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Veröffentlicht am 31.03.2021

Manche Menschen werden von vielen geliebt

Das Glück meiner Mutter
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Und nein, nicht der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, der neunundvierzigjährige Phillip Dorn, ist der
Glückliche, sondern seine vor zwei Jahren verstorbene Mutter Marion. Auch Phillip ist sich ...

Und nein, nicht der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, der neunundvierzigjährige Phillip Dorn, ist der
Glückliche, sondern seine vor zwei Jahren verstorbene Mutter Marion. Auch Phillip ist sich - zumindest jetzt, im Nachhinein - des Glückes bewusst, dass er mit ihr und durch sie hatte.

Doch im Nachhinein wird auch deutlich, dass es viele verpasste Gelegenheiten gab - in Marions Leben, in Phillips - vor allem jedoch in dem anderer Menschen, die nicht so viel Marion in ihrem Leben hatten, wie sie es sich gewünscht hätten. Und zeitlebens darunter litten.

Charisma, Güte und Warmherzigkeit, das sind nur drei Attribute, die mir zu Marion einfallen, die die Handlung im Übrigen gar nicht so dominierte, wie es den Anschein haben könnte.

Nein, sie blitzt immer wieder hinein in den Verlauf, als Prägende, als Gebende, Schenkende, aber mehr noch als ein Verlust. Wobei Phillip nicht nur durch sie lebt, aber es ist wohl sie, die ihn gelehrt hat, andere Frauen wertzuschätzen. Wobei dies aus meiner Sicht eine stellenweise sehr erotische Komponente erhält, auch wenn es nur an einer Stelle klar um Sex geht (dann aber mit allem Zipp und Zapp). Ich hätte mich gefreut, wenn gerade der feinsinnige Thommie Bayer ohne dies ausgekommen wäre, das hätte diesen Roman mit den so klug verteilten Petitessen, den Überraschungen und warmherzig aufblitzenden Lichtern aus meiner Sicht perfekt gemacht.

Auch wenn es nichts daran ändern, dass ich dieses Buch mit einem wirklich wohligen Gefühl zuklappe. Ich bin mir aber sicher, dass ich es nicht - wie andere Werke des Autors - wieder und wieder lesen werde - tief in mir drin tragen werde Phillips Geschichte aber durchaus!

Veröffentlicht am 29.03.2021

Latein und Mathe

Der große Sommer
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Daran scheitern Friedrichs Pläne für den Sommerurlaub mit der Familie am Meer - dem 16jährigen droht eine Ehrenrunde, wenn er die Nachprüfungen nicht besteht und das wäre schon die zweite!

Deswegen nimmt ...

Daran scheitern Friedrichs Pläne für den Sommerurlaub mit der Familie am Meer - dem 16jährigen droht eine Ehrenrunde, wenn er die Nachprüfungen nicht besteht und das wäre schon die zweite!

Deswegen nimmt er den Vorschlag der Familie (oder ist es gar eine Anweisung), über die Sommerferien zu den Großeltern zu ziehen, wo der Großvater, ein Medizinprofessor, der noch praktiziert, mit ihm lernen wird. Der Strengste in der ganzen Familie: weil er der Stiefgroßvater ist, mussten Friedrich und seine Geschwister ihn über Jahre hinweg siezen und auch jetzt ist er noch superstreng und versteht keinen Spaß. Gut, dass Friedrichs nur wenig jüngere Schwester Alma - allerdings freiwillig - auch in der Stadt bleibt und auch sein bester Freund Johann die meiste Zeit zu Hause sein wird. Und dann gibt es noch Beate, die er erst vor ein paar Tagen kennengelernt hat.

Friedrich weiß noch nicht, dass er mit diesem Sommer auf eine bittersüße Weise das Ende von Etwas, von seinen unbeschwerten Kinder- und Jugendtagen erleben wird- er wird sich sozusagen entpuppen, einiges wird zu Ende gehen, während anderes neu beginnt.

Und nicht zuletzt wird er den Großvater, wie er ihn nennen muss, völlig neu kennenlernen!

Ewald Arenz hat mit leichter Feder - mir war sie stellenweise ein kleines Bisschen zu leicht - einen Roman voller Empathie, warmherzigem Humor und Klarsicht über eine scheinbar längst vergangene Zeit geschrieben. Ebenso deutlich wie die Unterschiede zu den frühen 1980er Jahren wurde jedoch das ewig Gleiche im Jungsein: die Unsicherheit, die Sehnsucht, ja, auch die Gier. Einmal mehr beweist Ewald Arenz sein ungeheures Talent in der Darstellung von Charakteren: Friedrich und seine Freunde, doch auch den Großvater und Nana, die Großmutter, sah ich während der Lektüre klar vor mir. Und fühlte mich versetzt in längst vergangene Zeiten, längst verloren geglaubte Gefühlswelten. Ein Roman, der aufwühlt und wehtut - aber lange nicht so, wie er versöhnt! Wenn man dem Autor glaubt - und ich bin bereit, das zu tun, habe ich doch meine Jugend zur gleichen Zeit wie Friedrich erlebt - dann erfährt man, dass es immer einen Weg, eine Lösung gibt und jedes Ereignis, also auch jede Tragödie immer aus mehreren Perspektiven betrachtet werden kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.03.2021

Was wissen wir über unsere Nächsten

Klaras Schweigen
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Das fragt sich die Freiburgerin Miriram, Mitte vierzig, als ihre Großmutter Klara nach einem Schlaganfall und der damit verbundenen Sprachstörungen zunächst französische Worte spricht. Miriam ist aufgrund ...

Das fragt sich die Freiburgerin Miriram, Mitte vierzig, als ihre Großmutter Klara nach einem Schlaganfall und der damit verbundenen Sprachstörungen zunächst französische Worte spricht. Miriam ist aufgrund des frühen Todes ihrer Eltern bei der Großmutter aufgewachsen und dachte eigentlich, sie wüsste alles über sie, aber das scheint nicht so zu sein, vor allem, als sie Nachforschungen nach Pascal - sein Name fällt immer wieder - anstellt.

Miriam erkennt, dass Klaras Leben so einige überraschende Wendungen nahm, die sie selbst stärker betreffen, als sie sich das vorstellen konnte. Auch Klaras Umzug nach Konstanz, wo sie vor ihrer Rückkehr nach Freiburg lange Jahre verbrachte, hängt stärker mit Miriams eigenem Leben zusammen, als bisher von ihr vermutet.

Ihre Nachforschungen führen sie nach Frankreich, aber auch zu ihren Verwandten an den Bodensee. Und auf ein geheimnisvolles Gartengrundstück in Freiburg. Wird sie Klara vor deren Tod ein Stück ihres Lebens zurückgeben können?

Romane, in denen die Geschichte der eigenen Familie gerade auch in und nach der Zeit des Zweiten Weltkriegs eine große Rolle spielt, haben mich immer fasziniert. Hier betrete ich Neuland, da es hier in den Westen liegt, die Suche nach den eigenen Wurzeln dehnt sich diesmal nach Frankreich, nicht wie so häufig gen Osten aus. Und ich habe spannende Details aus der unmittelbaren deutsch-französischen Nachkriegsgeschichte erfahren dürfen, auch wenn es gerne ein paar mehr hätten sein dürfen.

Sehr gefallen hat mir, wie schonungs Autorin Bettina Storks ihre Akteure mit dunklen Punkten der eigenen Familiengeschichte konfrontiert. Denn angesichts der Stabilität des Dritten Reiches über zwölf Jahre hinweg dürfen nur die wenigsten von uns mit einer weißen Weste der eigenen Verwandtschaft in dieser Zeit rechnen. So erfährt auch Miriam viel Unangenehmes über den eigenen Großvater.

Ein weiterer positiver Aspekt ist die Hervorhebung der Frauen und ihrer Rolle in der Geschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Ein Roman, in den ich zunächst nur langsam hineinfand, den ich dann jedoch nicht aus der Hand legen konnte und auch sehr gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 23.03.2021

Schwieriger Start in der Fremde

Die irischen Schwestern
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Denn das sind die Vereinigten Staaten von Amerika für Catriona und ihre kleine Schwestern Nora, die gerade erst aus der irischen Grafschaft Antrim eingereist sind, auf der Suche nach ihrem Bruder. Der ...

Denn das sind die Vereinigten Staaten von Amerika für Catriona und ihre kleine Schwestern Nora, die gerade erst aus der irischen Grafschaft Antrim eingereist sind, auf der Suche nach ihrem Bruder. Der hatte ihnen einen ganzen Batzen Geld geschickt, dazu Hoffnung gemacht auf ein neues Leben ohne Armut und den ständig betrunkenen Vater, der genau wie die übrigen Familienmitglieder an einer Seuche verstorben war.

Vor allem Catriona ist klar, dass der Start kein leichter sein wird, doch dass es so schwer wird, das war ihr nicht bewusst.

Wir befinden uns in der Zeit unmittelbar nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, in der zweiten Hälfte der 1860er Jahre und die Schwestern folgen der Spur ihres Bruders in die Südstaaten, der Kriegsverlierer, in der Hoffnung, ein Erbe antreten zu können. Dort lernen sie Wade kennen, der ziemlich geheimnisvoll tut. Und bald schon wird deutlich, dass er nicht das ist, was er zu sein scheint....

Ist er eine weitere Bedrohung für die Schwestern in der Neuen Welt? Und was ist mit dem Bruder?

Ein spannendes Buch, in das ich aufgrund der etwas umständlichen Schreibweise nur langsam hineinfand. Aber dann habe ich Blut geleckt, denn Tamera Alexander präsentiert den "American Way of Life" sehr offen, und alles andere als spießig. Die Einbindung der historischen Fakten in den Handlungsverlauf ist ausgesprochen gelungen und irgendwann konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Etwas für Freunde historischer Romane mit Anspruch! Ich jedenfalls habe diesen Ausflug in die Südstaaten sehr genossen!

Veröffentlicht am 14.03.2021

Links und vor allem rechts

Die Stunde der Wut
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Damit sind die politischen Positionen der Charaktere in diesem Krimi gemeint. Denn Melia Adan, Kriminalrätin, nachdem ihre Karriere beim Verfassungsschutz durch das Aufdecken eines rechten Netzwerks, ...

Damit sind die politischen Positionen der Charaktere in diesem Krimi gemeint. Denn Melia Adan, Kriminalrätin, nachdem ihre Karriere beim Verfassungsschutz durch das Aufdecken eines rechten Netzwerks, in das auch Kollegen involviert waren, ein jähes Ende nahm, hat es auch hier wieder mit rechter Gesinnung zu tun. Obwohl es zunächst eigentlich um die Ermordung eines jungen Mädchens geht und um die mögliche Einbindung ihrer Familie in krumme Geschäfte geht. Doch mehr und mehr kommen hier einmal mehr rechtsradikale Machenschaften ins Spiel und wieder muss Melia feststellen, dass der Polizeiapparat ebenfalls beste Kontakte nach Rechts unterhält.

Es ist ein Fass ohne Boden - denn alles hängt miteinander zusammen, es gibt sogar eine mögliche Spur zum Verschwinden und der wahrscheinlichen Ermordung von Melias Kollegin beim Verfassungsschutz.

Ja. Autor Horst Eckert schaut sich das Rechtssystem in Deutschland ganz genau an und sonderlich gut kommt es dabei nicht weg. Im Gegenteil, indem der Autor den Finger in eine Wunde nach der anderen legt, wird deutlich, wie nah an der Wahrheit das alles eigentlich ist und wie vieles davon - vor allem im Rahmen des rechten Terrors von staatlichen Verwaltungsstrukturen gedeckt wird.

Teilweise ging es mir etwas zu extrem zu - es gibt (fast) nur rechts oder links und Leute, die diese Strömungen manipulieren, vor allem die Rechte. Ab gesehen von dieser aus meiner Sicht etwas zu überzogenen Schwarz-Weiß-Malerei jedoch ein durchaus mitreißender Thriller, in dem es nicht nur um Politik geht.