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Veröffentlicht am 30.04.2021

Brutaler Thriller, teilweise langatmig

Der Kastanienmann
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Um den Thriller „Der Kastanienmann“ bin ich lange herumgeschlichen. Was mich zögern ließ, war der etwas einschüchternde Umfang von 600 Seiten. Da die Geschichte nun verfilmt wird, habe ich dem Buch endlich ...

Um den Thriller „Der Kastanienmann“ bin ich lange herumgeschlichen. Was mich zögern ließ, war der etwas einschüchternde Umfang von 600 Seiten. Da die Geschichte nun verfilmt wird, habe ich dem Buch endlich eine Chance gegeben und es hat mir im Großen und Ganzen gut gefallen.
Soren Sveistrup liefert solide Spannung, die mich zwar nicht von den Socken gehauen hat aber stark genug war, um mich auch bei teilweise langatmigen Stellen bei der Stange zu halten. Die Kapitel sind sehr kurz, tatsächlich gibt es 130 Stück, was dazu animiert, dass man immer noch schnell ein paar Seiten liest, obwohl man eigentlich bereits keine Zeit mehr hat.
Der Kriminalfall ist nichts für zartbesaitete Leser. In Kopenhagen werden nacheinander mehrere Frauenleichen gefunden, denen Hände bzw. Füße bei lebendigem Leib abgetrennt wurden. Als Vorlage für diese Verstümmelungen dienen Kastanienmännchen. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass die Kinder der Frauen Verwahrlosungen bzw. Missbrauch ausgesetzt waren.
In seiner Brutalität ist der Fall definitiv nicht ohne und die Detailliertheit stößt an manchen Stellen ab. Alles passiert innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne, trotzdem kam es mir teilweise so vor, als wenn die Ermittlungen ewig dauern. Das leitende Team besteht aus Nalia Thulin, die den Wechsel in eine andere Abteilung anstrebt und Marc Hess, der genauso wenig an diesem Ort sein möchte, sondern seine Rückkehr zu Europol kaum erwarten kann. Dennoch entwickelt er nach kurzer Zeit eine Besessenheit mit dem Kastanienmann und einem vermeintlich abgeschlossenen Fall um eine verschwundene Politikertochter. Hätte Hess sich nicht so verbissen, wäre dieser Fall vermutlich nie aufgeklärt worden, denn alle anderen Ermittler sind eher halbherzig bei der Sache und nur an einem schnellen Abschluss interessiert.
Der Täter selbst bleibt lange im Dunkeln, es gibt auch keine Kapitel, die aus seiner Sicht geschrieben sind. Ich konnte mir tatsächlich lange nicht vorstellen, wer der Mörder ist und hatte erst im letzten Drittel eine Vermutung, die sich allerdings als falsch herausgestellt. Mir hat sehr gefallen, dass es dem Autor gelungen ist, mich so lange rätseln zu lassen.
Auf den letzten 150 Seiten gewinnt die Handlung ordentlich an Fahrt und wird so spannend, wie ich es mir für das komplette Buch gewünscht hätte.
Es ist nun zwei Jahre her, dass „Der Kastanienmann“ erschienen ist. Ich weiß nicht, ob eine Fortsetzung geplant ist, fände es allerdings schön, wenn Thulin und Hess eine weiteres Mal aufeinander treffen würden.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Gesellschaftskritik

Drei Kameradinnen
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„Drei Kameradinnen“ ist geschrieben wie ein langer Brief. Ohne Unterteilungen in Kapitel berichtet die Ich-Erzählerin Kasih dem Leser von ihrer langen und intensiven Freundschaft mit Hani und Saya und ...

„Drei Kameradinnen“ ist geschrieben wie ein langer Brief. Ohne Unterteilungen in Kapitel berichtet die Ich-Erzählerin Kasih dem Leser von ihrer langen und intensiven Freundschaft mit Hani und Saya und all den Steinen, die den drei jungen Frauen immer wieder in den Weg geworfen werden.
Dabei springt die Geschichte zwischen Gegenwart, später Kindheit und Teenagerzeit hin und her, ohne sich an eine chronologische Reihenfolge zu halten. Verschiedenste Erinnerungsfetzen sprudeln aus Kasih heraus und sie teilt alles ungefiltert mit. Dabei spricht sie den Leser immer wieder direkt an. Ich empfand den Erzählstil als sehr bildhaft und lebendig und dass, obwohl die Autorin viele Details, die man in einem Roman erwartet, auslässt. Zum Beispiel erfährt man nie, aus welchem Land die Protagonistinnen stammen (es wird nur vom „anderen Land“ gesprochen), in welchem Ort das Ganze spielt und auch die Jahreszahlen kann man nur an Hand der beschriebenen Szenarien grob schätzen. Dies ist eine sehr eigenwillige Art des Erzählens. Auch spielt die Autorin mit den Grenzen von Fantasie und Wahrheit. Man kann sich nie ganz sicher sein, was tatsächlich Kasihs Erinnerungen entspringt und was sie sich gerade ausgedacht hat. Ich verstehe es so, dass es hier nicht um Kasih, Hani und Saya im Speziellen geht, sondern dass diese fiktiven jungen Frauen stellvertretend stehen für all die Menschen, die in Deutschland ein neues Zuhause suchen und täglich mit Rassismus, Ausgrenzungen und Vorurteilen wegen ihrer Herkunft konfrontiert sind.
„Drei Kameradinnen“ macht nachdenklich. Hier werden Personen beschrieben, denen Chancen genommen bzw. gar nicht erst gegeben werden, weil sie pauschal abgestempelt und in Schubladen geschoben werden. Diese Ungerechtigkeit ist unglaublich traurig.
Mir fällt es verhältnismäßig schwer, diesen Roman zu rezensieren, da ich mir wünschte, ich könnte mich genauso intelligent ausdrücken wie Shida Bazyar.
Das zentrale Thema sind Vorurteile aufgrund der eigenen Herkunft. Interessant ist hier, dass die Ich-Erzählerin Kasih sich im Grunde genauso verhält, wie sie es ihr ganzes Leben lang erfahren hat. Denn während sie ihr Schicksal beschreibt, steckt sie ebenfalls alle Deutsche und alle Migranten in eine Schublade. Rassismus ist ein großes Problem unserer Gesellschaft. Dennoch bin ich überzeugt, dass nicht alle Deutschen Rassisten sind sowie es auch Migranten gibt, die in Deutschland oder anderen Ländern beruflich erfolgreich sind. Ansonsten wäre die Welt ein Ort ohne Hoffnung.
Für mich ist „Drei Kameradinnen“ eine Form von Kunst, die mit kraftvoller, intelligenter Sprache provoziert und durch eine überspitzte Zeichnung auf die oft verleugneten Schattenseiten unserer Gesellschaft hinweist.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Anders als erwartet

Die Frau vom Strand
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Zunächst einmal großes Lob an den Verlag! Da ich es hasse, wenn ein Klappentext zu viel verrät oder gar den halben Roman zusammenfasst, hat mich bei „Die Frau vom Strand“ begeistert, dass sich dieses ...

Zunächst einmal großes Lob an den Verlag! Da ich es hasse, wenn ein Klappentext zu viel verrät oder gar den halben Roman zusammenfasst, hat mich bei „Die Frau vom Strand“ begeistert, dass sich dieses Buch ganz anders entwickelt, als ich vermutet hätte.
Es beginnt so, wie man nach dem Lesen des Klappentextes erwartet hätte. Wir lernen Rebecca kennen, die in der Ich-Form von der Begegnung mit einer mysteriösen Frau erzählt, die genauso plötzlich verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Das Besondere hier ist, dass Rebecca den Leser regelmäßig direkt anspricht.
Irgendwie hatte ich angenommen, dass wir das komplette Buch über Rebecca begleiten. Die Geschichte macht allerdings nach ca. 80 Seiten einen Schnitt und wird zu einem Polizeikrimi. In den Fokus rücken Kriminalkommissarin Ella Timm und ihr Team, die in einem Mordfall ermitteln.
Es geht also um Zeugenbefragungen, Sammlungen von Indizien und Verhöre. Obwohl ich mit komplett anderen Erwartungen an „Die Frau vom Strand“ herangegangen bin, konnte mich auch diese Art des Erzählens begeistern, insbesondere, da ich die Atmosphäre in dem kleinen Ort am Meer sehr ansprechend fand.
Wir haben einen ziemlich kleinen Kreis an Personen und es ist klar, dass unter ihnen mindestens einer etwas zu verbergen hat. Ella Timm kämpft sich durch und ihre Suche nach Antworten ist meistens interessant, hat allerdings auch ein paar Längen.
Die Auflösung war an manchen Stellen durchaus überraschend, anderes hatte ich mir bereits selbst zusammengereimt. Der Fall überrascht durch Kaltblütigkeit und Ausgefuchstheit hat, die nicht so ganz zu den beschriebenen Charakteren zu passen scheint, aber in einem Thriller muss ja nicht immer alles realistisch sein.
Vor diesem Buch kannte ich Petra Johann noch nicht, aber nach „Die Frau vom Strand“ habe ich auf jeden Fall vor, einen weiteren Krimi von ihr zu lesen.

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Veröffentlicht am 10.04.2021

Hätte spannender sein können

Leichenblume
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Da ich ein Fan von skandinavischen Krimis bin, war es quasi ein Muss für mich, mir den Auftakt von Anne Mette Hancocks neuer Serie genauer anzuschauen.
Das Buch ist mit 360 Seiten nicht sonderlich dick, ...

Da ich ein Fan von skandinavischen Krimis bin, war es quasi ein Muss für mich, mir den Auftakt von Anne Mette Hancocks neuer Serie genauer anzuschauen.
Das Buch ist mit 360 Seiten nicht sonderlich dick, die Kapitel sind kurz, mit vielen Leerseiten, so dass ich den Thriller ziemlich schnell durchgelesen hatte. Hinzu kommt ein sehr flüssiger und angenehmer Schreibstil, der mich gut unterhalten hat.
Die Hauptprotagonistin von „Leichenblume“ ist die Investigativjournalistin Heloise Kaldan, die kryptische Briefe von einer flüchtigen Mörderin erhält. Heloise beginnt Fragen zustellen und bringt sich dabei selbst in Gefahr.
Grundsätzlich hat mir dieses Buch gut gefallen. Die ominösen Briefe waren auf jeden Fall eine gute Idee und ich war sehr gespannt, welche Verbindung zwischen Heloise und der gesuchten Anna Kiel besteht.
Beim Lesen war mir zu keiner Zeit langweilig. Richtig gefesselt war ich allerdings leider auch nicht. Was ich definitiv vermisst habe, war mehr Spannung. Die komplette Geschichte kommt ziemlich unaufgeregt daher und kratzt viele Themen an, ohne wirklich in die Tiefe zu gehen. Es war auch lange kein roter Faden ersichtlich. Geht es hier nun um den alten Mord, um die Vergangenheit von Heloise oder um ihre Verbindung zu Anna?
Am Ende löst sich dann alles in einer für mich unbefriedigenden Weise auf. Schade auch, dass die Sache mit der Leichenblume, die sogar namensgebend für das Buch fungierte, so ins Leere läuft.
Ich finde es oft suboptimal, wenn auf einem Cover Vergleiche mit anderen Autoren gezogen werden, da dadurch die Erwartungshaltung viel zu hoch geschraubt wird. Mit den Thrillern von Jussi Adler Olsen hat „Leichblume“ definitiv überhaupt keine Ähnlichkeit.
Insgesamt war es für mich ein solider Thriller, dessen Fortsetzung ich sicherlich ebenfalls lesen werde.

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Veröffentlicht am 02.04.2021

Packender 20er Jahre Roman

Polizeiärztin Magda Fuchs – Das Leben, ein ewiger Traum
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Nach zwei schweren Schicksalsschlägen wagt die junge Ärztin Magda einen Neuanfang in Berlin. Als Polizeiärztin betritt sie eine Domäne, in der vor allem Männer das Sagen haben und ihr lediglich zutrauen, ...

Nach zwei schweren Schicksalsschlägen wagt die junge Ärztin Magda einen Neuanfang in Berlin. Als Polizeiärztin betritt sie eine Domäne, in der vor allem Männer das Sagen haben und ihr lediglich zutrauen, sich um Frauen oder verwahrloste Kinder zu kümmern.
„Das Leben, ein ewiger Traum“ ist der Auftakt einer Trilogie mit der jungen Magda im Zentrum. Wiederkehrende Figuren, die ebenfalls eine größere Bedeutung in dem Roman bekommen sind die naive Doris, die unbedingt Schauspielerin werden will und Celia, die behütet aufgewachsen ist und deren arrangierte Ehe zum Fiasko wurde.
Dies ist eins dieser Bücher, welches den Leser in die Geschichte hineinsaugt, so dass man meint, die beschriebenen Ereignisse mit eigenen Augen zu sehen. Wie ein Film lief die Handlung vor mir ab und ich habe gerne längere Zeit am Stück in dem Roman gelesen.
Helene Sommerfeld (ein Pseudonym für ein Autorenehepaar) beschreibt anschaulich die harten Kontraste im Berlin der 1920er Jahre. Während einerseits die Leute wieder ihren Wohlstand genießen, auf dem Kurfürstendamm flanieren und shoppen gehen, gibt es auf der anderen Seite auch sehr viele Leute, die in Armut und Elend leben. Die Geschichte legt hier insbesondere den Fokus auf das Schicksal der Kinder. Manches Szenario hat mich sehr erschüttert. Kinder, die nur gezeugt wurden um an den Meistbietenden verkauft zu werden, Frauen, die gegen Bezahlung Säuglinge verhungern lassen oder Kleinkinder, die gezwungen werden, zu betteln bzw. Leute zu bestehlen. Diese Zustände machen sehr betroffen.
Magda ist kein übertrieben liebenswerter Charakter doch sie hat das Herz auf dem rechten Fleck. Sie setzt sich für Gerechtigkeit ein und versucht zu helfen, wo sie nur kann. Sie kommt als fremde in eine neue Stadt und schließt schnell neue Bekanntschaften, mit den sie ein Netzwerk aufbaut.
Die Anzahl der Personen, die in diesem Roman vorkommen, ist sehr hoch, wodurch die Geschichte über die kompletten 530 Seiten abwechslungsreich bleibt. Die Handlung bleibt ständig in Bewegung ohne Verschnaufpause. Auch neue Liebschaften spielen eine Rolle.
Für meinen Geschmack wurde allerdings zu viel berlinert. Es ist zwar alles gut verständlich, aber da ich nicht gerne Dialekt lese (oder höre) hat es mich stellenweise ein wenig genervt.
Es gibt immer wieder Ausflüge in die armen Wohngegenden zu Leuten, die um ihr Überleben kämpfen müssen. Ich hätte es schön gefunden, wenn wir der ein oder anderen sympathischen Person begegnet wären, mit der ich hätte Mitleid haben können. Die armen Leute wurden allerdings durch die Bank weg als skrupellos und frei von jeglichen Emotionen dargestellt. Das fand ich schade.
Von diesen Kritikpunkten einmal abgesehen hat mir „Das Leben, ein ewiger Traum“ gut gefallen. Der letzte Absatz ist ein fieser Cliffhanger und ich warte nun gespannt auf die Fortsetzung, die für Oktober angekündigt ist.

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