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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.02.2021

Gelungener zweiter Band

Jugend
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Am 15. Februar ist mit „Jugend“ der zweite Band der Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen auf Deutsch erschienen. Dieser knüpft direkt an die Handlung des ersten an und beginnt daher mit ...

Am 15. Februar ist mit „Jugend“ der zweite Band der Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen auf Deutsch erschienen. Dieser knüpft direkt an die Handlung des ersten an und beginnt daher mit Toves erstem Arbeitstag. Es ist nicht zu viel verraten, wenn ich sage, dass dieser katastrophal verlaufen wird und die Stelle nur eine von vielen beruflichen Stationen auf Toves Weg sein wird. Und eigentlich will sie ja auch nur eines werden: Dichterin.

Obwohl der Schreibstil der Autorin natürlich grundsätzlich derselbe geblieben ist, ist aus diesem Band deutlich mehr Schalk zwischen den Zeilen zu lesen. Das erscheint auch insofern konsequent, da unsere Protagonistin nun das Teenageralter erreicht hat und neben ersten Joberfahrungen auch welche mit Männern sammelt. Ihre Herangehensweise ist dabei eher eine praktische, als eine romantische – eine erfrischende Perspektive, die immer wieder zum Schmunzeln verleitet.

So amüsant der Roman an vielen Stellen ist, so düster ist er an anderen. Politisch gesehen ist der Nationalsozialismus und die Machtergreifung Hitlers ein Thema. Durch die Begegnung mit ihrer fanatischen Vermieterin muss das junge Mädchen erkennen, dass politisches Desinteresse bzw. Naivität nicht bedeutet, dass diese keine Auswirkung auf das eigene Leben hat. Und auch im Privaten muss Tove immer wieder feststellen, dass ihre Rolle als Frau auf einige wenige Bereiche begrenzt ist. Gerade diese Erfahrung bringt sie schließlich auf die Idee, den wesentlich älteren Verleger Viggo Frederik Møller davon zu überzeugen, sie zu heiraten. Ob er zustimmen wird?

Auch Band zwei liest sich wieder so unterhaltsam und mitreißend wie schon der erste, wenn auch der Ton oft ernsthafter wird. Stellenweise ist es sehr anrührend, die junge Tove durch ihre Gefühlswelt zu begleiten. Immer wieder verschwinden Menschen, die ihr eigentlich helfen sollten, aus ihrem Leben – was irgendwann unweigerlich zu Verlustängsten, aber auch einer gewissen Resignation führt. Ich bin gespannt, was wir mit unserer Protagonistin im dritten Band erleben werden. Der Titel „Abhängigkeit“ verheißt zumindest nichts Gutes.

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Veröffentlicht am 19.02.2021

Grandioser feministischer Roman

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung ist 33 Jahre alt, mit ihrem Mann Chong Daehyon verheiratet und Mutter der kleinen Ziwon. Seit deren Geburt im letzten Jahr hat sie aufgehört zu arbeiten und widmet sich „nur“ noch Kind und ...

Kim Jiyoung ist 33 Jahre alt, mit ihrem Mann Chong Daehyon verheiratet und Mutter der kleinen Ziwon. Seit deren Geburt im letzten Jahr hat sie aufgehört zu arbeiten und widmet sich „nur“ noch Kind und Haushalt, während ihr Mann oft bis Mitternacht und auch am Wochenende arbeitet. Doch dann nimmt das Leben der drei eine Wendung: Nach und nach fallen Chong Daehyon immer mehr beunruhigende Veränderungen an seiner Frau auf, bis sie beginnt, in der Stimme anderer Menschen zu sprechen – egal, ob diese noch leben oder bereits verstorben sind.

Ausgehend von diesem Punkt erzählt Cho Nam-joo die Lebensgeschichte der Protagonistin und da es sich bei „Kim Jiyoung“ um einen der häufigsten koreanischen Frauennamen handelt, ist es quasi die Geschichte jeder Frau dieser Generation in Korea. (Und im Prinzip auch der Autorin, wie sie selbst sagt.) Der Stil ist dabei für einen Roman ungewohnt, sehr sachlich und faktenlastig. Immer wieder sind in den Text statistische Angaben eingearbeitet, die die Situation der Frauen in Korea beleuchten. Was sich oft ein wenig sperrig lesen lässt, macht Sinn, wenn man am Ende erfährt, wer hier eigentlich über Jiyoungs Leben berichtet.

Was der Roman offen legt, macht wütend und ohnmächtig zugleich und das erst recht, wenn man feststellt, dass viele Erfahrungen auch Frauen in westlichen Kulturen nicht fremd sein dürften. Es ist von der systematischen Bevorzugung von Männern die Rede, die bereits im Kindesalter beginnt. Jiyoung und ihre ältere Schwester müssen fast alles im Haushalt erledigen, während der Bruder verhätschelt wird. Auch beim Kinderkriegen selbst ist stets der familiäre Druck vorhanden, einen Sohn zu gebären – was nach einer Reihe Töchter schon mal zu verzweifelten Abtreibungen führt.

Auch beruflich bleibt die Protagonistin stets hinter ihren Kollegen zurück, obwohl sie härter arbeitet und bessere Leistungen erzielt. Als sie schließlich ihre Tochter zur Welt bringt, ist die Karriere beendet, denn welche Alternative gäbe es in einer Gesellschaft, welche die Väter auf jegliche Art bevorzugt und die Mütter stets kritisiert? Egal, was Jiyoung auch tut, alles scheint falsch zu sein. Möchte sie trotz Schwangerschaft noch arbeiten, wird sie auf dem Weg dorthin beschimpft. Sitzt sie mit ihrem Baby im Kinderwagen auf einer Bank im Park, ist sie ein antriebsloser „Schma-mama-rotzer“. All dies hat sie an den Punkt gebracht, an dem sie zu Beginn des Romans ist.

Fazit: Ein grandioser feministischer Roman, dessen Sachlichkeit zugleich fasziniert und frustriert

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Veröffentlicht am 14.02.2021

Mehr als eine Liebesgeschichte

Lotte Lenya und das Lied des Lebens
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Wer einmal gehört hat, wie Lotte Lenya die „Seeräuber Jenny“ oder „Surabaya Johnny“ singt, wird das für immer mit ihrer einzigartigen Stimme verbinden und nie mehr einer anderen Version lauschen wollen. ...

Wer einmal gehört hat, wie Lotte Lenya die „Seeräuber Jenny“ oder „Surabaya Johnny“ singt, wird das für immer mit ihrer einzigartigen Stimme verbinden und nie mehr einer anderen Version lauschen wollen. In ihrem Roman „Lotte Lenya und das Lied des Lebens“ erzählt die Autorin Eva Neiss die Geschichte dieser ungewöhnlichen Frau. Eingerahmt wird die Handlung von einem Prolog und Epilog, der im Jahr 1955 spielt und in welchem Lotte Lenya Bertolt Brecht noch einmal in Berlin besucht. Dazwischen wird im Präsens und personaler Erzählweise die Vergangenheit geschildert – beginnend in den 20er Jahren und mit einem Ereignis, das Lottes Leben für immer verändern sollte: die Begegnung mit dem Komponisten Kurt Weill.

Es ist unglaublich spannend zu lesen, wie die als Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer geborene junge Frau ihrem gewalttätigen Vater entflieht und sich als Schauspielerin Lotte Lenja (später dann auch Lenya geschrieben) neu erfindet. An Weills Seite gelingt ihr der künstlerische Durchbruch und sie lernt das Kollektiv rund um den Dramatiker Bertolt Brecht kennen. Vor allem das Kapitel zum Premierenabend der „Dreigroschenoper“ liest sich so herrlich lebendig, dass man sich wünscht, man hätte damals live dabei sein können.

„Lotte Lenya und das Lied des Lebens“ fokussiert sich zwar stark auf Lottes Zeit mit Kurt Weill und deren wechselhafter Beziehung, ist aber deutlich mehr als ein schnulziger Liebesroman. Man merkt sofort, wie viel Recherchearbeit hinter der Handlung steckt und wie viel Begeisterung für Lotte Lenya selbst. Der Roman wird definitiv von seiner starken Protagonistin getragen und ist ein gelungenes Zeitporträt. Lotte präsentiert sich einerseits als mutige Frau mit modernen Ansichten, auf der anderen Seite aber auch als verletzliches Mädchen, das sich wünscht, von allen geliebt zu werden.

Ich habe das Buch in einer Leserunde mit der Autorin gelesen und so noch mehr über den Entstehungsprozess und die Hintergründe der Handlung erfahren dürfen. Wenn es etwas zu kritisieren gäbe, dann die Tatsache, dass ich gerne noch viel mehr über Lottes Leben und Werk gelesen hätte.

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Veröffentlicht am 12.02.2021

Besser als Band eins

The Brooklyn Years - Was niemand erfährt
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Patrick O‘Doul, Mannschaftskapitän der Brooklyn Bruisers, geht auf dem Eis keinem Kampf aus dem Weg. Im Privaten meidet er jedoch enge Kontakte – keiner seiner Teamkameraden durfte bisher seine Wohnung ...

Patrick O‘Doul, Mannschaftskapitän der Brooklyn Bruisers, geht auf dem Eis keinem Kampf aus dem Weg. Im Privaten meidet er jedoch enge Kontakte – keiner seiner Teamkameraden durfte bisher seine Wohnung betreten und niemand soll ihn berühren, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Das sind nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für die Physiotherapeutin Ari Bettini, die seine verletzte Hüfte behandeln soll. Doch nach und nach gewinnt sie sein Vertrauen, bis ihre Vergangenheit droht, die beiden einzuholen.

„Was niemand erfährt“ ist bereits der zweite Band der Autorin Sarina Bowen rund um das Eishockeyteam der Brooklyn Bruisers. Die Handlung setzt kurz nach den Geschehnissen von Band eins ein und wird, wie üblich, wechselnd aus der Perspektive beider Hauptcharaktere erzählt. Natürlich ist das Grundschema der Geschichte kein neues, aber der flüssige Schreibstil der Autorin und die sympathischen Figuren führen dazu, dass man unweigerlich süchtig nach der Reihe wird.

Im ersten Band „Was von uns bleibt“ war ich noch unsicher, was ich von dem verschlossenen Patrick O‘Doul halten soll. Inzwischen mag ich ihn und Ari sogar deutlich lieber, als Leo und Georgia – ihnen fehlte, meines Erachtens, die Tiefe und charakterliche Entwicklung. Patrick hingegen ist ein komplexer Protagonist und es ist interessant und wichtig, die Geschichte einer traumatisierten Figur auch einmal aus einer männlichen Perspektive zu lesen. Auch ein Vertreter eines harten Männersportes wie er darf Ängste und Schwächen zeigen!

Ari als Protagonistin blieb mir hingegen etwas fremd. Auch sie befindet sich zu Beginn des Romans privat in einer schwierigen Situation und muss um ihren Job und ihre eigene Sicherheit bangen. Dennoch fand ich es sehr schade, dass ausgerechnet dann, als Patrick sich ihr endlich öffnen kann, Ari ihn immer wieder von sich stößt, dann aber doch wieder schwach wird. Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht auf seine Gefühle gewünscht.

Fazit: Guter zweiter Band einer Reihe, die absolut von ihren Figuren lebt

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Veröffentlicht am 31.01.2021

Ehrliche Lektüre für Footballfans

My American Football Dream
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Björn Werner war der erste deutsche Footballspieler, der in der ersten Runde des NFL Drafts von einem der 32 Teams ausgewählt wurde. In seiner Biografie „My American Football Dream“ erzählt er gemeinsam ...

Björn Werner war der erste deutsche Footballspieler, der in der ersten Runde des NFL Drafts von einem der 32 Teams ausgewählt wurde. In seiner Biografie „My American Football Dream“ erzählt er gemeinsam mit Nils Weber, wie als 10-Jähriger ein Unfall auf dem Spielplatz sein Start in die Football-Karriere werden, wie er seinen Weg zum Flag Football und schließlich in das U19-Team der Berlin Adler finden sollte.

Nach einem knappen Jahr auf der Ersatzbank, weil er noch zu jung ist, um offiziell mit seinem Team auf dem Feld zu stehen, gibt er mit 14 Jahren sein Debüt in der Nationalmannschaft und macht sich mit 16 Jahren auf den Weg in die USA, wo er in Salisbury auf die High School geht und schließlich am College der Florida State University für die „Seminoles“ spielt. Am 25. April 2013 findet der denkwürdige Draft statt und Björn Werner hat es geschafft. Auf dem Feld trifft er auf einmal Spieler, die er bisher nur vom „Madden“ zocken auf der Konsole kannte. Sein Traum von der NFL hat sich erfüllt, Verletzungen machen ihm aber immer wieder das Leben schwer.

Nils Weber ist es definitiv gelungen, den richtigen Ton in dieser Biografie zu treffen. Sie liest sich, als säße man zuhause vor dem Fernseher und bei „ranNFL“ würde Björn Werner einen Schwank aus seinem Leben erzählen. Dabei verbindet er seinen typischen Humor mit interessanten, manchmal auch schockierenden Einblicken in die Maschinerie der NFL (siehe der Combine!). Sowohl echte Kenner des Sports als auch Anfänger in der Materie finden hier definitiv, was sie suchen. Neben kurz einführenden Erläuterungen sind auch jede Menge Anekdoten über bekannte Spieler oder Trainer zu finden.

„My American Football Dream“ rückt jedoch nicht nur den Sportler, sondern auch den Menschen Björn Werner in den Fokus. Einen Mann, der weiß, was er kann, der aber auch seine Schwächen nicht verschweigt. Der im Alter von 16 Jahren kurz vor der Abreise in die USA eine Beziehung zu einer jungen Frau beginnt, die heute Ehefrau und Mutter seiner Kinder ist. Eine kurzweilige, ehrliche Lektüre für alle Footballfans und Bromantiker.

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