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Veröffentlicht am 12.04.2021

Liebe und Leid liegen nah beieinander

Marianengraben
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Paula liebt ihren Bruder über alles. Sie ist überzeugt davon, dass er sie zu einem besseren Menschen macht. Paula ist eher menschenscheu, ihr kleiner Bruder Tim das genaue Gegenteil von ihr. Neugierig, ...

Paula liebt ihren Bruder über alles. Sie ist überzeugt davon, dass er sie zu einem besseren Menschen macht. Paula ist eher menschenscheu, ihr kleiner Bruder Tim das genaue Gegenteil von ihr. Neugierig, aufgeweckt und überaus wissbegierig ist Tim. Er liebt alle Tiere, besonders aber das Meer und die Meeresbewohner, da trifft es sich gut, dass die große Schwester Biologin ist und die Tiefsee erforschen will. Als ein schrecklicher Unfall passiert, erfährt Paula am Telefon davon. Danach ist nichts mehr so, wie es vorher war.

„An meinem Kühlschrank hängt bis heute ein Graph, auf dem man sieht, wie ein menschliches Herz zerbricht.“ (Seite 20)

Paula wird mit dem Tod ihres Bruders nicht fertig. Sie zieht sich zurück, wird depressiv, verzweifelt am Leben. Als sie bei einem nächtlichen Besuch auf dem Friedhof Helmut, einen über 80jährigen, schrulligen alten Herren trifft, ist dies der Beginn eines außergewöhnlichen Trips, der beider Leben, insbesondere aber das von Paula, verändert.

Paula wendet sich in diesem Buch nicht an uns, sondern an Tim, ihren Bruder. Während sie ihre abenteuerliche Reise mit Helmut schildert, erinnert sie sich an Situationen mit ihm, an seine Fragen, seine Ängste, seine Eigenheiten. Dieses Buch handelt vom Sterben und vom Neuanfang. Vom Leben und vom Tod. Es ist traurig, es ist herzzerreißend, gleichzeitig aber auch lustig und erfrischend. Diesen Spagat zu schaffen, ist eine Kunst, und diese beherrscht Jasmin Schreiber wunderbar.

Lange habe ich mich gesträubt, dieses Buch zu lesen. Ich hatte Angst, dass es mich zu traurig macht. Meine beste Freundin hat mir vor vielen Jahren gesagt, solange ich keinen echten Verlust erleiden würde, wüsste ich gar nicht, was Trauer ist. Sie war sehr klug, meine Freundin, und sie war in ihrem Leben auf viel zu vielen Beerdigungen. Ich nicht. Als sie selbst vor ein paar Jahren unerwartet und viel zu jung aus dem Leben gerissen wurde, verstand ich, was sie meint. Auf grausame Weise wurde mir klargemacht, was es heißt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich konnte monatelang nicht über sie sprechen, ohne in Tränen auszubrechen. Das ist heute, viele Jahre später, manchmal immer noch so. Sie fehlt mir.

Dieses kleine Buch ließ mich schmunzeln, weinen und lachen. Manche Sätze hätte ich mir am liebsten angestrichen, ausgedruckt und aufgehängt. Die beiden Charaktere sind so wunderbar, so außergewöhnlich gut gezeichnet, dass ich mir gewünscht hätte, die Reise dauert länger. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Triggerwarnung: Tod, Depression, suizidale Gedanken.

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Veröffentlicht am 08.04.2021

Recht, Gesetz, Schuld und Gewissen

Die Wahrheit der Dinge
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Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin ...

Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin eine Waffe aus ihrer Tasche und erschießt den Angeklagten. Feuert acht Projektile auf ihn ab. Richtet ihn regelrecht hin. Danach lässt sie sich widerstandslos festnehmen. Warum? Als Jahre später Frank Petersen, der Strafrichter von damals, in seinem Leben vor einem Scherbenhaufen steht, muss er sich damit auseinandersetzen, wo Schuld beginnt und Gerechtigkeit endet. Vor allem aber muss er sich die Frage stellen, ob er weiß, wo die Wahrheit liegt.

In Zeitsprüngen zwischen jetzt und damals entfaltet sich die Geschichte langsam mit großer Wucht. Nach dem dramatischen Vorfall im Gerichtssaal erfahren wir nicht sofort, warum der Angeklagte erschossen wurde und was danach passiert ist. In Rückblenden schildert Markus Thiele uns das Leben der Nebenklägerin, zu deren Figur er vom Rechtsfall Marianne Bachmeier inspiriert worden ist. Gleichzeitig folgen wir im hier und jetzt Frank Petersen, der sich von seiner Frau vorwerfen lassen muss, er sei selbstherrlich und voller Vorurteile, bevor sie ihn verlässt. Frank Petersen sieht seine Integrität als Richter und Ehemann in Frage gestellt.

Worte wie Messer, Sätze wie Fallbeile, eine Sprache, die mich begeistert hat. Ganz fein zeichnet der Autor die Charaktere, deren Zerrissenheit, die Angst und die Wut. Es geht um Vorurteile, Fremdenhass und Selbstjustiz; die Grenzen von Recht und Schuld verwischen, die Suche nach der Wahrheit ist keine einfache.

„Er wollte sich erklären, doch ihm fehlten die Worte. Aus der Unzahl der Wörter und Sätze, die wie ein verknotetes Wollknäuel in seinem Kopf hingen, konnte er keinen klaren Gedanken stricken.“ (Seite 186)

Inspiriert von zwei der spektakulärsten Rechtsfälle der Nachkriegszeit, dem Fall Marianne Bachmeier und dem Fall Amadeu Antonio Kiowa, verbindet Markus Thiele Fiktion und Realität auf wunderbare Weise und schenkt uns ein spannendes und interessantes Werk, das aktueller nicht sein könnte. Danke dafür.

Vor lauter Begeisterung hätte ich fast vergessen, mein Fazit aufzuschreiben. Ich vergebe 5 Sterne mit Sternchen und eine unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Das Ganze hier ist wohl eine Horrorstory

Später
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Jamie ist zweiundzwanzig und erzählt uns seine Geschichte. Die Geschichte darüber, wie es ist, dass er tote Menschen sehen kann.

„Das war schon immer so, soweit ich mich erinnern kann. Allerdings ist ...

Jamie ist zweiundzwanzig und erzählt uns seine Geschichte. Die Geschichte darüber, wie es ist, dass er tote Menschen sehen kann.

„Das war schon immer so, soweit ich mich erinnern kann. Allerdings ist es nicht so wie in dem einen Film mit Bruce Willis. Manchmal ist es einfach nur interessant, manchmal eher beängstigend...“ (Seite 20)

Jamie kann die Geister von Verstorbenen sehen und diese müssen alle seine Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Dass dies gerade für ein Kind äußerst beängstigend sein kann, kann sich wohl jeder vorstellen. Nicht jeder Tote stirbt friedlich in seinem Bett und die Geister sind ein Ebenbild ihrer Leiche. Wie schon in dem Klappentext steht, ist „das Ganze hier (...) wohl eine Horrorstory“.

Nachdem mich das letzte Buch des Autors enttäuscht hat, war ich diesmal ohne große Erwartungen. Und bei 304 Seiten erwartete ich eher eine Kurzgeschichte, als eine spannende Story. Wie habe ich mich getäuscht! Der Meister ist zurück, hoch lebe der Meister! Geister, unerklärliche Phänomene und ein Kind mittendrin. Einmal angefangen, habe ich das Buch in einem Rutsch ausgelesen. Einziger Kritikpunkt: ich fand es viel zu kurz! Es hätte gut und gerne doppelt so lang sein dürfen. Von mir gibt es 5 Sterne und eine große Vorfreude auf das nächste Werk, das im August dieses Jahres erscheinen soll. Diesmal mit angenehmen 720 Seiten. Juhu und Hurra, das wird ein Fest!

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Veröffentlicht am 31.03.2021

Geschäftsgründung mit Hindernissen

Dogilli
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Als Ilka Sommer ihren Job verliert, erinnert sie sich an ihren Traum, eine Hundepension zu führen. Gesagt, getan und fertig... Nein, so einfach ist es natürlich nicht, schon gar nicht in unserem schönen, ...

Als Ilka Sommer ihren Job verliert, erinnert sie sich an ihren Traum, eine Hundepension zu führen. Gesagt, getan und fertig... Nein, so einfach ist es natürlich nicht, schon gar nicht in unserem schönen, bürokratischen Lande! Hier muss alles seine Ordnung haben. Und damit fängt es an. Es gibt so viele Vorschriften und Gesetze, die nicht immer logisch sind, zu beachten, dass es einem schwindlig werden könnte. Darüber handelt das Buch.

In witzigen Worten schildert die Autorin ihren Weg zur Selbständigkeit, berichtet über bürokratische Hürden, beschreibt wie es ist, wenn das eine Amt nicht weiß, was das andere will und umgekehrt. Was es mit einem macht, wenn die eine Aufgabe erledigt ist, sich dadurch aber plötzlich zwei neue Probleme ergeben. Hättet ihr zum Beispiel gewusst, dass ihr einen Parkplatz braucht, wenn ihr eine Hundepension eröffnen möchtet? Falls dies platzmässig nicht möglich ist, könnt ihr euch gegen eine vierstellige Gebühr aus dieser Verpflichtung freikaufen. Die Gemeinde wird dann mit diesem Geld einen virtuellen Parkplatz einrichten, auf den ihr aber keinen Rechtsanspruch habt. Alles klar? Daneben ist natürlich auch der Tierschutz wichtig, der Sachkundenachweis erforderlich, es müssen Seminare über Hundeverhalten und Hundehaltung absolviert werden und vieles mehr. Informativ und ehrlich schildert Ilka Sommer den Spaß und die Probleme, die sich ergeben. Besonders die Erzählungen über die Hunde haben mein Herz erwärmt. Je mehr Hunde, desto öfter ist eine Katastrophe bekanntlich vorprogrammiert. Wie die Autorin das gemeistert hat, hat mir vergnügliche Lesemomente beschert. Von mir gibt es 5 Sterne. Und nun muss ich unbedingt auf die Website der Hundepension, um Bilder von Kimba, Rumpel & Co zu suchen.

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Wer sind wir und warum

Denn Familie sind wir trotzdem
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Opa Paul und Enkelin Floriane. Bis die beiden über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte und die Rolle von Paul darin miteinander sprechen, bleibt genug Zeit, um uns etwas über sie zu erzählen. ...

Opa Paul und Enkelin Floriane. Bis die beiden über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte und die Rolle von Paul darin miteinander sprechen, bleibt genug Zeit, um uns etwas über sie zu erzählen. Eine Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg, parallel beginnend 1985 mit Florianes Mutter Ina sowie 1925 mit Paul, Inas Vater. Paul, der als Kind mit seinem jüngeren Bruder Gerd beim Onkel zurückgelassen wird, weil die Eltern beruflich auf Reisen sind. Der Onkel, ein Kinderarzt und überzeugter Nationalsozialist, will die Kinder unbedingt zu gehorsamen Soldaten erziehen, notfalls mit Gewalt, die auch sonst an der Tagesordnung ist. Und Ina, die im freiwilligen Jahr in Israel ungewollt schwanger wird und bereit ist, für das Baby und dessen Vater alles aufzugeben. Der Kindsvater aber, ein Israeli, und seine Familie sehen das Ganze anders und bestehen auf eine Abtreibung.

In Sprüngen von mal einem, mal mehreren Jahren lässt uns Heike Duken an der Geschichte teilnehmen. Das ist ergreifend, das ist traurig, das ist tragisch und dabei so unglaublich spannend. Immer wieder springen wir in den Jahren, wobei es uns die Autorin einfach macht mit den davor gestellten Namen und Zeiten. So ergibt sich nach und nach eine Familiengeschichte bis ins Jahr 2019. Es war mir kaum möglich, das Buch an die Seite zulegen. Die unterschiedlichen Charaktere sind so toll gezeichnet; insbesondere was die Mutter- und Tochter-Beziehung angeht, konnte ich vieles wiedererkennen. Die Beziehung zwischen Opa und Enkelin hat mich so berührt, das Vertrauen zwischen den beiden Menschen so ergriffen, dass die ein oder andere Träne geflossen ist. Das Nachwort hat mich dann nochmal emotional gepackt; dort erfahren wir, wie der Roman entstanden ist, und ob dieser auf wahren Begebenheiten beruht. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

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