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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.02.2022

Philosophische Plauderei

Kleine Philosophie der Begegnung
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Der Autor bietet dem Leser in einem unaufdringlichen Parlando eine Vielzahl von Anregungen, dem Wesen der Begegnung durch die Beschäftigung mit mancherlei kulturellen Zeugnissen auf die Spur zu kommen. ...

Der Autor bietet dem Leser in einem unaufdringlichen Parlando eine Vielzahl von Anregungen, dem Wesen der Begegnung durch die Beschäftigung mit mancherlei kulturellen Zeugnissen auf die Spur zu kommen. Wer diese Bücher, Filme, Bilder nicht kennt, wird möglicherweise angeregt, diese Werke kennenlernen zu wollen, die offenbar vom Autor als Türöffner für seine philosophischen Reflexionen intendiert sind.
Wesentlich weniger anregend, ja geradezu ärgerlich ist das wohlfeile Vorgehen, zu dieser oder jener vorgetragenen These seine Zuflucht im Menscheln zu suchen, diesen oder jenen Freund als Zeugen und Demonstrationsobjekt zu berufen, der eine Lebenssituation in dieser oder auch jener Weise bewältigt hat. Das ist allzu billig, das zieht diesen einerseits ambitionierten, andererseits aber auf Lesbarkeit angelegten Band in unstatthafter Weise hinunter auf das öde Niveau eines Rat- und Trostbüchleins.
In dem Bestreben, didaktisch und strukturiert vorgehen zu wollen, kommt es zu mancherlei Wiederholungen, die den Lesefluss und das gedankliche Vorandrängen ausbremsen, mit dem Ergebnis, dass der Leser sich unterfordert fühlt.
Alles in allem also eine Lektüre, die mancherlei Anregung bietet, letztlich aber kein rundherum befriedigendes Leseerlebnis verschafft, so dass das abschließende Urteil nur verhalten positiv ausfällt!

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Veröffentlicht am 29.10.2021

Gemischt ausfallendes Urteil!

Little Women. Beth und ihre Schwestern
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Gemischtes Urteil

Es dürfte völlig außer Frage stehen, dass dieses klassische Werk der Jugendliteratur in der heutigen Zeit sich allein an ein Publikum ausgesprochener Liebhaber wendet. Umso anerkennenswerter, ...

Gemischtes Urteil

Es dürfte völlig außer Frage stehen, dass dieses klassische Werk der Jugendliteratur in der heutigen Zeit sich allein an ein Publikum ausgesprochener Liebhaber wendet. Umso anerkennenswerter, dass Reclam sich bemüßigt fühlt, der begrenzten Auswahl an deutschen Übersetzungen eine aufwendig gestaltete Ausgabe hinzuzufügen. Es gehört ein gerüttelt Maß an souveräner Distanz dazu, die in diesem Buch vertretenen Einstellungen, Werte und Normen als Ausdruck einer vergangenen Zeit hinzunehmen. Unsere heutigen Standards hinsichtlich weiblichem Rollenverständnis an diesen Titel heranzutragen, dürfte Louisa May Alcott nicht gerecht werden. Umso erfreulicher, dass die Autorin sehr wohl sich um differenzierende Charakterzeichnung bemüht. So gibt es in der jungen Generation keinesfalls ausschließlich positive oder gänzlich negative Figuren. Im Gegensatz zu den durchweg strahlend hell gezeichneten Eltern kämpft jede der vier Schwestern mit ihrem eigenen Defizit. So ist der pädagogische Ansatz für uns heutige Leser eindeutig identifizierbar: Meg und Jo, Beth und Amy haben jeweils ihr ganz individuelles Profil, was sie vereint, ist der unbedingte, ihnen durch das Vorbild von Mutter und Vater anerzogene Willen, ihre Schwächen zu überwinden. Sehr fortschrittlich für ihre Zeit, dass die positive Einflussnahme auf eine männliche Hauptfigur, Laurie, Früchte trägt und er sich zu einem gereiften jungen Mann entwickelt, was allein der Zuwendung durch die vier Nachbarsmädchen zu danken ist.

Die angefügten Wort- und Sacherklärungen am Ende des Buches sind hilfreich, ein zusätzlicher umfassender Essay allerdings hätte die Ausgabe nochmals aufgewertet.

Allerdings fühle ich mich bemüßigt, die Abstriche nicht unerwähnt zu lassen, die nach meinem Dafürhalten dieser neuen Ausgabe anzukreiden sind. Es ist ein Wagnis und eine Herausforderung, einem zeitlich recht weit zurückliegendem literarisches Werk durch die Übersetzung in eine andere Sprache einen leichteren Zugang zu verschaffen. Die Übersetzerin dieser Reclam-Ausgabe hat in meinen Augen des Guten zu viel getan. Indem sie dezidiert modernen Jargon einsetzt, der zweifelsfrei der unmittelbaren Gegenwart entstammt, ist der Kontrast zwischen inhaltlich vermittelter Ideologie und sprachlichem Gewand überaus deutlich, und die Gefahr ist groß, dass innerhalb kürzester Zeit diese Fassung auch wieder veraltet und obsolet erscheint. Ausdrücke wie "aus einer Nummer wieder herauskommen" zum Beispiel, willkürlich herausgegriffen aus einer Vielzahl von sprachlichen Missgriffen, verursachen eine Diskrepanz zwischen dem sehr wohl wahrgenommenen inhaltlichen Substanz und der übermäßig aktuellen Sprachgestalt.

Ein weiterer zu diskutierender Aspekt ist die gewählte Formensprache der Illustrationen. So begrüßenswert es ist, einem Buch durch eine aufwendige Gestaltung eine größere Wertigkeit zu verleihen, so sind aber doch gewisse Aspekte zu erörtern. Ganz offenkundig der Ehrgeiz der Illustratorin, ihren Abbildungen den Stempel die ureigene Individualität ihrer Formensprache zu verleihen, doch ist es nach meinem Dafürhalten wenig überzeugend, wenn die Physiognomie der vier Protagonistinnen sich doch kaum voneinander abheben, auch die Proportionen, die der unteren Körperhälfte ein entschiedenes Übergewicht verschaffen, sind einem gegenwärtigen Modeideal überlanger Beine geschuldet. So ansprechend die Idee der eingestreuten Vignetten ist, so ermüdend die immergleiche Abfolge von identischen Körbchen, Teekannen und -tassen, aufgeschlagenen Büchern und dergleichen mehr.

Meine entscheidende Kritik jedoch richtet sich an den Verlag! Es sollte Reclam doch möglich sein, einen Korrekturleser zu beschäftigen, der sein Handwerk gelernt hat. Die Unentschiedenheit, den guten Geist der Familie, Hannah, mal mit, mal ohne 'h' am Wortende zu schreiben, aus 'Buch' ein 'Tuch' zu machen, wodurch der Sinn des Satzes vollkommen kryptisch wird, einzelne Buchstaben innerhalb eines Wortes verschütt gehen zu lassen, und sogar gänzlich skandalöse Grammatikfehler nich zu korrigieren - das ist kein Ruhmesblatt!

Insgesamt also ein durchaus gemischt ausfallendes Urteil über diese Neuausgabe eines unverzichtbaren Klassikers der amerikanischen Literatur. In einer zweiten Auflage wenigstens die zuletzt genannten ärgerlichen Schnitzer auszumerzen, sollte keine zu große Schwierigkeit darstellen!

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Veröffentlicht am 07.09.2021

Heimkehr in ein fremdes Land

Ritchie Girl
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Eine Tour de Force durch das Deutschland nach dem Zusammenbruch, ein ehrgeiziges Romanprojekt, ein interessantes und informationsreiches Leseerlebnis - aber ….

Widerstreitende Gefühle, schwankende Gewissheiten ...

Eine Tour de Force durch das Deutschland nach dem Zusammenbruch, ein ehrgeiziges Romanprojekt, ein interessantes und informationsreiches Leseerlebnis - aber ….

Widerstreitende Gefühle, schwankende Gewissheiten dominieren eine junge Frau, die eine Hölle durchschritten hat, glaubte, ihr entronnen zu sein, sich aber gezwungen sieht, in einer neuen Rolle in ihr altes Leben zurückzukehren.

Unterschiedliche Loyalitäten kämpfen im Bewusstsein der Protagonistin Paula darum, die Oberhand zu erlangen. Sie war Tochter ihres Vaters, eines reichen amerikanischen Geschäftsmannes, der ohne Prinzipientreue sich auf Wirtschaftsverbindungen mit der Nazi-Industrie einließ. Sie war Freundin eines jüdischen Mädchens, das sie im Stich ließ. Und sie war die Geliebte eines Deutschen, den sie abwies, um dann umso dringlicher nach ihm zu suchen.

Es ist eine Fülle an historischen Fakten, die den interessierten Leser in Bann ziehen, doch gleichzeitig muss eine ganze Reihe an eher befremdenden Charakteristika dieses Romans registriert werden.

Die Figur der nach Deutschland heimkehrenden Paula, jetzt in der Rolle eines Geheimdienstoffiziers, bleibt seltsam blass. Ihre Attraktivität wird dauernd angesprochen, ebenso wie ihre permanenten Zweifel an sich selbst und den Menschen, die ihr nahestanden und -stehen. Ebenso wird konstant herausgestrichen, wie sehr sie sich abgestoßen fühlt von der Bereitschaft ihrer amerikanischen Landsleute, mit alten Nazis zusammenzuarbeiten, ebenso wie von der Neigung der Deutschen, wieder zur Tagesordnung überzugehen.

Keinesfalls überzeugend muss auch der Kunstgriff des Autors genannt werden, die Figur seiner fiktiven Heldin mit dem who is who der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts biographisch zu verknüpfen. Ein Register aller realen Persönlichkeiten, die mit Paula persönlich verbunden sind, würde mehrer Seiten beanspruchen!

Ärgerlich ist auch die Eitelkeit des Autors zu nennen, wenn er seine sprachlichen und stilistischen Pirouetten dreht: übermäßig gesucht die Ausdrucksweise, eine überbordende Verwendung von gewollt aparten Vergleichen und Metaphern, auch ein gelegentlich gezielt rüder Sprachgestus kommt zum Einsatz.

Der Detailreichtum dieses aufwendig recherchierten Romans ist hervorzuheben, die Reserviertheit gegenüber der gestalterischen Umsetzung soll nicht verschwiegen werden.

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Veröffentlicht am 17.03.2021

Beharrlichkeit und Verbohrtheit

Sie haben mich nicht gekriegt
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Fiktionalisierte Biographien stellen momentan einen Trend im gegenwärtigen Literaturgeschehen dar. Im Falle von Felix Kuchers Roman „Sie haben mich nicht gekriegt“ stehen zwei historisch belegte Persönlichkeiten ...

Fiktionalisierte Biographien stellen momentan einen Trend im gegenwärtigen Literaturgeschehen dar. Im Falle von Felix Kuchers Roman „Sie haben mich nicht gekriegt“ stehen zwei historisch belegte Persönlichkeiten im Zentrum: eine italienischstämmige Fotografin, die ihr ganzes Leben in den Dienst der kommunistischen Partei gestellt hat, und eine aus Fürth gebürtige Buchhändlerin, der als Jüdin durch ihre Flucht in die USA dem Holocaust entkommen ist.
Der Titel des Buches zitiert zwar eine im Text genannte Bemerkung einer der beiden Heldinnen, ist aber in der Banalität der Formulierung kaum zu übertreffen und weckt beim Leser vollkommen unzutreffende Leseerwartungen.
Das kompositorische Prinzip des Romans ist hingegen durchaus ambitioniert zu nennen: in sehr schnellem Wechsel reihen sich alternierend zumeist überaus kurze Szenen aus dem Lebensweg der beiden Hauptfiguren aneinander, wobei jeweils am Ende einer Sequenz ein winziges Detail, ein Gegenstand, eine Bemerkung, eine Wendung in der Handlung den Übergang zur folgenden Episode im Leben der anderen Frau schafft. Ein ausgesprochen kunstvoll gestaltetes Verfahren!
Allerdings ist zu bemängeln, dass der Rhythmus so schnell ist, dass eine Atemlosigkeit der Darstellung das Ergebnis ist. Dazu kommt, dass im Falle der Italienerin Tina Modotti die Abfolge der Einsätze und Engagements im Dienste der Weltrevolution sich immer weiter beschleunigt, so dass beim Leser eine gewisse Ermüdung nicht zu verleugnen ist, zumal im Gedankenleben dieser Protagonistin wenig ausdifferenzierte Reflexion zum Tragen kommt. Ihre Einstellung gegenüber ihrer politischen Ausrichtung lässt sich am besten mit einem Zitat eines populären Liedtitels umschreiben: Die Partei hat immer recht. Eine prägnantere Infragestellung in der Konfrontation mit den Zeitereignissen und den womöglich abweichenden, weil weniger gläubigen Einstellungen ihrer Freunde und Kampfgenossen wäre ergiebiger und interessanter gewesen. Erst ganz am Ende des Romans regen sich sehr verhaltene Zweifel am eingeschlagenen Weg, die sofort wieder unterdrückt werden.
Die gänzlich andere Entwicklung der Buchhändlerin wider Willen Marie Rosenberg kontrastiert hierzu sehr positiv: während sich Tina durch ihre Verbohrtheit auszeichnet, sticht bei Marie ihre Beharrlichkeit hervor, mit der sie den einmal eingeschlagenen, nicht primär der eigenen Entscheidung, sondern der familiären Notwendigkeit geschuldeten Lebensweg verfolgt. Damit wird sie in der Darstellung dieses Romans zu einem eher gerundeten Charakter. Während in Kindheit und Jugend noch die reichlich klischeehaften Träume vom Dasein einer Ärztin im Urwald im Zentrum stehen, gewinnt die Figur im Prozess der Reifung zunehmend an Profil, wenn der an die Wirkmächtigkeit der Literatur geknüpfte Glaube die Oberhand gewinnt.
Abschließend lässt sich anmerken, dass dem Roman ein energisches Lektorat sehr gut getan hätte, einmal, was den ausufernden Umfang betrifft, aber auch, um einer gelegentlich recht anspruchslosen Diktion abzuhelfen.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Quadratur des Kreises

Hingabe
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Bénédicte Belpois versucht offenbar, alle denkbaren Ansprüche oder Bedürfnisse ihrer Leser zufriedenzustellen: wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. War der französische Originaltitel ‚Suiza‘ ...

Bénédicte Belpois versucht offenbar, alle denkbaren Ansprüche oder Bedürfnisse ihrer Leser zufriedenzustellen: wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. War der französische Originaltitel ‚Suiza‘ noch auffällig neutral, nennt er doch nur den der weiblichen Hauptfigur verliehenen Namen, so sieht sich der deutsche Verlag genötigt, durch den schillernden Begriff der ‚Hingabe‘ mit den Erwartungen des Lesepublikums zu spielen, um sie letztlich sogar zu konterkarieren. So liefert der Erzähleinstieg - todkranker Ich-Erzähler lebt seine Frustration in sexueller Gewalt aus - einen willkommenen Anlass zur Schilderung brutaler Vergewaltigungsszenen, die allerdings nicht durch literarisch-sprachliche Gestaltungskraft legitimiert werden. Das Opfer dieser Attacken bedient auch allzu viele Klischee- und womöglich heimliche Wunschvorstellungen von der willenlosen, animalischen, kreatürlichen Mädchenfrau, die alle männlichen Avancen - nicht nur die der männlichen Hauptfigur! - widerspruchslos hinnimmt. Der Phantasie, der Gutgläubigkeit, der psychologischen Plausibilität wird eine Menge abverlangt, wenn binnen kürzester Frist sich das Verhältnis zu einer von zunehmend zarten Regungen charakterisierten, vertrauensvollen, von Zärtlichkeit wie auch gegenseitiger sexueller Beglückung geprägten Liebe wandelt. Eingebettet ist dieses Szenario in eine patriarchalische Dorfidylle in Galizien, in die zu Anfang Tomas als vollintegrierter Macho und Suiza, die Fremde, als allenthalben verfügbares Sexobjekt ihre etablierte Rolle einnehmen. Ein bunter Reigen an Familienmitgliedern, Untergebenen, Dorfbewohnern spiegeln die unterschiedlichen Positionen, die man zu der sich entfaltenden Beziehung einnehmen kann. Kalkuliert und provokant der Knalleffekt, mit der Belpois ihren Roman enden lässt. Ein Lehrstück, wie Literatur gezielt am Reißbrett entworfen werden kann, um eines mit Sicherheit zu erzielen: Aufmerksamkeit und kontroverse Diskussionen.

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