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Veröffentlicht am 10.04.2021

Ein moderner Klassiker - zeitlos

Drei Sommer
1

Bereits im Jahre 1946 erschien „Drei Sommer“ von Margarita Liberaki im Original und noch heute hat dieser Klassiker der modernen griechischen Literatur nichts an seiner Kraft, seiner Aktualität eingebüßt. ...

Bereits im Jahre 1946 erschien „Drei Sommer“ von Margarita Liberaki im Original und noch heute hat dieser Klassiker der modernen griechischen Literatur nichts an seiner Kraft, seiner Aktualität eingebüßt.

Drei Schwestern leben mit ihrer Mutter Anna, ihrer Tante Tereza und ihrem Großvater auf einem Landgut nahe Athen. Drei Sommer lang begleite ich sie. Katerina, mit ihren 16 Jahren die jüngste, bringt die Familiengeschichte näher. Sie träumt von Reisen in fremde Welten, verliebt sich in David. Ihre 18jährige Schwester Infanta liebt Pferde, findet in Nikitas viel Verständnis und mehr. Dann ist da noch Maria, mit 20 Jahren die älteste, erfahrenste.

Es ist eine Reise in den Sommer, in die griechische Landschaft, all die Gerüche, die Früchte nehme ich intensiv wahr, bin so richtig abgetaucht. Mit den Menschen gehe ich zurück in eine Zeit, deren Gesellschaft sehr genau hinschaut, die toleriert aber auch verurteilt und verzeiht. Ein Blick auf das Damals, auf die Grenzen und Entfaltungsmöglichkeiten. Lässt das traditionelle Frauenbild ein selbstbestimmtes Leben zu? „Manchmal fühlt man den Drang, über ein einziges Leben hinauszugehen.“ Was für ein lebendiger Satz, voller Poesie. Es gibt immer wieder Zeiten in jeder Lebensphase, da möchte man genau das – darüber hinausgehen. Das Leben spüren in all seinen Facetten, dem altgedienten entfliehen, Neues zulassen, seinen Platz finden. Und genau diese Momente fängt Margarita Liberaki wunderbar ein, sehr dezent, zart, ja filigran. Das Leben in seiner ganzen Fülle – bittersüß zuweilen.

Ein leises Buch, wie ein Zaungast komme ich mir manchmal vor. Es sind diese alltäglichen Geschichten, die ein jeder von uns kennt, so oder so ähnlich erlebt hat. Die erste Liebe – was gibt es schöneres.

Mit der polnischen Großmutter fängt unsere Geschichte an und mit ihr schließt sich der Kreis. Ein sehr moderner Klassiker, der weibliche Entfaltungsmöglichkeiten, eigene Lebensentwürfe sehr wohl zulässt, ein selbstbestimmtes Frauenbild vermittelt. Vor 75 Jahren genauso wie heute. „Drei Sommer“ zeichnet ein gesellschaftskritisches Bild von immerwährender Gültigkeit. Alles fließt…

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Spannender zweiter Fall

Die rote Frau
1

Im zweiten Fall des Rayoninspektors August Emmerich und seines Assistenten Ferdinand Winter bei der Abteilung Leib und Leben sind wir wieder im Wien der Nachkriegszeit (1920) und Mangel herrscht noch ...

Im zweiten Fall des Rayoninspektors August Emmerich und seines Assistenten Ferdinand Winter bei der Abteilung Leib und Leben sind wir wieder im Wien der Nachkriegszeit (1920) und Mangel herrscht noch allerorten.

Inzwischen in der Abteilung Leib und Leben angekommen, wird Emmerich von den Kollegen von den wirklichen Fällen ausgeschlossen, er und Winter werden zu niedriger Büroarbeit verdonnert. Emmerich wäre nicht er, ließe er sich von den Ermittlungen abhalten. Zumal er mitbekommt, dass seine Kollegen in einem Mordfall schnell einen Schuldigen aufgetan haben und nicht im Traum dran denken, auch nur an dessen Unschuld zu rütteln. Emmerich wird genauestens beobachtet. Die Krüppelbrigade werden er und Winter von Brühl, seinem unmittelbar Vorgesetzten, genannt.

Der Stadtrat Fürst ist ermordet worden und der schwer Kriegsversehrte Peppi wird von Brühl alsbald in den Kerker geworfen. In Oberinspektor Gonska haben Emmerich und Winter einen Fürsprecher, der ihnen ein paar Tage verdeckte Ermittlungen gewährt. Gerechtigkeit für Peppi! Wird es ihnen gelingen, seine Unschuld zu beweisen?

Wieder bin ich mit Emmerich unterwegs. Wenn der an eine Sache glaubt, lässt er sich von niemandem aufhalten. Er greift schon mal zu nicht ganz astreinen Methoden, wenn er so nicht weiterkommt. Nicht ganz gesetzeskonform, aber auch nicht direkt daneben. Anders als seine selbstgefälligen Kollegen von Leib und Leben will er, dass der Richtige hinter Schloss und Riegel kommt. Bei seinen Kollegen hat er schon manchmal den Verdacht, dass sie in erster Linie einen Fall abschließen wollen.

Er ist schon ein Unikum, kennt er doch die Nöte der kleinen Leute ganz genau. Ein Kommissar, mit allen Wassern gewaschen, aber immer auf der richtigen Seite, so habe ich ihn schon im ersten Band kennen- und schätzen gelernt. Ecken und Kanten, das hat er, aber auch ein großes Herz. Die Autorin versetzt einen direkt in diese Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Da ist nichts mit den goldenen Zwanziger Jahren, die Wirklichkeit der Kriegsheimkehrer, der Kriegsversehrten, wird hier gut transportiert.

Alex Beer sagt im Nachwort: „Das Kernthema des Buches ist der Krieg gegen die Minderwertigen. Die meisten von uns verknüpfen diesen Terminus mit der Zeit des Nationalsozialismus, in Wahrheit ist die Idee der Volksgesundheit aber viel älter – bereits die Spartaner im antiken Griechenland betrieben eine strenge Auslese.“

Die historische Reihe um August Emmerich ist ein Lesegenuss, den man sich unbedingt gönnen sollte.

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Spannender Zons-Thriller im Gestern und Heute

Stummes Opfer: Thriller
1

Wir sind in Zons im Jahre 1502: Zu Bastian Mühlenberg kommen die zwei Buben von Gertrude, dem Bettelweib. Sie sind auf der Suche nach ihrer Mutter, sie ist schon länger abgängig, nirgends zu finden. Derweilen ...

Wir sind in Zons im Jahre 1502: Zu Bastian Mühlenberg kommen die zwei Buben von Gertrude, dem Bettelweib. Sie sind auf der Suche nach ihrer Mutter, sie ist schon länger abgängig, nirgends zu finden. Derweilen ist auf der Kirchen-Baustelle die Hölle los. Eine Mauer will und will nicht stehen bleiben, immer wieder stürzt sie ein. Zwei weitere Bettelweiber werden vermisst und Bastian ahnt Schreckliches.

In der Gegenwart macht Lothar Neidhardt bei der Einweihungsfeier des neuen Kreisarchivs eine grauenvolle Entdeckung: Mörtel löst sich an einer Säule, zum Vorschein kommt die Leiche eines sehr jungen Mannes, in seiner Hand die Hälfte eines Zonser Schöffensiegels. Damit nicht genug, es werden weitere Mordopfer entdeckt, ein Wettlauf mit der Zeit beginnt für den Kriminalkommissar Oliver Bergmann.

Ganz mysteriös ist zwischen den beiden Erzählsträngen immer wieder eine kurze dritte Ebene eingeflochten, die äußerst geheimnisvoll daherkommt. Wer oder was ist das? Wie hängt diese Story mit den Todesfällen zusammen?

Auch dieser mittlerweile elfte Band der auf zwei Zeitebenen spielenden Thriller-Reihe ist spannend von der ersten bis zur letzten Zeile. Ich beginne zu lesen und weiß, dass so einiges auf mich zukommen wird, freu mich drauf.

Catherine Shepherd versteht es, sehr lebendige Bilder zu schaffen. Die bedrohliche, bedrückende, ja finstere Atmosphäre der damaligen Zeit kann ich direkt spüren, wenn ich mit Bastian Mühlenberg vor gut 500 Jahren so manch unheimlichem Typen auf den Fersen bin. Da kann ich schon mal vergessen zu atmen, so sehr fesselt mich das Geschehen. Oliver schaue ich in der Gegenwart über die Schulter, dabei treffe ich auch wieder auf Emily, seine Freundin. Sie ist als Journalistin spezialisiert auf historische Themen und kann ihm so manches Mal mit ihrem Wissen weiterhelfen. Und hier wird ihre Sachkenntnis gebraucht. Das Zusammenspiel dieser beiden Erzählstränge ist sehr geschickt gemacht, die Übergänge fließend. Perfekt.

„Stummes Opfer“ ist, so wie jeder Band aus der Zons-Reihe, in sich abgeschlossen. Man muss die Vorgängerbände nicht kennen, aber warum sollte man auf diesen Lesegenuss verzichten?

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Veröffentlicht am 22.03.2021

Eine Hommage auf die Freundschaft

Als wir uns die Welt versprachen
1

Muss Edna sich damit abfinden, in eine Seniorenresidenz zu ziehen und warum eigentlich kann sie Emil, den Papagei, nicht mitnehmen? Wie jeden Donnerstag blättert sie in der neueste Ausgabe des Stern - ...

Muss Edna sich damit abfinden, in eine Seniorenresidenz zu ziehen und warum eigentlich kann sie Emil, den Papagei, nicht mitnehmen? Wie jeden Donnerstag blättert sie in der neueste Ausgabe des Stern - und da sieht sie ihn: Jacob. Erinnert sich an ihre Schuld, die sie noch begleichen muss und fasst den Entschluss, dass es jetzt sein muss. Sie macht sich auf den Weg, der auch eine Reise in die Vergangenheit sein wird. Der alten Karte folgend, die Jacob ihr vor langer Zeit gezeichnet hat, geht sie auf Wanderschaft, nimmt den Bus oder begegnet unterwegs immer wieder hilfsbereiten Mitmenschen.

Edna kommt vorwärts, der Weg ist ihr nicht fremd. Schon einmal ist sie ihn gegangen, es ist lange her. Zehn Jahre war sie damals – ein Schwabenkind. Unter härtesten Bedingungen musste sie, wie tausende andere Kinder aus dem armen Südtirol, auf den großen schwäbischen Höfen bis zum Umfallen schuften. Deren Schicksal ist bekannt, immer wieder wird es literarisch aufbereitet.

Ich erhalte Einblick in die Nöte dieser Kinder, die in bitterer Armut von ihren Eltern verkauft und in eine ungewisse Zukunft losgeschickt wurden. Schon fünfjährige waren darunter, aber genau so 15jährige.

Die 89jährige Edna überquert auf den alten Pfaden die Alpen, immer in Begleitung von Emil, diesem Paradiesvogel. Mit ihrer unvoreingenommenen Selbstverständlichkeit nimmt sie jeden, den sie unterwegs trifft, für sich ein. Man ist nie zu alt, etwas zu wagen, verrücktes zu tun. Ein lange gegebenes Versprechen einzulösen.

Ganz behutsam greifen hier Gegenwart und die Vergangenheit ineinander. Nie hatte ich das Gefühl, dass diese beiden Zeitebenen konstruiert wären. Im Gegenteil, sie schmiegen sich einander an, bilden ein homogenes Ganzes.

Einen warmherzigen Roman, der nie anklagend ist aber so einige Schicksale realistisch beleuchtet, hat Romina Casagrande hier vorgelegt. Edna in ihrer unkonventionellen, leicht verqueren, aber sehr positiven, dem Leben zugewandten Art, bin ich gerne gefolgt. Auch wenn die Alpenüberquerung in ihrem Alter nicht mehr gelingen mag, so ist der Gedanke daran gar nicht mal so verkehrt. Können wir nicht alles schaffen, wenn wir uns ein Ziel stecken? "Als wir uns die Welt versprachen" - eine Hommage an das Leben.

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Veröffentlicht am 07.03.2021

Psychospielchen vom Feinsten

Mondteufel
1

Es ist Vollmond – es ist Zeit für den „Mondteufel“: Und er lässt wissen: „Es muss sauber sein, kein Tropfen Blut darf fließen… Das Glück ist verbraucht.“ Da erwarten mich wohl Psychospielchen vom Feinsten ...

Es ist Vollmond – es ist Zeit für den „Mondteufel“: Und er lässt wissen: „Es muss sauber sein, kein Tropfen Blut darf fließen… Das Glück ist verbraucht.“ Da erwarten mich wohl Psychospielchen vom Feinsten – das war mein erster Gedanke. Dieser Mondteufel meldet sich immer mal wieder zu Wort, erzählt mir Dinge, die ich lieber nicht wissen möchte, aber trotzdem dringend wissen muss. Weil diese vielschichtige Geschichte so spannungsgeladen daherkommt, dass ich nicht anders kann, als weiterzulesen.

Stella wacht auf. Sie weiß nicht, wo sie ist. Ihr wird erzählt, dass sie im Pflegeheim Euphoria in der Rehabilitationsabteilung liegt. Sie hatte eine Hirnblutung, wurde operiert und soll hier gesunden. Absonderliche Dinge geschehen, die nur sie alleine wahrnimmt. Sie fühlt sich beobachtet, hört des Nachts jemanden vor und im Zimmer – unerklärbar. Als sie nach ihrer Mutter verlangt, erfährt sie, dass diese nicht mehr da ist. Auch ihr Mann wendet sich von ihr ab. Hilflos und alleingelassen zweifelt sie an ihrer Wahrnehmung. Immer mehr beschleicht sie das Gefühl, dass sie niemandem mehr trauen kann.

Der damals achtjährige Jordi, Stellas kleiner Bruder, wurde vor dreißig Jahren von drei Jugendlichen ermordet, sie haben die Tat damals gestanden. Immer wieder eingestreut lese ich Tagebucheinträge hierzu, geschrieben von der Mutter, es fördert einiges zutage, um letztendlich bei mir doch für extreme Verwirrungen zu sorgen.

Astrid Korten versteht es, den Leser auf so manch falsche Fährte zu locken, die aber letztendlich mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Wie passen diese einzelnen Puzzlestücke zusammen? Wohin führt die Spur? Mit viel Herzklopfen bin ich durch die Seiten gedüst und hatte so manches Mal Schnappatmung. Spannend bis zum Schluss. Wenn man meint, es ist alles geklärt, dann kommt noch so manche Überraschung daher.

Wieder mal ein echter Astrid Korten. Dramatisch, mitreißend und fesselnd bis zur letzen Zeile. Ein Psychothriller, der verschlungen werden muss – unbedingt.

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