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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.05.2021

„Wir fotografieren, damit wir eine Rückfahrkarte zu einem Moment haben, der sonst verloren wäre.“ (Kathie Thurmes)

Die Frau auf dem Foto
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2018. Die Historikerin Erica kommt nach der Entdeckung von alten Fotos und Erinnerungsstücken auf die Idee, eine Ausstellung über das Lebenswerk der berühmten Fotografin Veronica Moon zu machen, die in ...

2018. Die Historikerin Erica kommt nach der Entdeckung von alten Fotos und Erinnerungsstücken auf die Idee, eine Ausstellung über das Lebenswerk der berühmten Fotografin Veronica Moon zu machen, die in den 1970er bis hin in die 80er Jahre sehr erfolgreich und mit Ericas Tante Leonie Barratt eng befreundet war. Zu diesem Zweck trifft sie sich einige Male mit Veronica, die inzwischen sehr zurückgezogen von der Öffentlichkeit lebt, um die Geschichten hinter den von ihr ausgewählten Fotos zu kennenzulernen. Dabei erfährt Erica auch über Veronicas Kampf für die Emanzipation und Gleichberechtigung von Frauen zur damaligen Zeit. Erica würde gerne auch noch mehr über ihre verstorbene Tante Leonie wissen, doch über die genauen Todesumstände Leonies schweigt sich Veronica aus. Ob Erica Veronica doch noch die Wahrheit erfahren und das Geheimnis um Leonie lüften wird?
Stephanie Butland hat mit „Die Frau auf dem Foto“ einen unterhaltsamen, historischen Roman vorgelegt, der nicht nur mit einer eindrucksvollen, tiefgründigen Geschichte, sondern auch mit herausragenden Protagonisten überzeugen kann. Der flüssige, bildgewaltige und anrührende Erzählstil lässt den Leser nicht nur eine Zeitreise antreten zurück in die wilden 60er Jahre, wo er auf Veronica Moon und Leonie Barratt trifft und nach und nach deren gemeinsame Geschichte erfährt, sondern gibt ihm auch mit der Gegenwart die Möglichkeit, die Ausstellungsvorbereitungen von Erica und Veronicas Erzählungen mitzuerleben. Durch wechselnde Perspektiven sowie zusätzlich eingefügte Stilmittel wie Leonis Kolumnen- und Veronicas Lehrbuchauszüge wird dem Leser die besondere Beziehung zwischen den beiden Frauen ebenso deutlich gemacht wie deren Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen, die bis heute nur in Trippelschritten erreicht wurde und noch lange nicht am Ziel angelangt ist. Spannend ist der Vergleich zwischen den Frauen von damals und heute allemal, denn obwohl sich auch in der Gegenwart viele Frauen aktiv dem Kampf für mehr Rechte widmen, hat sich in einem halben Jahrhundert erschreckend wenig für sie verändert, sie werden weiterhin meist von Männern dominiert, kurz gehalten und unterdrückt, ob beruflich oder privat. Das Geheimnis um Leonis Tod wird erst nach und nach aufgedeckt und hält den Leser ebenso bis zum Ende in Atem, wobei er genügend Zeit hat, gedanklich eigene mutmaßliche Szenarien zu entwickeln.
Die Charaktere sind lebendig und ausdrucksstark inszeniert, ihre menschlichen Eigenschaften wirken auf den Leser glaubwürdig und authentisch, so dass er ihre Lebenswege gern hautnah mitverfolgt. Veronica ist eine zurückhaltende und feinfühlige Frau, die mit ihrer künstlerischen Ader und dem Auge fürs Detail in den Bann zu ziehen vermag. Leonie dagegen ist eine Rebellin ohne Rücksicht auf Verluste, extrovertiert, frech, aufmüpfig und laut. Sie weiß ihre Worte wie Schwerter zu benutzen, so dass deren Wunden noch lange schmerzen. Erica ist ebenso intelligent wie ihre Tante Leonie, kann allerdings mehr Geduld aufbringen. Zudem steckt sie in der gleichen Falle wie die meisten Frauen, denn sie scheut Konflikte, um das zu bekommen, was ihr wie allen Frauen eigentlich rechtmäßig zusteht.
„Die Frau auf dem Foto“ ist nicht nur eine Hommage an all die Frauen, die sich tagtäglich für Gleichberechtigung und Frauenrechte stark machen, sondern unterhält mit einer spannenden Zeitreise und einer komplexen, gut durchdachten Geschichte. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 24.04.2021

"Like ice in the sunshine..." (Beagle Musik Ltd.)

Der Eissalon
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1957 Bonn. Die aus gutsituiertem Hause stammende 23-jährige Karina von Oedinghof hat sich einen ziemlichen Faux pas geleistet, als sie sich auf eine Affäre mit ihrem Lehrer einließ. Jetzt steht sie ohne ...

1957 Bonn. Die aus gutsituiertem Hause stammende 23-jährige Karina von Oedinghof hat sich einen ziemlichen Faux pas geleistet, als sie sich auf eine Affäre mit ihrem Lehrer einließ. Jetzt steht sie ohne Abschluss der Restaurantfachschule auf der Straße und muss sehen, wo sie bleibt. Ohne ihre Eltern über den Vorfall zu informieren, findet sie bei Kriegswitwe Erika ein Zimmer zur Untermiete, wo auch der Italiener Ricardo untergekommen ist und mit dem sie sich schon bald ein Gefecht liefert. Während Karina sich schnell in Ricardo verliebt, hat der nur seinen Traum vom eigenen Eissalon im Kopf. Um Ricardo näher zu kommen, unterstützt Karina seine Pläne, steuert sogar Ideen sowie Startkapital bei. Die Dinge nehmen Formen an, und alles könnte so schön sein, doch dann taucht plötzlich Karinas Vater auf und auch Ricardo hat noch eine Schlacht in Bezug auf seine Vergangenheit zu schlagen…
Anna Jonas hat mit „Der Eissalon“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der dem Leser den Zeitgeist der 50er Jahre wunderbar näher bringt, während er sich gemeinsam mit Karina und Ricardo ins Eisgeschäft wagt. Der flüssige, bildhafte und einnehmende Erzählstil katapultiert den Leser zurück in die Mitte des letzten Jahrhunderts, wo er sich plötzlich in alten gesellschaftlichen Strukturen wiederfindet, in denen die Frauenrolle klar als Hausfrau und Mutter definiert und Emanzipation noch ein Fremdwort war. Als unsichtbarer Schatten folgt der Leser der recht unkonventionellen Karina, die sich über die Ungerechtigkeit ärgert, sie als leichtes Mädchen abzustempeln und zum Verlassen der Schule zwingt, während der Lehrer mit einem blauen Auge davon kommt. In ihrer Vermieterin Erika findet sie nicht nur eine Freundin, sondern neben einem Zuhause macht sie auch noch die Bekanntschaft von Ricardo, mit dem sie schon bald einige Gemeinsamkeiten hat und Zukunftspläne in ihr wachsen lassen. Die Autorin fängt mit schön gezeichneten Bildern die damalige Zeit ein, lässt den Leser nicht nur die aufstrebenden Träume und Ziele der Menschen 12 Jahre nach Ende des Krieges miterleben, sondern bietet ihm auch Schicksale unterschiedlicher Protagonisten an, von denen jeder für sich mit Vorurteilen der Gesellschaft zu kämpfen hat.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt, glaubwürdige menschliche Eigenschaften machen es dem Leser leicht, sich ihnen anzuschließen und ihnen bei ihren Unternehmungen über die Schulter zu sehen. Karina ist eine verwöhnte Tochter aus reichem Hause, die sich keine Grenzen aufzeigen lassen und ihr eigenes Ding durchziehen will. Sie ist mutig, etwas stur, dafür aber eine ehrliche Haut, die versucht, sich der Bevormundung ihrer Familie endlich zu entziehen. Ricardo wirkt auf den ersten Blick wie der typische italienische Macho, doch er besitzt Herz, Mut und vor allem Ideenreichtum, um mit seinen Eiskreationen die Menschen zu verzücken. Erika ist eine Kriegswitwe, die sich durch die Untervermietung etwas für ihren Lebensunterhalt verdient. Sie ist warmherzig, fürsorglich und bietet ihren Mietern Familienanschluss. Dabei hat sie es selbst nicht leicht und hat unter Vorurteilen der Gesellschaft zu leiden. Aber auch Karinas Eltern sowie Franziska prägen mit ihren Auftritten diese Geschichte.
„Der Eissalon“ ist zwar eine vorhersehbare Geschichte, bietet jedoch mit der passenden musikalischen Untermalung sowie Liebe, Familie und 50er Jahre-Feeling eine kurzweilige und unterhaltsame Auszeit vom Alltag. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 22.04.2021

"Es ist die Wahl, nicht der Zufall, der Dein Schicksal bestimmt." (Jean Nidetch)

Grenzgängerin aus Liebe
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Die 21-jährige Sophie Becker lebt in Weimar und ist nun die Geliebte des 15 Jahre älteren verheirateten DDR-Funktionärs Karsten Brettschneider, den sie bei einem Tanzabend kennengelernt hat. In ihrem Urlaub ...

Die 21-jährige Sophie Becker lebt in Weimar und ist nun die Geliebte des 15 Jahre älteren verheirateten DDR-Funktionärs Karsten Brettschneider, den sie bei einem Tanzabend kennengelernt hat. In ihrem Urlaub an Bulgariens Goldstrand trifft Sophie auf Hermann, der aus Westdeutschland kommt und ihr schon bald Avancen macht, die Sophie nicht nur schmeicheln, sondern auch einiges an Gefühlen in ihr hervorrufen. Sophie steht auf einmal zwischen den Stühlen und stellt mutig einen Ausreiseantrag, der sie zu Hermann in den Westen bringen soll. Als sie in Bielefeld am Bahnhof ankommt, wird sie allerdings von Hermanns Eltern, die ein Hotel führen, in Empfang genommen, denn er selbst hat beruflich im Ausland zu tun. Sophie fühlt sich schon bald nicht mehr wohl, vermisst ihre Heimat Weimar und vor allem Karsten, der sie weiterhin umwirbt und ihr eine Rückkehr zu ihm nahelegt. So beschließt Sophie, Westdeutschland den Rücken zu kehren und zurück in den Osten zu gehen, was für sie nicht ohne Folgen bleibt…
Hera Lind hat mit „Grenzgängerin aus Liebe“ einen unterhaltsamen und gleichsam spannenden Roman vorgelegt, in dem sie sich erneut einem wahren Schicksal zugewandt hat. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil nimmt den Leser mit in die Deutsch-Deutsche Vergangenheit, wo er Sophie kennenlernt, die sich nicht nur im Widerstreit mit ihren Gefühlen befindet, sondern auch durch die Hölle gehen muss. Die Handlung wird aus der Sicht von Sophie erzählt, so dass man als Leser das Gefühl hat, mit ihr an einem Tisch zu sitzen und atemlos ihrer Geschichte zu lauschen. Der Handlungszeitraum erstreckt sich von 1974 bis 2020 und lässt den Leser nicht nur gemeinsam mit Sophie die gesamte Klaviatur des Gefühlsbarometers erleben, sondern durch den von der Autorin akribisch recherchierten und mit der Geschichte verwebten Hintergrund bekommt er auch einen Einblick in die menschenverachtenden Methoden, die damals in der DDR angewandt wurden, um Menschen gefügig zu machen oder zu bestrafen. Einerseits ist es gut nachvollziehbar, dass Sophie sich nach einem Leben in Freiheit sehnt, auch ihr Heimweh ist verständlich, doch ihre Entscheidung, in die DDR zurückzugehen ruft nur ein Kopfschütteln hervor, zumal ihr schon bei den Schwierigkeiten für die Antragstellung der Ausreise klar gewesen sein muss, was ein Weg zurück für sie bedeuten muss. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen einen Weg aus dem Osten gesucht haben, kann man Sophies Beweggründe umso weniger verstehen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt worden. Mit ihren glaubwürdigen menschlichen Ecken und Kanten wirken sie authentisch und geben dem Leser die Möglichkeit sich an ihre Fersen zu heften und ihr Schicksal hautnah mitzuerleben. Sophie ist eine junge Frau, die noch an Liebe und Freiheit glaubt. Sie ist nicht nur sehr naiv, sondern in ihren Entscheidungen auch recht wankelmütig, gibt zu schnell auf und muss dann durch eine harte Schule, bei der sie erwachsen wird. Hermann erweist sich als freundlicher und ehrlicher Mann, der alles für Sophie tun würde. Karsten ist regimetreu und denkt nur an seinen eigenen Vorteil, das Schicksal der anderen ist ihm egal. Aber auch Sophies Schwester nebst Ehemann sind aus einem harten Holz geschnitzt.
„Grenzgängerin aus Liebe“ ist eine spannende und gefühlvolle Geschichte anhand einer wahren Biografie, die nicht nur eine Zeitreise ins letzte Jahrhundert erlaubt, sondern auch das geteilte Deutschland gut von beiden Seiten aufgreift. Alle, die gern Schicksalsromane lesen, werden hier gut unterhalten. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.04.2021

Aufgeben ist keine Option

Ewig Zweiter
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Der abgehalfterte unbekannte Schauspieler Stephen McQueen hat im Job nicht gerade eine Glückssträhne, denn er endet in den Produktionen meist als Leiche oder Randfigur mit sehr wenig Text. Dabei sind diese ...

Der abgehalfterte unbekannte Schauspieler Stephen McQueen hat im Job nicht gerade eine Glückssträhne, denn er endet in den Produktionen meist als Leiche oder Randfigur mit sehr wenig Text. Dabei sind diese Erfahrungen gar nicht so schlecht, lernt er doch so einiges, das gerade für sein Umfeld ganz nützlich ist. Aber er wünscht sich nichts mehr als Erfolg, Ruhm und Ehre, die leider auf sich warten lassen. Als Zweitbesetzung des bekannten Schauspielers Josh Harper wartet er am Theater unermüdlich auf seinen Einsatz, sollte Harper doch mal ausfallen. Bis jetzt lässt das allerdings auf sich warten, dafür begegnet ihm in Josh Frau Nora die Liebe…
David Nicholls hat mit „Ewig Zweiter“ nicht nur einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, sondern mit seinem Titel auch noch den Nagel auf den Kopf getroffen. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser in die Welt des Theaters ein, wo er eine Weile als Stephens unsichtbarer Begleiter fungiert und dessen Leben kennenlernt. Das Buch entstammt Nicholls‘ Anfängen, lässt aber sein Talent für spritzige Dialoge und die Mischung aus Komik und Tragik gut hervorblitzen. Auch sein gewähltes Setting am Theater weiß er mit eingestreuten Zitaten und Regieanweisungen zu untermalen, so dass die Geschichte die dort herrschende Aura gut transportiert. Als Leser Stephen zu folgen, ist auf einer Seite etwas deprimierend, andererseits spiegelt es das wirkliche Leben sehr gut wieder und gerade das macht den Reiz der Handlung aus. Stephen spielt immer nur die Notbesetzung oder steht in Parkposition, falls jemand ausfallen sollte. Seine Ex-Frau hat sich einen erfolgreicheren Mann gesucht, dafür liebt ihn seine kleine Tochter Sophie umso mehr. Irgendwie ist er eine tragische Figur, doch lässt er sich nicht unterkriegen und ist als verkappter Optimist fast schon mit dem alten HB-Männchen vergleichbar. Man möchte ihm ständig beistehen, ihn vorwarnen oder zu seinem Glück verhelfen und merkt dabei gar nicht, dass man ihm als Leser immer näher kommt und ihn fast schon wie einen alten Freund betrachtet. Nicholls versteht sich sehr gut darauf, seine Protagonisten mit viel Authentizität und Menschlichkeit auszustatten, so dass sie wie Personen wirken, denen man tagtäglich begegnet. Während man Seite an Seite mit Stephen durch Höhen und Tiefen schreitet, kommt es am Ende doch noch zu einer Überraschung.
Die Charaktere sind lebendig und greifbar gestaltet, mit menschlichen Attributen ausgestattet wissen sie den Leser glaubhaft zu überzeugen, der sich vor allem dem Hauptakteur verbunden fühlt. Stephen ist ein gutmütiger und oftmals naiv wirkender Mann, der noch Wünsche und Träume hat und beharrlich daran festhält. Sein Umfeld hält ihn für einen Verlierer, dem man herumschubsen und ansonsten übersehen kann, doch seine chaotische Art gepaart mit Unsicherheit und einer gewissen Ignoranz machen ihn liebenswert. Tochter Sophie ist sein Lichtblick und lässt ihn an der Hoffnung festhalten, dass auch für ihn das Glück noch kommen wird.
„Ewig Zweiter“ ist eine tragisch-komische Lebensgeschichte, in der sich viele wiedererkennen werden, nämlich all die Träumer, die sich mit dem wahren Leben herumschlagen. Und wer von uns gehört nicht dazu? Verdiente Empfehlung!

Veröffentlicht am 18.04.2021

Gelungener Auftakt mit Inselflair

Der Kaffeegarten. Salz im Wind
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1914. Die Schwestern Matei und Elin haben in Keitum auf Sylt beim Kapitäns-Ehepaar Hansen ein gutes Zuhause gefunden, nachdem ihre Eltern bei einer Sturmflut ums Leben kamen. Als Paul Hansen stirbt, haben ...

1914. Die Schwestern Matei und Elin haben in Keitum auf Sylt beim Kapitäns-Ehepaar Hansen ein gutes Zuhause gefunden, nachdem ihre Eltern bei einer Sturmflut ums Leben kamen. Als Paul Hansen stirbt, haben alle an seinem Tod schwer zu tragen, ebenso schlimm ist allerdings auch, dass keinerlei Geld mehr da ist, da Paul in ein Unternehmen investiert hat, das bankrott ging. Gemeinsam mit Ziehmutter Anna sind sie gezwungen, ihren Lebensunterhalt irgendwie zu bestreiten, deshalb vermieten sie in dem alten Haus Zimmer an Urlauber und Künstler. Die Idee, die Gäste mit eigenen Backleckereien im dafür gestalteten Kaffeegarten zu verwöhnen, erweist sich recht schnell als erfolgreicher Schachzug. Allerdings währt das Glück über die positive Wendung nicht lang, als der Erste Weltkrieg ausbricht…
Anke Petersen hat mit „Der Kaffeegarten-Salz im Wind“ den Auftaktband ihrer neuen Kaffeegarten-Trilogie vorgelegt, die nicht nur einiges an Inselfeeling mitbringt, sondern auch mit einer gefühlvollen Geschichte unterhalten kann. Der flüssige, detaillierte und bildhafte Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise ins letzte Jahrhundert antreten, um sich dort im Hansen-Haushalt auf Sylt einzunisten und dessen Bewohnerinnen bei ihrem Leben auf Schritt und Tritt zu folgen und ihre jeweilige Gefühls- und Gemütslage schnell zu erfassen. Plötzlich unvermögend sind zündende Ideen gefragt, damit die drei Frauen ein Auskommen haben. Die Einrichtung des Kaffeegartens wird ebenso farbenfroh beschrieben, wie die Sylter Landschaft, die zu Strandspaziergängen einlädt, um sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Die Autorin hat ihre Geschichte nicht nur mit gut recherchiertem historischem Hintergrund versehen, sondern vermittelt dem Leser auch die Feinheiten des Insellebens und der dort verankerten Bewohner. Die Geschichte erstreckt sich über die Jahre 1914 bis 1918 und beinhaltet den Zeitraum des Ersten Weltkrieges, dessen Auswirkungen auch vor den Inselbewohnern nicht Halt machen, denn nicht nur die Gäste bleiben der Insel fern, auch Lebensmittelknappheit sowie der eine oder andere Verlust trifft so manchen. Gerade die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander werden von der Autorin sehr gut in Szene gesetzt und zeigen auf, wie schnell sich ein gutes Blatt in ein schlechtes verwandeln kann.
Die Charaktere wurden liebevoll ausgestaltet und mit individuellen Ecken und Kanten versehen, die sie dem Leser näher bringen und ein Mitbangen, Mithoffen und Mitfiebern erleichtern. Matei und Elin erscheinen wie eine eingeschworene Einheit, haben sie doch schon in jungen Jahren einen herben Schicksalsschlag verkraften müssen. Matei ist eine sympathische junge Frau, der das Leben einiges abverlangt, doch sie lässt sich nicht unterkriegen, was ihr zusätzlich Stärke verleiht. Elin dagegen wirkt oftmals optimistischer als ihre Schwester, zeitweilig ist sie aber auch noch sehr naiv, was sich im Verlauf der Handlung verwischt. Anna ist eine liebenswerte Frau, die Wärme und Herzlichkeit ausströmt und dem Leben die Stirn bietet. Aber auch die Inselbewohner tragen mit ihrer dialektgefärbten Sprache und ihren Auftritten zur Farbigkeit der Geschichte bei.
„Der Kaffeegarten-Salz im Wind“ ist ein gelungener historischer Trilogie-Auftakt vor bildhaftem Inselsetting, der schon jetzt die Neugier auf den Fortlauf der Geschichte schürt. Sehr kurzweilig und unterhaltsam zu lesen, ist hier eine Leseempfehlung mehr als verdient!