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Veröffentlicht am 15.05.2021

Ermittlungen in der Wellness-Oase

Sylter Schuld
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Auf Undercover-Mission in einer luxuriösen Wellness-Oase auf Sylt - kein Zweifel, es gibt schlimmere Jobs für LKA-Ermittlerin Kari Blom. Bloß etwas blöd, dass sie gerade den spontanen Heiratsantrag ihres ...

Auf Undercover-Mission in einer luxuriösen Wellness-Oase auf Sylt - kein Zweifel, es gibt schlimmere Jobs für LKA-Ermittlerin Kari Blom. Bloß etwas blöd, dass sie gerade den spontanen Heiratsantrag ihres Freundes abgelehnt hat, der ebenfalls auf Sylt Polizist ist. Da sind einfach ein paar Beziehungsreparaturarbeiten fällig, um deren Erledigung sie sich gerade nicht kümmern kann. Mal ganz abgesehen davon, dass in ihrem Undercoverfall die Versuchung in Form eines attraktiven Schönheitschirurgen lauert...

Soweit die Ausgangslage von Bent Kryst Tomassons Nordseekrimi "Sylter Schuld". Ich kannte die Reihe um Kari Blom und ihre Hobby-Assistentinnen von der "Häkel-Mafia" - vier Witwen in den 80-ern bisher nicht, es ist aber nicht weiter schwer, trotzdem das Beziehungsgefüge zu durchschauen. Problematischer finde ich, dass bei dem Buch nicht so recht klar wird, was es genremäßig eigentlich sein soll - cozy Krimi (dafür spricht die Häkel-Mafia) oder doch ernsthafte Spannung? Und auch mit den Hauptfiguren tue ich mir ein wenig schwer und kann für keinen Sympathien entwickeln.

Kari sollte in ihrem Besuch als LKA-Ermittlerin auf Undercover-Einsatz ja eigentlich eine starke, intelligente, fokussierte Figur sein - aber irgendwie schafft sie es ja nicht einmal, sich über ihr eigenes Beziehungsleben klar zu werden. Und wenn sie in der Vergangenheit von einem Quartett 80-jähriger enttarnt wurde bzw den alten Damen ihre eigentliche Identität offenbarte, stellt sich eigentlich die Frage, wie sie es geschafft hat, über mehrere Jahre hinweg ihr Incognito auf Sylt überhaupt zu wahren. Ihr Freund wiederum rauft sich ständig die Haare und hat auch schon mal nah am Wasser gebaut - tja, da frage ich mich schon, wie die beiden jemals zusammengekommen sind.

Das hübsche Inselflair tröstet dann auch nicht darüber hinweg, dass hier manches einer gewissen Logik entbehrt beziehungsweise allzu leicht durchschaubar ist. Mit dem Setting und den teils skurrilen Figuren ist das zwar ganz nett, aber mehr auch nicht. Insofern für mich leider nur ein recht durchschnittlicher Inselkrimi und kein Vergleich etwa mit der Spreewald-Reihe im gleichen Verlag.

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Oma unter Kleingärtnern

Fertig ist die Laube (Die Online-Omi 15)
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Online-Oma Renate Bergmann ist zurück und in einem Berlin, in dem von Corona keine Rede ist, geht sie unter die Kleingärtner. Zwar ist die 82-Jährige gut damit beschäftigt, ihre vier Ehemänner oder vielmehr ...

Online-Oma Renate Bergmann ist zurück und in einem Berlin, in dem von Corona keine Rede ist, geht sie unter die Kleingärtner. Zwar ist die 82-Jährige gut damit beschäftigt, ihre vier Ehemänner oder vielmehr ihre Gräber zu gießen - aber was tut man nicht alles für gute Freundinnen, in diesem Fall Gertrud. Deren Lebensgefährte muss sich nämlich einer Bandscheibenoperation unterziehen. Doch wer kümmert sich in der Zwischenzeit um die Kleingartenparzelle?

Klar, dass Renate Bergmann da nicht untätig bleiben kann und in gewohnt launigem Ton in "Fertig ist die Laube" die Welt der Kleingärtner kommentiert. Dass ihr Einsatz nötig ist, stellen die beiden Frauen schnell fest, denn in einer Laubenpieperkolonie herrschen strenge Regeln und so manchem ist die mit jeder Menge Metallschrott überlagerte Parzelle des Bandscheibenpatienten schon länger ein Dorn im Auge. Ganz besonders dem Verwalter der Kleingärtnergemeinschaft, den Renate noch als Platzwart von ihrem Campingabenteuer kennt....

Die beiden rüstigen Damen aquirieren Helfer, zücken den Korn-Flachmann und krempeln die Ärmel hoch. Gewissermaßen nach dem Motto: Einmal Trümmerfrau, immer Trümmerfrau. Das Aufräumen der Parzelle kriegen sie jedenfalls hin, dann ist der gärtnerische Ehrgeiz geweckt. Zwischen dem Spießertum strenger Kleingartenregeln, in denen selbst die Höhe der Hecke normiert ist, und ökologischen Freigeistern, die am bei Neumond Unkraut jäten (oder war es Vollmond?) lernt auch die erfahrene Gräberpflegerin Renate einiges dazu. Nur was mit all den vielen Zucchini zu machen ist, die von Kleingärtner zu Kleingärtner "verschenkt" werden, bleibt nicht nur ihr ein Rätsel.

Launig geschrieben in gewohnter Manier ist auch dieser Monolog der "Online-Oma" unterhaltsam zu lesen. Für ein paar Schmökerstunden in der Laube oder auf dem Balkon auch für Nicht-Gärtner geeignet.

Veröffentlicht am 10.04.2021

Ein Täter auf Rachefeldzug?

Die Küstenkommissarin – Der Tote am Leuchtturm (Frida Beck ermittelt 1)
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Konflikte zwischen Umweltschützern und Immobilienhaien, Landkauf und Veränderung des sozialen Gefüges, Geldwäsche und mögliche Stasi-Seilschaften - es ist eine vielfältige und zunächst unübersichtliche ...

Konflikte zwischen Umweltschützern und Immobilienhaien, Landkauf und Veränderung des sozialen Gefüges, Geldwäsche und mögliche Stasi-Seilschaften - es ist eine vielfältige und zunächst unübersichtliche Gemengelage die sich der Kommissarin Frida Beck bei ihren Ermittlungen an der Ostseeküste Präsentiert. In "Die Küstenkommissarin" stellt Jonas Brandt die Ermittlerin der Kripo Lübeck und ihren Kollegen Denis Yilmaz erstmals vor, wobei das Hauptaugenmerk auch Beck liegt und Yilmaz eher der wohlwollende Sidekick ist.

Unter einer Segelyacht in Dahmeshöved wird die Leiche eines Jugendlichen entdeckt und das Gespann Beck/Yilmaz soll klären - Unfall oder Mord? Der Leiter der Mordkommission ist zögerlich, Beck zum Tatort zu schicken - ein über zugerichteter Junge, das könnte schlimme Erinnerungen bei der Kommissarin triggern, die bei einem ihrem Mann geltenden Mordanschlag auch ihren Sohn verlor und sich seitdem in der Arbeit vergräbt, auch wenn Yilmaz immer wieder versucht, sie zu verkuppeln.

Doch Beck zieht sich stets in die selbstgewählte Isolation zurück. Überhaupt scheint Brandt zu den Autoren zu gehören, die ihrer Protagonistin ein gewaltiges Maß an Schicksal aufbürden. Nicht nur, dass die Ermordung von Mann und Sohn die Rolle als mater dolorosa ausfüllen, ist auch noch Becks Vater an Krebs gestorben, während ihre Mutter sich in den USA einen neuen Lover suchte und die Schwester auf Weltreise selbstverwirklichte. Das ist dann doch ein bißchen dick aufgetragen.

Der tote Jugendliche jedenfalls ist der Sohn eines Immobilienhais, der es sich mit den Menschen in der Nachbarschaft gründlich verdorben hat, indem er ihr Land billig aufkauft und Luxusvillen baute. Vor allem einer der Nachbarn liegt im Streit mit der Familie. Der ältere Bruder des Toten wiederum hat Drogenprobleme und wurde vom Vater vernachlässigt, dafür erpresste er die Stiefmutter, die ein außereheliches Verhältnis hat. Sowohl innerhalb der Familie als auch in der Umgebung mangelt es nicht an möglichen Motiven. Zudem bleibt es nicht bei einem Toten und die Ermittler müssen sich fragen, ob hier ein Täter auf Rachezug ist. Doch Rache wofür?

Als wäre der Fall nicht kompliziert genug, erschwert ein örtlicher Kollege, der schon lange zur Mordkommission wollte, Beck die Arbeit und versucht sie zu sabotieren. Nicht gerade die besten Voraussetzungen also für eine schnelle Aufklärung des Falls, während der Druck auf die Kommissarin zunimmt.

Die Ortsschilderungen zwischen Hafen und Leuchtturm machen Lust auf Wellen, Wind, und Fischbrötchen, auch der Plot hat durchaus seine Reize, aber ich hoffe doch sehr, dass der Autor im nächsten Band seinen Figuren mehr Tiefe gibt. Vieles ist arg plakativ geraten, da wurde meiner Meinung nach Potential verschenkt. Als dann auch noch Mutter und Schwester auftauchen, wirkt das schwierige Verhältnis der Frauen eher karikierend als lebensnah. "Die Küstenkommissarin" ist der Auftakte einer Reihe, bei der ich noch Luft nach oben sehe.

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Veröffentlicht am 22.03.2021

So long, Marianna

Sommer der Träumer
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Eine der großen Liebesgeschichten der Popkultur, Flair der 60-erJahre und griechisches Inselleben in einer Künstlerkolonie - "Sommer der Träumer" bringt ein wenig Sonne und Wärme in den Corona-Winter. ...

Eine der großen Liebesgeschichten der Popkultur, Flair der 60-erJahre und griechisches Inselleben in einer Künstlerkolonie - "Sommer der Träumer" bringt ein wenig Sonne und Wärme in den Corona-Winter. Fiktionalisierte Biografien sind ja seit einigen Jahren recht beliebt als Belletristik-Genre, ob es sich nun um Hemingways Ehefrauen, das Liebesleben von Eleanor Roosevelt oder in diesem Fall die 1960 auf der griechischen Insel Hydra lebenden Künstler handeln, allen voran der junge und noch unbekannte Leonard Cohen.

In diese Künstlerkolonie lässte Polly Samson die 18-jährige Erica und ihren Bruder Bobby nach dem Tod der Muter und der Flucht vor dem schwierigen Vater stranden. Das Erbe der Mutter ermöglicht den beiden, unter griechischer Sonne zu leben, ohne sich ein Jahr lang um Ausbildung, Beruf und Geldverdienen kümmern zu müssen. Auf Hydra lebt bereits Charmain Clift, eine alte Freundin ihrer Mutter mit ihrem Mann - beide sind Schriftsteller - und drei Kindern, gewissermaßen die Queen der Künstlerkolonie aus Briten, Amerikanern, Schweden, Norwegern und anderen, die hier malen, dichten, Romane schreiben und vor allem reichlich feiern und übereinander herziehen.

Eifersüchterleien und Affären, viel Klatsch und Alkohol und ein freizügiges Leben parallel zu der gleichsam als malerische Staffage dienenden konservativ-traditionellen Dorfgesellschaf prägen das Leben auf Hydra, in das auch Erica voll eintaucht. Hinter Unverbindlichkeit und scheinbarer Leichtigkeit lauert allerdings auch viel Unglück. Teil der Inselgesellschaft sind auch die Norwegerin Marianne, die von ihrem Mann verlassen wird und Muse des jungen Schriftstellers Leonard wird, während Ericas eigene Liebesträume zerplatzen, als sich ihr Freund Jimmy nicht als so monogam erweist, wie sie es sich gewünscht hätte.

Trotz des vielversprechenden Settings bleiben die Personen des Romans, einschließlich Ich-Erzählerin Erica, eher oberflächlich. Was Erica letzlich aus ihren Erfahrungen mitnimmt, wie sie sich als Mensch entwickelt - das alles ist eher vage. Auch die unglücklich-getriebenen sind letztlich nur daueralkoholisiert und aggressiv, welche Dämonen sie auch bekämpfen mögen - das muss der Leser erraten.

Angesichts der Tatsache, dass Erica später, als alte Frau, wieder auf Hydra lebt, wäre es interessant gewesen zu erfahren, wie sie nun auf das Leben von damals zurückblickt, ob sie das Auftreten der Ausländer in den 60-ern heute als respektlos gegenüber der einheimischen Bevölkerung bewertet oder eine kritische Einstellung zu der letzlich ziemlich ignoranten Künstlergesellschaft entwickelt hat.

Sommer der Träumer ist leicht und locker zu lesen, mehr Tiefe hätte dem Buch aber gut getan.

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Raketenforscher und Spione

Die Experten
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Als Thriller bezeichnet der Verlag "Die Experten" von Merle Kröger, die Autorin selbst spricht in ihrem Nachwort von einem "dokumentarischen Roman, was auf jeden Fall zutreffend ist. Denn in die Anfang ...

Als Thriller bezeichnet der Verlag "Die Experten" von Merle Kröger, die Autorin selbst spricht in ihrem Nachwort von einem "dokumentarischen Roman, was auf jeden Fall zutreffend ist. Denn in die Anfang der 60-er Jahre spielende Handlung sind zahlreiche dokumentarische Hintergründe eingearbeitet. Da es sich hierbei allerdings nicht um Fußnoten oder sonstige Anmerkungen handelt, wird der Erzählfluss immer wieder unterbrochen - und das dämpft das Lesevergnügen doch ganz erheblich, vor allem, da es bei einem Thriller immer auch um Spannungsaufbau geht. So gerät der Lesefluss doch eher zäh.

Hauptfigur ist Rita Hellberg, die heranwachsende Tochter eines Flugzeugingenieurs, der in der jungen Bundesrepublik keine Chance für die Forschungsarbeit sieht, die er gerne betreiben will. Er folgt dem Ruf der ägyptischen Regierung, die deutsche Experten für ihr Luftfahrt- und Raketenprogramm anwirbt. Rita, die gerade wegen unerlaubten Männerbesuchs aus dem Internat geflogen ist, muss zunächst widerwillig nach Kairo übersiedeln, wo die Eltern mit der jüngeren Schwester schon wohnen. Ihr älterer Bruder Kai hingegen, der sich vor allem für Musik interessiert und zur aufbegehrenden Generation gehört, die Fragen nach der Verantwortung der Elterngeneration während des Nationalsozialismus stellt, bleibt in Hamburg zurück.

Rita hat zwar keinen Schulabschluss, landet aber als Sekretärin im Team deutscher Raketenforscher. Sie fühlt sich schnell wohl am Nil und in der ganz anderen Welt, vor allem als sie den jungen Ägypter Hani kennenlernt und sich in ihn verliebt. Doch die deutschen Experten sind nicht unumstritten: In Deutschland wird zunehmend befürchtet, sie könnten Geheimnisse verraten, der Zugang zu ihren alten Arbeitgebern ist plötzlich versperrt. Und auch politisch gibt es Bedenken in einer Zeit, als es zu vorsichtigen diplomatischen Annäherungen an Israel kommt: Könnte das Raketenprogramm nicht der Raumfahrt dienen, sondern einem Atomprogramm, das die Sicherheit Israels bedroht? Mossad, BND und ägyptischer Geheimdienst belauern sich und die Experten gleichermaßen, es gibt Drohungen und Anschläge. Zudem gibt es mehrere Altnazis, sogar gesuchte Kriegsverbrecher.

Hier wäre nun in der Tat reichlich Thriller-Stoff, doch die Autorin erzählt zugleich eine Familiengeschichte - hier Rita, die als junge Frau ihren eigenen Weg sucht, dort ihre frömmelnde und unter einem Putzfimmel leidende Mutter, die eine Belastung für die Familie ist, da die Beziehung des Vaters zu einer jungen Frau in Ritas Alter. Auch diest trägt dazu bei, dass der Spannungsbogen eiert. Zudem bleibt Hauptfigur Rita trotz all der Buchseiten, die ihr gewidmet sind, merkwürdig blutarm und oberflächlich - sie macht eine Entwicklung durch, aber so richtig glaubwürdig und nachvollziehbar ist das alles nicht beschrieben.

Eine hübsche Idee ist, dass die Ereignisse mit Hilfe von drei Fotoalben der verschiedenen Jahre erzählt werden. Rita ist eine begeisterte Fotografin, und jedes Kapitel beginnt mit einem Bild, das gleichsam symbolisch für ihre Erlebnisse und Erfahrungen steht. Doch leider mindert das nicht die Erfahrung, dass der Text langatmig gerät, trotz oder gerade wegen der offensichtlich aufwändigen Rechercheleistung.

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