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Veröffentlicht am 22.02.2021

Mystery-Roman um geheimnisvolle Riten, Geheimbunde und Okkultismus mit so vielen Details, dass die Spannung etwas auf der Strecke bleibt

Das Geheimnis der Themse
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Die ehemalige Gouvernante Charlotte und der Journalist und Theaterkritiker Thomas Ashdown sind seit zwei Jahren glücklich verheiratet, Nachwuchs wollte sich bislang jedoch nicht einstellen. Beide machen ...

Die ehemalige Gouvernante Charlotte und der Journalist und Theaterkritiker Thomas Ashdown sind seit zwei Jahren glücklich verheiratet, Nachwuchs wollte sich bislang jedoch nicht einstellen. Beide machen sich Sorgen über ihre ungeklärte Kinderlosigkeit, insbesondere da Charlotte von der Londoner Gesellschaft auf den fehlenden Familienzuwachs angesprochen wird. Beide schaffen es nicht, sich offen darüber auszutauschen, auch wenn sie selbst bereits unabhängig voneinander Ärzte konsultiert haben.
Als Tom ein Buchprojekt angeboten wird, zieht er Charlotte zu Rate, wodurch sich die beiden wieder näher kommen. Tom soll einen "magischen Atlas" Londons entwerfen und Orte erforschen, die einen mystischen Hintergrund haben. Bei seinen Recherchen trifft Tom auf Alfie, einen Waisenjungen, der sich als Strandsucher verdingt und vor Kurzem an einem der magischen Orte am Ufer der Themse die Leiche einer jungen Frau aus gehobenen Kreisen, Julia Danby, gefunden hat. Die Polizei geht von einem Unglücksfall aus und ermittelt nicht weiter, aber Tom ist neugierig geworden und stößt im Zuge seiner Buchrecherche auf Okkultismus, Geheimgesellschaften und die wiederkehrende magische Anziehungskraft der Themse, während seine Frau Charlotte der Herkunft einer an der Themse gefundenen alten Silbermünze nachgeht, die auch sie in die Welt der Mythologie und zur Mutter der toten jungen Frau führt. Sowohl Charlotte als auch Tom gelangen zu der Überzeugung, dass der Tod von Julia mit den Mythen um die Themse in einem Zusammenhang stehen muss.

"Das Geheimnis der Themse" ist ein Mystery-Roman, der im Jahr 1894 in London handelt. Er ist die Fortsetzung von "Der verbotene Fluss", der 1890 handelt, als sich Charlotte und Tom kennenlernten. Der Roman liest sich flüssig, auch wenn man die Vorgeschichte von Charlotte und Tom nicht kennt.
Das Buch dreht sich einerseits um die unglückliche private Situation von Charlotte und Tom und ihre Kinderlosigkeit, andererseits um den ungeklärten Todesfall und die Recherchen im Rahmen des Buchprojekts.

Charlotte und Tom führen für die damalige Zeit Ende des 19. Jahrhunderts eine moderne Ehe, schaffen es aber nicht, sich einander zu öffnen und über ihre Sorgen bezüglich ihrer Kinderlosigkeit zu sprechen. Der Roman tritt hinsichtlich dieser Thematik zu Beginn etwas ermüdend auf der Stelle, auch wenn das heikle Thema nie eine Gefahr für ihre Liebe und Zuneigung darstellt.
Interessanter ist dagegen der Leichenfund und die Verbindungen der jungen Frau in Richtung Okkultismus und altägyptischer Mythologie - Themen, denen Charlotte und Tom bei ihren Recherchen zum Atlas der magischen Orte begegnen, wobei auch immer wieder der "heilige Fluss", die Themse, eine wichtige Rolle einnimmt. Die magische Anziehungskraft der Themse und die Symbolik des Flusses, der als Grenze zwischen Leben und Tod steht, wird durch rätselhaften Riten in Szene gesetzt.
Schade fand ich, dass Charlotte und Tom sich unabhängig voneinander auf die Suche begeben und keine gemeinschaftlichen Erkundigungen anstellen. Auch hätte ich gerne noch mehr Informationen zu den mystischen Schauplätzen Londons erhalten, um eine bildhafte Vorstellung von den alten Gebäuden und Wahrzeichen zu bekommen. Als sich immer Parallelen zwischen den Recherchen zum Buch und dem Tod von Julia Danby ergeben, sind es viele günstige Umstände und zufällige Begegnungen von Menschen, die die Wege von Charlotte und Tom kreuzen, die ihre Neugier, den Tod der jungen Frau aufzuklären, weiter verstärken.
Insbesondere bei den Nachforschungen von Charlotte werden viele Details zu geheimnisvollen Mythen, Riten und Götterglaube erklärt, was in der Tiefe nicht notwendig ist und dem Roman seine Spannung nimmt. Die Erklärung, wie letztlich alles zusammenhängt und was das Geheimnis der Themse ist, kommt dagegen - wie der arg konstruierte Showdown am Ende - etwas kurz.
Aufgrund der Mystik, die London zu der Zeit umgab, hatte ich mir einen etwas atmosphärischer geschilderten Roman erhofft. Ich vermisste ein Gefühl für den Zeitgeist und eine lebendige Vorstellung des alten Londons. Statt den Fokus gerade am Anfang so sehr auf die Kinderlosigkeit zu legen, hätte die Autorin meiner Meinung einen stärkeren Fokus auf die Kultur und der Lebenswirklichkeit legen können. In Ansätzen - bei den signifikanten Unterschieden zwischen Arm und Reich, den wohlhabenden Stadtteilen und den Arbeitervierteln, der zunehmenden Industrialisierung und der Sehnsucht der Menschen nach Sicherheit und die damit einhergehende Zuwendung zu dem Übersinnlichen - ist ihr das auch gut gelungen.

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Veröffentlicht am 20.02.2021

Das Überleben im Warschauer Ghetto mit eine Heldin, die mehr Glück als Verstand hat.

28 Tage lang
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1942 lebt die 16-jährige Jüdin Mira im Warschauer Ghetto und schmuggelt Lebensmittel, um sich, ihre Mutter und ihre jüngere Schwester Hannah zu ernähren. Ihr Vater hat sich vor der Deportation das Leben ...

1942 lebt die 16-jährige Jüdin Mira im Warschauer Ghetto und schmuggelt Lebensmittel, um sich, ihre Mutter und ihre jüngere Schwester Hannah zu ernähren. Ihr Vater hat sich vor der Deportation das Leben genommen, ihr Bruder Simon arbeitet bei der Judenpolizei. Beide empfindet sie als Verräter.
Als sich die Lage im Warschauer Ghetto zuspitzt und die Deutschen beginnen, die jüdische Bevölkerung weiter in den Osten "umzusiedeln", schließt sich Mira, die vor lauter Hoffnungslosigkeit empfindet, nichts mehr zu verlieren zu haben, der jüdischen Widerstandsorganisation ŻOB an.

"28 Tage lang" wird aus der Perspektive der 16-jährigen Mira geschildert, die einerseits mutig, aber andererseits auch kopflos und naiv agiert. Schon während ihrer Schmuggeltätigkeit bringt sie sich laufend in Gefahr, hat jedoch immer wieder aufs Neue Glück, nicht von der SS erwischt zu werden. Auch ihre Träume von Liebe und Tanzen und einer Sehnsucht nach New York wirken kindlich. Das Buch würde ich deshalb eher als Jugendbuch einordnen, als einen Roman.
Aufgrund der eindringlichen Thematik und der wirklich erschütternden Schilderungen über Hunger, Leid, Angst und Gewalt ist es jedoch auch für Erwachsene ein relevantes Buch über den Holocaust und #GegendasVergessen.
Mir war der Roman zu wenig bildhaft geschrieben, das jüdische Ghetto wurde für mich nicht lebendig und vorstellbar, auch die Charaktere wirkten blutleer. Die Geschichte verliert sich häufig in der Gedankenwelt von Mira. Auch wenn man das als Flucht vor der schrecklichen Realität nachvollziehen kann, hatte die Geschichte damit, gerade bis zum Anschluss Miras an den Widerstand, immer wieder ihre Längen.
Phasenweise vermittelte der Roman zudem eine sehr einseitige Botschaft hinsichtlich der Frage von Anstand und Moral. Man erhielt die Vorstellung, dass nur der unbedingte Kampf gegen die herrschenden Zustände und die Gefährdung des eigenen Lebens als integer galt.

Dagegen fehlte mir ein Gefühl für die Atmosphäre im Warschauer Ghetto, da die Schilderungen des Alltags arg an der Oberfläche blieben. Die junge Mira, die mehr Glück als Verstand hat, konnte mich als Heldin nur bedingt überzeugen, taugt jedoch als Identifikationsfigur für jugendliche Leser*innen.

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Veröffentlicht am 31.01.2021

Justizkrimi, der spektakulär beginnt, die Spannung jedoch nicht aufrecht erhalten kann. Das Plädoyer am Ende ist dann jedoch wieder gelungen

Die siebte Zeugin
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Der Familienvater und Verwaltungsbeamte Nikolas Nölting schießt an einem Sonntagmorgen im Januar in einer Berliner Bäckerei um sich, tötet dabei einen Menschen und verletzt zwei weitere. Anschließend lässt ...

Der Familienvater und Verwaltungsbeamte Nikolas Nölting schießt an einem Sonntagmorgen im Januar in einer Berliner Bäckerei um sich, tötet dabei einen Menschen und verletzt zwei weitere. Anschließend lässt er sich widerstandslos festnehmen. Seine Frau engagiert den Berliner Rechtsanwalt Rocco Eberhardt für ihn, doch Nölting schweigt beharrlich. Seine Motivation erscheint völlig unklar. Eberhardts Ehrgeiz ist gepackt, er möchte hinter das Motiv kommen und wissen, was Nölting dazu veranlasst hat, eine solche Tat zu begehen und damit nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Familie zu zerstören.
Als der Prozess im Sommer beginnt, holt sich Eberhardt Hilfe von seinem besten Freund, dem Privatdetektiv Tobias Baumann. Dieser sticht auch schon bald in ein Wespentest und legt sich mit der Berliner Unterwelt an.

Die Geschichte beginnt direkt mit einem Paukenschlag, der Schussabgabe von Nölting in der Berliner Bäckerei. Ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung wird eingeleitet, der Fall erscheint klar. Nölting ist schuldig. Für die Polizei und Staatsanwaltschaft ist die Motivation nicht von Belang, jedoch aber für Rechtsanwalt Eberhardt, der das Beste für seinen Mandanten herausschlagen möchte. Er ist auf der Suche nach einem Rechtfertigungsgrund, der sich strafmildernd auswirken könnte.

Solange die Motivation unklar ist, sind die Recherchen von Eberhardt, die er mit Unterstützung des Privatermittlers Baumann initiiert, spannend. Ab der Hälfte des Romans ist jedoch bekannt, was Nölting zu dieser Tat bewegt hat, auch wenn sich erst sukzessive das gesamte Ausmaß aus Korruption und Organisierter Kriminalität ergibt. Das Suchen und Finden entlastender Zeugen und vor allem die Ausschnitte aus dem libanesischen Familienclan fand ich langweilig und wurde meinem Empfinden nach viel zu sehr in den Fokus gerückt. Erst das Schlussplädoyer, das das ganze Können von Eberhardt bewies und zeigte, dass dieser Fall nicht nur aufgrund der Faktenlage zu lösen war, war wiederum interessant und ein gekonnter Abschluss des Romans.

"Die siebte Zeugin" ist ein Justiz-Krimi, der fast ausschließlich aus der Perspektive des Rechtsanwalts Eberhardt geschildert ist. Es ist der Auftakt einer Reihe um ihn und den Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer, der in diesem Fall jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Für die Lösung des Falls ist seine Expertise nicht wirklich relevant, was ich schade fand. Mit der Ankündigung der Reihe hatte ich mir eine engere Zusammenarbeit von Rechtsanwalt und Rechtsmediziner gewünscht.
Der Fall beginnt spektakulär, kann die Spannung allerdings nicht aufrechterhalten. Die Schilderung der Zusammenhänge was hinter Nöltings Tat stand, fand ich im Vergleich zu der Verzweiflungstat ernüchternd langweilig. Das Ende, das zeigte, dass kein Fall nur Schwarz-Weiß ist, sondern auch Grauschattierungen hat, die sich in diesem Fall nicht auf die Frage der Schuld, sondern auf das Strafmaß auswirkte, fand ich allerdings gelungen.
Auch der Hinweis auf einen neuen Fall, der sich im persönlichen Umfeld von Eberhardt abspielt, macht neugierig auf Band 2 der Reihe.

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Veröffentlicht am 28.01.2021

Mit #Metoo und der Frage nach sozialer Gerechtigkeit geht es um wichtige Themen, allerdings etwas ermüdend revolvierend umgesetzt

Das Privileg
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Annie Stoddard kommt mit Hilfe eines Stipendiums an die renommierte Südstaaten-Universität Carter. An ihrer Highschool war sie ein eher schüchternes und zurückhaltendes Mädchen, insbesondere weil sie sich ...

Annie Stoddard kommt mit Hilfe eines Stipendiums an die renommierte Südstaaten-Universität Carter. An ihrer Highschool war sie ein eher schüchternes und zurückhaltendes Mädchen, insbesondere weil sie sich für ihren Körper geschämt hat, der nach einem Unfall insbesondere an den Beinen durch Brandnarben gezeichnet war. Diese konnte sie mit einer Laserbehandlung reduzieren und blüht am Campus auf. Bei ihrer ersten Party ist sie so betrunken, dass sie sich am Morgen danach an nichts erinnern kann, wurde aber offenbar Opfer eines sexuellen Übergriffs.
Bea Powers studiert Jura in Carter und hat das Gefühl sich aufgrund ihrer Hautfarbe - sie ist die Tochter einer farbigen Mutter und eines weißen Vaters - immer wieder beweisen zu müssen. Neues Selbstbewusstsein findet sie als Schauspielerin eines Improvisationstheaters, wo sie großen Anklang findet.
Stayja York macht eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und arbeitet als Kellnerin im Campus-Café in Carter. Ihre Mutter ist krank und kann nicht arbeiten, weshalb Stayja sich um den Lebensunterhalt der beiden kümmert und deshalb kaum Zeit für ihre Ausbildung findet. Sie leidet darunter "arm" zu sein, insbesondere da sie tagtäglich mit den privilegierten Studenten zu tun hat.
Die Wege der drei jungen Frauen kreuzen sich durch den Studenten Tyler Brand. Stayja hat sich in ihn verguckt, Annie bezichtigt ihn der Vergewaltigung und Bea steht ihm als studentische Beraterin zur Seite.

"Das Privileg" wird abwechselnd aus den Perspektiven von Annie, Bea und Stayja erzählt, wobei sie keine Gemeinsamkeiten haben und sich nur vom Sehen kennen. Die Vorstellung der Charaktere und wie die drei auf unterschiedliche Art und Weise Tyler kennenlernen, ist interessant zu lesen. Auch die sexuellen Übergriffe auf Annie und ihr Kampf um Gerechtigkeit gehen nahe, auch wenn man als Leser nicht genau einschätzen kann, wie sich insbesondere die zweite Situation darstellte, die aus der Sicht von Annie und von Tyler rückblickend erzählt wird und sich unterschiedlich erweist.
Trotz der unmittelbaren Einsichten in ihre Lebenswelten, bleiben die drei Frauen unnahbar und distanziert. Ihre unterschiedliche Herkunft und Diversität der Charaktere ist jedoch gut herausgestellt, während Tyler das Klischee eines reichen weißen Studenten vertritt, der aufgrund seiner einflussreichen Familie Sonderrechte genießt, was etwas plump und wenig nuanciert wirkte.
Als der Fall des sexuellen Übergriffs - unabhängig davon ob zufriedenstellend oder nicht - abgeschlossen ist, dreht sich die Handlung weiterhin darum, ohne wesentlich Neues zu bieten. Das fand ich etwas ermüdend zu lesen.
Mit #Metoo und der Frage nach sozialer Gerechtigkeit greift die Autorin wichtige Themen auf und gerade die sexuellen Übergriffe werden objektiv von allen Seiten beleuchtet, was die Handlung authentisch macht. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Autorin nach zwei Dritteln des Romans den roten Faden verloren hat und etwas überambitioniert das zu lasche Urteil für den Täter und die mangelnde Würdigung des Opfers zerredete.

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Veröffentlicht am 11.01.2021

Weniger Krimi als vielmehr ein Porträt einer Nachbarschaft und eine gesellschaftskritische Geschichte über Gewalt an Schulen- nur am Ende spannend

An einem Tag im November
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An einem Samstag im November büxt die fünfjährige Emilie aus und verschwindet spurlos. Die Eltern melden sie erst Stunden später bei der Polizei als vermisst. Sie hatten zunächst auf eigene Faust nach ...

An einem Samstag im November büxt die fünfjährige Emilie aus und verschwindet spurlos. Die Eltern melden sie erst Stunden später bei der Polizei als vermisst. Sie hatten zunächst auf eigene Faust nach ihr gesucht.
Für Kommissar Klinkhammer, der vor Jahren in einem Vermisstenfall Fehler gemacht hat, ist es ein persönliches Anliegen, die Fünfjährige zu finden, bevor es zu spät ist. Er hat einen Verdächtigen im Visier, doch handfeste Beweise kann er nicht vorlegen. Nur allmählich wird ihm bewusst, was seit Monaten in der sonst so idyllischen Nachbarschaft vor sich geht, welche Faktoren die Tragödie hervorgerufen haben.

Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir einen spannenden Kriminalfall um ein verschwundenes kleines Mädchen erwartet. Der Roman entwickelte sich jedoch ganz anders als gedacht. Der Start war schwierig, was nicht nur der ungeheuren Vielzahl an Personen geschuldet war, mit der man schon zu Beginn konfrontiert wird. Eigenartig ist vor allem der Schreibstil, der eher berichtend und wenig lebendig ist und viel zu sehr ins Detail geht. Gerade am Anfang werden so viele Nebensächlichkeiten von Haupt- und Nebencharakteren erwähnt, dass zunächst kein roter Faden zu erkennen ist. Auch der Wechsel zwischen verschiedenen Zeitebenen, die nur wenige Monate auseinanderliegen, Protagonisten und Handlungssträngen trägt zur Verwirrung bei. Den Roman empfand ich deshalb lange als arg zäh, langweilte mich aufgrund der Fülle an Details zu Erzählungen über Durchfallerkrankungen, Einkäufen bei KIK und MäcGeiz oder persönlichen Befindlichkeiten, die nur eine sehr untergeordnete Rolle für die Handlung spielten.
Bei so vielen Nebensächlichkeiten und Randaspekten tritt das Schicksal und die Sorge um das verschwundene Mädchen deutlich in den Hintergrund. Der Roman liest sich über weite Teile wie eine Dokumentation über eine bürgerliche Gesellschaft und eine gewalttätige Schülergang, vor der kapituliert wird.

"An einem Tag im November" ist weniger Krimi als vielmehr ein Porträt einer Nachbarschaft und eine gesellschaftskritische Geschichte über Gewalt an Schulen, mangelnde Integration, Parallelgesellschaften, die Rolle der Frau und die schwierige Balance zwischen Familie und Beruf.
Für einen wirklich spannenden Kriminalroman hätte man die Handlung auf die Hälfte der Seiten reduzieren können. Erst spät entwickelte sich eine Dynamik des Falles, während der sich die vielen kleinen Puzzlestücke zusammenfügten. Nur die letzten Seiten konnten durch überraschende Wendungen für Spannung sorgen.

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