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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.03.2021

Spannend und nervenaufreibend

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
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In den 1990er Jahren entführte und tötete der „Countdown Killer“ in regelmäßen Abständen junge Frauen, jedes Mal eine ein Jahr jüngere. Dann hören die Morde plötzlich auf und die Taten geraten aufgrund ...

In den 1990er Jahren entführte und tötete der „Countdown Killer“ in regelmäßen Abständen junge Frauen, jedes Mal eine ein Jahr jüngere. Dann hören die Morde plötzlich auf und die Taten geraten aufgrund mangelnder Spuren sowohl bei der Polizei als auch in der Öffentlichkeit in Vergessenheit. Viele Jahre später greift die „True-Crime-Podcasterin“ Elle Castillo die Mordfälle wieder auf und versucht neue Spuren zu finden, die sie zu dem Mörder führen könnte. Doch dann verschwindet ein weiteres Mädchen, und Elle Castillo und die Polizei stehen vor der Frage, ob wirklich der „Countdown Killer“ wieder umgeht und seinen „Countdown“ fortführt, den er damals nicht vollenden konnte, oder ob es sich um einen Nachahmungstäter handelt.
Die „True Crime Podcasterin“ Elle Castillo hat sich der Opferhilfe verschrieben und produziert ihren Podcast mit dem Wunsch, jungen Opfern von Entführungen und Morden Gerechtigkeit zu verschaffen. Dabei versucht sie immer, die Opfer in den Vordergrund zu stellen und den Mördern möglichst wenig Raum zu überlassen. Sie ist mutig, geht aber auch teilweise große Risiken ein und handelt immer aus ehrenwerten Motiven, auch wenn sie manchmal dafür Leute belügt oder ihnen etwas verschweigt. An ihrer Seite steht ihr Mann Martin, der sie bedingungslos unterstützt und an sie glaubt.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm lesbar und spannungsgeladen. In dem Thriller wechselt sie zwischen der Haupterzählung und (älteren) Podcastfolgen hin und her, so dass man einen genaueren Eindruck von dem Fall und den damaligen Geschehnissen sowie von den Opfern erhält. Amy Suiter Clarke gelingt es, die Spannung langsam aufzubauen, immer mehr Fahrt aufnehmen und die Geschichte schließlich förmlich explodieren zu lassen. Ich stand während der Lektüre ständig unter Strom und habe mitgefiebert.
Die Kombination aus Podcast und Erzählung empfinde ich als sehr gelungen und für den Lesefluss als nicht störend. Auch der Aufbau der Handlung sowie der Spannungsbogen ist der Autorin sehr gut gelungen, so dass der Thriller ein spannendes und nervenaufreibendes Leseerlebnis darstellt. Außerdem finde ich klasse, dass auch nebenbei Probleme wie rassistische Strukturen in der US-amerikanischen Polizei aufgegriffen werden und die Charaktere vielfältige Hintergründe haben.
Ein Wermutstropfen ist die Vorhersehbarkeit der Handlung. Es gab keinen „Wendepunkt“ in der Geschichte, an dem ich mir dachte: „Wow, damit hätte ich jetzt niemals gerechnet“. Das tut jedoch der Qualität des Buches keinen Abbruch. Für problematisch halte ich allerdings die Nutzung des Begriffes „Rasse“ ohne. Ich weiß, dass das englische Wort race nicht so negativ konnotiert ist und eine andere Bedeutung hat als im Deutschen. Hier hätte ich mir jedoch gewünscht, dass bei der Übersetzung ein anderer Begriff benutzt worden wäre.
Insgesamt handelt es sich bei „Countdownkiller“ von Amy Suiter Clarke um einen spannenden und mitreißenden Thriller, der mich in jeder Sekunde des Lesens fesseln konnte. Für alle Thrillerfans kann ich nur eine große Empfehlung aussprechen!

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Eine süße Highschoolromanze

Mit dir bin ich unendlich
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Selbstfindung, Freundschaft, aber auch der Druck durch die Eltern: Die in dem Roman angesprochenen Themen kennen wahrscheinlich viele junge Menschen, die gerade die Highschool oder in Deutschland eine ...

Selbstfindung, Freundschaft, aber auch der Druck durch die Eltern: Die in dem Roman angesprochenen Themen kennen wahrscheinlich viele junge Menschen, die gerade die Highschool oder in Deutschland eine weiterführende Schule besuchen. Damit schafft die Autorin Mila Summer ein Buch, das sehr nah am Leben der Leser:innen ist und Identifikationsspielraum bietet.
Olivia ist von einem Eliteinternat geflogen und muss nun auf die örtliche Highschool gehen. Dort trifft sie gleich an ihrem ersten Tag Nathan, der aufgrund der ersten Begegnung schnell Vorurteile gegen sie hegt. Als die beiden jedoch für ein Referat zusammenarbeiten müssen, lernen sie sich langsam besser kennen. Werden Nathans Vorurteile weiter bestehen bleiben oder kann Olivia ihm ihr wahres Ich zeigen?
Olivia ist sehr schüchtern, unauffällig, zurückhaltend und will keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie scheitert bereits daran, mit fremden Menschen und vor anderen Menschen zu sprechen. Deshalb musste sie auch ihre alte Schule verlassen. Sie versteckt ihre Gefühle, leidet sehr unter dem Druck ihrer Eltern, deren Vorstellungen und Ansprüchen und versucht den perfekten Schein aufrecht zu erhalten. Selbstzweifel und Panikattacken prägen ihr tägliches Leben und ihr soziales Verhalten, sodass sie auf andere arrogant und wie das reiche und verwöhnte Mädchen wirkt.
Nathan verfällt genau diesem Vorurteil, obwohl er ansonsten sehr vorurteilsfrei und selbstreflektiert ist. Er ist hilfsbereit und will die Welt durch gesellschaftliches Engagement und Arbeit im Umweltschutz ein Stückchen besser zu machen. Er versucht immer das Richtige zutun, stösst dabei jedoch auch an seine Grenzen. Gleichzeitig kann er aber auch sehr dickköpfig sein.
Der Schreibstil der Autorin ist typisch Young oder New- Adult: sehr angenehm, verständlich leicht und sanft, mit klaren, nicht verschachtelten Sätzen. Durch den personalen Erzähler und die wechselnde Perspektive von Olivia und Nathan bekommt man tiefe Einblicke in ihre Gefühlswelt und Wahrnehmung. Gerade die Gefühle Olivias werden sehr ausführlich und detailreich beschrieben, so dass man ihr Verhalten meistens sehr gut nachvollziehen kann. Die Kapitel sind relativ kur gehalten und in den ersten Zweidritteln des Buches verläuft die Handlung relativ langsam. Erst im letzten Abschnitt nimmt die Geschichte wirklich Fahrt auf: Jetzt geht es Schlag auf Schlag.
Die Charaktere sind sehr liebenswert; ich habe sie gerne durch die Geschichte begleitet. Noch mehr als Nathan und Olivia haben es mir aber gerade die Nebencharaktere. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden, die sich sehr langsam anbahnt, war wirklich süß und frei von unnötigen Dramen. Alle Probleme, die aufgetaucht sind, waren angesichts der Charaktere, ihren Problemen und Schwächen, authentisch und nachvollziehbar. Auch die Entwicklung ihrer Beziehung hat sehr gut zu den Charakteren gepasst und erschien so sehr logisch.
Jedoch war mir das Buch an manchen Stellen zu klischeehaft und redundant: Es fällt unangenehm auf, wenn sich bestimmte Situationen und Momente wiederholen, als ob der Autorin keine anderen Szenen und Entwicklungspotentiale mehr eingefallen wären. Die plötzliche und abrupte Handlungsbeschleunigung im letzten Drittel lässt viele Fragen offen; wo ich mir klare Antworten gewünscht hätte, bleibt vieles an der Oberfläche.

Wer aber eine unterhaltende, schöne, süße und gelegentlich auch seichte Lektüre sucht, wer nicht durchgehend überrascht und gefesselt sein möchte, und wer am Ende sich auch mit offenen Fragen zufriedengeben kann, dem kann ich das Buch guten Gewissens empfehlen.

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Veröffentlicht am 05.02.2021

Bruch mit dem Menstruationstabu

Periode ist politisch
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Unauffällig und leise, hinter vorgehaltener Hand frage ich meine Freundinnen, ob sie zufällig eine Binde oder Tampon für mich haben, da ich unerwartet meine Erdbeerwochen bekommen habe . Als mir unter ...

Unauffällig und leise, hinter vorgehaltener Hand frage ich meine Freundinnen, ob sie zufällig eine Binde oder Tampon für mich haben, da ich unerwartet meine Erdbeerwochen bekommen habe . Als mir unter den Tischen entlang, so dass niemand davon Wind bekommt, eine Binde gereicht wird, lasse ich sie blitzschnell in einer meiner hinteren Hosentaschen verschwinden und mache mich auf den Weg zur Toilette. Dort öffne ich die Plastikverpackung der Binde möglichst langsam und vorsichtig, damit das Aufreißen ja keine Geräusche erzeugt und jemand erfährt, was ich hier gerade tue.
Dieselbe oder eine ähnliche Situation haben wahrscheinlich schon viel menstruierende Personen in der Schule, Uni oder am Arbeitsplatz erlebt. Sie verdeutlicht idealtypisch, wie die Menstruation in unsere Gesellschaft tabuisiert wird, und diese Tabus auch uns prägen und beeinflussen.
In ihrem Buch „Periode ist politisch. Ein Manifest gegen das Menstruationstabu“ bricht die Autorin Franka Frei mit diesem Menstruationstabu , räumt mit den Mythen über die Monatsblutung auf und plädiert dafür, über die Periode offen zu sprechen und sie als etwas ganz Normales zu begreifen, das die Hälfte der Menschheit monatlich trifft, das nichts unreines, schmutziges oder etwas ist, das andere krank macht und Unheil bringt. Dabei begreift sie das Menstruationstabu als weltweites Phänomen, spricht mit verschiedenen Menstruationsaktivistinnen in anderen Ländern, z. B. Indien, Pakistan und Bangladesch, und zeigt auf, welche Auswirkungen der weltweite Konsum von Menstruationsprodukten, die nur einmal genutzt werden können, auf andere Länder hat, und wie Religionen, Philosophen, Wissenschaftler:innen und Politik:innen zur Verfestigung und Vertiefung des Menstruationstabus beigetragen haben und beitragen. Neben der Menstruation geht Franka Frei auch auf andere Aspekte ein, die den weiblichen Körper betreffen, wie Unkenntnisse über Zyklus, Lust und Sexualität sowie Vagina und Vulva.
Die 19 Kapitel des Buches sind in jeweils noch in kürzere Abschnitte aufgeteilt und dadurch klar gegliedert. Der Schreibstil ist sehr umgangssprachlich, teilweise humorvoll und einfach gehalten, sodass das Lesen leicht fällt und man nicht über Fachbegriffe stolpert. Freilich birgt der Schreibstil auch die Gefahr zu großer Oberflächlichkeit.
Die Autorin behandelt in dem Buch wichtige Themen, die Einfluss auf alle menstruierenden Menschen haben und geht selber als Tabubrecherin voran. Dabei verfällt sie nicht in eine eurozentrische Perspektive, sondern denkt das Menstruationstabu und die Menstruation auch intersektional und zeigt andere Perspektiven abseits der westlichen Kultur auf, ohne diese im Vergleich abzuwerten, auch wenn sie natürlich das Tabu an sich kritisiert. Durch den Schreibstil und den Humor macht sie das Buch für eine breite Masse von Leser*innen attraktiv, die keine schwerverständliche wissenschaftliche Abhandlung über das Thema lesen wollen. Das Buch ist wirklich interessant und aufschlussreich, die Thesen werden durch Studien oder persönliche Anekdoten untermauert.
Jedoch führt die große Populärwissenschaftlichkeit dazu, dass viele Themen nur in Kürze angerissen werden und ein grober Überblick geliefert wird, wo die Autorin ein Thema tiefer und ausführlicher behandeln hätte müssen. Ferner habe ich starke Probleme mit den Quellenangaben. Es gehört zwar zu populärwissenschaftlichen Büchern dazu, dass meist auf Quellen verzichtet wird, jedoch war es sehr verwirrend, dass das eine Zitat oder die eine Studie zwar durch eine Fußnote gezeichnet sind, die nächsten dann aber schon wieder nicht mehr. Hier hätte ich mir eine einheitliche Kennzeichnung der Quellen gewünscht, für deren Fehlen auch Lektorat und Verlag verantwortlich sind.
Für Menstruierende oder nicht-Menstruierende gibt das Buch einen sehr guten Überblick über die Problematiken, die mit dem Menstruationstabu und allgemein der mangelnden Kommunikation über den weiblichen Körper auftauchen; das Buch führt eindrucksvoll vor Augen, wie das Tabu patriarchale Strukturen weiter stützt. Es eignet sich daher besonders für Einsteiger:innen, die sich bis jetzt noch nicht so stark damit auseinandergesetzt haben. Kennt man sich jedoch schon etwas aus, bietet das Buch leider nicht allzu viel Neues, sondern nur vereinzelte Ergänzungen.

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Veröffentlicht am 05.02.2021

Eine Ausnahmeerscheinung im Krimigenre

Der Malik
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Clan-Kriminalität, Korruption, Geldwäsche, Steuerbetrug, Mord, Drogen und der Kampf um Macht und Einfluss. Mit diesem „bunten Strauß“ der Kriminalität wartet Bernhard Kreutner dem/der Leser:in in seinem ...

Clan-Kriminalität, Korruption, Geldwäsche, Steuerbetrug, Mord, Drogen und der Kampf um Macht und Einfluss. Mit diesem „bunten Strauß“ der Kriminalität wartet Bernhard Kreutner dem/der Leser:in in seinem Roman „Der Malik“ auf.
Die Wiener Sondereinheit, bestehend aus Michael Lenhart und Sabine Preiss, unterstützt durch Anton Steinbach ermittelt im Fall eines Mitarbeiters des österreichischen Finanzministeriums, der auf Malta verschwunden ist und nur einen Zettel mit den Worten „der Malik“ hinterlassen hat. Das Ermittlerduo begibt sich auf die Spur des Maliks und stößt dabei auf ein europaweit operierendes und ausgeklügeltes Verbrechernetz, dessen Oberhaupt auch nicht vor Mord zurückschreckt.
Michael Lenhart und Sabine Preiss sind ein Ermittlerduo, das sich sehen lassen kann. Michael Lenhart, auch Sherlock genannt, ist ein philosophischer Kopf, der mehr auf geistige als auf körperliche Fähigkeiten setzt, und dem es leicht gelingt, das Verhalten anderer zu durchschauen. Er ist durchsetzungsfähig, klug und gerissen und trotz seiner Beziehung zu Sabine, die die beiden geheim halten, bei der Polizei ein Einzelgänger, der aufgrund seines teilweise oberlehrerhaften Verhaltens von seinen Kolleg:innen abgelehnt wird. Er kennt seine Stärken und Schwächen sehr gut und weiß, diese einzusetzen. Sabine und Michael ergänzen sich perfekt. Sie steht ihm in ihrer sprachlichen Gewandtheit und ihren Kenntnissen über Literatur, Philosophie und Geschichte kaum nach, ist klug, kompetent und selbstbewusst und eine überragende Schützin.
Mir hat es sehr gefallen, dass Bernhard Kreutner bei seinen Hauptprotagonist:innen nicht auf das typische Ermittlerduo à la Fred Vargas oder Elizabeth George zurückgreift, sondern völlig andere Eigenschaften und Verhältnisse wie den Verzicht auf Hierarchien in der Sondereinheit nutzt. Dadurch wirken Michael und Sabine auf den ersten Blick zwar allzu perfekt, weil es an persönlichen Entwicklungslinien und Problemen fehlt, doch tut dies dem Krimi keinen Abbruch, da dem/der Leser:al etwas anderes geboten wird, als in jedem 08/15-Krimi. Auch die Art und Weise, wie der Fall aufgelöst wird, macht das Buch im Krimigenre einzigartig. Außerdem verfällt der Autor nicht dem Klischee von Clan- Kriminalität, sondern stellt die Akteure als gebildet, sehr gerissen und wohlhabend dar und verzichtet auch auf schnelle Actionszenen, sondern setzt stattdessen auf gekonnte Ermittlungsarbeit und Intellekt. Durch die philosophischen Dialoge und Monologe wird die Ermittlungsarbeit aufgelockert und die geistige Aktivität der Leser:innen herausgefordert. Teilweise sind die Dialoge aber überladen mit Zitaten und Anspielungen auf historische Persönlichkeiten oder Ereignisse, die den/die Leser*in zu überfordern drohen. Einige Dialoge verstricken sich so tief in gedanklicher Konfusion, sodass es dem/der Leser:in wie Anton Steinbach ergeht, der Inhalt und Aussagen mancher Gespräche nicht mehr wirklich folgen kann. Zum Glück liefert Lenhart meist jedoch noch Erklärungen und Hintergründe zu seinen Zitaten, die etwas Klarheit in das Ganze bringen. Da der Krimi auf das seltene „How catch them?“ Konzept zurückgreift, wobei man schon relativ früh erfährt, wer hinter der Tat steckt, ging für mich etwas die Spannung verloren, auch wenn die Hintergründe der Tat bis zum Schluss im Dunklen liegen. Ich kann den Kriminalroman „Der Malik“ jedem empfehlen, der etwas abseits der Standard-Krimis auf ein klares Konzept und scharfe Charaktere sowie auf interessante Themen nicht verzichten will.

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Veröffentlicht am 21.12.2020

Ein Krimi mit Parallelen zur Wirklichkeit

Dresden rechts außen
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Die Autorin Beate Baum nimmt den/die Leser:in mit in eine erschreckend realitätsnahe Geschichte, in der es an Spannung und Gefahren ebenso wenig mangelt wie an Anspielungen auf die politischen Verhältnisse ...

Die Autorin Beate Baum nimmt den/die Leser:in mit in eine erschreckend realitätsnahe Geschichte, in der es an Spannung und Gefahren ebenso wenig mangelt wie an Anspielungen auf die politischen Verhältnisse in der sächsischen Landeshauptstadt.
Nach einer Kundgebung der Gruppierung Bedecha (Bewahrer des christlichen Abendlandes) zur Feier ihres Jahrestages und Gegendemonstrationen eskaliert die Situation auf den Straßen Dresdens. Als am nächsten Morgen ein Mitglied von Bedecha tot aufgefunden wird, gerät schnell ein Flüchtlingshelfer aus der linken Szene in Verdacht, den Mann umgebracht zu haben. Die beiden Journalisten Kirsten Bertram und Andreas Rönn sollen über die Demonstration und den Mordfall berichten. Doch bei ihren Recherchen in der linken und rechten Szene Dresdens stoßen sie auf zahlreiche Ungereimtheiten. Gemeinsam mit dem Privatdetektiv Dale Ingram versuchen sie den Fall aufzuklären, geraten dabei jedoch immer wieder in große Gefahr.
Das verheiratete Journalisten Ehepaar Kirsten Bertram und Andreas Rönn werden sehr sympathisch beschrieben. Beide halten an ihren Werten und moralischen Überzeugungen fest und setzen alles daran, den/die Täter:in einer gerechten Strafe zuzuführen. Kirsten ist eine gute Journalistin, die sich in ihre Storys hineinvertieft und konsequent umsetzt, was sie sich vorgenommen hat. Sie ist mutig und klug, agiert aber in brenzligen Situationen vorsichtiger und überlegter als ihr Mann Andreas, der meistens nur Andy genannt wird. Andy ist draufgängerisch und begibt sich selber bewusst in Gefahr. Er ist stur und lässt sich zumeist seine Pläne nicht ausreden, handelt impulsiv mit großer Bereitschaft zum Risiko, dennoch ist immer spürbar, dass er dies nur tut um der Werte und Überzeugungen willen, die ihm am Herzen liegen. Dale Ingram, Privatdetektiv aus New Jersey und Exfreund von Kirsten, kommt zurück nach Dresden und beteiligt sich an den Ermittlungen. Er agiert besonnener als Andreas und schätzt die Situationen aus professioneller Sicht ein. Dabei setzt er alles daran, Kirsten und Andy vor Angriffen zu schützten und den Fall aufzuklären, ohne dass sich die beiden unnötig in Gefahr bringen müssen.
Die Story ist mit vielen Parallelen zur Realität aufgebaut, sei es Bedecha, eine Organisation, die stark an PEGIDA erinnert, oder Parolen, die von der rechten Szene gebetsmühlenartig verbreitet oder lautstark artikuliert werden. Der schnelle und direkte Einstieg in das Geschehen nimmt die/den Leser:in sofort für Geschichte und die Stimmung des Buches, die von sehr viel Lokalkolorit lebt, ein. Der Schreibstil ist angenehm, die Geschichte wird flüssig erzählt.
Die Autorin hat die Einstellungsmuster und das Verhalten Rechter und besorgter Bürger:innen sehr gut recherchiert und auch die Verbindung der rechten Szene nach Amerika erscheint glaubwürdig . Man weiß und ahnt, von welchen realen Ereignissen einzelne Situationen inspiriert sind. Diese Realitätsnähe schafft eine beklemmende Atmosphäre. Beate Baum gelingt es, die Emotionen der Protagonist:innen sehr gut zu schildern und Unbehagen angesichts bestimmter Verhaltensmuster zu erzeugen. Einzelne Szenen versetzen die/den Leser:in eine schier unerträgliche Spannung und machen die Gefahren, in denen Kirsten und Andy übergangsweise schweben, äußerst glaubhaft. Wie es in den geschilderten Milieus zugeht, erfährt die/der Leser*in auf Schritt und Tritt hautnah mit den Romanprotagonist:innen.
So sehr sich der Spannungsbogen durch den Roman zieht und bis zum Schluss unklar bleibt, wer nun der/die Mörder:in ist, so früh ist schon vorhersehbar, wohin die sich die Handlung entwickeln wird. Durch die knappen Dialoge und schnellen, oft abrupten und willkürlichen Ortswechsel verlieren Gespräche und Handlung erheblich an Tiefgang. Wer sich dafür interessiert, wie die Ermittlungen und deren Ergebnisse aus Sicht der Polizei und Dale verlaufen, wird enttäuscht sein. Die Funktion und der Beitrag des Privatdetektivs zur Lösung des Falls werden nirgendwo klar herausgearbeitet.
Dennoch ist das Buch ein spannender und guter Krimi. Auch wenn es sich um einen fiktionalen Roman handelt, wird die Stimmung, die teilweise in Dresden seit 2015 herrscht, gut getroffen, insbesondere aber Einstellungen, Mentalitäten und Gewaltbereitschaft in der rechten Szene, die inzwischen tief in sog. Bürgerliche Kreise hineinreicht.

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