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Veröffentlicht am 31.05.2021

Hommage an „Die große Zelda“ im Schatten des literarischen Genies

Tage mit Gatsby
10

Wer kennt ihn nicht, Francis Scott Key Fitzgeralds weltberühmten „Der Große Gatsby“. Mit seinen Protagonisten Daisy, Tom, Jay, Jordan, George und Myrtle, einer Reihe von Nebencharakteren sowie dem Erzähler ...

Wer kennt ihn nicht, Francis Scott Key Fitzgeralds weltberühmten „Der Große Gatsby“. Mit seinen Protagonisten Daisy, Tom, Jay, Jordan, George und Myrtle, einer Reihe von Nebencharakteren sowie dem Erzähler Nick stellt der Roman eines der bedeutendsten Werke der amerikanischen Literatur und eines der wichtigsten Gesellschaftsporträts der Nachkriegsjahre nach dem ersten Weltkrieg dar. Insbesondere in den USA ist es die Zeit der Prohibition, der „Roaring Twenties“, des „Jazz Age“, der „Lost Generation“ und natürlich auch der „Flappers“, die mit viel Selbstbewusstsein, ihren ersten Emanzipationsversuchen und ihrer Mode eine ganz eigene, neue Lebensphilosophie etablieren wollen. Eine der herausragendsten und schillerndsten Persönlichkeiten dieser Epoche ist die Stil-Ikone und Frau des großen Schriftstellers - Zelda Sayre Fitzgerald. Sie ist die Hauptfigur in Joséphine Nicolas‘ Erstlingswerk „Tage mit Gatsby“, in welchem uns die Autorin sehr faszinierend und emotional mitreißend die Zusammenhänge und Hintergründe zur Entstehungsgeschichte des „Großen Gatsby“ näher bringt. Joséphine Nicolas lässt dem Leser dabei auf allerhöchstem sprachlichen Niveau die gesamte Handlung so authentisch und lebensnah aus Sicht von Zelda Fitzgerald erzählen, dass man das Gefühl bekommt, ständiger Begleiter Zeldas zu sein, Zelda direkt zuzuhören und auch an ihren Gedanken und Emotionen teilzuhaben. Der Sprachstil wurde dazu perfekt an die „Zwanziger“ adaptiert; sämtliche Orte, an denen sich die Fitzgeralds damals aufhielten, wurden von der Autorin aufgesucht, um sich noch besser in ihre Charaktere hinein versetzen zu können.

Das Buch beginnt mit der Widmung „Once again to Zelda“, gefolgt von einem Zitat Francis S. Fitzgeralds, in dem er Zweifel äußert, ob Zelda und er überhaupt real seien oder vielmehr Figuren in einer seiner Geschichten. Es wird genau diese interessante Frage sein, die sich der Leser am Ende des Buches im Hinblick auf die Vorlage „Der Große Gatsby“ auf die eine oder andere Art ebenso stellen wird.
Wir erfahren im Verlauf des Buches, wie sich die beiden gegen die Einwände von Zeldas Familie kennen und lieben gelernt haben, wie Zelda aus dem Elternhaus ausbricht, (nach Scotts Ideen) zum „Flapper“, Party- und It-Girl geformt wird, gleichzeitig aber auch Scotts Muse und engste Beraterin ist. Skrupellos bedient Scott sich der Ideen und Emotionen in ihren Tagebüchern und ihrem Alltagsleben, veröffentlicht teils mit, teils ohne ihre Zustimmung Zeldas Texte. Darüber hinaus versucht er Zeldas Talent zum Schreiben kleinzureden und sie am Veröffentlichen ihrer eigenen Literatur zu hindern.
Die beiden lieben sich, die beiden hassen sich; sie können nicht ohne einander, aber genauso wenig miteinander – es ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Hassliebe. Wir erfahren von Alkoholexzessen, unzähligen Partys, Ehekrisen, Fremdgehen, Geldnot, Scotts Schreiben von Kurzgeschichten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes, Treffen und Flirten mit allerlei Prominenz jener Epoche, der Reise von den USA nach Paris, weiter nach Südfrankreich (hierzu wurde auch das wunderschön passende Buchcover gewählt), nach Rom und Capri und wieder zurück in die USA. Wir lesen auch vom französischen Piloten Jozan, der Zelda das Herz bricht und sie in eine tiefe Krise stürzt. Schließlich hören wir auch von Zeldas und Scotts kleiner Tochter Scottie, die zeitweise in kleinen Hotelzimmern zwischen Alkoholflaschen und Exzessen oder bei befreundeten Familien aufwächst, vorwiegend von der Nanny betreut wird und von ihren überforderten Eltern nie die Aufmerksamkeit und Liebe bekommt, die eine Zweijährige unbedingt benötigt. Und zu guter Letzt erfahren wir auch von Scotts und Zeldas bitterem Ende.

Grandios gelingt es Joséphine Nicolas die gesamte Handlung zusammen mit der damit verbundenen Gefühlswelt dem Leser, eingefärbt durch Zeldas Blick auf das Geschehen, sehr glaubhaft und authentisch zu vermitteln. Gleichermaßen erkennt der Leser, wie Scott Fitzgerald sein gesamtes Umfeld detailliert beobachtet und instrumentalisiert, sich die Emotionen und Eigenschaften aller zu Nutze macht und all das auf wunderbarste Weise in seine Geschichten zu integrieren vermag. Selbst die vernachlässigte kleine Scottie wurde von ihm in seinen Roman übernommen. Zum Abschluss wartet „Tage mit Gatsby“ dann auch noch mit einem beeindruckenden Epilog auf, der sich tief in die Erinnerungen des Lesers eingräbt.

Fazit: Mit ihrem Debüt-Roman hat Joséphine Nicolas sicherlich einen der aktuell allerbesten deutschsprachigen Romane geschrieben, der den Leser vom Anfang bis zum Ende mitreißt und in dessen Geschichte Realität und Fiktion ideal miteinander verwoben sind. Sprachlich, informativ und emotional ist „Tage mit Gatsby“ auf allerhöchstem Niveau. Wer „Der große Getsby“ mag, wird „Tage mit Gatsby“ lieben. Nach Joséphine Nicolas Roman liest man den „Großen Gatsby“ nochmal mit einem ganz neuen und frischen Blick auf das dortige Geschehen, möglicherweise ja sogar durch die Augen des mysteriösen Dr. T. J. Eckelburg. Für mich persönlich zählt „Tage mit Gatsby“ bereits jetzt zu den absoluten Lesehighlights des Jahres 2021.

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Veröffentlicht am 30.05.2021

Tod und späte Einsichten eines unvollendeten Schriftstellers

Schnee auf dem Kilimandscharo
0

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ...

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ist vermutlich die bekannteste Kurzgeschichte des großen Ernest Hemingway. Die Geschichte wurde 1936 veröffentlicht und handelt von dem Schriftsteller Harry, der sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Hellen auf einer Fotosafari in Afrika befindet und sich beim Fotografieren einer Herde Wasserböcke im Grunde genommen nur leicht verletzt. Allerdings wurde die Wunde nur unzureichend versorgt, der Wundbrand hat sich entzündet und Harry hat das Gefühl daran sterben zu müssen. Anfangs hatte die Wunde geschmerzt, aber nun sind die Schmerzen vorbei. Da ihr Lastwagen defekt ist, müssen sie ihr Lager mitten in der Wildnis aufschlagen. Harry nutzt die Zeit um, unterbrochen von Fieberschüben, nochmals über sein Leben zu sinnieren. Dabei fällt ihm auf, dass er seine Lebensgefährtin, die sich liebevoll um ihn kümmert, nicht mehr wirklich liebt, vielleicht nie wirklich geliebt hat, sondern lediglich aus Bequemlichkeit mit ihr zusammen ist und sich von der Witwe aushalten lässt, da sie einerseits gut im Bett ist und andererseits reich ist und nie eine Szene macht. Er hat das Gefühl von den Geiern bereits beobachtet zu werden und eine Hyäne schleicht, angezogen vom Geruch seiner Wunde, unentwegt um das Lager herum. Verschiedene Frauen aus seinem Leben fallen ihm wieder ein und Lebensabschnitte aus seiner Kindheit und aus seiner Kriegszeit kommen ihm wieder ins Gedächtnis, u.a. eine Geschichte über einen Jungen, der jemanden erschossen hat und dafür ins Gefängnis musste, das aber nicht nachvollziehen konnte. Kurz gesagt: Ganz viele Erinnerungen, die für ihn immer das Potenzial zum Aufschreiben gehabt hätten, die er aber nie zu Papier gebracht hat, was er nun sehr bedauert. Dazwischen immer wieder wirre Gedanken und Dialoge mit Hellen.

Er bittet Hellen, die nicht an seinen nahenden Tod glaubt, ihn seine letzte Nacht im Freien verbringen zu lassen. Hellen jedoch lässt Harry, den sie fälschlicherweise im Schlaf wähnt, ins Zelt tragen. Harry macht sich noch allerlei Gedanken über den Tod, der sich ihm immer mehr zu nähern scheint, schläft aber dann doch ein. Am anderen Morgen kommt er zu sich und das Flugzeug, das ihm letzte Hoffnung auf seine Rettung verspricht, ist eingetroffen. Er wir verladen und der Flug beginnt. Allerdings steuert der Pilot schließlich auf den gleißend hellen Gipfel des Kilimandscharo zu.

Mit der Beschreibung dieses Gipfel und einem kurzen Abriss über den Kilimandscharo, der schneebedeckt sei, eine Höhe von 6000 Metern besitzt und als der höchste Berg von Afrika gilt, hat die Geschichte genau genommen eingangs begonnen: Die Einheimischen nennen seinen Gipfel „Das Haus Gottes“. Knapp unter dem Gipfel wurde das gefrorene Gerippe eines Leoparden gefunden, von dem aber niemand weiß, was der Leopard in dieser Höhe überhaupt wollte. Und Harry wird nun klar, was geschehen ist. Hellen wird an diesem Morgen durch das klagende Heulen einer Hyäne geweckt, schaut zu Henry und sieht, dass sein Bein aus dem Lager heraushängt und der Verband komplett abgewickelt ist. Sie kann nicht hinschauen und versteht nun, dass Harry tatsächlich tot ist.

Aber Hemingway wäre nicht Hemingway, wenn da nicht noch eine tiefsinnige Botschaft dahinter stecken würde. Was auf den ersten Blick eher als eine zusammenhangslose, verwirrende Geschichte, die den Fieberwahn von Harry widerspiegelt, angesehen werden kann, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung, als eine geniale Vernetzung von Leben, Genuss, Zeit, Erinnerungen, Bequemlichkeiten, Glaube, Hoffnung, Liebe und Tod. Jede noch so kleine Beobachtung und Randnotiz entpuppt sich für das Verständnis als essentiell wichtig. Obwohl die Geschichte ungewöhnlich kurz ist, trägt sie zu viel Information und Interpretation in sich, all dass man dies alles beim ersten Lesen erfassen kann. Sie ist allerdings kurz genug, als dass sie sich nach einem ersten Lesen und darüber Nachdenken problemlos nochmals lesen lässt.

Fazit: Obwohl „Schnee auf dem Kilimandscharo“ beim ersten Lesen als eine verwirrende, fast schon belanglose Geschichte erscheint, bei der der Leser kaum erfasst, wo die Handlung überhaupt hinführen soll, handelt es sich bei genauer Betrachtung um eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Nicht umsonst hat sie völlig verdient Weltruhm erreicht. In vielen äußerst kurzen Sätzen teilt Hemingway detailreich seine Beobachtungen mit. Die wahre Bootschaft des Textes liegt allerdings verborgen zwischen den Zeilen und der Leser muss sie für sich selbst entdecken. Von meiner ganz persönlichen Warte aus gesehen, handelt es sich bei „Schnee auf dem Kilimandscharo“ um ein literarisches Meisterwerk.

Ich habe sowohl das Buch gelesen, als auch das Hörbuch in der hier vorliegenden sowie in einer weiteren Version gehört. Inhaltlich sind sie natürlich alle gleich. Anzufügen bleibt aber für das Hörbuch, dass sowohl das Lesetempo als auch die Stimmen von Rosemarie Fendel und Peter Lieck nicht schlecht gewählt sind. Allerdings gefällt mir persönlich die Hörbuchversion mit Otto Sander als Sprecher um ein Vielfaches besser.

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Veröffentlicht am 30.05.2021

Tod und späte Einsichten eines unvollendeten Schriftstellers

Schnee auf dem Kilimandscharo
0

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ...

(Anmerkung: Da es sich um eine Kurzgeschichte handelt, scheint es mir unmöglich eine vernünftige aussagekräftige Rezension schreiben zu können, ohne dabei zu SPOILERN.)

„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ist vermutlich die bekannteste Kurzgeschichte des großen Ernest Hemingway. Die Geschichte wurde 1936 veröffentlicht und handelt von dem Schriftsteller Harry, der sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Hellen auf einer Fotosafari in Afrika befindet und sich beim Fotografieren einer Herde Wasserböcke im Grunde genommen nur leicht verletzt. Allerdings wurde die Wunde nur unzureichend versorgt, der Wundbrand hat sich entzündet und Harry hat das Gefühl daran sterben zu müssen. Anfangs hatte die Wunde geschmerzt, aber nun sind die Schmerzen vorbei. Da ihr Lastwagen defekt ist, müssen sie ihr Lager mitten in der Wildnis aufschlagen. Harry nutzt die Zeit um, unterbrochen von Fieberschüben, nochmals über sein Leben zu sinnieren. Dabei fällt ihm auf, dass er seine Lebensgefährtin, die sich liebevoll um ihn kümmert, nicht mehr wirklich liebt, vielleicht nie wirklich geliebt hat, sondern lediglich aus Bequemlichkeit mit ihr zusammen ist und sich von der Witwe aushalten lässt, da sie einerseits gut im Bett ist und andererseits reich ist und nie eine Szene macht. Er hat das Gefühl von den Geiern bereits beobachtet zu werden und eine Hyäne schleicht, angezogen vom Geruch seiner Wunde, unentwegt um das Lager herum. Verschiedene Frauen aus seinem Leben fallen ihm wieder ein und Lebensabschnitte aus seiner Kindheit, aus dem Schwarzwald, aus Paris, aus den Alpen, aus Nordamerika und aus seiner Kriegszeit kommen ihm wieder ins Gedächtnis, u.a. eine Geschichte über einen Jungen, der jemanden erschossen hat und dafür ins Gefängnis musste, das aber nicht nachvollziehen konnte. Kurz gesagt: Ganz viele Erinnerungen, die für ihn immer das Potenzial zum Aufschreiben gehabt hätten, die er aber nie zu Papier gebracht hat, was er nun sehr bedauert. Dazwischen immer wieder wirre Gedanken und Dialoge mit Hellen.

Er bittet Hellen, die nicht an seinen nahenden Tod glaubt, ihn seine letzte Nacht im Freien verbringen zu lassen. Hellen jedoch lässt Harry, den sie fälschlicherweise im Schlaf wähnt, ins Zelt tragen. Harry macht sich noch allerlei Gedanken über den Tod, der sich ihm immer mehr zu nähern scheint, schläft aber dann doch ein. Am anderen Morgen kommt er zu sich und das Flugzeug, das ihm letzte Hoffnung auf seine Rettung verspricht, ist eingetroffen. Er wir verladen und der Flug beginnt. Allerdings steuert der Pilot schließlich auf den gleißend hellen Gipfel des Kilimandscharo zu.

Mit der Beschreibung dieses Gipfel und einem kurzen Abriss über den Kilimandscharo, der schneebedeckt sei, eine Höhe von 6000 Metern besitzt und als der höchste Berg von Afrika gilt, hat die Geschichte genau genommen eingangs begonnen: Die Einheimischen nennen seinen Gipfel „Das Haus Gottes“. Knapp unter dem Gipfel wurde das gefrorene Gerippe eines Leoparden gefunden, von dem aber niemand weiß, was der Leopard in dieser Höhe überhaupt wollte. Und Harry wird nun klar, was geschehen ist. Hellen wird an diesem Morgen durch das klagende Heulen einer Hyäne geweckt, schaut zu Henry und sieht, dass sein Bein aus dem Lager heraushängt und der Verband komplett abgewickelt ist. Sie kann nicht hinschauen und versteht nun, dass Harry tatsächlich tot ist.

Aber Hemingway wäre nicht Hemingway, wenn da nicht noch eine tiefsinnige Botschaft dahinter stecken würde. Was auf den ersten Blick eher als eine zusammenhangslose, verwirrende Geschichte, die den Fieberwahn von Harry widerspiegelt, angesehen werden kann, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung, als eine geniale Vernetzung von Leben, Genuss, Zeit, Erinnerungen, Bequemlichkeiten, Glaube, Hoffnung, Liebe und Tod. Jede noch so kleine Beobachtung und Randnotiz entpuppt sich für das Verständnis als essentiell wichtig. Obwohl die Geschichte ungewöhnlich kurz ist, trägt sie zu viel Information und Interpretation in sich, all dass man dies alles beim ersten Lesen erfassen kann. Sie ist allerdings kurz genug, als dass sie sich nach einem ersten Lesen und darüber Nachdenken problemlos nochmals lesen lässt.

Fazit: Obwohl „Schnee auf dem Kilimandscharo“ beim ersten Lesen als eine verwirrende, fast schon belanglose Geschichte erscheint, bei der der Leser kaum erfasst, wo die Handlung überhaupt hinführen soll, handelt es sich bei genauer Betrachtung um eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Nicht umsonst hat sie völlig verdient Weltruhm erreicht. In vielen äußerst kurzen Sätzen teilt Hemingway detailreich seine Beobachtungen mit. Die wahre Bootschaft des Textes liegt allerdings verborgen zwischen den Zeilen und der Leser muss sie für sich selbst entdecken. Von meiner ganz persönlichen Warte aus gesehen, handelt es sich bei „Schnee auf dem Kilimandscharo“ um ein literarisches Meisterwerk.

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Veröffentlicht am 17.04.2021

Mittendrin bei der normannischen Eroberung Englands, statt nur dabei

Das zweite Königreich
3

Wie etabliert im Genre des historischen Romans, werden geschichtlich verbürgte Ereignisse mit einer fiktiven Handlung verwoben. In diesem Fall ist es die fiktive Geschichte des sympathischen Cædmon of ...

Wie etabliert im Genre des historischen Romans, werden geschichtlich verbürgte Ereignisse mit einer fiktiven Handlung verwoben. In diesem Fall ist es die fiktive Geschichte des sympathischen Cædmon of Helmsby dessen Höhen und Tiefen seines Lebens wir über die Zeitspanne von 2 Jahrzehnte hinweg begleiten dürfen. Sein Charakter ist dabei so vielschichtig, wie der aller anderen wichtigen Personen des Romans.

Klappentext:
"England 1064: Ein Piratenüberfall setzt der unbeschwerten Kindheit des jungen Cædmon of Helmsby ein jähes Ende - ein Pfeil verletzt ihn so schwer, dass er zum Krüppel wird. Sein Vater schiebt ihn ab und schickt ihn in die normannische Heimat seiner Mutter. Zwei Jahre später kehrt Cædmon mit Herzog William und dessen Eroberungsheer zurück. Nach der Schlacht von Hastings und Williams Krönung gerät Cædmon in eine Schlüsselposition, die er niemals wollte: Er wird zum Mittler zwischen Eroberern und Besiegten. In dieser Rolle schafft er sich erbitterte Feinde, doch er hat das Ohr des despotischen, oft grausamen Königs. Bis zu dem Tag, an dem William erfährt, wer die normannische Dame ist, die Cædmon liebt ..."

Der Klappentext gibt dem Leser eine erste kurze Idee, welch tolle Geschichte die Autorin um den Protagonisten Cædmon, seine Freunde und seine Feinde spinnt.
In dem wie immer bei Rebecca Gablé hervorragend recherchierten Roman geht es historisch aber nicht um Cædmon, sondern um das Leben des normannischen Herzogs William, genannt der Bastard. Er wird auf die Insel übersetzen, England erobern, zum König gekrönt werden und die normannische Herrschaft über England einleiten. Diese wird von Auseinandersetzungen mit den Dänen und Aufständen der englischen Bevölkerung geprägt sein. Und geben diese kurzzeitig Ruhe, brodelt es in seinem normannischen Herzogtum und er muss wieder zurück aufs Festland und dort für Ordnung sorgen. Auf grandiose Art und Weise gelingt es Rebecca Gablé mit ihrem flüssigen und spannenden Schreibstil einmal mehr, historische und fiktive Charaktere und Gegebenheiten in einem epischen "Historischen Roman" so miteinander zu verknüpfen, dass der Leser das Gefühl bekommt, mittendrin im Geschehen zu sein. Wie so oft bei ihren Büchern ist man von der Handlung so gefesselt, dass man den Roman am liebsten ohne jegliche Unterbrechung am Stück lesen möchte, was allerdings angesichts des Buchumfangs von 880 Seiten unmöglich erscheint.

Fazit: Für mich einer der allerbesten "Historischen Romane" insgesamt und wahrscheinlich der beste zur Eroberung Englands durch "William the Conqueror“, in dem das historische und fiktive Geschehen genial miteinander verschmelzen. Einmal mehr beweist Rebecca Gablé, dass sie völlig zu recht als die König dieses Genres bezeichnet wird.

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Veröffentlicht am 08.09.2025

Ein gewaltiges historisches Epos, bei dem Geschichte selbst zur größten Erzählung wird

Rabenthron
17

Die Königin des Historischen Romans, Rebecca Gablé, hat mit „Rabenthron“ die lang ersehnte Fortsetzung ihrer Helmsby-Reihe vorgelegt. Nach „Das zweite Königreich“ (2000) und „Hiobs Brüder“ (2009) ist dies ...

Die Königin des Historischen Romans, Rebecca Gablé, hat mit „Rabenthron“ die lang ersehnte Fortsetzung ihrer Helmsby-Reihe vorgelegt. Nach „Das zweite Königreich“ (2000) und „Hiobs Brüder“ (2009) ist dies nun der dritte Band, der - wie gewohnt - zeitlich vor ihrer Waringham-Reihe spielt. Ein erster Blick auf das Cover zeigt, dass es perfekt zur Helmsby-Serie passt: stimmig, unverkennbar und mit hohem Wiedererkennungswert. Besonders der wunderschöne Farbschnitt des Buches und die gelungenen Kapitelillustrationen stechen hervor.

„Rabenthron“ ist als Prequel zu „Das zweite Königreich“ angelegt und startet im Jahr 1013, vor der Epoche der normannischen Eroberung (1066). In dieser Zeit ist Æthelred der Unberatene König von England - ein schwacher Herrscher, der eher durch seine Unentschlossenheit als durch große Taten auffällt und England befindet sich in einem Machtkampf zwischen den Angelsachsen und den Dänen. Während die Dänen unter Sven Gabelbart England zunächst überfielen, sich bezahlen ließen und wieder abzogen, sind sie nun gekommen, um zu bleiben und die von Æthelred angeordnete Ermordung zahlreicher Dänen zu rächen. Im Mittelpunkt der historischen Geschichte steht die beeindruckende aber durchaus ambivalente Emma von der Normandie, die als eine der größten und einflussreichsten weiblichen Persönlichkeiten des englischen Mittelalters gilt. Als junges Mädchen wurde sie von ihrem Bruder Richard II., dem Herzog der Normandie, mit Æthelred verheiratet, um die politischen Beziehungen zwischen der Normandie und England zu stärken und erlebt ein Schicksal, an welchem die meisten zerbrochen wären. Nicht so Emma, die als kühle und kluge Strategin, zwar nicht unbedingt durch Liebe zu ihren Kindern glänzt, es immerhin aber zur Königin und Mitregentin an der Seite von zwei Königen und zur Mutter zweier weiterer Könige Englands brachte.

Historisch gesehen ist „Rabenthron“ ein rundum gewaltiges, gründlich recherchiertes und kurzweiliges 896-Seiten-Epos, das von der ersten bis zur letzten Seite beeindruckt und überzeugt. Detailliert lässt uns Gablé an allen wichtigen geschichtlichen Ereignissen teilhaben: der Regentschaft Æthelreds, der Machtübernahme durch den dänischen König Sven Gabelbart, der Rückkehr von Æthelred und Emma auf den Thron aus dem normannischen Exil, der Regentschaft von Edmund Eisenseite (dem Sohn Æthelreds aus erster Ehe) und dessen dramatischem Tod, der Machtergreifung durch Knut den Großen und dessen Heirat mit Emma, der Machtübernahme von Harald I. Hasenfuß und seiner Mutter Ælfgifu nach dem unerwarteten Tod von Knut, sowie der Regentschaft von Emmas und Knuts Sohn Hardiknut bis hin zu den Anfängen im Jahr 1041 mit Edward III., dem Bekenner auf dem englischen Thron (Emmas Sohn aus erster Ehe mit Æthelred, der die meiste Zeit zwischen 1016 und 1041 in der Normandie verbrachte) und weiteren historischen Wendepunkten. Dabei werden geschichtlich weniger bedeutende Abschnitte durch geschickt eingesetzte Zeitsprünge überbrückt.

Der Roman führt uns ferner zu vielen weiteren historischen Figuren, wie z.B. Prinz Alfred, Godwin Wulfnothsson, Harold Godwinson, Leofric von Mercia und seiner Frau Lady Godiva, dem „fliegenden“ Eilmer von Malmesbury, vielen Erzbischöfen und Kirchenmännern jener Zeit, Emmas Mutter Gunnor sowie Robert I. und seiner Geliebten Herlève de Falaise - den Eltern von William dem Eroberer, dessen Geburt wir miterleben und den wir als Kind ebenfalls kennenlernen dürfen. Das umfangreiche Dramatis Personae hilft Lesern, die mit der englischen Geschichte weniger vertraut sind, alle Figuren schnell nachzuschlagen. Gablé gelingt es vortrefflich, die Charaktere so realitätsnah und lebendig zu zeichnen, wie sie in historischen Überlieferungen beschrieben sind. Eine Karte zum Auffinden der relevanten Orte scheint im Buch vorhanden zu sein, das Ebook lässt diese jedoch vermissen.

Ein guter historischer Roman lebt zudem von der gekonnten Verwebung historischer und fiktiver Figuren - und genau das gelingt Gablé über weite Strecken ebenso. Zu den fiktiven Hauptprotagonisten gehören Ælfric „Eisenfaust“, sein Sohn Penda und Hakon Gunnarson - der ursprünglich Ælfrics Gefangener war, sich aber im Laufe des Romans zu dessen engstem Freund entwickelt. Besonders das grandiose Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Ælfric und Penda ist sehr gefällig. Ihre schlimmsten Gegenspieler sind neben den realen Godwin Wulfnothsson und Harald I. Hasenfuß Ælfrics Onkel Dunstan und dessen Sohn Offa. Einmal mehr gelingt es der Autorin ein wunderbares Geflecht zwischen all den zahlreichen Figuren des Romans zu spinnen. Höchst beeindruckend wird es, wenn unseren fiktiven Protagonisten Könige, Königinnen, Prinzen und Herzöge zur Seite gestellt werden: beim Blick über ihre Schultern sind wir als Leser stets mittendrin im Geschehen, das zwischen England und der Normandie pendelt. Wir erleben die großen Persönlichkeiten und Ereignisse jener Epoche, aber auch Intrigen, Freundschaften und Liebe. Kritikpunkte zeigen sich in den schwankenden Entwicklungen der fiktiven Charaktere, die bisweilen zu stark von Zufällen und von Ælfrics für einen Krieger seines Formats nicht ganz stimmigem, idealistischem Wesen geprägt sind. Zwar wachsen uns Ælfric und Penda in ihren Rollen als Helden im Laufe des Romans sehr ans Herz, doch ihre ständigen Errettungen aus schwierigsten Situationen wirken mitunter zu konstruiert. Auch das Ende des Romans fällt insgesamt etwas zu abrupt aus.

Gablés Schreibstil ist wie gewohnt flüssig, bewusst einfach gehalten, humorvoll unterlegt und durchweg mitreißend. Sie versteht es, auch bei einem umfangreichen Buch von knapp 900 Seiten den Spannungsbogen jederzeit aufrecht zu erhalten und es entstehen keinerlei Längen. Durch ihre bildhaften und atmosphärischen Beschreibungen führt sie dem Leser das Geschehen immer vor Augen und weiß ihn emotional geschickt zu polarisieren. Überaus authentisch wirkt das Leben der Adeligen, Thanes, normalen Dorfbewohner sowie Sklaven und man bekommt einen guten Eindruck vom großen Einfluss der Kirche zu jener Zeit. Wie immer ordnet die Autorin Wahrheit und Fiktion sowie den weiteren geschichtlichen Verlauf in einem umfangreichen und informativen Nachwort ein. Obwohl „Rabenthron“ der dritte Band der Helmsby-Reihe ist, lässt sich der Roman auch unabhängig von den Vorgängern lesen - und für Neueinsteiger empfiehlt es sich sogar, ihn vor „Das zweite Königreich“ zu lesen.

Fazit: Mit „Rabenthron“ legt Rebecca Gablé einmal mehr ein gewaltiges, akribisch recherchiertes und packend erzähltes Historienepos vor, welches in dieser Qualität nur ihrer Feder entstammen kann. Sie verknüpft historische Fakten und fiktive Figuren zu einer vielschichtigen Erzählung, die den Leser mitten in die Wirren Englands vor der normannischen Eroberung und den Machtkampf zwischen den Angelsachsen und Dänen versetzt. Besonders die detailgetreue Zeichnung bedeutender Persönlichkeiten und die authentische Darstellung des mittelalterlichen Lebens beeindrucken. Der Roman überzeugt durchweg mit Spannung, Tiefe, erzählerischer Wucht und historischer Präzision. „Rabenthron“ ist sowohl für treue Anhänger der Helmsby-Reihe als auch für Neueinsteiger ein herausragender, opulenter historischer Roman, der den hohen Stellenwert der Autorin in diesem Genre einmal mehr unterstreicht. Voller Sehnsucht dürfen wir uns nun auf das kommende Werk zur Waringham-Reihe freuen.

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