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Veröffentlicht am 13.08.2021

Welcome to Africa

Wild Card
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Ich war noch nie in Afrika, meine Kenntnisse über dieses Land halten sich demnach in Grenzen. Nachdem ich nun aber über Weston Kogis Abenteuer gelesen habe, hält sich meine Reiselust doch sehr in Grenzen.

Weston ...

Ich war noch nie in Afrika, meine Kenntnisse über dieses Land halten sich demnach in Grenzen. Nachdem ich nun aber über Weston Kogis Abenteuer gelesen habe, hält sich meine Reiselust doch sehr in Grenzen.

Weston Kogi flieht als Kind aus seinem von Aufständen und Korruption zerrüteten Heimatland Alcacia nach London. Jahre später kehrt er für die Beerdigung seiner geliebten Tante zurück und erzählt dabei den falschen Leuten, dass er angeblich bei der Londoner Kriminalpolizei arbeitet. Ehe er sichs versieht steckt er mittendrin in einem Krieg zwischen zwei verfeindeten Rebellenfraktionen und der korrupten Regierung und soll einen Mordfall aufklären.

Alcacia ist offensichtlich ein fiktives Land, scheint sich aber sehr an nigerianischen Umständen zu orientieren. Das Land ist dreckig, an jeder Ecke drohen Krankheiten wie Ruhr und Malaria. Und wenn die dich nicht umbringen, regeln das schon die vielen verzweifelten, gewaltbereiten Einwohner. Als Nicht-Einheimischer ist man dort sehr schnell aufgeschmissen, wenn man nicht großzügig Bestechungsgelder unter den richtigen Leuten verteilt.

Weston Kogi ist eine interessante Figur, ein offensichtlich von der westlichen Gesellschaft verweichlichter Mann, der sich ganz schnell wieder an die heimatlichen Begebenheiten gewöhnen muss. Eigentlich ist er ziemlich intelligent, nimmt seine wiederholten Miseren mit Humor, tritt aber trotzdem mit beeindruckender Naivität in sämtliche Fettnäpfchen, die er finden kann.
Die Nebenfiguren scheinen dagegen durchschaubar: brutal, gefühllos und nur auf ihren eigenen Erfolg bedacht.

Der eigentliche Mordfall zieht sich zwar als roter Faden durch die Geschichte, rückt aber angesichts der politischen Probleme, mit denen sowohl das Land als auch Kogi selbst zu kämpfen hat, mehr und mehr in den Hintergrund. Die Erzählung ist spannungsgeladen, die Strippenzieher im Hintergund sorgen für einige überraschende Wendungen. Die erzählerische Sprache passt in ihrer Härte und Brutalität zu Alcacia. Hier redet man selten höflich mtieinander, das würde auch eher als Schwäche ausgelegt werden. Auf den Leser kann es aber trotzdem mitunter ziemlich abschreckend wirken.

Fazit:
Ebenso wenig wie Kogi weiß der Leser zu Beginn wirklich, worauf er sich mit diesem Buch einlässt. Und gerade das macht die Sache doch reizvoll, oder doch nicht?

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Geheime Untiefen

So wie du mich kennst
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Egal, wie nahe sich Menschen zu sein glauben, es gibt doch immer Geheimnisse die man niemandem anvertrauen kann oder möchte.

Die Schwestern Marie und Karla, stehen sich so nahe, wie es nur geht, und das, ...

Egal, wie nahe sich Menschen zu sein glauben, es gibt doch immer Geheimnisse die man niemandem anvertrauen kann oder möchte.

Die Schwestern Marie und Karla, stehen sich so nahe, wie es nur geht, und das, obwohl sie durch einen ganzen Ozean getrennt sind. Während Karla ein ruhiges Leben als Lokaljournalistin in ihrem Heimatort führt, lebt Marie als erfolgreiche Fotografin in New York. Obwohl ihr Lebensstil nicht unterschiedlicher sein könnte, halten sie engen Kontakt, telefonieren täglich und wissen alles übereinander. Zumindest glaubt das Karla. Bis ihre Schwester bei einem Unfall ums Leben kommt und Karla nach New York reist, um Maries Haushalt aufzulösen und dabei auf ein großes Geheimnis stößt.

Auch wenn der Roman zunächst ziemlich nach Spannung und Aufregung tönt, so ist es doch eine sehr ruhig erzählte Geschichte, die vor allem von der Trauerbewältigung handelt. Der Verlust, den nicht nur Karla zu verarbeiten hat, der aber gerade sie zu manch unbedachter Handlung treibt, ist auf jeder Seite zu spüren. Karlas Schilderung der Wochen nach Maries Tod ist eine intensive Seelenschau.

Doch das ist nur die eine Seite der Geschichte. Denn die Autorin lässt nicht nur die überlebende Schwester von dem Scherbenhaufen erzählen, den der Tod hinterlassen hat, sondern lässt auch Marie zu Wort kommen und bietet so Einblicke in ein gänzlich anderes Trauerspiel. Denn hinter der Fassade der erfolgreichen Singlefrau erleben wir hier die emotionalen Auswüchse eines dramatischen Lebenseinschnittes, den die junge Frau nie ganz verarbeitet hat. Sie berichtet von gesellschaftlichen Zwängen und Mauern, die man sich selbst setzt, die ein ganzes Leben verschatten können.

Die Detailtreue, mit der hier verschiedene Emotionen und Gedankengänge dargestellt werden, ist wirklich große Handwerkskunst. Allein, die Spannung und der Erzählfluss bleiben dabei manches Mal und gerade gegen Ende etwas auf der Strecke. Da helfen auch die teilweise leider schon fast etwas künstlich aufgebauscht wirkenden Tempo liefernden Elemente nicht mehr. Aber das braucht dieser Roman eigentlich auch nicht, um seine Botschaft zu übermitteln.

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Wer ist die Böse?

Darling Rose Gold
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Vom Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom hatte ich bisher nur sehr wenig gehört. Dass Eltern ihre Kinder zwanghaft krank pflegen, um sie stärker an sich zu binden und sich selbst gebraucht zu fühlen, hätte ...

Vom Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom hatte ich bisher nur sehr wenig gehört. Dass Eltern ihre Kinder zwanghaft krank pflegen, um sie stärker an sich zu binden und sich selbst gebraucht zu fühlen, hätte ich mir nur schwer vorstellen können.

Aber Patty ist das Paradebeispiel dafür: 18 Jahre lang hat sie ihrer Tochter Rose Gold eingeredet, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, sie so sehr gepflegt, dass das Kind im Rollstuhl saß. Die Folge davon ist, dass Rose Gold mit 18 unterernährt ist, viel zu klein für ihr Alter ist und mit brüchigen Haaren und faulen Zähnen kämpft. Patty geht dafür ins Gefängnis, Rose ist das Mitleid der ganzen Stadt sicher.
Als die Mutter nach fünf Jahren entlassen wird, findet sie Unterschlupf bei ihrer Tochter, die ihr offensichtlich vergeben hat. Aber stimmt das wirklich?

Gleich zu Beginn ist für den Leser klar: das Monster in dieser Beziehung ist eindeutig die Mutter. Doch im Laufe der auf mehreren Zeitebenen erzählten Geschichte wird schnell offensichtlich, dass auch in Rose Gold Abgründe schlummern. Wieviel Mutter steckt in dieser Tochter?

Stephanie Wrobel hat für meinen Geschmack ein bedrückendes, feinfühliges Psychodrama um dieses Gespann gewoben, das einen sehr oft an seiner Wahrnehmung und Einschätzung zweifeln lässt. Was ist wahr, was nur vorgespielt? Eines aber ist zumindest für mich ganz sicher: ich möchte keiner dieser beiden Frauen je begegnen!

Die Figuren sind die Träger dieser Geschichte, ihre Interaktionen halten die Spannung permanent hoch und machen das Buch zu einem Pageturner. Auch wenn sie ihre Fassade gut verkleiden können, so sorgen die kurzen Einblicke in ihe Gedanken immer wieder für Gänsehautmomente.

Fazit:
Ein wahres Familien-Psychodrama, das die Grenzen zwischen Gut und Böse sehr schnell verschwimmen lässt.

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Magisch und vielfältig

Amari und die Nachtbrüder
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Harry Potter trifft Men in Black trifft Black lives matter- und ergibt eine gelungene Mischung unterhaltsame Kinderfantasy.

Die junge Amari kommt aus einem Problem-Viertel und sticht als schwarzes Mädchen ...

Harry Potter trifft Men in Black trifft Black lives matter- und ergibt eine gelungene Mischung unterhaltsame Kinderfantasy.

Die junge Amari kommt aus einem Problem-Viertel und sticht als schwarzes Mädchen mit Stipendium an ihrer Privatschule immer wieder ungewollt hervor. Als sie von ihrem vermissten Bruder eine Einladung zu einer mysteriösen Sommerakademie bekommt, nimmt sie natürlich an- nicht zuletzt, um sich auf die Suche nach Quinton machen zu können. und so taucht sie ein in die geheime Welt der Oberbehörde, die die Interaktionen der magischen Wesen mit der Menschenwelt kontrolliert, und steckt schnell im größten Abenteuer ihres Lebens.

B.B. Alston schafft es, aus bereits bekannten Elementen eine komplexe, aufregende Welt zu erschaffen, in der man auf jeder Seite etwas neues entdecken kann. Dabei stellt er die magischen Elemente genauso überzeugend dar wie Amaris Gefühlswelt, die sich als armes, schwarzes Mädchen nirgendwo wirklich aufgenommen und ebenbürtig sieht. Die gesellschaftskritischen Passagen sind so unauffällig in die Geschichte eingewoben, dass sie vollkommen natürlich wirken und einen doch zum Nachdenken anregen.

Die Figuren wirken überzeugend, dreidimensional, auch wenn Amari natürlich am meisten heraussticht.

Die Geschichte wird sehr detailliert beschrieben, der Autor nimmt sich viel Zeit um die Rahmenhandlung nachvollziehbar zu erklären und zu beschreiben. Und trotzdem bleibt die Spannung dabei nicht auf der Strecke und überrascht mit einigen unerwarteten Wendungen. Lediglich der finale Showdown hätte für meinen Geschmack ein klein wenig ausführlicher ausfallen dürfen.

Insgesamt eine absolut runde Geschichte, die dennoch genug Raum für Spekulationen über eine mögliche Fortsetzung lässt.

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Veröffentlicht am 11.03.2021

Was wäre, wenn...

Die Mitternachtsbibliothek
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Erfolglose Tage, die einen runter ziehen und an denen nichts so klappt, wie man sich das vorgestellt hat, kennt mit Sicherheit jeder. Momente, in denen man beginnt zu überlegen, was wäre, wenn man sich ...

Erfolglose Tage, die einen runter ziehen und an denen nichts so klappt, wie man sich das vorgestellt hat, kennt mit Sicherheit jeder. Momente, in denen man beginnt zu überlegen, was wäre, wenn man sich an einem gewissen Punkt in seinem Leben anders entschieden hätte.

Nora ist an einem solchen Punkt. In kurzer Folge verliert sie ihren Job, ihre Katze und jegliche andere Anker, die sie in ihrem Leben stabilisieren. Von Depressionen geplagt entscheidet sie sich, ihr Leben zu beenden und landet in der Mitternachtsbibliothek. Ein Ort, an dem sie in jedes mögliche Leben schlüpfen kann, das sie hätte leben können, und an dem sie Entscheidungen negieren kann, die sie bereut.

Gemeinsam mit ihr bereist der Leser die welt und testet die verschiedensten Möglichkeiten aus- und beginnt dabei unweigerlich auch, über das eigene Leben und die eigenen Entscheidungen nachzudenken.

Matt Haig hat ein sehr interessantes Thema aufgegriffen und wahrscheinlich mit eigenen Erfahrungen über Depressionen verstrickt. Zu gerne begleitet man die Hauptfigur auf ihrer Gedankenreise und folgt dabei dem locker-leichten Schreibstil des Autors. Die oftmals recht kurzen Kapitel erleichtern den Lesefluss natürlich ungemein. Die Mischung aus teilweise fast philosphischen, tiefgründigen Gedankengängen, wissenschaftlichen Überlegungen und emotionalen Interaktionen mit Noras Wegbegleitern ergibt einen angenehmen Roman mit Mehrwert für einen selbst.

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