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Veröffentlicht am 20.02.2021

Die innere Ruhe

Señor Herreras blühende Intuition
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Der Schriftsteller Leo Renz reist nach Andalusien, um in einem entlegenen Kloster zu entspannen. Seine Ärztin hat empfohlen, er solle seinen Ruhepuls senken. Deshalb hat Renz einen Ort gewählt, an dem ...

Der Schriftsteller Leo Renz reist nach Andalusien, um in einem entlegenen Kloster zu entspannen. Seine Ärztin hat empfohlen, er solle seinen Ruhepuls senken. Deshalb hat Renz einen Ort gewählt, an dem nichts passiert. Nur mit dem Essen des klösterlichen Kochs hat er Probleme. Herrera war zwar auf der Hotelschule, aber das Kochen hat er sich selbst beigebracht. Überrascht ist Leo Renz allerdings, als Herrera berichtet, mit der einen Nonne könne etwas nicht stimmen, sie lebe einfach zu freiheitlich in diesem Trappistinnen-Kloster. Vielleicht sei sie gar keine Nonne, sondern eine Frau, die sich vor irgendwelchen Verbrechern in Sicherheit gebracht habe.

Wer würde im Februar nicht gerne vom Sommer in Andalusien lesen. Und welcher Leser würde nicht gerne ein wenig in den Schaffensprozess hinein schnuppern. Leo Renz wirkt etwas kauzig und sein Bedürfnis nach Ruhe ist eigentlich schnell befriedigt. Jedenfalls helfen Yoga und Entspannung nicht bei der Normalisierung der Pulsfrequenz. Sein Interesse wird jedoch durch die Andeutungen des Kochs geweckt, die seltsame Ähnlichkeiten mit Leos neuem Romanprojekt aufweisen. Sollte sich diese junge Nonne tatsächlich im Kloster verstecken? Leo Renz muss dem Geheimnis einfach auf die Spur kommen. Sein Roman soll aber bestimmt kein Krimi werden.

Der Autor versteht es wahrlich besondere Werke hervorzubringen. Er stellt seine Protagonisten in fremde oder auch befremdliche Situationen und macht was draus. Der Autor, der auf die Äußerungen des Kochs anspringt und mit angeregter Phantasie nicht nur am Plot für seinen Roman feilt, sondern auch versucht die vermeintliche Nonne zu beschützen. Dazu das Zirpen der Zikaden. Man fühlt sich beim Lesen in Urlaubsstimmung versetzt, ist aber gleichzeitig angeregt, das Wechselspiel von Erfindung und Wahrheit mitzumachen, wobei sich immer wieder Neuigkeiten ergeben, die auch neue Schlüsse zulassen. Natürlich hält der Autor dabei so einige Überraschungen bereit. Ein sehr vergnügliches Buch, über eine Reise, die so stattgefunden haben könnte oder auch nicht.

Veröffentlicht am 14.02.2021

Das Werden

Bis ans Ende der Ewigkeit
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Hundert Tage müssen Marcus und Phoebe getrennt ausharren. Um Marcus’ wegen hat sich Phoebe zum Vampir wandeln lassen und nun gilt es diese Zeit zu überstehen. Während Phoebe die Wochen in Paris verbringt, ...

Hundert Tage müssen Marcus und Phoebe getrennt ausharren. Um Marcus’ wegen hat sich Phoebe zum Vampir wandeln lassen und nun gilt es diese Zeit zu überstehen. Während Phoebe die Wochen in Paris verbringt, ist Marcus bei Diana und Matthew. Hier stellt er sich der Geschichte seiner eigenen Wandlung. Im 18. Jahrhundert begannen große Umwälzungen in der Welt und Marcus war ein kleiner Teil davon, nachdem er schwierige Jahre in seinem menschlichen Elternhaus verbrachte. Im Unabhängigkeitskrieg findet er seine Tätigkeit in den Reihe der Mediziner. Trotz seiner einfachen Herkunft ist Marcus ein neugieriger Lernender, der seine Chancen nutzt.

Im vierten Band der „All Souls“ Reihe geht es hauptsächlich um Marcus de Clermonts Geschichte und das historische Umfeld, in das er hineinwächst. Aber auch Diana und Matthew müssen eine neue Situation meistern, ihre Zwillinge Becca und Philip zeigen schon früh, dass Übernatürliches in ihnen schlummert. Damit bekommen die Eltern Probleme, denn nicht jeder ist der Meinung, dass die Kinder sich einfach frei entfalten sollten. Auch Phoebes erste Tage und Wochen als Vampirin sind nicht so ganz einfach. Obwohl gut vorbereitet, hat sie gerade zu Beginn schon Mühe überhaupt etwas in die Hand zu nehmen, ohne es zu beschädigen.

Wenn man nach einer kleinen Pause mal wieder eine Gelegenheit hat, sich in die Welt der „All Souls“ zu begeben, nimmt man das doch gerne wahr. Zwar stehen Diana und Matthew nicht im Mittelpunkt, aber sie haben doch ihre Auftritte. Wichtiger jedoch ist die Erzählung von Marcus’ Jugend, der amerikanischen Unabhängigkeit und der französischen Revolution. Damit hat man einen historischen Roman, einen des Paranormalen und einen Familienroman. Eine quasi allumfassende Mischung, die der Story eine besondere Note gibt. Eine sich langsam entwickelnde Handlung und ein Wiederlesen mit lieb gewonnenen alten Bekannten, das ist eine gelungene Komposition, die anregende Lesestunden bietet.

Veröffentlicht am 07.02.2021

Der Norweger

Irrfahrt
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Endlich hat der Europol-Kommissar Bogart Bull den tragischen Tod seiner Frau und seiner Tochter einigermaßen überwunden. In einem neuen Einsatz wird er nach Amsterdam gerufen, wo eine junge norwegische ...

Endlich hat der Europol-Kommissar Bogart Bull den tragischen Tod seiner Frau und seiner Tochter einigermaßen überwunden. In einem neuen Einsatz wird er nach Amsterdam gerufen, wo eine junge norwegische Studentin umgebracht wurde. Wieder einmal findet sich Bull mit neuen Kollegen zusammen, wie so oft ist der örtliche Platzhirsch nicht ganz mit der fremden Hilfe einverstanden. Nach und nach klappt die gemeinsame Arbeit, allerdings ist ein Motiv für den Mord an der jungen Frau nicht auszumachen. Und es gibt Hinweise, dass es sich um einen Serientäter handeln könnte. Denn bei einem weitern Mord taucht die Zahl 13 auf.

Bei diesem Kriminalroman handelt es sich um den dritten Band einer Reihe. Vorhergehende Ereignisse werden so erläutert, dass es keine Verständnisschwierigkeiten gibt. Bogart Bull, der norwegische Polizist mit irischen Wurzeln, wird einem schnell sympathisch. Er scheint mit beiden Beinen im Leben zu stehen und er hat es geschafft, die Folgen seiner persönlichen Tragödie zu überwinden, ohne sie zu verdrängen. Doch dieser Fall ist sehr verzwickt, denn Morde geschehen, zwischen denen kein Zusammenhang erkennbar ist. Die Beamten fahren wirklich ihr gesamtes Repertoire auf und doch bleiben die Ergebnisse spärlich. Eher scheint der Täter ihnen näher zu kommen als umgekehrt.

Aus zwei Perspektiven kann man sich an die handelnden Personen herantasten. Neben der Ermittlungsarbeit der Kommissare erfährt man auch einiges aus dem Leben des Killers. Dieser stetige Wechsel nimmt dem Buch zwar etwas an Spannung, ist aber für die Komposition des Falles sinnvoll. Auch wenn man sich möglicherweise mit dem Schluss ein wenig arrangieren muss, ist dieser Krimi doch fesselnd und mit seinem sympathischen Ermittler empfehlenswert. Dieser Reihe muss man gewiss nicht aus dem Weg gehen und für ein verschneites Wochenende bringt Kommissar Bogart Bull eine willkommene Beschäftigung.

Veröffentlicht am 02.02.2021

Geschichte einer Mutter

Wut
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Nun selbst schon in mittleren Lebensjahren hilft Frank seiner Mutter beim Umzug in eine Pflegeeinrichtung. Maria ist nicht mehr ganz auf der Höhe und ihr Zustand wird nicht mehr besser werden. Frank erinnert ...

Nun selbst schon in mittleren Lebensjahren hilft Frank seiner Mutter beim Umzug in eine Pflegeeinrichtung. Maria ist nicht mehr ganz auf der Höhe und ihr Zustand wird nicht mehr besser werden. Frank erinnert sich. An die Geschichte seiner Mutter, so wie er sie kennt und auch an seine eigene Geschichte, die durch die der Mutter geprägt wurde. Sie musste den Krieg miterleben, wurde von einer Verwandten großgezogen und ging in eine Klosterschule. Dabei war Maria sich immer bewusst, dass sie intelligent war. Ein Studium war ihr Traum, der jedoch platze, weil es Frauen doch nicht so gegeben wurde. Ihr blieb ein spießig bürgerliches Leben und die Wut.

Leider ist es häufig so, dass Kinder, die misshandelt wurden, im späteren Leben dazu neigen, ähnlich zu handeln wie ihre Eltern. Und so hat auch Frank mit der Wut zu kämpfen. Jahrelang hat seine Mutter die Kindheit des Jungen vergiftet, bis er soweit ist, dass er versucht, sie mit ihren eigen Mitteln zu schlagen. Wahrscheinlich zum Glück für alle Beteiligten muss Frank dann nicht mehr mit seiner Mutter zusammenwohnen. Sein Leben kommt in ruhige Bahnen, doch richtig feste Beziehungen vermag er lange nicht aufzubauen.

Die Erlebnisse einer harten Kindheit mit Kriegserlebnissen können über mehrere Generationen nachwirken. Da wird möglicherweise so mancher Leser an seine Eltern oder Großeltern denken, die sicher auch nicht nur schöne Erfahrungen gemacht haben. Viele der Älteren reden nicht häufig über ihre Vergangenheit und dennoch spüren die Nachfolgenden die Auswirkungen und reagieren. Im Buch weiß Frank einiges über seine Mutter, doch irgendwie bleibt die Frage, warum die Mutter bei ihrer Intelligenz ihre Wut gerade gegenüber ihrem Sohn, dem Jüngsten und Schwächsten, gegenüber auslebt. Dennoch berührt dieser Roman und wühlt auf. Nur zum Ende hin scheint etwas der Faden verloren zu gehen, weil nicht mehr eindeutig erkennbar ist, was nur in der Vorstellung des Frank geschieht. Insgesamt jedoch ist diese Geschichte der Wut sehr beeindruckend.

Veröffentlicht am 31.01.2021

Amanzi

Fever
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Einsam, aber gemeinsam ziehen Willem Storm und sein 13jähriger Sohn Nico durch die verlassene südafrikanische Landschaft. Ein tödliches Virus hat einen großen Teil der Erdbevölkerung ausgelöscht. Und diese ...

Einsam, aber gemeinsam ziehen Willem Storm und sein 13jähriger Sohn Nico durch die verlassene südafrikanische Landschaft. Ein tödliches Virus hat einen großen Teil der Erdbevölkerung ausgelöscht. Und diese Wenigen sind meist auf sich selbst gestellt. Doch Nicos Vater hat einen Plan oder einen Traum. Er will einen Teil der Überlebenden an einem halbwegs sicheren Ort zusammenführen. Dort soll eine neue Gemeinschaft entstehen, eine neue Zivilisation, in der die Menschen eine Zuflucht und ein trotz der Umstände geordnetes und angenehmes Leben führen können. Natürlich ist aller Anfang schwer und die Gruppe um die Storms muss Rückschläge hinnehmen, doch nach und nach scheint das Ziel näherzurücken.

Der Autor, der mit seinen Kriminalromanen große Bekanntheit erlangt hat, widmet sich hier einer dystopischen Betrachtung der Menschheit nach einer niederschmetternden Katastrophe, durch die die Menschheit beinahe ausgerottet wurde. Willem Storm wirkt dabei wie eine Lichtgestalt mit seiner Vision vom Wiederaufbau einer Gesellschaft. Hat er zunächst selbst die Nachricht in die Welt gesandt, dass neue Siedler willkommen sind, so treffen neue Mitglieder später wie von selbst ein, denn der Ruf des Ortes Amanzi schallt in die weitere Umgebung. Doch damit werden auch Neider angezogen und nicht jeder träumt von einer neuen Zivilisation. Manchen ist ein gesetzloser Zustand gerade recht.

Bei dystopischen Romanen, die ein durchaus nachvollziehbares Bild von einer Zukunft nach der Katastrophe bieten, ist es häufig erschreckend, wie schnell die dünne Kruste der Zivilisation verschwindet und das Tier im Menschen zutage tritt. Da geht es nur noch um das eigene Überleben und den eigenen Vorteil, sogar die Hunde werden alsbald wieder zu Wölfen und damit zu gefährlichen Raubtieren. Doch neben den marodierenden Banden entwickeln sich auch neue Gemeinden, die allerdings einen Vorstand wie Willem brauchen, der sie zusammenhält und ihnen einen Handlungsrahmen gibt. Toll, dass Willem dabei ein sanftmütiger Mensch ist, auch wenn er die Gerichtsbarkeit deshalb an härtere Player delegieren muss. Auch wenn einige Passagen etwas zu ausführlich erscheinen, besticht der Ansatz mit der tödlichen Krankheit gerade in der heutigen Zeit und die Auflösung ist erschreckend und hoffnungsvoll zugleich.