Profilbild von kayla

kayla

Lesejury Star
offline

kayla ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kayla über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.03.2017

Lesetipp

Endlich zu fünft
0

Als Vielleserin habe ich oft das Gefühl, immer wieder das Gleiche in abgewandelter Form zu lesen.

Miina Supinens Werk "Endlich zu Fünft" hat mich schliesslich aus meinem Lesetrott gerissen, da es wirklich ...

Als Vielleserin habe ich oft das Gefühl, immer wieder das Gleiche in abgewandelter Form zu lesen.

Miina Supinens Werk "Endlich zu Fünft" hat mich schliesslich aus meinem Lesetrott gerissen, da es wirklich innovativ ist. Ein frischer Stil, der oft ins Absurde bzw. Groteske abgleitet und sich am ehesten mit Ćosićs Stil in "Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution"
vergleichen liesse. Die Sprache von MIINA SUPINEN ist poetisch und explizit, dabei aber so dosiert, dass mich die vulgären Passagen nie abgestoßen haben. Seltsam, aber irre gut! Der Humor ist geistreich und funktioniert meines Erachtens auf mehreren Ebenen. Supinen übt ohne erhobenen Zeigefinger Gesellschaftskritik, sie wendet sich auch gegen Misogynie, stets leichtfüßig, ironisierend und in teils sarkastischem Ton. Ein third person narrator nimmt den Leser mit auf die Reise.

"Roman einer fast perfekten Familie" beschreibt die story ganz gut: Es geht um die finnische Familie Silola: Nesthäkchen Pelagia (die Vierjährige habe ich während der Lektüre ins Herz geschlossen), Studentin Astra, Teenager Silmu und die Eltern, Katriina und Launo.

Im Prinzip eine Vorzeigefamilie - der Vater ein berühmter Dirigent, die Mutter Innenarchitektin; ihr Heim ein Wohntraum am Meer. Die finnische Sippe hat wie fast alle Familien ihre handfesten Probleme. Wenn sich Vater Launo wundert, wie ein junger Mensch wie Astra Biologie studieren kann und sich statt für Kunst "für Zytoplasma" begeistern kann, ist das komisch, denn eigentlich gibt es gravierendere Mißstände.

Astra möchte sich, ganz dem Zeitgeist entsprechend,dem Sadomasochismus hingeben. Die Suche nach einem geeigneten Meister gestaltet sich indes schwierig:

Online findet sie einen dyslexischen Möchtegernmaster….der Frauen gerne 'füsisch' züchtigen will.

" Was ist daran falsch?" ,- fragt Bruder Silmu, obwohl er lieber von Astras persönlichen Angelegenheiten verschont bleiben will.

"Die Rechtschreibung!… " entgegnet Astra trocken.

Ich habe während der Lektüre viel gelacht, ich bin aber auch ins Grübeln gekommen und habe mich an manchen Passagen gestört. So soll ein gutes Buch sein! Keine Sekunde lang habe ich mich gelangweilt und ich war traurig, dass der Roman so schnell ausgelesen war.

Der Roman ist aber kein Familienkitsch, wer eine handzahme , heitere Erzählung erwartet, wird enttäuscht sein.

Was die Familie Silola so besonders macht und welche Probleme sie unter den Teppich kehrt, müsst ihr selbst entdecken! Ich kann das Buch nur empfehlen.

Von mir gibt es für "Endlich zu Fünft" fünf von fünf möglichen Sternen!

Veröffentlicht am 17.03.2017

Steampunk

Books & Braun
0

Steampunkfans sollten diesen Roman unbedingt lesen. Im viktorianischen London agiert das "Ministerium für ungewöhnliche Vorkommnisse" im Geheimen. Nachdem die Agentin Eliza D. Braun, eine "Kolonistin" ...

Steampunkfans sollten diesen Roman unbedingt lesen. Im viktorianischen London agiert das "Ministerium für ungewöhnliche Vorkommnisse" im Geheimen. Nachdem die Agentin Eliza D. Braun, eine "Kolonistin" und Neuseeländerin, zum wiederholten Male durch eine Explosion alles in Schutt und Asche legte, wird sie ins Archiv strafversetzt. Der Archivar Wellington "Welly" Books ist - charakterlich gesehen - das genaue Gegenteil von Eliza: besonnen, präzise und pünktlich! Ausserdem erinnert er sich stets an seine Grundausbildung im Ministerium.
Da Elizas Partner unerklärlicherweise den Verstand verlor und so im Asyl Bedlam landete, beginnt Eliza, zu ermitteln. Bald ist auch Books involviert. Sie stossen auf die dubiosen Machenschaften eines Geheimordens und schweben schon bald in Lebensgefahr ...
Der Roman liest sich sehr flüssig, auch wenn die Handlung ein wenig Zeit braucht, um in Schwung zu kommen. Die Figuren sind sehr originell. Besonders haben mir die vielen Details gefallen - Gaslampen, Automaten, Dampfmaschinen, Prothesen etc.
Die Handlung kommt ohne Kitsch und Pathos aus. Die Spannung zieht gegen Ende noch einmal mächtig an, man sollte beim Lesen auf jeden Fall geduldig sein!
Ein wirklich interessantes Buch.

Veröffentlicht am 17.03.2017

Klasse Kiezkrimi

Bullenpeitsche
0

Diesen Krimi habe ich in einem Rutsch ausgelesen, so spannend war er! Vielleicht ist es sogar der beste Band der gesamten Reihe rund um die Hamburger Staatsanwältin Chas Riley.


Worum geht's ?




- ...

Diesen Krimi habe ich in einem Rutsch ausgelesen, so spannend war er! Vielleicht ist es sogar der beste Band der gesamten Reihe rund um die Hamburger Staatsanwältin Chas Riley.


Worum geht's ?




- Kein guter Sommer für Staatsanwältin Chas Riley: Regen, Regen, Regen – und ein brutaler Polizistenmord in den Elbvororten. Die Ermittlungen schieben Chas und ihre Kripokollegen in ein schmieriges
Karussell aus Korruption, Gefälligkeiten und Männerfreundschaft. Am Ende ist ein weiterer Kollege am Ende, eine Frau verschwunden, eine Freundin verheiratet. Und der große Gangster lernt, dass gegen die große Einsamkeit keine Knarre gewachsen ist.



Mittlerweile bin ich von den tollen Buchholz'schen Krimis aber so verwöhnt, dass mich Kleinigkeiten stören.Da sonst im Roman alles stimmig ist (Hamburg, wie es leibt und lebt), fallen die kleinen Unstimmigkeiten auf:

- Der Bülent -Strang ist mir zu oberflächlich ausgearbeitet, die Figur besitzt einfach zu wenig Tiefe, obwohl sie keine Nebenfigur mehr ist.
- Der Strang rund um die schöne Marokkanerin war einfach viel zu vorhersehbar.
- Eine ballernde Chas, wo kam das plötzlich her?
Ansonsten ein wirklich toller Krimi, der die volle Punktzahl verdient hat! Die schönen Sprachbilder haben mich wirklich begeistert.
Ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus!

Veröffentlicht am 17.03.2017

Lesenswert!

Doitscha
0

Adriana Altaras erzaehlt aus dem Alltag ihrer deutsch-jüdischen Familie, von ihrem pubertierenden Sohn und von ihren Freunden. Das Ganze ist gekennzeichnet durch wechselnde Erzählperspektiven, wobei ich ...

Adriana Altaras erzaehlt aus dem Alltag ihrer deutsch-jüdischen Familie, von ihrem pubertierenden Sohn und von ihren Freunden. Das Ganze ist gekennzeichnet durch wechselnde Erzählperspektiven, wobei ich die Erzaehlperspektive ihres ältesten Freundes Aron (auch die jenseitige) sehr anrührend fand. Ihr Mann Georg, "Westfale, Katholik, Doitscha" ist zugleich Fels in der Brandung, Ruhepol und Angriffsziel des Sohnes.
Der Erzählton ist witzig, geistreich und bissig, und ich habe so Manches gelernt - etwa, das J. Gaucks Eltern Mitglieder der NSDAP gewesen waren (wtf). Herrlich amüsiert habe ich mich auch über die Israelreise der Familie Altaras, die einen zackigen israelischen Soldaten heimlich "mein Führer" nennt
Altaras, eine Schauspielerin und Regisseurin, erzählt anschaulich und mitreissend. Das erste Kapitel fand ich noch dröge. Aber der Roman fesselte mich mit jeder Seite mehr, sodass ich traurig war, als er schliesslich ausgelesen war.

Fazit: Diese Lektüre ist ganz klar 5 Sterne wert!

Veröffentlicht am 17.03.2017

Intensives Leseerlebnis

Blauschmuck
0

Ein so exzellentes Buch wie "Blauschmuck" (was für ein schlimmer Euphemismus! ) habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Sprachlich und stilistisch ist es einfach wunderschön.


Dabei steht die poetische ...

Ein so exzellentes Buch wie "Blauschmuck" (was für ein schlimmer Euphemismus! ) habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Sprachlich und stilistisch ist es einfach wunderschön.


Dabei steht die poetische Sprache jedoch im krassen Gegensatz zum grausamen Inhalt oder verstärkt diesen (..."Schlag. Um Schlag. Um Schlag." ). Nachdem ich mit der Lektüre begonnen hatte, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, ich hatte es in weniger als einer Woche ausgelesen, da die Worte eine unheimliche Sogwirkung entfalten.

Erzählt wird hier die Lebensgeschichte von Filiz, einem Mädchen, das in einem türkischen Kurdendorf in einer archaischen Gesellschaft aufwächst. Schon sehr früh bestimmen patriarchale Strukturen ihr junges Leben, und der Begriff der "Ehre" hängt wie ein Damoklesschwert über allen Lebensbereichen. "Die Ehre wächst mir über den Kopf," sagt Filiz an einer Stelle. Außerdem soll sie immer auf ihre "Jungfrau", auf das Hymen, achten. Geprügelte Frauen und Kinder tragen "Blauschmuck".

Das Mädchen ist klug und begabt & so schlau, dass der Dorfschullehrer ihr eine Ausbildung in der Stadt finanzieren möchte und dafür eigens beim Vater vorspricht. Doch dies geht gegen des Vaters Ehre; er möchte nicht als mittellos gelten. Damit des Vaters Ansehen gewahrt wird, bleibt Filiz die weiterführende Schule verwehrt. Doch ihre Probleme beginnen erst richtig, als Yunus in ihr Leben tritt. Er erhebt Anspruch auf Filiz, die sich in ihrer kindlichen Naivität sofort in den grünäugigen Jungen verliebt. Als Filiz' Vater einer Verbindung nicht zustimmt, reißt das Paar aus. Yunus verspricht dem noch sehr jungen Mädchen ein Leben im Westen, blue Jeans. Doch zunächst erwartet sie ein Leben bei der tyrannischen Schwiegermutter. Emotionale und physische Mißhandlung durch den Nichtsnutz Yunus, der sich als Arschloch und Pascha entpuppt. Das Paar lässt sich in Österreich und Deutschland nieder und hat drei Kinder, und da kein Geld da ist, ist die Frau nicht über jedes glücklich. Der eifersüchtige und sadistische Yunus zwingt Filiz unter die Burka und verbietet ihr das Lachen, da ihr Mund "sein" sei und an "Schamlippen" erinnere. Er erniedrigt, prügelt und vergewaltigt die Frau brutal. Schafft sich eine Geliebte an, will Filiz als Putzfrau und Sklavin behalten. Während sie und die Kinder ärmlich gekleidet sind, schwelgt Yunus im Luxus. Filiz arbeitet als Putzfrau, spart für das Landschulheim der Kinder, heimlich. Immer ist es das deutsche und österreichische Umfeld, das der Frau hilft und sie integriert, am Ende rettet es sogar ihr Leben...

"Blauschmuck" ist ein unheimlich wichtiges Buch, gerade in der heutigen Zeit mit den demographischen Veränderungen. Winkler kommentiert nicht, sondern lässt den Text sprechen, nur an einer Stelle gibt es einen Terminus, der die Gesamtkomposition stört. Man darf natürlich nicht vom Fall der Protagonistin Filiz auf eine ganze Ethnie schließen. Aber es darf auch nicht verschwiegen werden, welches Unheil archaische und patriarchale Strukturen anrichten können. Eine verschleierte Frau sollte man nicht per se verachten, denn womöglich trägt sie ihn, so wie Filiz, absolut unfreiwillig.


Wer noch keine Feministin ist, wird es spätestens nach der Lektüre. Winkler ist völlig zu Recht bei Suhrkamp! Ein unglaublich gutes Debut.