßen auf eher feindseliges Verhalten der Inselbewohner, die es gar nicht schätzen, wenn Leute vom Festland allzu neugierige Fragen stellen. Das letzte Begräbnis war 1959, als eine unbekannte Frau tot auf Amrum angespült wurde....
Kennt man die Insel, ist die atmosphärische Beschreibung der Orte (Wittdün, Nebel, Norddorf, Steenodde) umso schöner; eine Prise Humor ist auch hier und da zu finden, während die Aussagen, wie die Geschlechter aufeinander reagieren, für heutige Verhältnisse recht antiquiert erscheinen, jedoch chronologisch in die 60er Jahre passen...

Mit den eingeschobenen Rückblicken auf ein Schiff und dessen Mannschaft, das 1954 auslief, kommt auch die Spannung in Fahrt: Man hat das Gefühl, dass Jürgen Rath weiß, wovon er schreibt - und Kapitän ja eine seiner Professionen ist: Der Stil ist eher gemächlich, ruhig - und in gut lesbarer klarer Sprache gehalten; der Insel-Krimi ist in 5 Teile aufgesplittet; die von Amrum, Hamburg, Büsum, wieder Amrum bis nach Sylt reichen - sich also allesamt an der deutschen Nordsee befinden. Da ich alle Orte persönlich kenne, erhöht das die Lesefreude dieses Amrum-Krimis um ein Vielfaches...
Steffen und Lilianne ermitteln sich von Hamburg aus durch Ämter und Kirchen, Archive und Bibliotheken, als Steffen von Margarete (die auf Amrum lebt und in die er sich allem Anschein nach etwas verliebte...) erfährt, dass es keine gute Idee wäre, nochmals nach Amrum zu kommen, da "einige Leute" gar nicht gut auf ihn zu sprechen sind...

Interessante Details finden sich in der Arbeit der Archivare - oder auch der technischen Entwicklung der Kopierer, die in den 60er Jahren erstmals in deutschen Archiven, aus den USA stammend, verwendet wurden.
In der Zeit des "Eisernen Vorhangs" spart Jürgen Rath auch nicht mit politischen Äußerungen, dass die BRD für die DDR die 'faschistische Republik' war und (für Steffen) die DDR 'eine Diktatur, die ihr Volk einsperrt'; eine nicht unwahre Betrachtungsweise, wie ich finde, die ja noch bis 1989 andauern sollte. Diese Fakten machen den Krimi, der eher ruhig daherkommt, zeitgeschichtlich interessant; z.B. auch die Erwähnung des legendären STAR-CLUBS in Hamburg, in dem die Beatles in den 60ern ihre Karriere begannen...

Steffen und Lilianne finden heraus, dass es eine "Unstimmigkeit" eines Grabes auf dem Friedhof der Angeschwemmten auf Amrum gibt und beschließen, nochmals hinzufahren, um den Dingen auf den Grund zu gehen: Der 2. Inselbesuch gestaltet sich noch gefährlicher, da Steffen und Lilianne zu einer 'persona non grata' wurden. Wem können sie noch vertrauen, wem besser nicht? Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt....

Zwei Epiloge schließen sich diesem historisch interessanten und gut recherchierten Krimi an sowie ein Anhang der tatsächlichen Gräber der Namenlosen von Amrum. Der Plot ist stimmig, die Spannung nimmt im letzten Teil zu: Die Professionen des Autors (Kapitän und Historiker) sind zusammen mit einem klaren Schreibstil im Inselkrimi gut 'ablesbar'.

Fazit:
Ein eher ruhiger, aber dennoch recht spannender, gut recherchierter Insel-Krimi mit einem recht sympathischen, aufgeweckten Archivar als Ermittler, der für mich seinen besonderen Reiz aus der Zeit ableitet, in der er angesiedelt ist: Die 1960er Jahre .... Einige Schmunzler, auch mal ein Kopfschütteln konnte mir auch das etwas angestaubte, antiquierte Geschlechterverhältnis dieser Zeit entlocken, das jedoch authentisch dargestellt und beschrieben ist. Die Buchhinweise am Krimiende machen neugierig auf mehr von Jürgen Rath und den anderen Autoren dieser Krimi-Reihe! Eine Leseempfehlung für Krimifans, die eher ruhigere, gut durchdachte und recherchierte Kriminalromane bevorzugen und ein Faible für die "sweet 60ies" haben ;) Von mir bekommt der Insel-Krimi 4 * und 85° auf der Krimi-Couch.

Veröffentlicht am 11.02.2017

'Simple' kochen - aber das mit der besonderen Note Diana Henry's!

Simple
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Das Kochbuch "Simple" Kleiner Aufwand, grandioser Geschmack von Diana Henry erschien in der 1. Auflage Januar 2017 im ars vivendi-Verlag: Das Cover mit Bratpfanne auf hölzernem Hintergrund ist haptisch ...

Das Kochbuch "Simple" Kleiner Aufwand, grandioser Geschmack von Diana Henry erschien in der 1. Auflage Januar 2017 im ars vivendi-Verlag: Das Cover mit Bratpfanne auf hölzernem Hintergrund ist haptisch und wirkt (ebenso wie das Gewicht des Buchs) rustikal und bodenständig sowie ansprechend für Kochbuchfans.

Die Inhaltsangabe am Buchanfang mit einem Vorwort der Autorin wie der einzelnen Rubriken (über Eier, Salate, Toast zu Gemüse, Pasta, Fisch, Ofengerichte, Fleisch und Hähnchen bis hin zu fruchtigen tollen Desserts und Süßspeisen) gibt einen guten Überblick und lässt einen die einzelnen Rezeptideen und Gerichte, die man nachkochen möchte, sehr gut finden. Ein Leitfaden zum Einkauf, Rezepthinweise und ein Register am Ende des Buchs runden die gute Überschaubarkeit positiv ab.

Im Vorwort erklärt die Autorin, weshalb sie dieses Buch schrieb (und auch schöne Fotografien beinhaltet, die von der Autorin selbst gemacht wurden, wie es mir scheint - ich konnte jedenfalls keine Angabe über eine/n Fotografen/in finden). Nach ihrem ersten Kochbuch (Look Simple 2004) versuchte sie sich, da sie Mutter geworden war, an guten Rezeptideen, die sehr schmackhaft sind einerseits, andererseits aber kein großes Kochwissen und vor allem keine langen Zubereitungszeiten erfordern. Dieser ansatz ist ihr in der Umsetzung vieler Rezeptideen hier gut gelungen.

Allerdings sind es teils Rezepte, die auch Kräuter oder Gewürze benötigen, die aus der indischen, afrikanischen Küche z.B. stammen und die nicht jeder zwangsläufig zu Hause im Vorrat hat (z.B. Cumin, Harrissa, Koriandergrün); für viele Rezepte benötigt man jedoch Zutaten, die man wirklich überall im Handel bekommt. Die einzelnen Kapitel sind ausgewogen und vielfältig, die Fotos auf den Rezeptseiten sehr gelungen, motivierend zum Nachbereiten und einige Fotos sind sehr ästhetisch mit künstlerischer Note (besonders das Foto zum Rezept Cous-cous mit Blüten gefiel mir sehr). Auch ist für jeden Geschmack sicher etwas dabei; sowohl für Vegetarier als auch für Leute, die auf den Verzehr von Fleisch nicht verzichten möchten.

Fazit:

Ein optisch und inhaltlich sehr ansprechendes Kochbuch für Leute, die raffiniertere (und dennoch einfach zuzubereitende) Gerichte - auch internationaler Art - sehr mögen. Mit einer 'Prise Humor' versehen, sind die Rezeptideen und Hinweise der Autorin eine persönliche Einladung und ein guter Wegweiser zum Nachkochen! Von mir gibt es 4* und 89° auf der Kochbuch-Couch.