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Veröffentlicht am 14.03.2021

Eine berührende Reise ins Polen der 1980er

Im Wasser sind wir schwerelos
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Als Ludwik am Ende seines Studiums für einige Wochen zu einem Ernteeinsatz aufs Land fährt, begegnet er dort Janusz und ist sofort wie verzaubert. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich zu einem anderen ...

Als Ludwik am Ende seines Studiums für einige Wochen zu einem Ernteeinsatz aufs Land fährt, begegnet er dort Janusz und ist sofort wie verzaubert. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich zu einem anderen Jungen hingezogen fühlt, und als sich der Ernteeinsatz dem Ende zuneigt, beschließt er, im Anschluss mit Janusz gemeinsam für eine Weile wandern zu gehen.

Die Gefühle, die sich zwischen den beiden jungen Männern entwickeln sind tiefer, als Ludwik zu hoffen gewagt hatte; und dennoch kann er sie nie in vollen Zügen ausleben, denn Homosexualität ist im Polen der frühen 1980er Jahre alles andere als gerne gesehen. Auch die politische Lage zu jener Zeit stellt Janusz und Ludwik vor eine harte Probe - denn während Janusz sich vollkommen in das System voller Ungerechtigkeiten einzufügen vermag, ist für Ludwik klar, dass der einzige Ausweg in der Flucht in den Westen besteht.

Erzählt wird die Geschichte Ludwiks und Januszs Jahre später, als Ludwik sich im selbstgewählten Exil in den USA befindet. Die Tragik der Beziehung der beiden ist von Anfang an offensichtlich, und dennoch (oder gerade deshalb?) kann man gar nicht anders, als mit Ludwik mitzuhoffen und mitzutrauern. Die Zeit des Umbruchs, in die er hineingeboren wurde, wäre auch ohne seine Homosexualität schon alles andere als einfach; und dass er einen Jungen liebt, hebt das Maß seiner inneren Zerissenheit noch auf eine viel höhere Ebene. Denn es ist klar, dass die Beziehung der beiden geheim bleiben muss, vor der Öffentlichkeit und auch vor gemeinsamen Freunden.

Die Atmosphäre des Romans hat mich bereits auf den ersten Seiten überwältigt; die Tragik und der Schmerz Ludwiks sind sehr eingängig und nachvollziehbar beschrieben. Man kann sich gut hineinfühlen in seine Lage, in seine schmerzliche, zum Scheitern verurteilte Liebe und in seinen Wunsch, nicht länger in die engen Grenzen eines kommunistischen Systems, das für große Teile der Bevölkerung nur sehr schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen bereithält, hineingezwängt zu werden.

Ludwik hat mir als Protagonist sehr gut gefallen und nimmt den Leser schnell für sich ein. Auch den Schreibstil mochte ich sehr gerne. Insgesamt ein Buch, das mir sicher noch eine Weile im Gedächtnis bleiben wird und das ich sehr gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 26.02.2021

Der Sommer einer Jugend

Hard Land
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Sam hat über den Sommer einen Job im Kino angenommen. Er ist 15 Jahre alt, eher der ruhige Außenseiter und möchte für einige Wochen den Sorgen entkommen, die zuhause auf ihn warten, denn seine Mutter ist ...

Sam hat über den Sommer einen Job im Kino angenommen. Er ist 15 Jahre alt, eher der ruhige Außenseiter und möchte für einige Wochen den Sorgen entkommen, die zuhause auf ihn warten, denn seine Mutter ist schwerkrank. Und in diesem einen Sommer 1985 wird alles anders, als es zuvor je war. Bald schon freundet er sich mit seinen etwas älteren Arbeitskollegen an und verliebt sich zum ersten Mal. Sam macht in diesem Sommer viele wertvolle Erfahrungen und entdeckt die Welt um sich herum ganz neu, er bekommt die Chance endlich ein fast normales Teenager-Leben zu führen und wird dabei gleichzeitig ein Stück erwachsener.

Mein erstes Buch von Benedict Wells hat mich gleich auf den ersten Seiten in seinen Bann gezogen. Sam als Protagonist war mir sehr nahe, ich konnte mich stets gut in ihn hineinfühlen und finde zudem, dass er im Laufe des Buches eine großartige Entwicklung durchmacht. Auch die anderen Figuren, besonders Sams Arbeitskollegen, aber auch beispielsweise sein Vater sind alle sehr individuell skizziert und schön und authentisch ausgearbeitet.

Die Atmosphäre des Buches hat mir sehr gut gefallen, dieses Gefühl eines vergangenen Jahrzehnts, das da beim Lesen aufkommt, wird sehr greifbar.

Das Buch lässt sich toll lesen, der Schreibstil schwankt ebenso wie Sams Gefühlleben zwischen euphorisch und melancholisch. "Euphancholisch" eben.

Fazit: Eine wunderschöne, überzeugende Coming-of-Age-Geschichte mit sehr schöner Atmosphäre. Sicher nicht mein letzter Wells!

Veröffentlicht am 15.02.2021

Ein berührender Abschluss

Abhängigkeit
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Endlich scheint Toves Traum wahr zu werden - endlich hat sie eine Möglichkeit gefunden, ihre Gedichte regelmäßig zu veröffentlichen. Doch schon bald stellt sie fest, dass die Ehe mit Viggo F., dem Herausgeber ...

Endlich scheint Toves Traum wahr zu werden - endlich hat sie eine Möglichkeit gefunden, ihre Gedichte regelmäßig zu veröffentlichen. Doch schon bald stellt sie fest, dass die Ehe mit Viggo F., dem Herausgeber des Wilden Weizens, sie stark einschränkt. Sie fürchtet den Moment, in dem ihr Mann von der Arbeit nach Hause kommt, müde und schlecht gelaunt und so anders als all die jungen Männer um sie herum. Erneut fühlt sie sich allein, ausgegrenzt von dem Leben, das alle anderen, die sie kennt, führen, und ist unglücklich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihrer Ehe entfliehen muss.

Bald schon lernt Tove einen anderen Mann kennen, der ihr einen Neuanfang ermöglicht, doch noch immer fühlt sie sich nicht vollständig angekommen. Das einzige, worin sie vollkommen aufgehen kann, ist das Schreiben, obwohl sie im jungen Erwachsenenalter viele Freunde findet und auch eine kleine Familie gründet.

Später gerät Tove jedoch wieder an die falchen Menschen, und um dem Druck des Lebens standhalten zu können, schlittert sie nach und nach hinein in eine Abhängigkeit, die alles andere zu verschlingen droht.

Bereits die Vorgängerbände haben mir wirklich sehr gut gefallen, der Abschluss der Trilogie stellt in meinen Augen jedoch nochmal eine enorme Steigerung dar. Nach wie vor haben wir eine unglaublich sympathische Protagonistin, die für ihren Wunsch, Dichterin zu werden, kämpft, und dabei aus festen Rollenbildern und den Erwartungen anderer auszubrechen versucht. Sie wächst über sich selbst hinaus und ist erfolgreich, und doch findet sie nie vollständige Erfüllung. Leider führt ihr Weg sie nach und nach tief hinein in die Abhängigkeit, erst von einzelnen Männern, dann von Medikamenten. Diese Phase, die erst im zweiten Teil des Buches beschrieben wird, ist sehr eindrücklich beschrieben und sehr erschreckend, da man die Protagonistin mittlerweile wirklich liebgewonnen hat und mit jeder Seite mehr um sie bangt.

Ich habe die Geschichte von Tove sehr gerne gelesen und kann die komplette Trilogie jedem empfehlen!

Veröffentlicht am 13.02.2021

Klare Leseempfehlung

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung führt ein Leben, das für Frauen in Südkorea typisch ist. Schon sehr früh bekommt sie die ungleiche Behandlung von Jungen und Mädchen zu spüren, wenn sie sich mal wieder mit ihrer Schwester ...

Kim Jiyoung führt ein Leben, das für Frauen in Südkorea typisch ist. Schon sehr früh bekommt sie die ungleiche Behandlung von Jungen und Mädchen zu spüren, wenn sie sich mal wieder mit ihrer Schwester etwas teilen muss, während der jüngere Bruder bevorzugt behandelt wird. Auch in der Schule sind es stets die Mädchen, die einstecken müssen. Was in der Kindheit begonnen hat, setzt sich im Erwachsenenalter fort: Trotz sehr guter Studienabschlüsse und höherer Qualifikationen sind es zumeist Männer, die für Jobs infrage kommen, einzige Begründung: Die Frau fällt aus, sobald sie ein Kind bekommt. Enormer Leistungsdruck, Ungerechtigkeiten und Demütigungen bis hin zu ausgeprägtem Sexismus sind am Arbeitsplatz die Regel, doch bleibt den Frauen kaum eine andere Wahl, als dies zu ertragen, denn die Chance, überhaupt irgendeinen Job zu ergattern, ist gering. So ist es kein Wunder, dass Jiyoung eines Tages aufgrund dieser extremen psychischen Belastung eine Persönlichkeitsstörung zu entwicklen beginnt, die sie zu einem Psychater führt. Aus dessen Sicht erhalten wir einen Einblick in das bisherige Leben Jiyoungs.

An ihrem Beispiel wird in eher nüchterner Sprache das typische Leben einer Südkoreanerin nachgezeichnet, das geprägt ist von der Notwendigkeit, immer das Allerbeste und im Idealfall noch mehr zu geben, und der Erfahrung, dass selbst dies meist nicht ausreicht. Von der Erkenntnis, dass Männern immer mehr zuzustehen scheint und sie das auch ganz genau wissen, und dass die Frau kaum Aufstiegsmöglichkeiten hat - entweder gilt sie dafür als nicht schlau genug, oder sie ist im Gegenteil so schlau, dass sie einem gefährlich werden könnte und daher kleingehalten werden muss.

Ich finde den Schreibstil sehr passend für dieses Buch, er ist nicht emotional, sondern eher sachlich gehalten und lässt das, was er beschreibt, für sich sprechen. Das ist vollkommen ausreichend, denn es sind teilweise wirklich erschreckende Fakten, die hier angeführt werden. Wie wenig Frauen in manchen Kulturen heutzutage noch immer wert sind und was das bedeutet, wird während des Lesens mit jeder Seite deutlicher.

Ein sehr wichtiges Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann!

Veröffentlicht am 16.01.2021

Ein gelungener Abschluss

Bildvagabunden
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"Feuerpalast" ist der vierte und letzte Teil der Bildvagabunden-Reihe. Darin reisen Caro und Ryu mithilfe von Wandersteinen durch spezielle Bilder in die jeweils darauf abgebildete Welt. Nachdem ihnen ...

"Feuerpalast" ist der vierte und letzte Teil der Bildvagabunden-Reihe. Darin reisen Caro und Ryu mithilfe von Wandersteinen durch spezielle Bilder in die jeweils darauf abgebildete Welt. Nachdem ihnen im vorherigen Band nur knapp die Flucht aus dem Dämmerreich gelungen ist, befinden sie sich nun tatsächlich in Abkindha - der Welt, in der sie die Gilde der Bildvagabunden anzutreffen hoffen, um mit deren Unterstützung endlich einen Weg zurück auf die Erde und in den Mamorpalast zu finden. Tatsächlich werden die beiden in der neuen Welt überraschend freundlich in Empfang genommen, denn Bildvagabunden sind hier im Gegensatz zu allen bisherigen Welten ein akzeptierter Bestandteil der Gesellschaft. Sogar der Tanios, der Herrscher Abkindhas, möchte Caro und Ryu persönlich kennenlernen. Doch steckt dahinter wirklich bloß das Interesse an Geschichten aus fremden Welten, oder hat der Tanios es auf etwas anderes abgesehen?

Auch Banor, ein Mavrosryk, der Caro und Ryu eigentlich im Dämmerrreich gefangennehmen wollte, ist wohlbehalten in Abkindha angelangt - gegen seinen Willen allerdings, denn er wusste bisher nichts von den Bilderreisen. Kein Wunder also, dass er Caro und Ryu nicht auf ihrem Weg zur Gilde begleiten, sondern sich zunächst ins Hinterland begeben möchte. Dabei trifft er auf Rebellen, die gute Gründe haben, den aktuellen Tanios zu stürzen. Als Krieger und Feind der vom Tanios unterstützten Bildvagabunden schließt Banor sich ihnen kurzerhand an.

Die Handlung knüpft nahtlos an die von Band 3 an, während des Lesens kommen aber schnell nach und nach alle Erinnerungen zurück, sodass das kein Problem darstellt. Es gibt wieder zwei Handlungsstränge. Den von Caro & Ryu, der zunächst hauptächlich in der Stadt bzw. der Gilde spielt, wo die beiden in der Bibliothek das Wissen über die Welten aktualisieren, die sie bereist haben; und den um Banor, welcher sich den Rebellen angeschlossen hat. Beide Handlungsstränge sind spannend geschrieben, und gerade durch Banor als Protagonist kommt eine interessante zweite Perspektive mit in die Geschichte hinein.

Mag man zunächst noch denken, dass die Weiterreise hier kein großes Problem werden sollte - immerhin müssen sich die Bildvagabunden nicht versteckt halten und bekommen sogar offizielle Unterstützung - wird bald deutlich, dass es so einfach dann doch nicht werden soll. Denn schnell wird klar, dass der Tanios insbesondere Ryus Fähigkeiten für sich nutzen möchte, um das Aufbegehren der Rebellen im Keim zu ersticken, bevor es ihm gefährlich werden kann. Das bringt Caro und Ryu in eine Zwickmühle, wollen sie doch eigentlich nichts anderes, als einfach nur schnellstmöglich nach Hause zurückzukehren. Und erst recht wollen sie nicht in einen Krieg mit hineingezogen werden.

Die Spannung ist also von Anfang an da und wird auch bis ganz zum Schluss aufrechterhalten. Es gibt einige überraschende Wendungen und Entwicklungen, und auch Abkindha ist als Welt durch ihre individuelle Gestaltung wieder gut von den vorherigen unterscheidbar, sodass es auch in diesem Punkt nicht langweilig wird. Zusätzlich gibt es mehrere Nebenfiguren, von denen eine eine ganz besondere Rolle einnimmt und sehr interessant gestaltet ist.

Insgesamt hat mir hat auch dieser letzte Ausflug in die Bilderwelten wieder sehr gut gefallen! "Feuerpalast" ist ein schöner Abschluss dieser spannenden Reihe, die mir beim Lesen große Freude bereitet hat und mich am Ende zufrieden zurücklässt. Und ich werde ab jetzt definitiv ein Auge auf verdächtig wirkende Bilderrahmen haben, man weiß ja nie!