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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.04.2021

Die schmerzende Ungewissheit sitzt tief

Die Verlassenen -
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!ein Lesehighlight 2021!

Klappentext:
„Was würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner ...

!ein Lesehighlight 2021!

Klappentext:
„Was würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner Mutter, das rätselhafte Verschwinden seines Vaters. All seine Fragen dazu blieben unbeantwortet, weshalb er noch als Erwachsener vorsichtig tastend durchs Leben geht. Ein melancholischer Eigenbrötler, der sich in einer stillen Existenz eingerichtet hat. Als Johannes in einer alten Kiste auf einen Brief stößt – adressiert an seinen Vater und abgeschickt nur wenige Tage, bevor dieser den Sohn wortlos verlassen hatte –, verändert dieser Fund nicht nur seine Zukunft, sondern vor allem seine Vergangenheit als Kind der Vorwende-DDR. Seine Erinnerungen sortieren sich neu und mit ihnen sein Blick auf das eigene Leben.“

Autor Matthias Jügler hat mich mit seiner Geschichte „Die Verlassenen“ ganz tief berührt. Mit seiner punktgenauen Wortwahl und seiner Sprachmelodie ist ihm etwas ganz Großes hiermit gelungen. Die Geschichte um Johannes ist emotional in jeder Weise. Ihn hier kennenzulernen ist ein besonderer Weg, den wir Leser uns erstmal erarbeiten müssen. Wir müssen versuchen ihn mit seiner Art zu verstehen....Wer, wie er und ich, selbst in der DDR groß geworden ist, wird viele Parts in diesem Buch wiederfinden und sich daran erinnern, wie es damals war. Das war ein echter Flashback, den ich so nicht erwartet hätte (hier nur das Beispiel Kindergarten). Die Geschichte um Johannes‘ Vater ist für mich das eigentliche Mysterium und bekommt eine sanfte und bewegende Führung der besonderen Art.
Auch hier finden wir meine liebsten Buchdetails: die Zeilen und Gedanken zwischen den Sätzen, die uns der Autor fein dosiert vor die Füße legt. Johannes‘ Gedankengänge im Hier und Jetzt aber auch die Rückblicke sind extrem feinstimmig, aber auch die Qual nach dem Ungewissem, nach alle den Antworten auf die Fragen die er hat und die nie beantwortet werden. Wir erleben ihn in seiner Welt und erfahren die Hintergründe seiner Welt in einer warmherzigen, leisen Sprache. Hier ist kein Wort zu viel, keine Emotion zu wenig - hier ist alles ganz perfekt abgestimmt!
Ich hatte hiermit ein ganz perfektes und besonderes Leseerlebnis, welches mich noch lange beschäftigen wird. 5 von 5 Sterne

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Veröffentlicht am 22.04.2021

Eine besondere Aufgabe

Und an den Rändern nagt das Meer
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Klappentext:
„Keine deutsche Insel ist so einsam wie Trischen, 20 Kilometer vor Cuxhaven im Wattenmeer der Nordsee ausgeliefert. Nur ein Vogelwart darf die kleine Insel betreten. Sieben Monate lebt Anne ...

Klappentext:
„Keine deutsche Insel ist so einsam wie Trischen, 20 Kilometer vor Cuxhaven im Wattenmeer der Nordsee ausgeliefert. Nur ein Vogelwart darf die kleine Insel betreten. Sieben Monate lebt Anne de Walmont dort in einer kleinen Holzhütte. Lebensmittel und Trinkwasser bringt ihr ein Versorgungsschiff. Einzig und allein die unzähligen Vögel leisten ihr auf der Insel Gesellschaft. Mit Anne de Walmont tauchen wir ein in die große Weite über dem Meer, die Ruhe, die das Alleinsein mit sich bringt und den nie enden wollenden Rhythmus von Ebbe und Flut. Ebenso fesselnd wie persönlich erzählt sie von ihrem Leben in der Natur und davon, wie es ist, wenn einem beim Kochen ein Zilpzalp über die Schulter schaut.

Unbekanntes Deutschland: Zu Gast auf einer Insel, deren Betreten strengstens verboten ist....“

Man merkt allein an den bisher herausgebrachten Büchern im Jahr 2021, dass das Thema „Vogelschutz, Umwelt und Naturschutz“ immer mehr an Bedeutung gewinnt und viele Autoren darauf aufmerksam machen wollen - gut so!
Anne de Walmont war auf Trischen....eine wunderhübsche kleine Insel kurz vor Cuxhaven, auf denen Betreten strengstens verboten ist und es das Wohnzimmer vieler verschiedener Vögel ist. de Walmont erzählt von ihren Erfahrungen und ihren Beobachtungen die sie dort sammeln durfte. 7 Monate durfte sie die Insel mit den Vögeln teilen und wir erleben so manch lustige aber auch traurige Situation. Anders als auf Memmert ist das Leben hier doch äußerst rustikal aber machbar wenn man sich herunterschraubt und die Ansprüche ganz hinten anstellt. Anne wollte das genau so und wurde nicht enttäuscht. Die Arbeit auf einer einsamen Insel ist dennoch anspruchsvoll und Vögel zählen macht genau so müde wie ein ganzer Tag im Büro, nur das hier die Aussicht weitaus schöner ist. Anne wird demütig und wir erleben sie in allen Lagen ihrer Verfassung, welches nur zeigt, das alles seinen Preis hat. Ein weiteres Highlight sind die Vogelbeobachtungen die sie macht. Da ich in dieser Gegend wohne, ist dies zwar nichts Neues für mich, aber es ist immer wieder ein kleines Wunder zu sehen, welche Vögel hier rasten, leben oder ihre Jungen aufziehen. Durch ihren witzigen Schreibstil, ist die gesamte Geschichte wunderbar aufgelockert und man liest sie herrlich weg. Man klappt dieses Buch zu und ist dankbar, das es solche Flecken Erde bei uns gibt und vor allem solche Menschen wie Anne, die sich auf machen und die Natur beobachten, zählen und uns ihre Geschichte erzählen.
Für mich war dieses Buch ein richtiges Geschenk und es zeigt auf, wie zerbrechlich alles um uns herum ist - nichts ist selbstverständlich.
5 von 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 22.04.2021

Ein Notruf aus Venedig

Als ich einmal in den Canal Grande fiel
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Klappentext:

„Von Touristen überrannt, vom Hochwasser bedroht – und dennoch die schönste Stadt der Welt: Petra Reski, die seit den Neunzigern in der Lagunenstadt lebt und sie kennt wie keine Zweite, erzählt ...

Klappentext:

„Von Touristen überrannt, vom Hochwasser bedroht – und dennoch die schönste Stadt der Welt: Petra Reski, die seit den Neunzigern in der Lagunenstadt lebt und sie kennt wie keine Zweite, erzählt so atmosphärisch wie schonungslos vom Leben in Venedig. Einst hat sie ihr Herz an einen Venezianer verloren – längst hat sie sich in dessen Heimatstadt verliebt. Doch Kreuzfahrttourismus, Immobilienspekulation und gewissenlose Bürgermeister setzen der Stadt zu. Petra Reski kennt sie noch, die alten Venezianer und die Geheimnisse dieser Stadt, sie zeichnet ein wehmütiges Bild von Venedig, dessen Untergang es unbedingt zu verhindern gilt.“



Autorin Petra Reski ist tatsächlich mal im Canal Grande auf Tauchstation gegangen aber das ist nur eine nette Anekdote am Rande dieses intensiven Buches. Sie hat nicht nur ihr Herz an Venedig verloren, mittlerweile kann man sie schon als Einheimische bezeichnen. Was sie hier beschreibt und verdeutlicht, zeigt allein schon das Cover mit dem Kreuzfahrtschiff im Hintergrund: die Ruhe vor dem Sturm und der damit verbundenen Wucht der Zerstörung. Natürlich geht sie wunderbar sachlich in diesem Buch vor und erläutert uns Lesern die letzten Jahre/Jahrzehnte der ständigen Entwicklung Venedigs egal ob baulich oder naturbedingt - hier ist wahnsinnig viel passiert und das nicht immer im positiven Sinne. Wenn man dieses Buch zuschlägt gibt es wahrlich nur zwei Lesergemeinschaften. Die Einen, die diese Probleme kennen und mit Argwohn all die Jahre bereits beobachten und die, denen all das völlig wurscht ist und sie hoffentlich ganz bald wieder mit dem Kreuzfahrtschiff am besten gleich vor die Ladeneinkaufstür fahren können, koste es was es wolle. Aber es sind ja nicht nur die Kreuzfahrttouristen allein.

Reski hat einen sehr schönen geschmeidigen Schreibfluss, ihre Worte wählt sie mit dem nötigen italienischen Gefühl und herausgekommen ist diese Sichtweise, die ich nur so unterschreibe. Venedig wurde in einigen Parts verschlimmbessert, billig verkauft, was die Natur betrifft vernachlässigt auf allen Ebenen - kurzum: Venedig wird ausgepresst wie ein reife Zitronen bis zum Schluss nichts mehr übrig bleibt. Es muss etwas passieren um dieses Gefüge wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ist das so schwer? Reski bohrt in so mancher Wunde und trifft dabei immer den richtigen Ton. Ja, sie macht den Touristen auch mal ein schlechtes Gewissen und ich finde das gar nicht schlecht. Wie würden wir uns denn fühlen, wenn wir so leben würden?

Ich konnte Reski in jeder Zeile verstehen und fand gerade diese, zum Teil, amüsante Ansicht äußerst gelungen verpackt. Tenor: wir müssen Venedig retten bevor es zu spät ist! 5 von 5 Punkte für diesen Alarm-Weckruf!

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Veröffentlicht am 21.04.2021

Typisch Arenz! Einfach nur genial!

Alte Sorten
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!ein Lesehighlight 2020

Klappentext:
„Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich ...

!ein Lesehighlight 2020

Klappentext:
„Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich alles: Angebote, Vorschriften, Regeln, Erwachsene. Fragen hasst sie am meisten, vor allem die nach ihrem Aussehen.
Liss ist eine starke, verschlossene Frau, die die Arbeit, die auf dem Hof anfällt, problemlos zu meistern scheint. Schon beim ersten Gespräch der beiden stellt Sally fest, dass Liss anders ist als andere Erwachsene. Kein heimliches Mustern, kein voreiliges Urteilen, keine misstrauischen Fragen. Liss bietet ihr an, auf dem Hof zu übernachten. Aus einer Nacht werden Wochen. Für Sally ist die ältere Frau ein Rätsel. Was ist das für Eine, die nie über sich spricht, die das Haus, in dem die frühere Anwesenheit anderer noch deutlich zu spüren ist, allein bewohnt? Während sie gemeinsam Bäume auszeichnen, Kartoffeln ernten und Liss die alten Birnensorten in ihrem Obstgarten beschreibt, deren Geschmack Sally so liebt, kommen sich die beiden Frauen näher. Und erfahren nach und nach von den Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden.“

Gleich vorweg: dieser Roman ist Gefühl und Gänsehaut pur und verzaubert den Leser mit seinen Worten.
Ewald Arenz hat diesen Roman einen ganz besonderen Birnenduft gegeben, der selbst beim lesen einen förmlich entgegen springt. Seine Sprachmelodie, seine Wortwahl, seine Intention an den Leser, seine Protagonisten....dieses Gefühl des Landlebens und der Einkehr zu sich selbst, ist ihm einfach nur grandios großartig gelungen. Ich habe dieses Buch bereits im Herbst 2020 gelesen und dann nochmal im darauffolgenden Winter. Durch seine bildhaften Beschreibungen passt dieser Roman perfekt in diese Zeit und entführt den Leser. Seine Figuren Sally und Liss könnten wahrlich unterschiedlicher nicht sein und ziehen den Leser förmlich an. Man will wissen, warum beide so sind, was sie zu dieser Art bewogen hat und genau darauf baut Arenz ganz feinfühlig auf und lässt seine beiden Damen alles in aller Ruhe erklären, auflösen, ein wenig entzaubern. Arenz‘ Figuren wirken authentisch und realitätsnah. Gerade wenn man selbst auf dem Land lebt, sind solche Figuren wie Liss nichts Neues, im Gegenteil. Was ich bei Arenz so schätze, sind die kleinen Details zwischen den Zeilen, das fängt bereits beim Titel an. Diese Doppeldeutigkeiten sind kleine Highlights und lassen jedes anspruchsvolle Leserherz höher schlagen. Arenz weiß ganz genau wie er seine Leserschaft fesseln kann...auch mit „Alten Sorten“ die nie aus der Mode kommen aber dennoch aus der Reihe fallen, denn jede (Birne) ist wie sie ist, von Natur aus so gewachsen und eben einmalig - genau wie Sally und Liss.... 5 von 5 Sterne für dieses wunderbare Werk!

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Veröffentlicht am 20.04.2021

Kunterbunt wie wir

Leute wie wir
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Klappentext:
„Es ist nicht lange her, dass Melissa und Michael, von ihren Freunden liebevoll M&M genannt, das allseits bewunderte Paar waren. Doch jetzt ist ihre Ehe so einsturzgefährdet wie das Einfamilienhaus ...

Klappentext:
„Es ist nicht lange her, dass Melissa und Michael, von ihren Freunden liebevoll M&M genannt, das allseits bewunderte Paar waren. Doch jetzt ist ihre Ehe so einsturzgefährdet wie das Einfamilienhaus im Süden Londons. Melissa ist gerade Mutter geworden, aber statt Erfüllung empfindet sie Überforderung und sucht Trost bei den nigerianischen Eintöpfen und Zaubern ihrer Mutter. Das macht Michael nur noch unzufriedener, der sich ein aufregendes Leben ohne Kinder zurückwünscht. Und da gibt es noch ein anderes Paar: Damian und Stephanie – und ihre drei Kinder. Damian kommt mit dem Verlust seines Vaters nicht zurecht er und sehnt sich mehr als denn je nach … Melissa.“

„Leute wie wir“ von Diana Evans ist sprachlich und emotional ein wirklich toller Roman mit einem ganz besonderen Potential. Wie der Titel schon erahnen lässt, geht es hier um Gleichberechtigung und das Normalste von der Welt: Menschen aller Rassen und Hautfarben leben zusammen. Dieses Thema wird so nie direkt angesprochen bzw. matkiert, ist aber immer wieder „lautstark“ zu erkennen. Die Geschichte um Melissa und Michael liest sich wie eine Aufnahme aus dem Nachbarhaus. Es ist eine sehr detaillierte Sichtweise des ganz normalen Lebens aber so normal ist es eben doch nicht. Melissa hat nigerianische Wurzeln und fällt auf, die zusammen mit Michael englisch-karibisches Flair mit einbringt und Damian und Stephanie sind ebenso kunterbunt zusammen gewürfelt aus aller Herren Länder. Da kommt dann auch der Vergleich mit dem bunten Stadtplan auf dem Cover ganz perfekt zur Geltung - denn harmonieren tut schlussendlich alles zusammen und genau das ist der Tenor. Jeder der Personen hat seinen eigenen Lebensrucksack zu tragen und die Gefühle laufen manchmal andere Wege als gedacht. Evans geht dabei so feinfühlig und sanft vor, das man sich richtig wegträumen kann. Ihre Sprachwahl ist geschmackvoll, respektvoll und einfühlsam. Wir erleben die „Frauen am Herd“ und die Männer, die für das Wohl der Familie jeden Tag arbeiten und leben - ein typisches Bild. Wichtig sei hier aber auch gesagt, das man seine eigene Meinung ganz weit hinten anstellen sollte und das Buch auf jeden Fall in aller Ruhe zu Ende lesen sollte ohne dabei seine Gedanken einflechten zu lassen - hier heißt es ruhig zu beobachten. Anspruchsvolles lesen mit perfekten Worten gepaart machen dieses Buch zu etwas ganz wunderbaren, denn schließlich sind alle „Leute wie wir“. Es gibt natürlich rassistische Situationen in der Geschichte, genau das ist ja auch der feine Ton. Denn genau dieser zeigt, wie verbohrt die heutige Gesellschaft immer noch ist. Diese Story ist so wunderbar gesellschaftskritisch und das Detail liegt hier zwischen den Zeilen. Wer hier ganz aufmerksam liest, erlebt einen wahren Schatz! 5 von 5 Sterne!

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