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Veröffentlicht am 14.03.2021

Verborgene Wurzeln

Trauma – Kein Entkommen
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Ein schlappes Schlauchboot am Seeufer, ein Kühlschrank und zwei Tote. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen? War es Selbstmord, wie die Obduktion und die Expertise von Psychoanalytiker ...

Ein schlappes Schlauchboot am Seeufer, ein Kühlschrank und zwei Tote. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen? War es Selbstmord, wie die Obduktion und die Expertise von Psychoanalytiker Dr. Hanning nahelegen oder steckt da doch mehr dahinter? Katja Sands Gefühl sagt etwas anderes, aber seit wann darf sich eine Mordermittlerin von Gefühlen leiten lassen? Trotz aller Vorbehalte stürzt sich Katja mit Assistenten Rudi Dorfmüller in die Nachforschungen und stößt auf einen alten Fall bei der Marine, der aber eigentlich schon geklärt ist.

Mit einem sehr beklemmenden Einstieg beginnt dieser Thriller und geht dann in eine eher krimiähnliche Handlung über, die mit weiteren Gänsehaut bescherenden Elementen ein gut gegliedertes Gesamtes ergibt. Für dieses Genre eher unüblich, wird sehr viel Privates von Katja Sand in die Geschichte hineinverwoben, was aber hier für mich gut passt und keinesfalls störend wirkt. Im Gegenteil, wird die Ermittlerin ja gerade durch ihre persönliche Vergangenheit irgendwie verstrickt in die Ermittlungen, wobei dazu noch nicht alles verraten wird, denn es gibt noch zwei weitere Bände in dieser Trilogie.

Ungewöhnlich, aber aktuell häufiger zu lesen: Christoph Wortberg schreibt im Präsens. Sein Stil ist angenehm flüssig, weckt Neugier und nimmt den Leser mit in reale Situationen, flicht kleine Details aus dem Alltag ein, wodurch die Handlung lebendig und plastisch wird. Sowohl Katja als auch Rudi werden recht menschlich dargestellt, ihre Zusammenarbeit lässt den Leser da und dort schmunzeln und auch der Vorgesetzte wird geschickt eingebunden und kann gewagten Plänen zustimmen ohne sein Gesicht zu verlieren.

Optisch und inhaltlich absolut ansprechend stellt sich für mich dieser Beginn des „Trauma“-Dreiteilers dar, anders zwar als „typische Thriller“, leiser, aber dennoch mit schockierenden Details unter der Oberfläche.

Achtung für jene Leser, die Gewalt an Kindern in Büchern ablehnen oder Gefahr laufen könnten, durch erlebte Traumata getriggert zu werden!

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Cold Case

Das Grab in den Schären
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Auf Telegrafholmen, einer Insel im Stockholmer Schärengarten, werden bei Bauarbeiten Skelettteile gefunden. Der erfahrene Ermittler Thomas Andreasson und sein Kollege Aram werden eingeschaltet. Kann eine ...

Auf Telegrafholmen, einer Insel im Stockholmer Schärengarten, werden bei Bauarbeiten Skelettteile gefunden. Der erfahrene Ermittler Thomas Andreasson und sein Kollege Aram werden eingeschaltet. Kann eine der seit zehn Jahren vermissten Frauen dem Fund zugeordnet werden oder liegen die Knochen etwa noch länger auf der bislang unbewohnten Insel? Welches Schicksal hat die damals 17jährige Astrid und die 35jährige Siri ereilt? Viele Fragen werden aufgeworfen und die Polizei steht massiv unter Zeitdruck.

Dies ist bereits der zehnte Fall für den sympathischen Thomas Andreasson, der immer wieder von seiner Jugendfreundin, der Juristin Nora Linde, unterstützt wird. Wie immer entführt uns Autorin Viveca Sten in die wunderschöne Welt der Schären, wo vorwiegend Sandhamn im Mittelpunkt der Handlung steht. Mittlerweile kennen wir den geschäftigen Hafen, die duftende Bäckerei und das elegante Seglerhotel, das gemütliche Värdshus und den gut sortierten Lebensmittelladen, die kleinen, dicht stehenden falunroten Häuschen und die ausgedehnten Kiefernwälder neben einladenden Sandstränden und dennoch gibt es stets etwas Neues auf der Insel zu entdecken und zu erforschen. Sten versteht es, die idyllische Landschaft in eine Mordskulisse zu verwandeln, den Leser zu fesseln mit traumhaften Bildern aus der Natur und genau damit einen perfekten Hintergrund für das Verbrechen zu schaffen.

Zur Abwechslung erwarten den Leser diesmal alte Knochen und wenige Anhaltspunkte, sodass längst zurückliegenden Vermisstenmeldungen nachgegangen werden muss. Interessant sind dabei die Rückblenden zu Astrid und Siri, die ins aktuelle Geschehen eingebettet sind und einige Einblicke ermöglichen, aber auch geschickte Ablenkung darstellen. Raffiniert fügt die Autorin einzelne Puzzlestückchen aneinander, verflicht Polizeiarbeit mit privaten Details von Noras und Thomas‘ Leben, sodass eine stimmige Geschichte entsteht, deren Fäden sich am Ende alle zusammenfügen. Wer die beiden Hauptfiguren von Anfang an kennt, erlebt ihre Entwicklung mit und kann sich gut in sie hineinversetzen, selbst wenn man vor einigen Jahren den aktuellen Zustand für unmöglich gehalten hätte. Aber so spielt eben das Leben, auch im schönen Schärenland.

Mit gewohnt flottem, flüssigem Schreibstil und übersichtlichen, knappen Kapiteln, die immer wieder zum Weiterlesen einladen, zieht Viveca Sten auch mit diesem Band ihre Leser in den Bann und lässt hoffen, dass die Reihe „Ein Fall für Thomas Andreasson“ noch lange nicht zu Ende ist.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Bienen wie Brüder

Das Flüstern der Bienen
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Nana Reja ist alt und sitzt Tag für Tag in ihrem hölzernen Schaukelstuhl, aber sie hat wache Sinne und hört ein Kind wimmern - und tatsächlich liegt unter einer Brücke ein Säugling, den die mexikanischen ...

Nana Reja ist alt und sitzt Tag für Tag in ihrem hölzernen Schaukelstuhl, aber sie hat wache Sinne und hört ein Kind wimmern - und tatsächlich liegt unter einer Brücke ein Säugling, den die mexikanischen Gutsbesitzer Francisco und Beatriz Morales aufnehmen und wie ihr eigenes Kind behandeln. Anfangs sind nicht alle angetan von dem sonderbaren Jungen und schreiben ihm in ihrem Aberglauben böse Eigenschaften zu, nach und nach gewöhnt man sich aber an den stillen und scheinbar eigenbrötlerischen Buben. Alle? Nein, nicht alle …

In einer sehr feinfühligen und empathischen Art schreibt Sofia Segovia diese wunderbare Familiengeschichte nieder, lässt den Leser Stille hören und Vertrauen unter den Menschen spüren, sie berichtet von schwierigen Zeiten und guten Herzen und berührt damit das Innerste des Lesers. Simonopio hat Glück und findet auf der Hazienda La Amistad ein Zuhause, umgeben von freundlichen Menschen, die ihm wohlgesonnen sind. Er aber spürt, dass der Schein trügt und Gefahren lauern. Mit Hilfe seiner Freunde, den Bienen, kann er die Familie vor so manchem Unheil bewahren und so begleiten wir Simonopio durch die Zeit der Spanischen Grippe und der mexikanischen Revolution, erleben Höhen und Tiefen im Leben der Moralez, freudige Feste und finanzielle Sorgen.

Segovias Erzählung gleitet lange ruhig dahin wie ein breiter, gemächlicher Fluss. In der Ruhe aber finden sich so viele Details, die der achtsame Leser entdecken kann. Die Schönheit der Natur, die Geräusche des Windes und der Tiere, das Knacken und Knarren von Ästen, das feine Summen der Bienenflügel, die träge Sommerhitze und die Trockenheit des aufgerissenen Bodens, das Stimmengewirr der Bediensteten und das unaufhörliche Wippen des Schaukelstuhls, das Sterben und das Geborenwerden. Durch gekonnte Verknüpfung von realer Historie und dichterischen Elementen webt die Autorin eine mitreißende und spannende Familiengeschichte, die in einem explosiven Ende mündet. Sprachlich gewandt und mit faszinierenden Bildern entführt uns Segovia in das Mexiko des anfänglichen 20. Jahrhunderts, wo wir das Schicksal der Familie Moralez mitverfolgen können und bemerken, wie wichtig das Miteinander von Mensch und Natur ist, wie wesentlich es ist, achtsam zu sein und nicht das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren.

Aus verschiedenen Blickwinkeln, einerseits dem des neutralen Erzählers, andererseits aus der Sicht des jüngsten Geschwisterkindes geschildert, entsteht ein zusätzlicher Sog, der einen das Buch kaum aus den Händen legen lässt und ein Mitfiebern mit den Protagonisten immer weiter anfacht.

Das Flüstern der Bienen ist ein ganz besonderes Buch, ruhig, aber stimmungsvoll, informativ und verzaubernd gleichermaßen.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Genetische Impfstoffe - verständlich erklärt

Corona-Impfstoffe: Rettung oder Risiko?
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Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie werden Impfstoffe in einem verkürzten – teleskopierten – Verfahren entwickelt und mittels „rolling review“ zugelassen. Welche Vor- und Nachteile dieses vom Standardverfahren ...

Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie werden Impfstoffe in einem verkürzten – teleskopierten – Verfahren entwickelt und mittels „rolling review“ zugelassen. Welche Vor- und Nachteile dieses vom Standardverfahren abweichende Prozedere mit sich bringt, stellt Biologe und Autor Clemens G. Arvay in diesem kompakten Büchlein auch für Laien gut leserlich und verständlich dar.

Sachlich zusammengestellt und wissenschaftlich fundiert (siehe Literaturliste im Anhang) findet der Leser einen guten Überblick über biologische Grundlagen der Zelle, Wirkungen und mögliche unerwünschte Wirkungen von genetischen Impfstoffen, Daten zu bislang bzw. wahrscheinlich demnächst zugelassenen Präparaten und den in der Öffentlichkeit leider versäumten Diskurs.

Niemand entkommt zurzeit dem Thema Corona und Bewältigung der Krise. Welche Rolle nun die bereits vorhandenen Impfstoffe spielen, wie sie wirken und welche Fragen trotz erfolgter (in Österreich bedingter) Zulassung noch offen sind, das beleuchtet dieses Buch. Klar wendet sich Arvay an Menschen ohne oder mit nur geringen Vorkenntnissen, sodass auch diese Zielgruppe die Möglichkeit hat, sich abseits von gängigen Medien zu informieren, Dinge kritisch zu hinterfragen und selber zu einer Entscheidung zu kommen, ob für das individuelle Risiko eine Impfung passt oder nicht. Dass etliche Impfentscheidungen allein dadurch zustande kommen, weil man dann wieder frei durch die Welt reisen darf (Quelle: https://m.focus.de/gesundheit/40-prozent-wollen-sich-impfen-lassen-subjektives-risiko-voellig-ueberschaetzt-was-oesterreicher-wirklich-von-corona-und-lockdown-haltenid12950173.html?fbclid=IwAR0K6xBQED1pBjiV7yzPxD6fPvJx-jTeTcoQT0iegvLXm8-Cy-zbM1an5L8, abgerufen am 21.2.2021) und nicht aus medizinischen Gründen, finde ich persönlich jedenfalls sehr bedenklich.

Da ich selbst gerne unterschiedliche Meinungen einhole, bevor ich zu einem Urteil komme und weder bei „Impfpäpsten“ noch bei „Aluhüten“ ausreichende und vor allem neutrale Antworten gefunden habe, ist mir dieses kurze, aber doch recht informative Buch gerade recht gekommen, weil hier kompakte, sachliche Ausführungen im Mittelpunkt stehen und keinerlei Bewertung pro oder kontra Impfung abgegeben wird. Sachlich und präzise geht der Autor auf die unterschiedlichen Themen ein und bietet somit ein interessantes Werk zum Lesen und Nachschlagen; für die einen bestimmt eine Menge an Neuinformation, für andere vielleicht eher eine sinnvolle Zusammenfassung und Erweiterung von bereits vorhandenem Wissen, in jeden Fall aber eine Bereicherung zum Thema genetische Impfstoffe.

Aus meiner Sicht empfehle ich dieses Buch jedem Interessierten, um sich eine eigene Meinung zu bilden und freue mich auf Clemens G. Arvay: „Wir können es besser“.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Da steppt der Bär, dort blökt das Schaf

Die Fotografin - Die Welt von morgen
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Nach dem Tod von Onkel Josef verlässt Fotografin Mimi die Schwäbische Alb und zieht wieder durch die Lande. Allerdings wird es immer schwieriger, Gastanstellungen zu finden, die Verbreitung von handlichen ...

Nach dem Tod von Onkel Josef verlässt Fotografin Mimi die Schwäbische Alb und zieht wieder durch die Lande. Allerdings wird es immer schwieriger, Gastanstellungen zu finden, die Verbreitung von handlichen Fotoapparaten für „jedermann“ tut ihr Übriges. So suchen Mimi Reventlow und ihr Begleiter Anton Schaufler vom Gasthof Ochsen neue Betätigungsfelder. Sie überlegen, unter Umständen in Berlin ansässig zu werden, denn „da steppt der Bär“, andererseits hat die karge, aber idyllische Alb mit ihrer ganz besonderen Landschaft und den blökenden Schafherden ihren Reiz auch noch nicht ganz verloren.

Nahtlos schließt dieser Teil an die vorangehenden an. Wer Mimi bereits kennt, wird erfreut sein über ein „Wiedersehen“ mit ihr und anderen Bekannten von früher. Neben kurzen Erinnerungen an gestern gilt es diesmal, die Welt von morgen mitzugestalten, Verantwortung zu übernehmen und zukunftsträchtige Pläne zu schmieden.

Wie immer bei Petra Durst-Benning taucht man sofort ein in gewohnt angenehmen Lesefluss und versinkt in bildreichen und wortgewandten Beschreibungen von Landschaft, Mensch und Tier. Genaue Recherchen der Autorin verschaffen dem Leser ein unmittelbares Erleben der Welt um 1912: Fahrräder setzen sich durch, das anstrengende Reisen per Kutsche oder Bahn wird langsam ergänzt durch das bequeme Automobil, Frauen beginnen, ihre Rechte einzufordern. Diese und andere Themen werden geschickt eingebettet in die ganz persönliche Geschichte von Mimi und Anton. Die unverwechselbare Mischung aus spannenden Informationen und einer faszinierenden Kombination mit interessanten Romanfiguren macht auch diesen Band wieder zu einem phantastischen Leseerlebnis.

Sowohl die Fotografin selbst wie auch ihre Begleiter laufen unterschiedliche Entwicklungen durch und lassen die Neugier wachsen, wie es nun weitergeht. Die angerissenen Szenen am Ende deuten eine aufregende und vielversprechende Fortsetzung an. Auch wenn die Bücher rund um Mimi Reventlow einzeln gelesen werden könnten, so empfehle ich doch die ganze Reihe als Gesamtwerk.

Die Welt von morgen – ein weiteres Buch von Petra Durst-Benning, das ich sehr, sehr gerne gelesen habe!

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