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Veröffentlicht am 29.01.2021

Eine junge Frau auf der Suche nach ihren Wurzeln und sich selbst

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Hannah ist 27 und arbeitet in Berlin an ihrer Dissertation in Germanistik. Mit ihrem Doktorvater beginnt sie eine Affäre, zuvor hatte sie immer wieder One Night Stands, aber keine ernsthafte Beziehung. ...

Hannah ist 27 und arbeitet in Berlin an ihrer Dissertation in Germanistik. Mit ihrem Doktorvater beginnt sie eine Affäre, zuvor hatte sie immer wieder One Night Stands, aber keine ernsthafte Beziehung. Ihre recht alternative Mutter ist vor einiger Zeit an Krebs gestorben, aber ihre mittlerweile 95-jährige, geistig noch sehr fitte Oma Evelyn besucht sie einmal wöchentlich in deren Seniorenresidenz. So bekommt sie mit, dass die alte Dame einen Brief aus Israel bekommen hat, in dem steht dass diese die nächste Verwandte jüdischer Vorfahren ist und daher potentielle Erbin derer im Dritten Reich geraubten Kunstgegenstände, sollte diese, unter anderem eben das Bild der "Jungen Frau am Fenster stehend, blaues Kleid" wieder auftauchen. Hannah erfährt so zum ersten Mal von den jüdischen Verwandten ihrer Großmutter, deren leibliche Mutter Senta im Berlin der 20er Jahre einen jüdischen Verleger geheiratet hatte.

Auf einer zweiten Zeitebene erfährt der Leser mehr über Senta, wie sie zunächst unglücklich mit einem Militärpiloten verheiratet ist, den sie wegen der ungewollten Schwangerschaft mit Evelyn heiraten musste, obwohl es ihr großer Traum war, mit ihrer besten Freundin nach Berlin zu gehen. Diesen Traum erfüllt sie sich schließlich doch und lässt Evelyn bei deren Tante väterlicherseits zurück, wodurch das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter für immer angeknackst ist.

Hannah findet nun nach und nach mehr über die Geschichte von Senta heraus, was nicht so leicht ist, weil Evelyn nicht gerne über sie spricht. Dabei findet sie auch langsam zu sich selbst und merkt, was ihr wichtig ist.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen, Hannah als Protagonistin ist mir sehr sympathisch und ich fand es interessant, mit ihr immer mehr über die Geschichte ihre Urgroßmutter Senta und der jungen Evelyn und deren Leben vor und während der Zeit des Nationalsozialismus und auch danach zu erfahren. Durch die verschiedenen Zeitebenen blieb die Geschichte lange spannend. Der Schreibstil der Autorin ist sehr anschaulich und gut verständlich.

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Veröffentlicht am 16.01.2021

Die Champagnerwitwe kämpft um ihr Erbe

Madame Clicquot und das Glück der Champagne
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Auch wenn ich nicht gerade ein Fan von prickelndem Schaumwein bin, interessiere ich mich für die Geschichte bedeutender Champagner- und Weingüter und die Techniken der Herstellung. Die Champagnermarke ...

Auch wenn ich nicht gerade ein Fan von prickelndem Schaumwein bin, interessiere ich mich für die Geschichte bedeutender Champagner- und Weingüter und die Techniken der Herstellung. Die Champagnermarke Veuve Clicquot war mir auch bevor ich Susanne Popps Roman gelesen habe, ein Begriff. Allerdings habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass "Veuve" Witwe bedeutet, sondern bin immer davon ausgegangen, dass Veuve Clicquot einfach ein Doppelname ist.

Nachdem ich den Roman gelesen habe, finde ich es sehr passend, dass der Champagner so heißt und der Witwe Clicquot so quasi ein Denkmal dafür gesetzt wurde, dass sie sich nach dem frühen Tod ihres Mannes so für die Rettung des Familienunternehmens eingesetzt hat und auch immer wieder offen für Innovationen war, die ihren Champagner verbessert und zu dem gemacht haben, was er heute noch ist. Die Frau und ihre Geschichte haben mich auf jeden Fall sehr beeindruckt, wie sie sich durchsetzt, obwohl es damals noch sehr unüblich war, dass Frauen ein Unternehmen führen und auch die Rahmenbedingungen ansonsten, zum Beispiel aufgrund von Kriegen, nicht die besten waren. Dafür gibt sie privat viel auf, da sie weiß, dass sie das Erbe ihres Mannes nur so fortführen kann, wenn sie Witwe bleibt. Nichtsdestotrotz ist sie aber keine harte Geschäftsfrau, die der Firma alles unterordnet, sondern lässt auch Gefühle zu und zeigt immer wieder ein weiches Herz. Ich fand es definitiv sehr interessant, mehr über die Geschichte der Witwe Clicquot, die damalige Zeit und natürlich auch die Feinheiten der Champagnerherstellung zu erfahren. Der Schreibstil der Autorin ist sehr anschaulich und gut lesbar, sie nimmt einen quasi mit in die Champagne vor etwa 200 Jahren. Ich empfehle das Buch gerne weiter!

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Veröffentlicht am 15.01.2021

Angenehm unkitschiges Pferdebuch

Socke und Sophie – Pferdesprache leicht gemacht
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Juli Zeh kennt man eigentlich eher als Verfasserin von gesellschaftskritischen Romanen für Erwachsene, mit denen sie schon oft die Bestsellerlisten anführte und ganz nebenbei ist sie auch noch Verfassungsrichterin. ...

Juli Zeh kennt man eigentlich eher als Verfasserin von gesellschaftskritischen Romanen für Erwachsene, mit denen sie schon oft die Bestsellerlisten anführte und ganz nebenbei ist sie auch noch Verfassungsrichterin. Sie liebt aber auch Pferde, ihre Familie besitzt mehrere, und hat bereits für Erwachsene die "Gebrauchsanweisung für Pferde" verfasst. Nun folgt mit "Socke und Sophie" eine Mischung aus Romanhandlung und Wissensvermittlung über Pferde, die sich an junge, pferdeinteressierte Leser:innen ab dem Grundschulalter richtet.
Unterstützung erhielt sie dabei vom Illustrator Flix, der die Geschichte mit sehr ansprechenden Bildern auflockert, die sogar in Farbe abgedruckt wurden.

Protagonistin Sophie (12) hätte sehr gerne ein eigenes Pferd, weiß aber auch, dass der Unterhalt eines solchen Tieres sehr teuer ist und ihre Familie sich das nicht leisten kann. Doch dann ergibt sich die Gelegenheit, dass sie das Pony Socke in Pflege nehmen darf, was sie zunächst sehr freut. Doch, da Socke misshandelt wurde, gelingt es ihm nicht mehr so leicht, Menschen zu vertrauen und Sophie bekommt einfach keinen Zugang zu ihm, was auch zu gefährlichen Situationen führt. Außerdem besteht so die Gefahr, dass Socke nicht auf dem Michaelis-Hof bleiben darf. Daher muss Sophie dringend Pferdesprache lernen, um endlich verstehen zu können, was Socke stört.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Sophie und Socke erzählt, sodass man als Leser:in einen guten Eindruck davon bekommt, wie beide sich jeweils fühlen und welche Missverständnisse auftreten. Der Schreibstil ist der jungen Zielgruppe angepasst, gut verständlich, teilweise umgangssprachlich, aber auch nicht so sehr, dass es übertrieben wirkt. Natürlich spielt auch Fachwissen zu Pferden eine nicht unwichtige Rolle. Dieses wird nicht in langen Abhandlungen im Roman mit untergebracht, sondern solche Begriffe sind farbig hervorgehoben und wer mehr zu diesem Thema wissen will, kann im "Lexikon" am Ende des Buches recht ausführliche Informationen dazu erhalten. Besonders gefällt mir auch, dass der Roman keine falschen, romantischen Vorstellungen bei den jungen Leser:innen weckt, wie es ist, sich um ein Pferd zu kümmern, sondern ungeschönt zeigt, dass nicht immer alles unkompliziert läuft. Ich empfehle das Buch daher sehr gerne an alle pferdeinteressierten junge Leser:innen weiter.

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Veröffentlicht am 14.01.2021

Ein Beamter auf Abwegen

Die siebte Zeugin
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Nikolas Nölting, ein in Berlin lebender Beamter im Baureferat einer brandenburgischen Kleinstadt, tickt an einem Sonntagmorgen in einer Bäckerei in Charlottenburg völlig aus und erschießt einen Mann und ...

Nikolas Nölting, ein in Berlin lebender Beamter im Baureferat einer brandenburgischen Kleinstadt, tickt an einem Sonntagmorgen in einer Bäckerei in Charlottenburg völlig aus und erschießt einen Mann und verletzt zwei weitere. Zum Motiv will er sich nicht äußern, seine Frau engagiert aber Rocco Eberhardt als seinen Strafverteidiger, der nichts unversucht lässt, trotz des Schweigens seines Mandanten Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei erhält er Unterstützung durch seinen besten Freund Tobias, einem ehemaligen Polizisten, der mittlerweile als Privatdetektiv arbeitet und den Gerichtsmediziner Dr. Justus Jarmer. Gleichzeitig ist diese eigenmächtige Ermittlung aber nicht ganz ungefährlich für Rocco Eberhardt und alle, die ihm nahe stehen.

Der Aufbau des Krimis, der mit der Tat beginnt und anschließend im Rahmen der Gerichtsverhandlung und den Geschehnissen parallel zur Verhandlung langsam mehr Details offenbart, trägt auf jeden Fall zur Spannung bei. Die Schauplätze wechseln dabei recht häufig und lange bleibt unklar, was Nikolas Nölting zu seiner Tat motiviert hat und wer in welcher Weise involviert ist. Schließlich endet der Krimi noch mit einem Cliffhanger, der schon einmal ordentlich Neugier auf den folgenden Fall von Rocco Eberhardt und Dr. Justus Jarmer weckt. Der Gerichtsmediziner spielt in diesem Fall aber eher eine Nebenrolle, in weiteren Fällen ist er dann hoffentlich noch präsenter, weil es mehr auf sein Knowhow ankommt. Der Schreibstil des Autorenduos war gut lesbar und anschaulich mit einer ausgewogenen Mischung aus Fachsprache und gut verständlicher Alltagssprache. Es handelt sich hierbei auch um keinen besonders gruseligen oder "blutigen" Krimi, sonderm im Vordergrund stehen ganz klar die Beweggründe des Angeklagten und die Ermittlungen dazu. Die Protagonisten sind mir sympathisch und ich freue mich schon auf ihren nächsten Fall.

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Veröffentlicht am 04.01.2021

Trümmerliteratur im Jahr 2020

Trümmermädchen
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Der Titel "Trümmermädchen" in Verbindung mit dem Cover lässt erahnen, dass der Roman im Deutschland, genauer im Köln, der Kriegs- und Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges spielt. Einer Zeit, in der es ...

Der Titel "Trümmermädchen" in Verbindung mit dem Cover lässt erahnen, dass der Roman im Deutschland, genauer im Köln, der Kriegs- und Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges spielt. Einer Zeit, in der es sehr viel Tod, Leid, Hunger und Ungerechtigkeit gab, aber auch eine Zeit, in der es besonders auf die Frauen ankam, die unter schlimmen Bedingungen sich und ihre Kinder durchbringen mussten.
Marie landet kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges mit einem Baby namens Anna, das sie als Tochter ihrer verstorbenen Schwester ausgibt, in Köln, wo sie zunächst von einer jüdischen Familie als Haushaltshilfe aufgenommen wird und später dann den Bäcker Matthias, der seinen Laden im Erdgeschoss hat, heiratet. Dieser wird dann aber trotz seines wichtigen Berufes noch einberufen und Marie, Anna und Maries Sohn, der in Abwesenheit des Vaters geboren wird, müssen alleine zurecht kommen. Das ist im mehr und mehr zerbombten Köln nicht einfach, sowohl Wohnraum als auch Nahrungsmittel sind knapp. Aber vor allem Anna lernt schnell Verantwortung zu übernehmen und auch Marie tut alles für ihre Familie und gibt die Hoffnung, dass ihr Mann lebend zurückkehrt, nicht auf.
Ich fand es sehr interessant, durch das Buch mehr darüber zu erfahren, wie hart und entbehrungsreich das Leben auch nach Kriegsende noch war und mit welchen Widrigkeiten sich die Menschen herumschlagen mussten. Besonders Anna und ihr kleiner Bruder sind mir beim Lesen ans Herz gewachsen und ich habe mit ihnen gelitten und mich für sie über kleine Erfolge gefreut. Der Schreibstil der Autorin war anschaulich und und gut lesbar.

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