Profilbild von Viv29

Viv29

Lesejury Star
offline

Viv29 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Viv29 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.08.2021

Interessante Geschichte, die stilistisch aber nicht überzeugt

Flucht durch Schwaben
0

Die Thematik des Buches hat mich sofort angesprochen, weil diese interessante Zeit bisher nur äußerst selten literarisch behandelt wurde und ich mich freute, mehr darüber zu lernen. Auch der auf reduzierte ...

Die Thematik des Buches hat mich sofort angesprochen, weil diese interessante Zeit bisher nur äußerst selten literarisch behandelt wurde und ich mich freute, mehr darüber zu lernen. Auch der auf reduzierte Weise gelungene Einband hat mich sofort angesprochen. Dieser ist ausnehmend schön gestaltet. Sehr schön fand ich auch, daß wir vorne im Buch zwei Übersichtskarten der Gegend finden, in der die Handlung stattfindet. Direkt dahinter ist ein ausführliches Glossar, das bereits viele nützliche und interessante Hintergrundinformationen bietet. Es hat mir gefallen, daß es vorne im Buch war. Was den erhofften Lerneffekt angeht, wurden meine Erwartungen absolut erfüllt. Der Autor ist Historiker und man merkt, wie viel Wissen und Recherche in die Geschichte eingeflossen sind. Gelungen ist es auch, daß er die damals gebräuchlichen Ortsnahmen verwendet. So wird der Bodensee Bodamansee genannt, das Allgäu Albgau, etc. Dank des Glossars und der Karte ist man auch bei einem nicht geläufigen damaligen Namen gleich gut informiert, um welchen Ort es sich handelt.

Stilistisch aber hat mich das Buch nicht überzeugt. Hier war mein Hauptkritikpunkt die viel zu modernen Dialoge. Niemand erwartet authentische Sprache des 9. Jahrhunderts oder verkrampft auf "alt" getrimmte gestelzte Dialoge. Aber hier benutzen die Charaktere häufig Ausdrücke, die erst etwa seit den 1970ern/80ern Eingang in den Sprachgebrauch fanden. "Euch ist schon klar", "möchte gerade einen Spruch loswerden", "Da hatten wir echt noch mal Glück" oder "Komm zum Punkt" - das sind Dialoge, die schon in einem 1926 spielenden Buch viel zu modern wären. In einem 926 spielenden Buch sind sie absolut fehl am Platz. So kann man nicht in die Atmosphäre jener Zeit eintauchen und es war beim Lesen höchst irritierend.

Auch sonst ist der Schreibstil eher einfach gehalten, es kommt selten Atmosphäre auf, die Sprache vermittelt die Informationen, erfreut aber - abgesehen von einigen Passagen - nicht. Hinzu kommen mehrere grammatikalisch unbeholfene oder falsche Sätze, wie z.B. "Anna dreht sich voller Freude um, wird dabei jedoch derart mahnend angeschaut, sodass sie ihre Stimme dämpft." Ein Fünfzehnjähriger fängt einige Seiten lang an, plötzlich überallhin zu "schreiten". Das würde passen, wenn der Fünfzehnjährige ein Prinz o.ä. wäre, hätte aber selbst dann durch die häufigen Wiederholungen dieses Verbs in einem kurzen Abschnitt unpassend gewirkt. Zwischendurch schreitet er sogar gutgelaunt. Gutgelauntes Schreiten kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. An einer Stelle wird von der "vertrauten Stimme" eines Charakters berichtet, der bisher nur einen Satz gesagt hat und dem Erzähler vorher nicht bekannt sind. Eine Passage wird einige Seiten später fast wortgleich wiederholt. Diese Dinge kommen häufig genug vor, um das Lesevergnügen zu stören und hätten durch ein gutes Lektorat vermieden werden können. Auch Tippfehler kamen häufiger vor und mittendrin wird der Bodamannsee plötzlich mehrfach "Bodensee" genannt.

Wir erfahren die Geschichte durch Marcus, der als Ich-Erzähler fungiert und in der Gegenwartsform erzählt. Das fand ich angenehm ungewöhnlich. Durch die subjektive Perspektive und die Gegenwartsform bekommt das Geschehen eine gelungene Unmittelbarkeit. Interessant ist auch, daß Marcus über seine eigene Herkunft wenig weiß und sich im Laufe des Buches hier und da ein paar neue Informationen ergeben, die zu seinem Bild beitragen. Da ist man beim Lesen schon gespannt, was man noch über ihn erfahren wird. Leider bleibt die Charakterzeichnung aber überwiegend oberflächlich. Während sich Marcus etwas entwickelt und wir auch ein wenig über seine Gedanken erfahren, fehlt es den Charakteren allgemein an Tiefe. Marcus begegnet der jungen Anna, ist nach einem einzigen kurzen Blickaustausch schon überzeugt, ohne sie nicht leben zu können, ohne daß es dem Leser nachvollziehbar geschildert wird. Anna hat Potential, ist eine interessante Protagonistin, wird aber auch nicht wirklich entwickelt. Dann tauchen zahlreiche Nebencharaktere auf, die sich fast nur durch ihre Namen unterscheiden. Man kann sie kaum zuordnen, sie hinterlassen keine Eindruck und das führte zumindest bei mir dazu, daß sie mich auch nicht anrührten. Die zu moderne Sprache, der eher einfache Stil und die fehlende Tiefe wären für ein Jugendbuch vielleicht gut geeignet, bei einem historischen Roman können sie zumindest mich nicht überzeugen.

Im ersten Drittel sind auch die Geschehnisse ohne große Tiefe geschildert. Wir sind direkt mitten im Geschehen, was gut und interessant ist, aber dann folgen rasch zahlreiche kurze Szenen, denen wichtige Details fehlen, welche den Leser in das Geschehen eintauchen lassen, die sich oft auch ähneln. Man rast durch dieses erste Drittel, bekommt lauter kurze Einblicke. Fehlende Leerzeilen zwischen zeitlich auseinanderliegende Szenen führen auch manchmal zu Verwirrung. Dies bessert sich allerdings ab dem zweiten Drittel, dort kommen wir ein wenig zur Ruhe - es passiert zwar weiterhin viel, aber der Autor nimmt sich mehr Zeit, Szenen zu schildern und Atmosphäre zu schaffen. Wir bekommen recht vielfältige Einblicke in das Leben jener Zeit, hier hat das Lesen Spaß gemacht, davon hätte ich auch gerne noch mehr gelesen. Historische Informationen sind überwiegend gut eingebunden und auch was die Handlung betrifft, hat sich der Autor viel einfallen lassen. Langweilig wird es nicht und gut gefallen hat mir auch der Realismus - es läuft nicht immer alles glatt, es kommen keinen glücklichen Zufälle zur Hilfe.

Mit mehr Tiefe, besser ausgearbeiteten Charakteren und mehr stilistischer Sorgfalt gerade bei den Dialogen hätte es ein Buch sein können, das mich begeistert. So hat es mich leider nicht berührt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.05.2021

Der Titel verspricht mehr, als das Buch liefert

Goethe in Münster
0

Wenn man hört, daß Goethe 1792 vier Tage in Münster war, fragt man sich schon, ob es da so viel zu berichten gibt, daß man ein ganzes Buch darüber schreiben kann. Und genau das ist leider auch das Problem: ...

Wenn man hört, daß Goethe 1792 vier Tage in Münster war, fragt man sich schon, ob es da so viel zu berichten gibt, daß man ein ganzes Buch darüber schreiben kann. Und genau das ist leider auch das Problem: es gibt eigentlich so gut wie nichts zu berichten und so nimmt der Besuch Goethes in diesem Buch ganze 7 Seiten ein, von denen einiges Mutmaßungen sind, Auflistungen von Goethes Ausgaben und Allgemeininformationen. Besonders interessant liest sich dieser Besuch ehrlich gesagt nicht.

Der größte Teil des Buches besteht aus den Biographien des von Goethe besuchten Münsteraner Kreises um die Fürstin Gallitzin, obwohl die meisten dieser Leute beim Besuch gar nicht mehr erwähnt werden. Darunter sind interessante Lebensläufe, wie z.B. derjenige der Fürstin; viele dieser – leider auch recht trocken geschriebenen – Lebenswege sind aber denkbar unspektakulär und lesen sich nicht sonderlich interessant.

Dann folgen allerhand Themen, die mit Goethes Besuch in Münster eher marginal zu tun haben, so Informationen zum Krieg mit Frankreich 1792, bei dem Goethe den Weimarer Herzog Carl August nach Frankreich begleiten mußte (der Zwischenstopp in Münster fand auf dem Rückweg nach Weimar statt), Goethes Haltung zur Religion und seinem Rückweg aus Frankreich. Dies ist eher knapp gehalten – wer mit Goethes Biographie vertraut ist, wird nichts Neues erfahren, für Goethe-“Neulinge“ könnte es informativ sein. Letztlich machte aber das Buch auf mich den Eindruck, daß man ein wenig krampfhaft alles gesucht hat, was man irgendwie in Bezug zu dieser Stippvisite in Münster bringen könnte, um ein Buch voll zu bekommen. Symptomatisch seien hier die Sätze über Goethes Spuren in Münster erwähnt, die besagen, daß man viel Fantasie bräuchte, um hier auf seinen Spuren zu wandeln, da letztlich von den damaligen Orten kaum einer mehr übrig sei. Es ist nicht wirklich was da, aber man strickt einiges darum.

Insofern fand ich das Buch enttäuschend, aber es war durchaus interessant, über diesen Münsteraner Kreis zu erfahren, einige der ungewöhnlicheren Lebensgeschichten zu lesen und von Goethes – über den Besuch hinausreichenden – Beziehungen zu diesem Kreis zu erfahren. Auch einige lesenswerte Hintergrundinformationen gibt es. Das Buch hat einen hochwertigen Einband und mehrere Abbildungen, arbeitet mit zahlreichen Zitaten und bietet ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Aber dem Titel „Goethe in Münster“ wird es nicht wirklich gerecht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 28.03.2021

Hanebüchene Geschichte, die auch noch schlecht erzählt wird

Der Frauenchor von Chilbury
0

Ich hatte mir von diesem Buch etwas in der Art von „Deine Juliet“ erwartet – zweiter Weltkrieg in England, eine Dorfgemeinschaft, verschiedene Schicksale, eine gute Balance zwischen heiter und berührend. ...

Ich hatte mir von diesem Buch etwas in der Art von „Deine Juliet“ erwartet – zweiter Weltkrieg in England, eine Dorfgemeinschaft, verschiedene Schicksale, eine gute Balance zwischen heiter und berührend. Die Geschichte wird ausschließlich durch Tagebuchauszüge, Briefe und Zeitungsausschnitte oder Bekanntmachungen erzählt. Eine interessante Methode, denn so lernen wir die Charaktere aus verschiedenen Blickwinkeln kennen. Allerdings klingen die diversen Erzähler alle ziemlich gleich, es gibt kaum Unterschiede in der Erzählstimme. Die Haupterzählerinnen sind die vornamenlose Mrs. Tilling – die gute Seele des Dorfes, die Schwestern Venetia und Kitty aus dem Herrenhaus und die Hebamme Edwina Paltry. Mrs. Tillings Tagebucheinträge waren letztlich fast die einzigen Passagen, die ich lesenswert fand, sowohl vom Stil wie auch von der Geschichte her. Hier findet sich der berührende Teil – die Angst der Mutter um ihren Sohn im Krieg, die Erlebnisse der Krankenschwester mit den Verwundeten, die Gründung des Frauenchors (der nur eine sehr geringe Rolle spielt), die Angst vor der deutschen Invasion und der Kriegsalltag.

Alle anderen Handlungsstränge sind dagegen fast überwiegend hanebüchen und übertrieben. Die Autorin hat sich von echten Aufzeichnungen inspirieren lassen, aber ich habe den Eindruck, sie hat sich die übertriebensten Geschichten ausgesucht und sie alle in dieses kleine Dorf gebracht, so dass den Charakteren die abstrusesten Dinge widerfahren. Es wird so viel Übertriebenes geschildert, gerade die Geschichte der Dorfhebamme wird nicht erst dann lächerlich, als man ihr sagt „Sie werden mit Ihrem Blut bezahlen“, also ob wir plötzlich in einen drittklassigen Krimi transportiert worden wären. Auch die eher alltäglichen Geschichten nehmen überzogene Wendungen. Das liegt nicht zuletzt an der extremen Gewaltbereitschaft, die in diesem Dorf herrscht. Da wird eine Tochter von ihrem Vater mit der Pferdepeitsche geprügelt, eine junge Frau von ihrem Verlobten zusammengeschlagen, eine kleine Messerstecherei plus Prügelei gibt es auch noch nebenbei – Chilbury scheint manchmal eher von Stephen King erdacht zu sein. Der Großteil der Charaktere ist unsympathisch und bösartig. So viele unangenehme Charaktere habe ich selten in einem Unterhaltungsroman erlebt.

Hinzu kommt der nicht gekonnte Schreibstil. Abgesehen davon, dass alle Erzählstimmen ähnlich sind, wird in allen Tagebüchern und Briefen romanartig erzählt, bis hin zur ausführlichen wörtlichen Rede. Es liest sich kaum wie Tagebücher oder Briefe. Dann gibt es plumpes Infodumping, wenn dem Gegenüber bekannte Informationen mit „Wie du weißt“ eingeläutet und dann ausführlich beschrieben werden. Die 13jährige Kitty schreibt von „unerfüllter Leidenschaft“ und ihrer „Verlobung“ und das keinesfalls auf die schwärmerische Art einer 13jährigen, weder klingt sie altersgemäß, noch verhält sie sich so. Die obligatorische Liebesgeschichte ist absolut vorhersehbar. Auch sonst ist alles meistens recht platt und ohne Raffinesse erzählt. Dazu kommt eine dicke Schicht Zuckerguß – natürlich gewinnt der Außenseiter unerwartet bei einem großen Wettbewerb, natürlich werden jahrelang gepflegte Vorurteile nach einem Erlebnis komplett abgelegt, natürlich ist am Ende alles gut, alle sind geläutert, alle Missverständnisse wurden geklärt. Die Schrecken des Krieges werden ab und zu erwähnt, aber auch hier bleibt alles irgendwie platt – es berührte mich kaum, ebenso wie die meisten Charaktere mich nicht berührten. Nichts wird gekonnt entwickelt oder vermittelt. Die Botschaft „jetzt ist die Zeit der starken Frauen“ wird uns dann wenig überraschend auch mehrfach mit dem Holzhammer und sicherheitshalber auch immer wieder direkt mitgeteilt.

Die wenigen guten Ansätze wurden also leider völlig erstickt, und warum dieses Buch (lt. Klappentext) ein „internationaler Bestseller“ sein soll, ist mir ein Rätsel.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2021

Ein schöner Ansatz, aus dem wenig gemacht wurde

Die Bücherfrauen
1

Die Geschichte des Buches hat mich gleich angesprochen: Kleinstadtamerika, die Liebe zu Büchern, ein Rückblick in die Geschichte der ersten Bibliotheken in Kansas. Es klang nach einer gelungenen Mischung ...

Die Geschichte des Buches hat mich gleich angesprochen: Kleinstadtamerika, die Liebe zu Büchern, ein Rückblick in die Geschichte der ersten Bibliotheken in Kansas. Es klang nach einer gelungenen Mischung für einen leichten, entspannten Wohlfühlroman. Der Einband ist auch wundervoll gestaltet, sowohl visuell wie auch haptisch. Er deutet ein wesentlich besseres Buch an, als das, was man dann bekommt.

Die Autorin hat lange Jahre in der Kulturförderung des Staates Kansas gearbeitet, weiß also, wovon sie spricht, wenn sie uns anschauliche Einblicke in die dortigen Bibliotheken und Kulturzentren bietet, die in einem Land, in dem das Recht auf Waffen relevanter ist als die Förderung von Bildung und Kultur, ständige Budgetprobleme haben und um ihr Bestehen kämpfen müssen. Die Schilderungen der Spendensammlungsaktivitäten sind interessant, auch die lokalen Informationen lesen sich unterhaltsam. Eine weitere erfreuliche Komponente sind die historischen Informationen über Andrew Carnegie, mir bislang nur als rücksichtsloser Geschäftsmann bekannt, der Anfang des 20. Jahrhunderts unzählige Bibliotheken finanziert hat. Insofern las ich den Anfang des Buches mit Vergnügen. Wir begleiten Angelina, die ihre Doktorarbeit über die Carnegie-Bibliotheken schreiben möchte und auch familiäre Bezüge zu der Kleinstadt hat, in die sie nun fährt. Hier hoffte ich auf eine lesenswerte Reise in die Kleinstadtgemeinschaft, die Geschichte der Bibliotheken und war auch gespannt auf die Geschichten der anderen beiden Protagonistinnen.

Diese Hoffnung wurde leider enttäuscht. Alle drei Hauptcharaktere, Angelina, Traci und Gayle, berichten als Ich-Erzählerinnen. Es gibt keine Unterschiede in ihrer Sprache, sie klingen alle drei gleich. Dies ist schon das erste Anzeichen dafür, dass die Autorin nicht über literarisches Können verfügt. Gayle bleibt zudem das ganze Buch hindurch blass, ihre Abschnitte sind wesentlich kürzer als die der anderen beiden und sie trägt so wenig zur Geschichte bei, dass sie auch einer der zahlreichen austauschbaren Nebencharaktere sein könnte. Das ist schon deshalb erstaunlich, weil ihre Geschichte – ihre Stadt wird durch einen Tornado zerstört – eigentlich neben Angelinas Dissertation der Aufhänger des Buches und des Klappentextes ist. Das Thema kommt aber dann so gut wie gar nicht vor und wurde völlig verschenkt. Es scheint oft, als ob die Autorin sich nicht für ein Thema entscheiden konnte, sie packt alles mögliche ungeordnet in das Buch hinein, erzählt ohne roten Faden. Hätte sie sich auf ihre Kernthemen konzentriert und diese mit ein wenig Tiefe behandelt, wäre es ein tolles Buch geworden. Hätte sie ihre mehreren kleinen Geschichten so gut verknüpft, dass diese ein harmonisches Ganzes ergeben hätten, wäre es ebenfalls ein tolles Buch geworden. Hier schlägt aber das mangelnde literarische Können wieder zu. Das Buch verzettelt sich in seinen Geschichtchen und Charakteren. Eine Nebenperson wird ausgiebig eingeführt und taucht dann nur noch als Name wieder auf. Irrelevante Kleinigkeiten werden detailliert geschildert, wichtige Themen mit der Seichtigkeit einer Vorabendserie abgefrühstückt. Das paßt alles nicht zusammen.

Eine Grundregel guten Schreibens ist „Zeigen, nicht erzählen.“ Diese Grundregel wird hier unablässig gebrochen. Angelina und Traci begegnen sich kaum, wechseln ein paar Sätze miteinander und plötzlich erklärt uns die Autorin durch Traci, dass zwischen den beiden die tiefste innigste Freundschaft bestehe. Man liest es und wundert sich. Auch Liebesbeziehungen entstehen aus dem Nichts. Da wird dem Leser eben mitgeteilt, dass sich diese Leute umgehend verliebt haben. Nachvollziehbar ist das alles nicht. Nachvollziehbar sind auch die Zeitangaben nicht. Das Buch beginnt mit einem Zeitungsausschnitt, der zeigt, dass es 2008 spielt. Plötzlich aber wird – im gleichen Sommer – der 40. Geburtstag einer 1971 geborenen Person gefeiert. Im Jahre 2008? Viele Altersangaben wirken generell wenig plausibel.

Auch die Übersetzung ist kein Glanzstück und enthält grobe Schnitzer. Da wird „it touched me“ mit „es fasste mich an“ anstelle von „es rührte mich“ übersetzt. Ein markanter Ausguck wird zu einem prominenten Ausguck, weil das englische Wort „prominent“ falsch übersetzt wurde. „Imagine“ wird zu „imaginieren“, was wenigstens nicht falsch, aber dafür schlecht übersetzt ist. Ich habe hier sehr oft den Kopf geschüttelt.

Das Ende des Buches wird mit einer dicken Schicht aus quietschrosa Zuckerguss überdeckt – ein überzogenes Happy End folgt dem nächsten. Hier wird dermaßen übertrieben, dass es schon albern ist. Der Aufhänger des Buches wird dann noch rasch und knapp abgehandelt und hätte ein schönes Ende ergeben, wenn es nicht so nebenbei – und unrealistisch – geschehen wäre. So war das Buch leider eine Enttäuschung, insbesondere weil aus dieser Geschichte so viel hätte gemacht werden können. Es ist nämlich nicht per se ein schlechtes Buch. Immer, wenn es sich den Kernthemen zuwendet, ist es erfreulich, die lokalen und geschichtlichen Informationen (die viel zu kurz kommen) sind absolut lesenswert, auch die Kulturarbeit und die Symbolik des Quiltens passen gut ins Buch. Nur werden diese positiven Punkte durch zu viele Kritikpunkte überdeckt. Schade.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.03.2020

Leider fehlt die Raffinesse

Sieben Lügen
0

Der Klappentext hat mich auf dieses Buch sehr neugierig gemacht – Jane und Marnie, die besten Freundinnen, nur Jane mag Marnies Partner nicht. Das alleine bietet schon eine Menge Potential. Dann versichert ...

Der Klappentext hat mich auf dieses Buch sehr neugierig gemacht – Jane und Marnie, die besten Freundinnen, nur Jane mag Marnies Partner nicht. Das alleine bietet schon eine Menge Potential. Dann versichert Jane Marnie auch noch entgegen ihrer Überzeugung, daß diese mit ihrem Partner hervorragend zusammenpaßt und: „eine Lüge zieht bekanntlich weitere nach sich, und schon bald ist das Verhältnis der drei unwiederbringlich vergiftet“. Ich hatte mir einen ausgefeilten Psychothriller vorgestellt, der diese unheilvolle Dreierkonstellation spannend betrachtet und nach und nach Abgründe aufzeigt. Dem war aber leider nicht so.

Eigentlich beginnt das Buch gut – man ist sofort in der Geschichte drin, wir lernen Jane, Marnie und ihren Partner Charles kennen und es deutet sich in gewissen Zwischentönen schon an, daß es hier Probleme gibt. Jane berichtet die Geschichte aus ihrer Sicht, die natürlich stark subjektiv gefärbt ist. Das ist ein cleverer Schachzug, weil wir somit nie sicher sein können, ob das, was Jane uns berichtet, auch der Wahrheit entspricht, insbesondere da Jane öfter erklärt, es mit der Wahrheit generell nicht so genau zu nehmen. Es zeigt sich recht schnell, daß Jane in allen möglichen Dingen auf der Schattenseite des Lebens steht und ihr die Freundschaft zu Marnie ausgesprochen wichtig ist – Marnie dagegen scheint Jane ein wenig auf Abstand zu halten. Marnies Charakter fand ich von Anfang an ausgesprochen interessant, weil sich hinter der sonnigen, freundlichen Fassade einiges zu verbergen scheint. Ich war hier sehr gespannt, was wir dazu noch erfahren werden und auch bei Charles konnte man sich nicht sicher sein, ob Janes Abneigung begründet ist, oder nicht. Es stellten sich also zu Beginn viele Fragen, die gelungen die Spannung hoben und auf deren Auflösung oder tiefere Erforschung ich mich schon sehr freute. Hier war die Grundlage für herrlich raffinierte Betrachtungen gelegt.

Leider wurde dieses Potential dann nicht genutzt. Schon recht bald nach diesem tollen Einstieg wird es recht zäh, da Jane ausgesprochen gerne reminisziert. Dadurch erfahren wir zwar einige Dinge über ihren Charakter, das aber viel zu ausführlich und langatmig. Auch daß ihr bis zum Ende des Buches ein heftiger Schicksalsschlag nach dem anderen vor die Füße geworfen wird, fand ich übertrieben. Sie wird uns mit dem Holzhammer erklärt (wie sie uns auch mit dem Holzhammer immer wieder von ihrer mangelnden Wahrheitsliebe erzählt). Neben dem Reminiszieren sinniert sie auch gerne und so lesen wir zwei Seiten über die Bedeutung von Weihnachten, lange Passagen über den Herbst, Allgemeinplätze über Trauer. Der Schreibstil an sich ist in Ordnung, nicht herausragend, mit ein paar ziemlich holprigen Szenen, er liest sich insgesamt recht eindruckslos-einfach weg. Die Autorin mag Beispiele und nutzt diese sehr häufig – wo es ein Beispiel getan hätte, stehen meistens fünf. Diese mangelnde Subtilität zieht sich leider durch das gesamte Buch. Raffiniert aufgedeckt wird hier nichts. Letztlich gibt es keine wirklich Abgründe, wir erfahren nichts wesentlich Neues, sondern ein Großteil des Buches besteht darin, uns die bereits bekannten Seiten von Jane und Marnie immer wieder an neuen Beispielen zu schildern, ohne uns irgendwas aufzudecken, das wir nicht schon wissen.

Zwar ist es durchaus interessant, weitere Facetten dieser Freundschaft zu erfahren, auch wenn sie nichts wirklich Neues bringen, nur liegt der Fokus des Buches dann auch leider oft auf weniger relevanten Themen. Charaktere werden umfangreich eingeführt und beschrieben, nur um dann nie wieder oder nur noch in ein paar Nebensätzen aufzutauchen. Ein ziemlich überflüssiger Handlungsstrang taucht plötzlich auf, nimmt viel Raum ein und verpufft schließlich einfach. Viele Dinge sind schlichtweg nicht plausibel und eine Szene war so absurd, daß ich mich verulkt fühlte. Einige Fakten erscheinen unglaubwürdig und die Entwicklung zwischen Jane und Charles endet ziemlich plump und auch hier wieder: es ist nicht plausibel.

Raffiniert ist hier leider nichts, ausgefeilt auch nicht. Diese Geschichte einer ungleichen Freundschaft und ihrer Folgen wurde schon oft in Büchern und Filmen erzählt – meistens leider besser als hier. So kann man das Buch als Zwischendurch-Unterhaltung leicht weglesen und sich an einigen gelungeneren Passagen und Gedanken erfreuen, mehr aber leider nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere