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Veröffentlicht am 17.04.2017

Ungewöhnliche Liebesgeschichte mit mutiger Protagonistin

Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden
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Der Titel des Buchs „Jeder Tag kann der Schönste in deinem Leben werden“ von Emily Barr ist für die 17-jährige Protagonistin Flora Banks Programm, denn in ihrem 10. Lebensjahr hat eine anterograde Amnesie, ...

Der Titel des Buchs „Jeder Tag kann der Schönste in deinem Leben werden“ von Emily Barr ist für die 17-jährige Protagonistin Flora Banks Programm, denn in ihrem 10. Lebensjahr hat eine anterograde Amnesie, die durch ein Ereignis eingetreten ist bei dem ihr Gehirn so geschädigt wurde, dass sie alltägliche Dinge spätestens beim Aufwachen wieder vergessen hat. Manches kann sie sich sogar nur für Stunden merken. Wer das wunderschön gestaltete Cover mit seinen Ranken und der glänzenden erhabenen Schrift anschaut, wundert sich über einen Elch in der Mitte links und ein Flugzeug auf der rechten Seite. Sie stehen symbolisch für das Abenteuer, das Flora in diesem YA-Roman erlebt und dabei über sich selbst hinauswächst.

Alles, was sich vor der Amnesie ereignet hat, vergisst Flora nicht. Für die Sachen, die sie im täglichen Leben wissen muss, beschreibt sie ihre Arme und Hände, Zettel und Notizbücher, manchmal macht sie ein Foto mit ihrem Handy. Sie hat es wirklich nicht einfach; so zu leben wünscht man sich nicht. Doch dann hat sie nach einer Party ein neues, nie dagewesenes Erlebnis. Sie wird von dem 19-jährigen Drake in einer romantischen Situation geküsst. Und es passiert für sie das Unmögliche: sie kann sich am nächsten Tag daran erinnern! Auch an das Gespräch mit ihm. Doch Drake hat sich gerade von ihrer besten Freundin getrennt und wird zukünftig auf Spitzbergen/Norwegen studieren. Als ihr in Paris lebender Bruder dringend die Hilfe ihrer Eltern benötigt und sie allein zu Hause bleibt, sieht sie endlich die Chance aus dem ihr von ihren Eltern gesetzten Rahmen auszubrechen und alleine zu entscheiden, was sie tun und lassen möchte. Der Kuss lässt sie nicht ruhen und sie beschließt, Drake zu suchen.

Die 17-jährige Flora verharrt wissensmäßig auf dem Stand einer 10-Jährigen. Jede neue Erkenntnis, jede neue Erfahrung ist bereits nach wenigen Stunden nicht mehr abrufbar. Sie legt sich ihre Notizen sichtbar hin, um daran erinnert zu werden, dass es diese gibt. Eigentlich müsste sie stundenlang darüber nachlesen, was sie in den letzten Jahren gelernt und erlebt hat. Das geht natürlich nicht und so beschränkt sie sich auf das Wesentliche. Der Roman ist in der Ich-Perspektive geschrieben. So konnte ich durch die etlichen Wiederholungen, die Flora jeden Tag durchliest, um sich ihr Wissen mühsam erneut zu erarbeiten ein wenig davon ahnen, wie schrecklich es für sie jedes Mal sein muss, ihr Umfeld neu kennen zu lernen. Und dennoch konnte ich es kaum nachzuvollziehen, denn an das, was mich bereits anfing zu langweilen, konnte Flora sich ja jedes Mal nicht erinnern.

Flora kleidet sich meistens wie ein Kind und äußert sich entsprechend, ihr Tun wirkt auf andere häufig befremdlich. Sie selbst ist sich dessen bewusst und nichts liegt ihr mehr am Herzen als so zu sein wie Gleichaltrige. Im Buch wird ihre Pubertät nicht thematisiert, doch ihre Reize bleiben nicht verborgen und es prickelt und kribbelt in ihr als sie mit Drake allein ist. Von Drake geht für sie keine Gefahr aus, denn sie hat festgestellt, dass er sie schon eine Weile kennen muss. Weil sie sich am nächsten Tag auch an das Gespräch mit ihm erinnert sieht sie die Möglichkeit, dass sie sich an noch mehr erinnern wird und ihr Leben sich demzufolge ändert. Diese Chance ist es ihr Wert, ihn zu suchen um die Beziehung fortzusetzen, weil sie ihn für ihren Glückritter hält.

Die Autorin stellt die Liebesromanze zwischen Flora und Drake bei ihrer Erzählung in den Vordergrund. Dahinter zurück tritt das Verhältnis von Flora zu ihren Eltern, die bewusst das Verhalten ihrer Tochter in den vergangenen Jahren nach eigenem Willen geleitet haben. Für mich war es schwierig, trotz der Probleme der Mutter, dafür Verständnis aufzubringen. Flora hätte sicher durch weiteren Zugang zu sozialen Medien mehr Möglichkeiten gehabt, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Zum Glück hat sie ihre Freundin Paige, die sie seit dem Kindergarten kennt. Aber auch in diese Freundschaft mischt sich ein Erwachsener ein. Floras ganz großer Rückhalt ist ihr Bruder, erst zum Ende des Buchs begreift sie und damit auch ich als Leser welche große Rolle er seit der Erkrankung für sie gespielt hat.

„Sei mutig“ liest Flora jeden Tag eintätowiert auf ihrer Hand. Wie wichtig der Mut für sie ist, um eingefahrene Gleise zu durchbrechen und Grenzen zu überschreiten liest man in dieser Geschichte. Emily Barr erzählt sehr emotional und neben der Faszination für die Kraft, die Flora aufbringt um mit ihrer Einschränkung zu leben, war ich gespannt darauf, ob es ihr gelingen wird, Drake in Spitzbergen zu finden und ob er sie wirklich liebt. Das Ende konnte manche meiner offenen Frage beantworten und ließ mich erneut staunen, was alles in Flora steckt.

„Jeder Tag kann der Schönste n deinem Leben werden“ ist eine ungewöhnliche Liebesgeschichte mit einer beherzten Protagonistin, die mir sympathisch wurde. Der Autorin ist es gelungen, einige Charaktere so zu zeichnen, dass man bis zum Schluss nicht weiß, ob sie es gut mit Flora meinen oder nicht. Ich habe Flora gerne auf ihrer Reise begleitet, die für mich gefühlsmäßig ein Abenteuer war. Gerne gebe ich hierfür eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.04.2017

Ungewöhnliche Geschichte und einzigartige Charaktere

Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk
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Im Roman „Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk“ lässt Andreas Stichmann in Hamburg-Osdorf frischen Wind und neue Ideen in die beschauliche und seit Jahren existierende Wohnsiedlung Sonnenhof durch ...

Im Roman „Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk“ lässt Andreas Stichmann in Hamburg-Osdorf frischen Wind und neue Ideen in die beschauliche und seit Jahren existierende Wohnsiedlung Sonnenhof durch zwei Charaktere einkehren. Früher als alternatives Wohnprojekt gegründet dient sie heute dem betreuten Wohnen unter der Leitung von Ramafelene Meisner, dem Sohn der Gründerin und passenderweise so wie sie von Beruf Sozialarbeiter. Einerseits erscheint dort die 17-jährige Bianca, genannt Bibi, vom Äußeren her schon durch ihre blauen Haare auffallend. Sie soll dort ihre Sozialstunden ableisten und sinnt dabei über einen Ausweg der ihr drohenden Unterbringung in einem Heim nach. Andererseits hat sich David van Geelen, Miterbe eines Unternehmens und Focusing-Trainer den Sonnenhof und seine Bewohner bewusst dazu ausgesucht mit ihm gemeinsam vom Projekt der Entführung eines Millionärs zu profitieren. Er möchte die Welt verändern, ist sich aber bewusst, dass er das nicht alleine schafft.

David setzt auf das Schwarmverhalten so wie bei Fischen. In Bezug darauf bezeichnet er sich selbst als Seapunk, also als jemand der wie alles vom Meer beeinflusst wird. Entsprechend ist das Cover in aquablau gestaltet mit dem Bildelement eines Wals. Die im Buch enthaltenen bunten Seapunk-Collagen zeigen Beispiele für die gleichnamige Stilrichtung. Das sieht gut aus, hat aber auf den Handlungsablauf keine Einwirkung.

Jeder Charakter dieses Romans scheint auf der Suche zu sein. Ramafelene sucht nach neuen Konzepten, um mehr Geld zur Erhaltung und Renovierung der Wohnanlage einzunehmen. Seine Mutter sucht nach einer Möglichkeit selbstbestimmt im Alter zu leben, der Bewohner Küwi sucht mittels Detektor nach realen Schätzen, Bibi sucht nach einer dauerhaften Bleibe und David van Geelen nach Mitstreitern für seine Idee.

So kurios und komisch wie das Aufeinandertreffen dieser Figuren auch sein mag, so nachdenklich stimmen die Sorgen der Personen, die hier versammelt sind. Der Autor bildet dadurch einige Themen unserer Gesellschaft ab. Bibi steht als Vertreterin der Jugendlichen, die eine dunkle Zukunftsperspektive für sich sehen und aus Langeweile unüberlegt und eher beiläufig straffällig werden. Ingrid, auch dunkle Inge genannt, hat viel erreicht in ihrem Leben und vertritt die ältere Generation die umsorgt altern möchten. Ihrem Sohn ist es noch nicht gelungen eine Lebensgefährtin zu finden. Seine große Zuneigung zu Bibi ist nicht zu übersehen, aber der Altersunterschied ist groß. Die behinderten Bewohner möchten entsprechend ihrer Fähigkeiten aktiv am Alltag beteiligt werden und nicht nur nutzlos beschäftigt sein. Die Idee von David übersteigt schließlich alles. Erscheint sie auf den ersten Blick als wahnwitzig aber genial, so ist sie auf den zweiten zu hinterfragen.

David wurde durch das Verhalten seiner Eltern ihm gegenüber geprägt. Das was er heute ist, hat er zum größten Teil seiner Umwelt zu verdanken. Seine Idee spricht für ihn, doch die Umsetzung richtet er gegen die Schatten seiner Vergangenheit. Über die Konsequenzen hat er sich wenig Gedanken gemacht. An dieser Stelle treibt denn auch der Ernst der Sache an die Oberfläche.

Andreas Stichmann schreibt schlicht und auf wesentliche Details beschränkt aus unterschiedlichen Erzählperspektiven. „Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk“ ist ein Abenteuer, das auf den Prüfstand zu stellen ist. Der Autor brachte mich dazu, darüber zu rätseln wie weit man gehen muss um, eine gewachsene Gemeinschaft aufzubrechen und die Zugehörigen zu instrumentalisieren. Wenn auch das Verbrechen am Beginn einer Weltveränderung bei mir ein Störgefühl hervorrief, so war das Lesen doch verbunden mit Einzigartigkeit der Charaktere und einer ungewöhnlichen Geschichte. Das Ende war vielversprechend, ließ aber Raum zum Weiterdenken. Kein Buch für jedermann, eher für Denker die Situationskomik mögen.

Veröffentlicht am 24.03.2017

Über Entscheidungen im Leben und deren Konsequenzen

Der Mann, der zu träumen wagte
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„Der Mann, der zu träumen wagte“ im gleichnamigen Buch von Graeme Simsion heißt Adam Sharp, ist Jahrgang 1963 und wohnt als IT-Berater in London. Vor 22 Jahren war er in Melbourne/Australien eine Zeit ...

„Der Mann, der zu träumen wagte“ im gleichnamigen Buch von Graeme Simsion heißt Adam Sharp, ist Jahrgang 1963 und wohnt als IT-Berater in London. Vor 22 Jahren war er in Melbourne/Australien eine Zeit mit der Schauspielerin Angelina Brown liiert, während er für seinen Arbeitgeber einen Auftrag dort vor Ort zu erledigen hatte. Doch Bedenken auf beiden Seiten für eine feste Bindung führten zum Ende der Beziehung. Vergessen hat er sie nie.

Eines Tages sitzt er zu Recherchezwecken vor seinem Computer als er eine E-Mail erhält. Es ist nur ein schlichter einsilbiger Gruß, aber er ist von Angelina. Inzwischen lebt Adam seit vielen Jahren mit seiner Freundin Claire zusammen. Beide sind durch ihre Berufe stark eingebunden und haben unter anderem dadurch ihre Differenzen. Die E-Mail gibt Adam jetzt die Möglichkeit den Kontakt wieder aufleben zu lassen. Er zögert mit einer Antwort, macht sich Gedanken darüber, warum sie ihm geschrieben hat. Schließlich antwortet er ihr. Erinnerungen werden wach bei ihm und eine gewisse Melancholie über die damalige Trennung. Dann schreibt Angelina ihm von ihrem bevorstehenden Urlaub, den sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im eigenen Ferienhaus in Frankreich verbringen wird und lädt ihn dazu ein! Wie wird Angelina nach so langer Zeit auf ihn reagieren? Wäre es möglich ihre Liebe von damals nicht nur auf- sondern auch weiterleben zu lassen? Träumen darf man, aber wie viel ist Adam bereit, für seinen Traum aufzugeben?

Adam stammt aus einer zerrütteten Ehe, daher hat er Bindungsängste. Er selbst spielt leidenschaftlich gern Klavier, obwohl sein strenger Vater ihn früher zum Üben anhalten musste. Ich vermute, dass der Graeme Simsion ein großer Musikfan ist, denn der ganze Roman ist mit Musik durchzogen. Für jede Situation kennt der Protagonist einen Song. Bedeutsam dafür ist auch, dass er Angelina in einer Bar kennengelernt hat, während er dort Klavier spielte. Adam erscheint manchmal unsicher, aber in der Musik kann er seine Gefühle ausdrücken. Die Idee der Einbindung von Musik in eine Geschichte finde ich grundsätzlich interessant. Am Ende des Buchs hat der Autor eine Playlist zusammengestellt. Einige der Lieder kenne ich, leider aber nicht alle. Und so konnte ich manchmal die damit verbundenen Empfindungen leider nicht nachvollziehen.

An den beiden vorigen Romanen von Graeme Simsion habe ich vor allem die amüsanten Situationen geschätzt, die durch die Auslegung bestimmten Verhaltens durch den Protagonisten entstanden. Diese vergnüglichen Szenen habe ich hier vermisst. Adam Sharp ist ein durch sein Elternhaus geprägter Charakter, der betrübt darüber ist den Möglichkeiten die das Leben ihm bisher geboten hat, nicht nachgekommen zu sein. Dabei zweifelt er, ob sie die bessere Wahl gewesen wären. Bei der ihm nun dargebotenen Chance lebt er seine Gefühle auf eine solche Weise aus, die moralisch anzuzweifeln ist. Mir ist die Figur dadurch auch nicht nahe gekommen genauso wenig wie Angelina. Dennoch muss ich dem Roman eine geschickte Konstruktion zuschreiben, verbunden mit einem leicht und gut lesbaren Schreibstil. Durch die Erzählung in der Ich-Form des Protagonisten verbleibt der Leser an der Seite von Adam, erfährt dessen Gedanken und kann sich so selbst ein Urteil über sein Verhalten bilden.

„Der Mann, der zu träumen wagte“ ist ein romantisch geschriebener Roman über zwei Menschen, die sich nach Jahren wiedersehen und sich über das Ausleben ihrer Gefühle und den Konsequenzen daraus klar werden müssen.

Veröffentlicht am 14.03.2017

Vielfalt einer Großstadt

Truggestalten
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Im Buch „Truggestalten“ von Rudolph Herzog sind sieben sagenhafte Erzählungen versammelt. Wie der Titel bereits andeutet, beinhalten die unterschiedlichen Geschichten Figuren, die unrealistisch sind, teils ...

Im Buch „Truggestalten“ von Rudolph Herzog sind sieben sagenhafte Erzählungen versammelt. Wie der Titel bereits andeutet, beinhalten die unterschiedlichen Geschichten Figuren, die unrealistisch sind, teils weil sie ausschließlich unserer Fantasie entspringen, teils weil sie durch Sagen in unsere Köpfe gekommen sind. Keine von ihnen hält einer realen Betrachtung stand. Das Titelbild des Buchs zeigt das East Side Hotel in Berlin, so wie wir es heute besuchen können. Die Kinder auf der Kaimauer passen mit ihrer Kleidung nicht ins Bild, stehen aber für vergangene Zeiten in der Stadt. In jeder Story wird eine Episode aus der Vergangenheit angeschnitten, die mich als Leser dazu veranlasste, mir diese ins Gedächtnis zu rufen und nach weiteren Informationen darüber im Netz zu suchen.

Die Erzählungen basieren manchmal auf genau jenen Erinnerungen, die auf unerklärbare Weise sich ihren Weg in das Bewusstsein der Berliner Bewohner, gleich welchen Alters drängen. Da sind beispielsweise polnische Zwangsarbeiter im zweiten Weltkrieg oder auch eine als verrückt erklärte Näherin aus dem 19. Jahrhundert. Erinnerungen an den Hungerwinter nach dem Krieg, aber auch an dem Mauerfall werden wach. Und wer bisher noch nicht wusste, woran es liegt, dass der neue Berliner Flughafen noch nicht fertig ist, wird hier eine Erklärung finden. Doch nicht nur die Vergangenheit dient der Erklärung der trügerischen Gestalten. Hierhinter verbergen sich auch Wiedergänger, Aufsitzer und Dschinn. Immer wieder finden sich Begebenheiten, die zwar weder zur Begründung noch zum Ablauf der jeweiligen Geschichte beitragen, aber interessant und abwechslungsreich sind.

Die Schilderungen spielen in unterschiedlichen Teilen der Hauptstadt Berlins, als Leser begegnete ich dort verschiedenen Kulturen. Nicht nur den Zeitgeist, sondern auch die aktuelle gesellschaftliche Lage versteht der Autor einzufangen. Rudolph Herzog schreibt in der allwissenden Erzählperspektive ebenso wie in der Ich-Form aus Sicht einer Frau und eines Manns. Die Gestaltung der Storys in der Verbindung zu historischen Geschehnissen verbunden mit Mystik hat mich sehr angesprochen. Gefehlt hat mir ein wenig die Verbindung zwischen den Geschichten, denn neben dem Handlungsort Berlin findet man nur gelegentlich eine Figur, die einem vage aus einer anderen Erzählung bekannt vorkommt und die vergleichbar mit einem Wimpernschlag auch schon wieder entschwunden ist.

Das Buch hat bei mir wohlige Schauer des Gruselns ausgelöst. Es zeigt die Vielfalt einer Großstadt, die Bedeutung des Einzelnen und Flüchtigkeit des Moments. Gerne kann es mehr solcher Geschichten geben.

Veröffentlicht am 07.03.2017

Emotional mitnehmender Roman, der die Herzen der Leser berührt

Der Klang deines Lächelns
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Das Buch „Der Klang deines Lächelns“ von Dani Atins erzählt die Geschichte zweier Frauen, die zufällig in einer ungewöhnlichen, beide extrem belastenden Situation aufeinander treffen. Sie haben sich vor ...

Das Buch „Der Klang deines Lächelns“ von Dani Atins erzählt die Geschichte zweier Frauen, die zufällig in einer ungewöhnlichen, beide extrem belastenden Situation aufeinander treffen. Sie haben sich vor einigen Jahren kennengelernt, als ein Mann sich zwischen ihnen entschieden hat. Aber nun begegnen Ally und Charlotte sich als Besucher auf der Intensivstation eines Krankenhauses in London wieder und bangen um die Gesundheit ihrer Ehemänner.

Die einzelnen Abschnitte des Buchs nehmen die wunderschöne Gestaltung des Covers auf und zeigen als Übertitel neben der Kapitelanzeige Notenlinien mit Noten. Bezug nimmt die Aufmachung auf Ally, deren Leben von Musik durchzogen ist und durch die sie David, der inzwischen Charlottes Mann ist, kennengelernt hat. Hier deutet sich schon an, dass es für die beiden einen Grund gibt, warum sie keinen Kontakt gehalten haben. Doch das ist eine Geschichte, die sich erst aus den zahlreichen Rückblenden im Roman ergibt.

Zu Beginn des ersten Kapitels erzählt die Autorin wie es zum Aufeinandertreffen von Ally und Charlotte in der Klinik gekommen ist. Allys Ehemann Joe ist bei einer Rettungsaktion auf dem Eis eines Teichs eingebrochen und wird unterkühlt und im Koma liegend eingeliefert, während fast gleichzeitig David mit akuten Herzproblemen in der Klinik aufgenommen wird. Sowohl Ally wie auch Charlotte eilen besorgt ins Krankenhaus. Während die Ärzte alles erdenklich Mögliche zur Rettung der beiden Männer veranlassen, erinnern die beiden Frauen sich daran, wie sie ihre Ehemänner und einander kennengelernt haben.

Wie in ihren vorigen Büchern konfrontiert Dani Atkins den Leser zu Beginn des Romans wieder mit Fragen, was geschehen wäre, wenn man an einer bestimmten Stelle seines Lebens anders entschieden hätte. Mir zeigt das jedes Mal wie wichtig es ist, die richtige Entscheidung in bestimmten Situationen zu treffen. Aber zu wählen erscheint aufgrund der Umstände oft leicht und stellt sich später doch als so falsch heraus.

Die Charaktere, die die Autorin schafft wirken alle sympathisch. Sie gehören zu unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Ally kommt aus einfachen Verhältnissen, ihre Eltern sind schon älter und stehen in allen ihren Entscheidungen hinter ihr. Die Mütter von Charlotte und David möchten ihre Kinder bestmöglich in der Gesellschaft platzieren, damit ihr Status gesichert ist. Ihre Familien besitzen genügend Geld, damit sie sich jeden Wunsch erfüllen können, außer dem nach Gesundheit, was auch Charlotte bei ihrer Familienplanung erfahren muss. Statt also ein eher eifersüchtig darüber zu sein, was die beiden sich leisten können, habe ich sie vielmehr bedauert. Von David hätte ich mir mehr Selbstbewusstsein gewünscht sich, für seine Freundinnen einzusetzen. Jeder Figur habe ich das Glück gegönnt, weiterhin eine schöne Zukunft zu haben. Doch wer Dani Atkins schon einmal gelesen hat weiß, dass sie ihren Protagonisten tragische Schicksale nicht erspart. Obwohl mir bewusst war, dass die Autorin gerne aufwühlend und mitreißend, konnte ich mich auch diesmal der Wirkung nicht gänzlich entziehen und so habe ich mit den Charakteren mit gelitten und gehofft.

Ally und Charlotte erzählen ihren Part jeweils in der Ich-Form, was mir ermöglichte ihren Gedanken und Gefühlen zu folgen. War der Beginn des Buchs spannend, weil man noch nicht genau wusste, ob die beiden Hauptfiguren überleben würden, flachte der Spannungsbogen im mittleren Teil etwas ab, weil hier die Vergangenheit erzählt wurde und teilweise voraussehbar war. Doch dann kam eine unerwartete Wendung und bis zum Ende ließ die Autorin eine Sache offen und brachte die Erzählung zu einem überraschenden Schluss.

Auch mit ihrem dritten Roman gelingt es der Autorin die Herzen der Leser anzusprechen. Die Geschichte ist sehr gut konstruiert und durchaus realistisch. Wer gerne emotional mitnehmende Bücher liest ist hier richtig und denjenigen empfehle ich das Buch gerne weiter.