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Veröffentlicht am 25.02.2021

"Ocean's Eleven" im Weltall

Aurora erwacht
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Es ist das Jahr 2380 und der größte Tag im Leben des Musterschülers Tyler Jones steht an. Als bester Alpha der Aurora-Akademie hat er das Recht, sich am nächsten Morgen sein eigenes Team zusammenzustellen. ...

Es ist das Jahr 2380 und der größte Tag im Leben des Musterschülers Tyler Jones steht an. Als bester Alpha der Aurora-Akademie hat er das Recht, sich am nächsten Morgen sein eigenes Team zusammenzustellen. Doch weil er aus Nervosität nicht schlafen kann, bricht er zu einem kurzen Flug in die so genannte Raumfalte auf. Dort stolpert er über ein bisher unentdecktes Raumschiff mit nur einer Überlebenden an Bord: Aurora Jie-Lin O‘Malley. Er rettet ihr das Leben, verpasst aber die wichtige Zeremonie und ist somit für die nahe Zukunft an ein Team aus Außenseitern gebunden. Auch Aurora scheint ein Geheimnis zu umgeben und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Die „Nevernight“-Reihe von Jay Kristoff habe ich geliebt. Diese, gemeinsam mit Amie Kaufman verfasste Trilogie, geht thematisch in eine ganz andere Richtung. Dennoch ist der typische Ton des Autors auch hier wiederzuerkennen: sarkastische Kommentare, Charaktere, die mit inneren Dämonen zu kämpfen haben, viele Schimpfwörter und eine ordentliche Portion Leserfrustration sind die untrüglichen Kennzeichen. Gemeinsam mit der Co-Autorin ergibt das eine wunderbare Symbiose und spannende Unterhaltung bis zur letzten Seite.

Das Highlight ist aber sicherlich das Team aus Außenseitern, welche die Handlung vorantreiben. Tyler, der Golden Boy und Anführer, Scarlett, seine Zwillingsschwester, die Diplomatin, Pilotin Cat, eine Draufgängerin und ungemein direkt, Techniknerd Finian, der mit seinen lockeren Sprüchen seine körperliche Behinderung überspielt, Wissenschaftlerin Zila, extrem still, aber dennoch wehrhaft, Kämpfer Kal, der sein ganzes Volk gegen sich aufgebracht hat und schließlich Aurora, die ihren Platz in dieser neuen Welt noch finden muss. Sie alle sind mir in diesem ersten Band ans Herz gewachsen.

Die eigentliche Haupthandlung ist nicht unbedingt neu; es sind einige recht bekannte Bausteine vorhanden. Ein Team aus Außenseitern, unkontrollierbare Kräfte, Konflikte zwischen Loyalität und dem Drang danach, „das Richtige“ zu tun, gemischt mit ein wenig „Ocean‘s Eleven“ im Weltall – das macht einfach Spaß!

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Eindrucksvoll

Im Park der prächtigen Schwestern
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Hass und Verachtung haben Camila fort von ihrem Dorf und ihrer Familie geführt. Die Eltern haben keinerlei Verständnis für den zarten Sohn, der sich vor ihren Augen in eine Tochter verwandelt und so sucht ...

Hass und Verachtung haben Camila fort von ihrem Dorf und ihrer Familie geführt. Die Eltern haben keinerlei Verständnis für den zarten Sohn, der sich vor ihren Augen in eine Tochter verwandelt und so sucht sie mit 18 Jahren ein neues Leben in Córdoba. Während sie tagsüber studiert, verdient sie nachts im berüchtigten Sarmiento-Park ihren Lebensunterhalt als Prostituierte.

Dort ist sie zum ersten Mal Teil einer Gemeinschaft, mit der sie Probleme, Ängste, Wünsche und Träume teilen kann. Über allen schwebt als Mutterfigur die Tía Encarna, eine schwierige, aber herzensgute Frau, die bald darauf einen ausgesetzten Säugling bei sich aufnimmt. Der Junge wächst geliebt und mit einem ganzen Schwarm von Tanten auf, doch die Blicke der Nachbarn verheißen nichts Gutes für die Zukunft.

Wow, was für ein Buch! Der Schreibstil der Autorin ist mal poetisch, beinahe märchenhaft, mal eindringlich und hart und spiegelt damit Camilas Leben in allen Facetten wider: die Ersatzfamilie, die sie mit der Tía Encarna und den Schwestern gefunden hat, die wenigen Momente ausgelassener Freude, aber auch die Sehnsucht nach wahrer Liebe und die Schmerzen, die ein solches Leben mit sich bringt.

Diese Geschichte ist vieles. Autobiografie und Fiktion, faktische Nacherzählung und magischer Realismus, Coming of Age-Roman und Manifest für trans Rechte – vor allem aber die Kritik an einer Gesellschaft, die nachts im Schutze der Dunkelheit dort ihr Vergnügen sucht, wo sie tagsüber nur Ablehnung (im besten Fall) oder Gewalt (bis hin zu grausamen Morden) übrig hat. Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Gelungener zweiter Band

Jugend
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Am 15. Februar ist mit „Jugend“ der zweite Band der Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen auf Deutsch erschienen. Dieser knüpft direkt an die Handlung des ersten an und beginnt daher mit ...

Am 15. Februar ist mit „Jugend“ der zweite Band der Trilogie der dänischen Schriftstellerin Tove Ditlevsen auf Deutsch erschienen. Dieser knüpft direkt an die Handlung des ersten an und beginnt daher mit Toves erstem Arbeitstag. Es ist nicht zu viel verraten, wenn ich sage, dass dieser katastrophal verlaufen wird und die Stelle nur eine von vielen beruflichen Stationen auf Toves Weg sein wird. Und eigentlich will sie ja auch nur eines werden: Dichterin.

Obwohl der Schreibstil der Autorin natürlich grundsätzlich derselbe geblieben ist, ist aus diesem Band deutlich mehr Schalk zwischen den Zeilen zu lesen. Das erscheint auch insofern konsequent, da unsere Protagonistin nun das Teenageralter erreicht hat und neben ersten Joberfahrungen auch welche mit Männern sammelt. Ihre Herangehensweise ist dabei eher eine praktische, als eine romantische – eine erfrischende Perspektive, die immer wieder zum Schmunzeln verleitet.

So amüsant der Roman an vielen Stellen ist, so düster ist er an anderen. Politisch gesehen ist der Nationalsozialismus und die Machtergreifung Hitlers ein Thema. Durch die Begegnung mit ihrer fanatischen Vermieterin muss das junge Mädchen erkennen, dass politisches Desinteresse bzw. Naivität nicht bedeutet, dass diese keine Auswirkung auf das eigene Leben hat. Und auch im Privaten muss Tove immer wieder feststellen, dass ihre Rolle als Frau auf einige wenige Bereiche begrenzt ist. Gerade diese Erfahrung bringt sie schließlich auf die Idee, den wesentlich älteren Verleger Viggo Frederik Møller davon zu überzeugen, sie zu heiraten. Ob er zustimmen wird?

Auch Band zwei liest sich wieder so unterhaltsam und mitreißend wie schon der erste, wenn auch der Ton oft ernsthafter wird. Stellenweise ist es sehr anrührend, die junge Tove durch ihre Gefühlswelt zu begleiten. Immer wieder verschwinden Menschen, die ihr eigentlich helfen sollten, aus ihrem Leben – was irgendwann unweigerlich zu Verlustängsten, aber auch einer gewissen Resignation führt. Ich bin gespannt, was wir mit unserer Protagonistin im dritten Band erleben werden. Der Titel „Abhängigkeit“ verheißt zumindest nichts Gutes.

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Veröffentlicht am 19.02.2021

Grandioser feministischer Roman

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung ist 33 Jahre alt, mit ihrem Mann Chong Daehyon verheiratet und Mutter der kleinen Ziwon. Seit deren Geburt im letzten Jahr hat sie aufgehört zu arbeiten und widmet sich „nur“ noch Kind und ...

Kim Jiyoung ist 33 Jahre alt, mit ihrem Mann Chong Daehyon verheiratet und Mutter der kleinen Ziwon. Seit deren Geburt im letzten Jahr hat sie aufgehört zu arbeiten und widmet sich „nur“ noch Kind und Haushalt, während ihr Mann oft bis Mitternacht und auch am Wochenende arbeitet. Doch dann nimmt das Leben der drei eine Wendung: Nach und nach fallen Chong Daehyon immer mehr beunruhigende Veränderungen an seiner Frau auf, bis sie beginnt, in der Stimme anderer Menschen zu sprechen – egal, ob diese noch leben oder bereits verstorben sind.

Ausgehend von diesem Punkt erzählt Cho Nam-joo die Lebensgeschichte der Protagonistin und da es sich bei „Kim Jiyoung“ um einen der häufigsten koreanischen Frauennamen handelt, ist es quasi die Geschichte jeder Frau dieser Generation in Korea. (Und im Prinzip auch der Autorin, wie sie selbst sagt.) Der Stil ist dabei für einen Roman ungewohnt, sehr sachlich und faktenlastig. Immer wieder sind in den Text statistische Angaben eingearbeitet, die die Situation der Frauen in Korea beleuchten. Was sich oft ein wenig sperrig lesen lässt, macht Sinn, wenn man am Ende erfährt, wer hier eigentlich über Jiyoungs Leben berichtet.

Was der Roman offen legt, macht wütend und ohnmächtig zugleich und das erst recht, wenn man feststellt, dass viele Erfahrungen auch Frauen in westlichen Kulturen nicht fremd sein dürften. Es ist von der systematischen Bevorzugung von Männern die Rede, die bereits im Kindesalter beginnt. Jiyoung und ihre ältere Schwester müssen fast alles im Haushalt erledigen, während der Bruder verhätschelt wird. Auch beim Kinderkriegen selbst ist stets der familiäre Druck vorhanden, einen Sohn zu gebären – was nach einer Reihe Töchter schon mal zu verzweifelten Abtreibungen führt.

Auch beruflich bleibt die Protagonistin stets hinter ihren Kollegen zurück, obwohl sie härter arbeitet und bessere Leistungen erzielt. Als sie schließlich ihre Tochter zur Welt bringt, ist die Karriere beendet, denn welche Alternative gäbe es in einer Gesellschaft, welche die Väter auf jegliche Art bevorzugt und die Mütter stets kritisiert? Egal, was Jiyoung auch tut, alles scheint falsch zu sein. Möchte sie trotz Schwangerschaft noch arbeiten, wird sie auf dem Weg dorthin beschimpft. Sitzt sie mit ihrem Baby im Kinderwagen auf einer Bank im Park, ist sie ein antriebsloser „Schma-mama-rotzer“. All dies hat sie an den Punkt gebracht, an dem sie zu Beginn des Romans ist.

Fazit: Ein grandioser feministischer Roman, dessen Sachlichkeit zugleich fasziniert und frustriert

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Veröffentlicht am 14.02.2021

Mehr als eine Liebesgeschichte

Lotte Lenya und das Lied des Lebens
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Wer einmal gehört hat, wie Lotte Lenya die „Seeräuber Jenny“ oder „Surabaya Johnny“ singt, wird das für immer mit ihrer einzigartigen Stimme verbinden und nie mehr einer anderen Version lauschen wollen. ...

Wer einmal gehört hat, wie Lotte Lenya die „Seeräuber Jenny“ oder „Surabaya Johnny“ singt, wird das für immer mit ihrer einzigartigen Stimme verbinden und nie mehr einer anderen Version lauschen wollen. In ihrem Roman „Lotte Lenya und das Lied des Lebens“ erzählt die Autorin Eva Neiss die Geschichte dieser ungewöhnlichen Frau. Eingerahmt wird die Handlung von einem Prolog und Epilog, der im Jahr 1955 spielt und in welchem Lotte Lenya Bertolt Brecht noch einmal in Berlin besucht. Dazwischen wird im Präsens und personaler Erzählweise die Vergangenheit geschildert – beginnend in den 20er Jahren und mit einem Ereignis, das Lottes Leben für immer verändern sollte: die Begegnung mit dem Komponisten Kurt Weill.

Es ist unglaublich spannend zu lesen, wie die als Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer geborene junge Frau ihrem gewalttätigen Vater entflieht und sich als Schauspielerin Lotte Lenja (später dann auch Lenya geschrieben) neu erfindet. An Weills Seite gelingt ihr der künstlerische Durchbruch und sie lernt das Kollektiv rund um den Dramatiker Bertolt Brecht kennen. Vor allem das Kapitel zum Premierenabend der „Dreigroschenoper“ liest sich so herrlich lebendig, dass man sich wünscht, man hätte damals live dabei sein können.

„Lotte Lenya und das Lied des Lebens“ fokussiert sich zwar stark auf Lottes Zeit mit Kurt Weill und deren wechselhafter Beziehung, ist aber deutlich mehr als ein schnulziger Liebesroman. Man merkt sofort, wie viel Recherchearbeit hinter der Handlung steckt und wie viel Begeisterung für Lotte Lenya selbst. Der Roman wird definitiv von seiner starken Protagonistin getragen und ist ein gelungenes Zeitporträt. Lotte präsentiert sich einerseits als mutige Frau mit modernen Ansichten, auf der anderen Seite aber auch als verletzliches Mädchen, das sich wünscht, von allen geliebt zu werden.

Ich habe das Buch in einer Leserunde mit der Autorin gelesen und so noch mehr über den Entstehungsprozess und die Hintergründe der Handlung erfahren dürfen. Wenn es etwas zu kritisieren gäbe, dann die Tatsache, dass ich gerne noch viel mehr über Lottes Leben und Werk gelesen hätte.

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