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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.04.2021

Regt zum Nachdenken und Nachmachen an

Kauf mich!
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Nunu Kaller beleuchtet in diesem Buch unser Kaufverhalten, das von den großen Konzernen geschickt manipuliert wird. Sie spart auch nicht mit Kritik an der Produktion von Fast Fashion, die in Bangladesch ...

Nunu Kaller beleuchtet in diesem Buch unser Kaufverhalten, das von den großen Konzernen geschickt manipuliert wird. Sie spart auch nicht mit Kritik an der Produktion von Fast Fashion, die in Bangladesch unter kriminellen Bedingungen erzeugt, von Influencerin massiv beworben und von uns gekauft wird, um wenig später - oft ungetragen - im Müll landet.
Sie prangert auch das sogenannte „green washing“ der Konzerne an, die nichts anderes als Augenauswischerei und eine Mogelpackung ist. Nur weil die Verpackung eine grüne Farbe hat und „öko/fair“ drauf steht, ist ein Produkt noch lange nicht fair produziert.

Die Autorin weiß, worüber sie schreibt, war sie doch selbst dem Kaufrausch verfallen. Nach einem Jahr, der Askese, die sie in ihrem Buch Kauf nix“ verarbeitet hat, hat sie nun einen anderen Weg eingeschlagen.

Sie schlägt vor, weniger, aber dafür bessere Qualität zu kaufen, auf Reparierbarkeit zu achten und auf die Produzenten zu achten. Klingt irgendwie bekannt?
Ja, eh - wir sollten nur auch regelmäßig danach handeln. Eine Umstellung von null auf hundert wird kaum gelingen, aber in kleinen Schritten, lassen sich die Einkaufsgewohnheiten ändern.

Allerdings macht es einem der Handel nicht immer leicht. Ich wollte heute, im (zu Fuß erreichbaren) Supermarkt laktosefreies Joghurt im 250-Gramm-Becher kaufen, erklärt mir die Filialleiterin, dass das ausgelistet wurde. Die Kunden, sagt sie, wollten nur die großen Tiegel (400 bzw. 500gr). Bin ich jetzt kein Kunde? Soll ich jetzt den großen Tiegel nehmen und den ungebrauchten Rest wegwerfen? Und wie passt das zur Nachhaltigkeitsstrategie des Supermarktes, der sich auf die Fahnen heftet, keine Lebensmittel zu verschwenden? Ach ja, nicht der Konzern verschwendet, sondern ich.

Gut, zurück zum Buch, das leicht lesbar und durchaus humorvoll daherkommt. Nunu Kaller gibt Tipps, die anregen, seine Einkaufsgewohnheiten zu überdenken. Als Gegenpol zu der riesigen Internetplattform hat sie währen der Covid-Pandemie eine Initiative gegründet, auf der zahlreiche kleinere und mittlere Betriebe aus Österreich gelistet sind, die kontaktfrei liefern. Diese Firmen arbeiten in Österreich und zahlen dort Steuern. (Siehe „liste.nunukaller.com“)

Fazit:

Eine Anregung, seine Einkaufsgewohnheiten zu überdenken, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 11.04.2021

Ein gelungener Reihenauftakt

Dampfer ab Triest
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Günter Neuwirth, den ich als Autor mehrerer Wien-Krimis kenne, entführt uns diesmal in die Donaumonarchie, genauer gesagt in das Jahr 1907 in die k & k Hafenstadt Triest.

Dort versieht Bruno Zabini seinen ...

Günter Neuwirth, den ich als Autor mehrerer Wien-Krimis kenne, entführt uns diesmal in die Donaumonarchie, genauer gesagt in das Jahr 1907 in die k & k Hafenstadt Triest.

Dort versieht Bruno Zabini seinen Dienst als Inspektor 1. Klasse in der dortigen Polizeidirektion. Zabini ist wie viele seiner Generation, Sohn einer österreichischen Mutter und eines italienischen Vaters und daher zweisprachig aufgewachsen. Diese Zweisprachigkeit ist es auch, die ihm zu einem mehrwöchigen Aufenthalt auf der „Thalia“, einem Vergnügungsdampfer, verhilft, der von Triest aus die Adria bis Konstantinopel befahren soll. Seine Aufgabe an Bord ist es, den pensionierten Oberst und ehemaligen Militärattaché Graf Urbanau und seine Tochter zu beschützen. Denn kurz nach deren Ankunft in Triest stirbt Urbanaus Fahrer bei einem Attentat, das eigentlich dem Grafen gegolten hat. Man hat, wie der technisch versierte Zabini festgestellt hat, die Bremsseile seines Automobiles angesägt.

Überhaupt, Zabinis Interesse an Technik im Allgemeinen und moderner Kriminaltechnik im Besonderen, spielen hier eine große Rolle, denn Urbanau verbittet sich Personenschutz. Deshalb schleust man Zabini als Schiffbauingenieur des Triestiner Lloyd auf dem Dampfer ein. Seiner Beobachtungsgabe entgeht wenig, dennoch kann er einen Mord an Bord nicht verhindern.

Meine Meinung:

Mit Bruno Zabini ist Günter Neuwirth ein sympathischer Ermittler gelungen, der das Zeug zum Serienhelden hat.

Zabini ist charmant und gut aussehend. Er kommt bei der (meist verheirateten) Damenwelt - sowohl am Festland als auch auf dem Dampfer - gut an. So hat er gleich zwei Gsupis in Triest und die eine oder andere Dame der illustren Dampferfahrt macht ihm Avancen. Doch er ist nicht der Einzige mit amourösen Abenteuern. Die Comtess Urbanau hat ihrem Geliebten, dem mittellosen Schauspieler Friedrich Grüner, die Passage auf dem Dampfer bezahlt, um ihm nahe zu sein.

Auch die anderen Charaktere sind liebevoll und detailliert gezeichnet. Meine zweite Lieblingsfigur ist die Reiseschriftstellerin Therese Wundrak.

Dieser Krimi vermittelt völlig unaufgeregt historisches Hintergrundwissen, wie der Dialog zwischen Therese und Hermine Seefried beweist:

„Eine akademische Karriere war mir als Frau mit unbeugsamen Willen von vornherein versagt, weil die Universitäten die kleingeistigen Kampfarenen eitler alter Gockel sind, denen eine junge Frau mit großer Energie panische Angst einjagt.“ (S. 117)

Auch politische Themen wie das Risorgimento in Italien oder die anderen nationalistischen Strömungen der habsburgischen Länder finden Eingang. Hier darf bei Zigarre und Hochprozentigem im Rauchsalon diskutiert werden.

Im Anhang findet der interessierte Leser Informationen zum historischen Umfeld und Personen dieses Krimis.

Die Handlung ist komplex und vielschichtig, verästelt sich gekonnt und kehrt wieder zum Ausgangspunkt, nämlich zur Verhinderung eines Attentats auf Graf Urbanau zurück. Die Leser werden eingeladen, ihre Beobachtungen mit jenen von Bruno und der toughen Therese Wundrak zu teilen. Wundrak hat recht bald durchschaut, dass Bruno mehr ist, als ein Schiffsingenieur. Ihn fasziniert ihr scharfer Verstand und wünscht sich Frauen bei der Polizei. Ach ja, Polizei: Zabini hat mehrere Monate bei Professor Hans Gross (1847-1915), dem Begründer der modernen Kriminalistik in Graz studiert. Gross hat die „Kommissionstasche“ erfunden, die Bruno Zabini auf seiner Reise begleitet.

Fazit:

Ein gelungener historischer Krimi, der das Fin de Siècle mit all seinen Anachronismen farbenprächtig auferstehen lässt und das Potenzial zu einer Reihe hat. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und hoffe auf eine Fortsetzung.

Veröffentlicht am 11.04.2021

Wer ermordete Rebecca Hirsch?

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
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Dieser zweite Thriller des Autoren-Trios rund um den Berliner Kommissar Wolf Heller spielt 1969 in der geteilten Stadt. Rebecca Hirsch, die Frau eines pensionierten Richters und Überlebende der Shoa wird ...

Dieser zweite Thriller des Autoren-Trios rund um den Berliner Kommissar Wolf Heller spielt 1969 in der geteilten Stadt. Rebecca Hirsch, die Frau eines pensionierten Richters und Überlebende der Shoa wird ermordet. Das Motiv liegt im Dunklen. Ist sie Opfer eines gewöhnlichen Frauenmörders, der bereits drei Frauen auf dem Gewissen hat oder ist die Tat politisch motiviert oder liegt der Mord in einem alten Familiengeheimnis begründet?

Linke Revoluzzer stiften Chaos, werfen Molotow-Cocktails und bezichtigen die Israelis, die neuen Faschisten zu sein. Gleichzeitig ist Berlin Tummelplatz für Spione aller Himmelsrichtungen, vornehmlich für Russen, die noch die eine oder andere Rechnung mit den Deutschen offen haben.

Vor diesem mehr als brisanten Hintergrund ermittelt Wolf Heller, der auch mit privaten Problemen zu kämpfen hat, weil Ehefrau Paula an Krebs erkrankt ist.

Und dann wird auch noch Louise Mackenzie, die Nichte der ermordeten Rebecca Hirsch, die dem Familiengeheimnis auf die Spur kommen will und deshalb mit Wolf Heller eng zusammenarbeitet, entführt.

Meine Meinung:

Die Autoren Martin Lutz, Sven Felix Kellerhoff und Uwe Wilhelm sind Journalisten bzw. Drehbuchautor und Schriftsteller und leben in Berlin.

Der Thriller ist komplex angelegt. So geben sich Radikale aller politischen Richtungen ein Stelldichein. Viele der Jungen sind enttäuscht von den Amerikanern, die in Vietnam Krieg führen, viele finden den Kommunismus als bessere Option und wieder sehen ihr Heil in der Anarchie. Man kifft, frönt der freien Liebe, besetzt Häuser und wirft den Vätern ihre Teilnahme an den Gräueln der NS-Zeit vor. Die Darstellung dieses zeitgeschichtlichen Konglomerats aus hochexplosiven Komponenten ist den Autoren bestens gelungen.

Wie wir es schon vom letzten Thriller „Die Tote im Wannsee“ gewöhnt sind, ist auch dieser voll mit widersprüchlichen Personen und Weltanschauungen.
Wolf Heller bemüht sich Mensch zu bleiben, sich so gut es geht, sich um Paula und die Kinder zu kümmern. Und da gibt es auch noch Halbschwester Petra, die viel Zeit mit Kommunarden verbringt.

Fazit:

Der Thriller lässt sich gut lesen. Die Spannung ist hoch, fällt aber manchmal durch die detaillierte Schilderung des Kommunardenlebens ab. Trotzdem gebe ich hier 5 Sterne, weil mich die Darstellung der Zeitgeschichte beeindruckt hat.

Veröffentlicht am 10.04.2021

Fesselnd bis zur letzten Seite

Tödliche See
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Dieser 5. Krimi aus der Reihe rund um Liv Lammers hat diesmal einen ungewöhnlichen Tatort: Auf der Plattform eines Offhore-Windparks hängt ein Toter. Schnell wird klar, dass ein Unfall oder ein Selbstmord ...

Dieser 5. Krimi aus der Reihe rund um Liv Lammers hat diesmal einen ungewöhnlichen Tatort: Auf der Plattform eines Offhore-Windparks hängt ein Toter. Schnell wird klar, dass ein Unfall oder ein Selbstmord ausgeschlossen werden kann. Gemäß dem alten Spruch der Römer „nihil nisi bene“, sind Arbeitskollegen und Vorgesetzte vorerst nicht bereit, etwas anderes als nur Gutes über den Toten, Dennis Marzen, zu sagen. Doch je weiter Liv Lammers und ihre Kollegen in den Mikrokosmos des Offshore-Windparks eindringen, desto mehr beginnt die glatte Fassade der eingeschworenen Gemeinschaft zu bröckeln.

Als dann noch die Firmenchefin bedroht wird und die Windpark-Gegner zum verbalen Gegenschlag ausholen, spitzt sich die Lage auf der Plattform zu. Es ist Zeit für Liv, das SEK zu Hilfe zu rufen ...

Meine Meinung:

Sabine Weiss ist wieder ein fesselnder Krimi gelungen, der sich in einem für die meisten Leser unbekannten Terrain abspielt. Wie auf einer Ölbohrinsel sind die Menschen auf der Offshore-Plattform auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Wer da nicht mitkann, wird gnadenlos hinausgeekelt. Das intensive Zusammenleben, das hier auch ein paar wenige Frauen umfasst, muss man gewohnt sein und auch mögen. Für mich wäre so ein Mikrokosmos nichts.

Dass es hier um viel Geld geht, ist für die Leser auch klar. Einen Schönheitspreis gewinnen die Windräder auch nicht. Deshalb kann man schon Sympathien für die Gegner dieser Art der Energiegewinnung bekommen und wenn es dann noch Expertisen über mögliche Umweltschäden bzw. Beeinträchtigung der Tier- und Pflanzenwelt gibt, sind beide Seiten für sachliche Argumente kaum mehr zugänglich.

Wie wir es von Autorin Sabine Weiss gewöhnt sind, führt sie ihre Leser einige eit an der Nase herum. Kaum glaubt man, den Täter unter den vielen Verdächtigen ausgemacht zu haben, so hat der doch ein hieb- und stichfestes Alibi oder fällt sonst wie aus dem Raster. Obwohl ich eine gewiefte Krimileserin bin und mir so schnell keiner ein x für ein u vormachen kann, habe ich diesmal einige Zeit gebraucht, um die gefinkelt angelegten Zusammenhänge zu durchschauen.

Für diejenigen, die sich mit den Offshore-Windparks an der Nordsee ein bisschen beschäftigen wollen, gibt es weiterführende Infos am Ende des Buchs.

Fazit:

Ein bis zur letzten Seite fesselnder Krimi, der mit bester Recherche und starken Charakteren punktet. Gerne gebe ich hierfür 5 Sterne und freue mich auf den nächsten Band.

Veröffentlicht am 10.04.2021

Eine Hommage an einen österr. Widerstandskämpfer

Gefangener 2959
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Bernhard Kreutner, den ich als Autor von zwei durchaus humorvollen Krimis kennengelernt habe, hat sich mit dieser Biografie einem Mann zugewandt, der vermutlich nur Insidern bekannt ist: DDr. Heinrich ...

Bernhard Kreutner, den ich als Autor von zwei durchaus humorvollen Krimis kennengelernt habe, hat sich mit dieser Biografie einem Mann zugewandt, der vermutlich nur Insidern bekannt ist: DDr. Heinrich Maier, seines Zeichens katholischer Priester und österreichischer Widerstandskämpfer.

Geboren 1908 in Großweikersdorf (Niederösterreich) wächst er in ärmlichen Verhältnissen auf und wird Priester in einer Pfarre in Wien-Hernals. Bereits kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938, beginnt er Widerstand zu leisten. Sei es, dass er entsprechende Flugzettel verteilt oder untergetauchten Menschen weiterhilft. Er nützt seine Kontakte ins Ausland und leitet streng geheime Rüstungspläne an die Alliierten weiter.

Heinrich Maier weiß um die Risken seines Tuns, dennoch setzt er sein Leben aufs Spiel. Im März 1944 schlägt das Regime zu. Heinrich Maier und Weggefährten werden verhaftet. Er wird in Einzelhaft gehalten, gefoltert und in das KZ Mauthausen gebracht. Er bietet trotz aller Schmerzen sowohl dem Richter am Volksgerichtshof Kurt Albrecht als auch dem Lagerkommandanten Franz Ziereis mutig und trotzig die Stirn.

Wenige Tage vor Ende des NS-Regimes wird er am 22. März 1945, vermutlich als letzter im Landesgericht Wien enthauptet. Seine letzten Worte „Für Christus den König! Es lebe Österreich!“

Meine Meinung:

Obwohl ich mich seit Jahren mit dem NS-Regime und dem Widerstand gegen dasselbe beschäftige, ist mir die Person Heinrich Maier noch nicht in seiner Deutlichkeit bewusst geworden. Bei „Widerstand gegen das NS-Regime“ fallen einem natürlich sofort Stauffenberg und seine Gruppe ein, oder wenn man aus Österreich ist Major Szokoll oder vielleicht die „Rote“ bzw. die „Schwarze Kapelle“ ein.

Nun hat Bernhard Kreutner ein sehr persönliches Porträt des katholischen Widerstandskämpfers gezeichnet, das fundiert recherchiert ist. Er erzählt, wie Heinrich Maier seinen Glauben trotz Haft, Folter und Konzentrationslager nicht verlor.

Dazu begibt sich der Autor auf penible Spurensuche. Er stöbert in Gerichtsakten, Gestapo-Protokollen und wertet Berichte von Zeitzeugen wie Freunden, Priesterkollegen und KZ-Mithäftlingen aus. All dies ergibt ein rundes Bild eines Menschen, der im Glauben fest verankert ist und entschieden gegen das Unrechtsregime auftritt.

Dass das NS-Regime gegen die katholische Kirche, wenn sie sich nicht angepasst hat, mit aller Härte vorgegangen ist, ist allgemein bekannt. Dass Würdenträger dieser Kirche christlichen Widerstand geleistet haben, nimmt hier mit dieser Biografie eine erfassbare Form an.

Es entsteht das Bild der gut geschmierten Maschinerie eines Systems, das seine Macht u. a. auf unzählige Mitläufer und Denunzianten stützt. Das Gefühl, man könnte jederzeit selbst ausgespäht und wegen regimekritischen Verhaltens verraten werden, macht die Menschen gefügig.

Zahlreiche Fotos und Faksimiles von Dokumenten ergänzen diese Biografie wie ein ausführliches Literaturverzeichnis. Berührend auch das Nachwort von Michael Köhlmeier.

Fazit:

Christlicher Widerstand in Österreich: Ein Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Geschichte. Ein Buch, das gelesen werden sollte und dem ich gerne 5 Stern gebe.