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Veröffentlicht am 24.08.2021

Nette Familiensaga

Die Blankenburgs
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Der schwarze Freitag ändert im Hause Blankenburgs alles: ein Großteil des Vermögens hat sich mit dem Börsencrash in Luft aufgelöst, die beiden führenden Familienmitglieder wählen den Freitod. Zurück bleiben ...

Der schwarze Freitag ändert im Hause Blankenburgs alles: ein Großteil des Vermögens hat sich mit dem Börsencrash in Luft aufgelöst, die beiden führenden Familienmitglieder wählen den Freitod. Zurück bleiben die zerstrittenen Schwestern Elise und Ophélie, die beide mit den täglichen Geschäften der Firma wenig zu tun hatten; kurz gesagt, die traditionsreiche Porzellanmanufaktur steht vor dem Aus. Hilfe könnte die Manufaktur Löwenkind bieten, deren jüdische Inhaber allerdings immer mehr unter den Repressalien der Nazis zu leiden haben. Als dann noch ein verschollener Bruder und eine dominante Tante auftauchen, ist der Alltag in der gut situierten Familie endgültig zum Teufel.
Bergs Roman ist ein richtiger Schmöker, der sich leicht lesen lässt und trotzdem fesseln kann. Die Familie Blankenburg bietet reichlich z.T. verschrobene Persönlichkeiten, die in ihrem Miteinander unterhalten können. Gerade Tante Arabella nimmt nie ein Blatt vor den Mund, genau wie Tankred, der allein durch seine Person überall aneckt; sicherlich findet man ähnliche Figuren häufig in diesem Untergenre, trotzdem geht das bewährte Konzept auch in diesem Roman auf. Das zunehmend prekäre politische Klima wird greifbar dargestellt, auch die Motivation vieler früher Anhänger und Mitläufer authentisch wiedergegeben. So erhält die sonst eher seichte Familiensaga doch noch einiges an Tiefe. Ich mochte die Entstehungsgeschichte und auch den Alltag in der Manufaktur sehr, man erfährt Interessantes über dieses Metier. Leben und Alltag in Frankfurt hätten für mich etwas mehr herausgearbeitet sein dürfen, da hatte ich mir doch plastischere Bilder erhofft. Trotzdem ergibt die Geschichte ein rundes Bild, und auch die kleinen und große Problemchen der Blankenburgs haben mich letztendlich unterhalten und neugierig auf den nächsten Band gemacht.

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Veröffentlicht am 07.07.2021

Trilogieauftakt mit Schwächen

Tiefer Fjord
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Kinderarzt Haarvard verliert in der Notaufnahme nur selten seinen kühlen Kopf, doch der Tod eines kleinen Jungen setzt ihm besonders zu, scheint dieser doch an den Folgen elterlicher Misshandlung gestorben ...

Kinderarzt Haarvard verliert in der Notaufnahme nur selten seinen kühlen Kopf, doch der Tod eines kleinen Jungen setzt ihm besonders zu, scheint dieser doch an den Folgen elterlicher Misshandlung gestorben zu sein. Auch Haarvards Frau Clara ist entsetzt, kämpft sie doch auf politischer Ebene darum, misshandelte Kinder besser zu schützen. Als der Vater des Jungen ermordet aufgefunden wird, gerät auch das Ehepaar auf die Verdächtigenliste.
Lillegravens Roman befasst sich mit dem aufwühlenden Thema der Kindesmisshandlung, das von der Autorin einfühlsam, aber auch schonungslos dargestellt wird. Ich fand den Ansatz sehr spannend, sowohl einen Einblick in die politischen wie auch in die medizinischen Aspekte zu bekommen. Die Handlung entwickelt sich nur mäßig spannend, trotzdem will man als Leser schon wissen wie es weitergeht. Klare Schwachpunkte hat die Geschichte für mich in der Charaktergestaltung; ich fand beide Hauptfiguren unsympathisch und ein bisschen stereotyp; Clara ist eindeutig die interessantere Figur. Neben den beiden wird ab und an noch aus anderen Perspektiven erzählt, was der Geschichte gut tut und etwas Abwechslung bringt. „Tiefer Fjord“ ist kein Thriller, sondern ein Spannungsroman, trotzdem hätte etwas mehr Spannung ruhig sein dürfen. Der Stil ist typisch nordisch-nüchtern, etwas düster und depressiv, was aber natürlich sehr gut zur Story gepasst hat.
„Tiefer Fjord“ ist der erste Band einer Trilogie über Clara; mir fällt es etwas schwer mir eine Fortsetzung vorzustellen, sowohl Fall als auch Claras Geschichte wirken auf mich auserzählt. Ich bin noch unschlüssig, ob ich die Folgebände lesen werde, da mich dieser hier nicht vollständig überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 13.05.2021

Das Schweigen

Letzte Ehre
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Fariza Nasri ermittelt im Fall einer 17Jährigen, die nach einer Party im Haus des mütterlichen Lebensgefährten spurlos verschwand. Spuren gibt es keine, doch Nasri ist nicht umsonst die Königin des Zuhörens, ...

Fariza Nasri ermittelt im Fall einer 17Jährigen, die nach einer Party im Haus des mütterlichen Lebensgefährten spurlos verschwand. Spuren gibt es keine, doch Nasri ist nicht umsonst die Königin des Zuhörens, in ihren Verhören gibt jeder mehr Preis als geplant. So durchleuchtet sie Stück für Stück Finjas Leben und stößt dabei auf Ungereimtheiten, die immer größere Schrecken hervorbringen.
Fariza hätte man bereits aus beispielsweise „All die unbewohnten Zimmer“ kennen können, doch auch ohne Vorkenntnisse lässt sich dieser literarische Krimi gut lesen. Er wird aus Farizas Sicht erzählt, was es auch dem Neuleser leicht macht sich mit der Figur zu identifizieren. Ich mochte diese Figur ganz gerne, ihre Schwächen und Fehler machen sie sehr menschlich, und gerade ihre Reaktionen auf die persönlichen Verstrickungen fand ich sehr authentisch, sie haben Fariza lebendig gemacht. Die „Bösewichte“ dieses Romans haben es in sich, auch wenn die Häufung der unterschiedlichsten menschlichen Abgründe fast schon etwas redundant daher kommt. Trotz aller Scheußlichkeiten sollte man von „Letzte Ehre“ keinen reinen Krimi erwarten, da der Fokus immer auf den Charakteren und weniger auf dem Verbrechen liegt. Ich wurde mit Anis Stil leider nicht so richtig warm, sodass mich zwar die beklemmende Handlung fesseln konnte, aber die Ausführung nicht gar so sehr.

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Veröffentlicht am 14.04.2021

Der Abstinent

Der Abstinent
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Im Jahr 1867 hat Ire O’Connor die prekäre Aufgabe in Manchester für die Polizei seine eigenen Landsleute zu bespitzeln. Der Unabhängigkeitskampf ist in vollem Gange, die Fronten verhärtet, die Methoden ...

Im Jahr 1867 hat Ire O’Connor die prekäre Aufgabe in Manchester für die Polizei seine eigenen Landsleute zu bespitzeln. Der Unabhängigkeitskampf ist in vollem Gange, die Fronten verhärtet, die Methoden beider Seiten brutal. So gerät O’Connor zusehends ins Visier der Freiheitskämpfer, während die eigenen Kollegen bei der Polizei ihn nicht ernst nehmen. Er steht buchstäblich im Kreuzfeuer.
Eine der großen Stärken des Autors liegt darin, eine zwingende, düstere, fast greifbare Stimmung zu erzeugen. Schon nach wenigen Sätzen ist man mittendrin in den Unruhen, streift mit James durch die aufgewühlte Stadt. Die Handlung baut auf historischen Gegebenheiten auf, für den Leser ist Fakt und Fiktion aber nicht mehr voneinander zu unterscheiden, weil alles sehr authentisch wirkt. Eigenes Hintergrundwissen zum irischen Freiheitskampf schadet nicht, ich hätte Einzelheiten ohne sicherlich nicht immer richtig einschätzen können, da McGuire nicht viel Hintergrundinfos liefert.
O’Connor und sein Widersacher Doyle waren für mich nicht so richtig greifbar, sie wirken als Figuren nicht ganz ausgereift. Sie verkörpern jeder für sich eine Seite der Medaille, aber wirken immer eher auf ihre Funktion für die Geschichte beschränkt und eben nicht richtig lebendig. McGuire kann Spannung aufbauen, lässt die Handlung aber auch schon mal etwas vor sich hindümpeln, was dann irgendwann auch die tolle Atmosphäre nicht mehr wettmachen konnte. Das Ende passt zur Stimmung, der Umbruch kurz zuvor war mir aber etwas zu abrupt, so richtig rund wirkt die Handlung für mich hier nicht mehr. Insgesamt mochte ich den Roman trotzdem, wobei für mich die erste Hälfte definitiv der stärkere Teil war und die Begeisterung so zum Ende einen kleinen Dämpfer bekam.

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Veröffentlicht am 10.03.2021

Hannah

Was wir scheinen
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Im Sommer 1975 will sich Hannah Arendt eine letzte Auszeit gönnen, vom Alltag, aber nicht vom Denken. Im Tessin kommt sie zur Ruhe, und lässt dabei gleichzeitig wichtige Stationen in ihrem Leben vorüberziehen. ...

Im Sommer 1975 will sich Hannah Arendt eine letzte Auszeit gönnen, vom Alltag, aber nicht vom Denken. Im Tessin kommt sie zur Ruhe, und lässt dabei gleichzeitig wichtige Stationen in ihrem Leben vorüberziehen. Dazu zählt der Eichmannprozess `61, ihre Flucht aus Deutschland, viele prägende Gespräche mit Mentoren und anderen großen Denkern ihrer Zeit.

Hannah Arendt ist mir wie sicherlich den meisten ein Begriff, auch wenn ich über sie nicht allzu viel weiß. Nach der Lektüre bin ich ein bisschen schlauer, auch wenn man Kellers Roman nicht als Biografie verstehen sollte. Aber er gibt einen wirklichen guten Einblick in Arendts Denken. Dies geschieht oft in Dialogen mit anderen, z.T. namhaften Autoren bzw. Philosophen, z.T. in Fragerunden mit fiktiven Studenten. Dieser Umstand macht das Geschehen sehr lebendig, und zeigt wie facettenreich Arendts Wirken war. Auch Arendts eher stille Seite, ihre Liebe zur Lyrik wird deutlich; Gedichte sind immer wieder eingestreut, werden diskutiert, auf Postkarten verschickt, oder einfach nur genossen. Ich mochte diese kleinen Auflockerungen sehr. An den Stil der Autorin musste ich mich erst etwas gewöhnen, auch an die Zeitsprünge; zudem war mir nicht immer sofort klar, mit welchen Personen sich Arendt trifft, schreibt, spricht, was das Verständnis etwas erschwert hat. Ich hatte erwartet, dass der Prozess um Eichmann mehr Raum einnimmt, oder zumindest der Inhalt von Hannahs Buch stärker im Fokus steht. Zwar wird er immer wieder erwähnt, aber von Arendts Haltung erfährt man trotzdem nicht gar so viel. Der Roman wirkt insgesamt schon rund, trotzdem bleiben am Ende für mich noch Fragen offen, weil mir die Hintergrundinfos fehlen, sodass das Leseerlebnis und die Take-Home-Message sicherlich etwas gelitten haben.

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