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Veröffentlicht am 25.05.2021

So ein Sommer ist ein großes Geschenk

Der große Sommer
1

Die Sommerferien stehen an und die Familie macht sich bereit, in den wohlverdienten Urlaub nach Italien zu starten. Frieder, von der Note 6 auf die 5 gerutscht, wird zur Nachprüfung zugelassen und somit ...

Die Sommerferien stehen an und die Familie macht sich bereit, in den wohlverdienten Urlaub nach Italien zu starten. Frieder, von der Note 6 auf die 5 gerutscht, wird zur Nachprüfung zugelassen und somit heißt es für ihn anstatt Ferien sechs Wochen bei Großvater eingesperrt Latein und Mathe büffeln. Das sind ja schöne Aussichten! Zumindest seine große Schwester Alma bleibt hier, sie wohnt im Schwesternheim und absolviert ein Praktikum in einem Pflegeheim. Mit seinem besten Freund Johann verbringt er seine verbliebene freie Zeit bevorzugt im Schwimmbad und dort begegnet er ihr – Beate. Von nun an schwirrt sie in seinem Kopf, zieht ihn magisch an. So beginnt sein großer Sommer.

Von jetzt an wohnt Frieder bei seiner Nana und Großvater, der einen zunächst sehr unnahbar vorkommt. Wie sich herausstellt, ist er ein lebenskluger und weitsichtiger Mann, der alle auf Abstand hält, keinen so richtig an sich herankommen lässt.
"Großvater hatte mich sozusagen aktiv angefordert." Es sind Sätze wie dieser, die mich begeistern. Noch mehr solch großartiger Aussagen lese ich zwischendurch, lasse sie mir regelrecht auf der Zunge zergehen.

Die erste zarte Liebe, das sich Umgarnen, sich annähern. Nicht recht wissen, wie man es anstellen soll. Man will den anderen beeindrucken, ihm gefallen. "Ich hätte zehn Minuten nicken können, so einverstanden war ich". Leicht, wie hingeworfen diese Worte. Hier stimmt Frieder seiner Angebeteten stumm zu.

Es geht um Freundschaft, das Miteinander. Die Jugend ist die Zeit des Aufbruchs. Dem Leben eine Richtung geben, sich ausprobieren und auch mal scheitern. Nicht aufgeben, neue Wege suchen und auch Hilfe annehmen können. Der mitunter steinige Weg ins Erwachsenenleben muss gegangen werden und nur wer nicht aufgibt, wird ankommen.

Frieder erzählt dem Leser von diesem einen Sommer, in dem er so viel Neues erlebt. Hier konnte er sich von der Kindheit verabschieden, sich einem nächsten Lebensabschnitt nähern. Momente voller Leben und Liebe, Vertrauen und Freundschaft wechseln sich ab mit ausgelassenen, sehr fröhlichen Augenblicken.

„Der große Sommer ist tatsächlich ein sehr autobiografischer Roman. Verwoben mit viel Erdichtetem.“ So lässt uns der Autor wissen und so kann es auch nur sein. Welcher junge, noch sehr unerfahrene Mensch will sich nicht erproben, seine Grenzen zuweilen ausloten? Sich aus der Geborgenheit der Familie hinein ins Erwachsenenleben tasten heißt auch, Rückschläge wegzustecken. Aber auch auf Unbekanntes zugehen, die erste Liebe erspüren, sich ihr zu öffnen. Ganz einfach – sich die Welt erobern mit all ihren Facetten.

Dass Frieder im Nachhinein diesen Sommer, der so gar nicht begann, wie er ihn sich vorgestellt hat, als groß empfindet, macht deutlich, dass vieles anders kommt, ja besser wird, als man zunächst meint. Ein ganz besonderes Buch, eine wundervolle Geschichte, die einen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Sie zu lesen, macht nachdenklich, aber auch sehr glücklich.

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Veröffentlicht am 03.05.2021

Eine nicht ganz heile Welt am Piz Palü

Piz Palü
1

Das Grand Arnold im Sommer 1957 ist Mittelpunkt dieses spannungsgeladenen Romans. Marie Brunntaler erzählt in ihrem dritten Werk „Piz Palü“ von den beiden Kindern der Hotelbesitzer, die spurlos verschwinden. ...

Das Grand Arnold im Sommer 1957 ist Mittelpunkt dieses spannungsgeladenen Romans. Marie Brunntaler erzählt in ihrem dritten Werk „Piz Palü“ von den beiden Kindern der Hotelbesitzer, die spurlos verschwinden. Als dann noch ein Mord geschieht, übernimmt Kommissar Tschudi diesen Fall.

Es sind Familienverhältnisse, die verworren und unübersichtlich daherkommen. Die einzelnen Charaktere sind allesamt gar nicht so nett, wie es den Anschein hat. Die Kinder sind weg – und dann meint Erika, ihre Mutter, es sei eine Charade. O. W. Fischer, der Filmstar, sieht so manches, jedoch bleiben ihm die Zusammenhänge verborgen. Genauso wie Corinne, der Gesellschafterin. Als dann ein Mord für Aufregung sorgt, ist die Verwirrung perfekt. Ich fange an, jede einzelne Figur zu hinterfragen – wie gut hat diese das Opfer gekannt, hätte diese dadurch Vorteile gehabt und für wen wäre dieser Tod nützlich. So nach und nach zerbröckelt die Fassade, die Vergangenheit kommt immer mehr zum Vorschein.

Geschickt flicht die Autorin kurze Momente ein – wie ein Blitz, der kurz aufblinkt, aber dann doch nicht zu fassen ist. Es schwingt etwas Unausgesprochenes mit. Subtil, nicht ganz greifbar, aber doch da. Beim Lesen meint man direkt, jetzt dem Ganzen auf den Grund zu gehen, in die richtige Richtung sich zu bewegen. Was übersieht man? Was übersieht Tschudi? Eine Frage – vage, verschwommen – hängt in der Luft. Es spitzt sich noch einmal zu, alles dreht sich um. Aber warum bemerkt es keiner?

Es braucht einige Zeit, um die Personen und deren Eigenschaften einzuschätzen und zuordnen zu können, aber dann stört nichts mehr. Der Lesegenuss ist im Vordergrund und dieser Krimi bleibt äußerst spannend. Bis ganz zum Schluss, denn erst dann entwirrt sich diese Story.

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Veröffentlicht am 19.04.2021

Ein Land im Koma

Der ehemalige Sohn
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Der bereits 2014 auf russisch erschiene Roman „Der ehemalige Sohn“ liegt nun in deutscher Übersetzung von Ruth Altenhofer vor. Es ist vordergründig die Geschichte des Franzik Lukitsch, genannt Zisk. Der ...

Der bereits 2014 auf russisch erschiene Roman „Der ehemalige Sohn“ liegt nun in deutscher Übersetzung von Ruth Altenhofer vor. Es ist vordergründig die Geschichte des Franzik Lukitsch, genannt Zisk. Der lebt in Minsk, geht hier aufs musische Lyzeum, sein Instrument ist das Cello. Er gerät in eine Massenpanik, wird so schwer verletzt, dass er ins Koma fällt. Außer seiner Großmutter glaubt keiner, dass er je wieder aufwachen wird.

Sasha Filipenko schreibt in seinem Vorwort nicht nur über einen renommierten russischen Literaturpreis, den er für diesen Roman erhielt, er hat auch Hoffnung, dass dieses Buch eines Tages nicht mehr aktuell sein wird. Denn in Belarus, dem ehemaligen Weißrussland, ist nichts so, wie es sein sollte. Auf die Proteste 2020, bezogen auf die Scheinwahl, die Wahlmanipulationen nach der Präsidentschaftswahl, erwachten die Belarussen aus ihrem Schlaf, aus ihrem Koma.

So wie Zisk, der trotz den Aussagen der Ärzte, die schon über Organspende spekulierten (er ist sowieso tot), nach zehn Jahren aus dem Koma erwacht. Seine über alles geliebte Oma ist kurz zuvor gestorben, sie hatte während seines langen Schlafes an seinem Krankenbett gesessen, hat ihm viel erzählt in der Hoffnung, dass sein Unterbewusstsein so einiges speichert. Nach seinem Aufwachen nimmt sich sein Freund Stass seiner an, fungiert als Fremdenführer in ihrer Stadt, die, zehn Jahre später eher schlechter denn besser dasteht.

Der Zustand des korrupten Landes, die Gewalt gegen die Opposition, jede Kundgebung wurde im Keim erstickt, jedes Aufbegehren mit den härtesten Maßnahmen bestraft. All die unmenschlichen, ungerechten Vorgehensweisen gegen Regimekritiker und –gegner finden als Monologe am Krankenbett statt. Hier wird die Wirklichkeit gut in den Roman eingebettet.

Ein gelungenes Zeugnis eines Landes, dessen Präsident alle Andersdenkenden zu Feinden erklärt, keinen neben sich duldet, geschweige denn hochkommen lässt. Ein Stück Zeitgeschichte. Ein ernstes, leider immer noch sehr aktuelles Thema, welches hier mit Nonchalance in Buchform gebracht wurde. Beim Lesen dachte ich auch immer – neben der Handlung und den Romanfiguren – an den Status quo des Landes, an die gut recherchierten Berichte, die ich immer wieder höre, lese, sehe.

Ein kurzer Abriss über den Zustand von Belarus ist am Ende des Buches zu finden. Über eine Land, das wohl noch lange nicht erwachen darf. Die Wirklichkeit verpackt in eine gut lesbare Geschichte, die ich jedem an diesem Thema interessierten nur empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 17.04.2021

Kommt die Wahrheit ans Licht?

Bogners Abgang
1

Bogner, der verkannte Künstler – zumindest wird er in seinen Augen nicht als das Genie wahrgenommen, das er nun mal ist – hat Schuld auf sich geladen. Oder war es eher ein Missverständnis seinerseits? ...

Bogner, der verkannte Künstler – zumindest wird er in seinen Augen nicht als das Genie wahrgenommen, das er nun mal ist – hat Schuld auf sich geladen. Oder war es eher ein Missverständnis seinerseits? Die Studentin Nicola Pammer lässt sich überreden, mit den anderen mitzufeiern. Drei Aperol Spritz sind es geworden und dann steigt sie ins Auto, will das Wochenende bei ihrer Mutter verbringen. Und da ist noch Kurt Niederer, der Kunstkritiker, der nicht gerade zimperlich ist mit seinen Verrissen. Ein Fußgänger wird totgefahren. Wer ist es? Hat den Unfall jemand gesehen? Wer fühlt sich schuldig?

Ein subtiles Spiel beginnt. Fein strukturiert erzählt der Autor von den Selbstzweifeln, den Vorwürfen und dem sich selbst Belügen. Schuldig – ja, wahrscheinlich. Aber ist es wirklich so schlimm und wem ist damit geholfen, wenn man jetzt dazu steht? Es geht um den tödlichen Verkehrsunfall und die Folgen, die das Eingestehen nach sich zieht. Lieber alles vertuschen, es hat ja keiner gesehen. Oder doch? Es treibt sie um - können sie der Faktizität entfliehen?

Die Handlungsstränge sind vordergründig jeder für sich eigenständig. Die einzelnen Charaktere könnten unterschiedlicher nicht sein und dennoch haben sie etwas gemeinsam. Der Leser wird in deren Tun mit einbezogen, ja direkt hinein gesaugt. Deren zuweilen irrationale Handlungsweise verschlingt sie immer tiefer in einen Sumpf aus Selbstvorwürfen und der eigenen Absolution ihrer damaligen Verwirrtheit.

Hans Platzgumer urteilt nicht, er berichtet. Überlässt es anderen, zu werten. Gibt die Struktur vor, fügt Sätze ein wie „dieser verfluchte Autofahrer…“. Der Leser fahndet nach der Wahrheit, bekommt Infos - nuanciert, graduell. Gerade so viel, wie momentan sein muss. Diese Vorgehensweise, seine Art des Schreibens machen es nahezu unmöglich, das Buch aus der Hand zu legen.

Diesen 140 Seiten konnte ich mich wie gesagt nicht entziehen. Waren sie „zur falschen Zeit am falschen Ort“ oder ist dies ein sich herauswinden aus Halbwahrheiten, aus Lügen vor sich selbst? Ein starkes Buch, ein starker Abgang – „Bogners Abgang“.

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Veröffentlicht am 14.04.2021

Leidenschaftliche Affären

Roman d’amour
1

Die Schriftstellerin Charlotte Moire hat ihre vor langer Zeit gelebte Affäre mit einem verheirateten Mann in einem Roman verarbeitet, für den sie nun einen Literaturpreis erhalten soll. Vor der Verleihung ...

Die Schriftstellerin Charlotte Moire hat ihre vor langer Zeit gelebte Affäre mit einem verheirateten Mann in einem Roman verarbeitet, für den sie nun einen Literaturpreis erhalten soll. Vor der Verleihung bittet eine Journalistin, sie zu ihrem Werk interviewen zu dürfen. Ist diese hier beschriebene Liebesgeschichte wahr, ist sie Fiktion? Das wissen wir nicht, das ist auch nicht wirklich wichtig. Zunächst sieht es so aus, als ob die Journalistin ziemlich naiv und ohne viel Erfahrung das Gespräch führt.

Ein Buch – der Liebe gewidmet. Vordergründig ist es dieses Interview, um das sich die Geschichte spinnt. Eine Geschichte über die Liebe und das Glück, einen Partner gefunden zu haben, der einen alles bedeutet. Aber wird dieses Gefühl genauso erwidert? Frau Sittich, die Journalistin, will alles wissen - von den Romanfiguren Klara und Lew, zwei Liebenden, von denen nur einer frei ist genauso wie von ihrer Interviewten, der Autorin. Immer mehr vermengen sich die fiktiven Charaktere mit der Lebens- und Liebesgeschichte von Charlotte. Diese hat in ihrem Buch ihre eigene große Liebe verarbeitet, wird hier von der Sittich so manches Mal ganz schön aus dem Konzept gebracht.

Rund um das Interview ist ein gut austarierter Ehebruchsroman entstanden. Die Ebenen vermengen sich zu einem sehr homogenen Ganzen, da stört absolut keine Geschichte die andere. Das heimliche Liebespaar aus dem Roman genauso wenig wie Charlotte mit ihrem verheirateten Geliebten. "Gerade meine Abhängigkeit erzeugte in mir ein Freiheitsgefühl. Ich liebte und lebte wieder..." Sie leben für ihre heimliche Leidenschaft, ihre kostbare Zweisamkeit. Für gestohlene Augenblicke ist sie, die Geliebte, glücklich, hofft auf mehr. Es könnte alles genau so gewesen sein. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt.

Sehr lebendig, sehr poetisch und emotional lässt Sylvie Schenk ihre Leser an dem schönen Schein der ewig frischen Liebe teilhaben. Irgendwann bleibt die Erinnerung an eine aufregende, prickelnde Leidenschaft. Ein wunderbarer Roman – direkt aus dem Leben gegriffen.

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