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Veröffentlicht am 17.05.2021

Sehr vergnüglicher, brillant geschriebener und typisch englischer Cozy-Crime!

Der Donnerstagsmordclub (Die Mordclub-Serie 1)
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Richard Osman nimmt seine LeserInnen bei seinem höchst vergnüglich zu lesenden "Donnerstagsmordclub" mit in ein luxuriöses Seniorenheim in der englischen Grafschaft Kent: In "Coopers Chase" residieren ...

Richard Osman nimmt seine LeserInnen bei seinem höchst vergnüglich zu lesenden "Donnerstagsmordclub" mit in ein luxuriöses Seniorenheim in der englischen Grafschaft Kent: In "Coopers Chase" residieren die agil gebliebenen Clubmitglieder, die man im Verlaufe des Krimis besser kennen (und lieben)lernt...

Joyce, sanftmütig, unauffällig,schwatzhaft aber auch ausgleichend und freundlich schreibt die aktuellen Ereignisse der Ermittlungen in Tagebuchform auf, die der Leser damit verfolgen kann. Elizabeth, eine toughe Ex-Geheimagentin und gut vernetzt, zieht immer die richtigen Fäden. Ron, der Ex-Gewerkschaftler, mag Publikum und glaubt niemandem ein Wort, das an ihn gerichtet ist. Ibrahim, früher (und auch noch jetziger?) Psychiater, der morgens gerne in seinen alten Akten wühlt und analytisch dem Team zur Seite steht - sie alle treffen sich regelmäßig im Puzzle-Stübchen des Seniorenheimes, um alte Fälle neu aufzurollen.

Als klar wird, dass Ian Ventham, äußerst geschäftstüchtiger Besitzer der Luxus-Anlage, vergrößern will und mehrere Projekte am Laufen hat, werden "die Mumien", so Ventham, (nach außen hin) ein Mitspracherecht bekommen. Nach der Sitzung beobachten die Clubmitglieder eine Auseinandersetzung zwischen Ventham und seinem Mitarbeiter (und Mitinhaber der Firma) Tony Curran. Kurz darauf wird Tony in seinem Haus nahe Coopers Chase tot aufgefunden - Fremdeinwirkung!

Dieses Ereignis lassen sich unsere sympathischen HauptprotagonistInnen nicht entgehen und es gelingt Ihnen, mit der ansässigen Polizei - hier in persona von DI Chris Hudson und PC Donna de Freitas - zusammenzuarbeiten: Der Kooperation muss natürlich nachgeholfen werden (für Elizabeth eine ihrer leichtesten Übungen), aber am Ende ist sie für beide Seiten sehr lohnenswert .

So ermitteln zum Einen das Team Hudson/De Freitas und zum anderen der Club: Osman legt so einige falsche Fährten und immer, wenn man denkt, nun erkennt man den Mörder, tun sich ungeahnte Wendungen auf: Warum sitzt Bernard Cottle jeden Tag auf der Friedhofsbank? Hat er etwas zu verbergen? Und wieso reist Pater Mackenzie (der eigentlich gar kein Pater ist, wie sich herausstellen sollte), an, um den "Garten der Ruhe" zu beschützen, der zu Coopers Chase gehört?

Die Sit-Ins der Alten, die Ermittlungen selbst und vor allem der äußerst trockene britische Humor des Autors machen den Donnerstagsclub zu einem wahren Lesevergnügen. Als ein weiterer Mord geschieht, ist der Club umso mehr auf den Plan gerufen - und immer einen Tick schneller als die Polizei!
Trotz harter "Knochenarbeit" gelingt es unseren Helden, die Fälle aufzuklären und die Schlussworte von Joyce geben Hoffnung, Elizabeth, Ron, Ibrahim und Joyce wieder zutreffen - letztere will uns natürlich (sie kann gar nicht anders) "auf dem Laufenden halten"....

Der witzige und dennoch ernste Kriminalroman hat zwei Teile und kurze Kapitel sorgen u.a. dafür, dass der Spannungsbogen (und die Lachmuskulatur durch die humorvolle Ausdrucksweise) konstant oben bleiben.

Fazit:

Ein wirklich vergnüglicher, humorvoller und köstlich geschriebener (und übersetzter) Cozy-Crime mit einem respektablen und sehr liebenswerten Team von Senioren, die noch lange nicht zum "alten Eisen" gehören dürften und die der Polizei immer um eine Nasenlänge voraus ist. Meine absolute Leseempfehlung und 5 von 5* am (Cozy-)krimifirmament!

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Veröffentlicht am 07.05.2021

Warten auf Eliza

Warten auf Eliza
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"Warten auf Eliza" von Leaf Arbuthnot, einer englischen Journalistin und Literaturkritikerin, erschien in deutscher Übersetzung von Christiane Burkhardt im Diana-Verlag, (Penguin Rendomhouse, 2021, brosch.). ...

"Warten auf Eliza" von Leaf Arbuthnot, einer englischen Journalistin und Literaturkritikerin, erschien in deutscher Übersetzung von Christiane Burkhardt im Diana-Verlag, (Penguin Rendomhouse, 2021, brosch.). Für mich ist die Autorin eine Neuentdeckung und ich hoffe, noch weitere Werke aus ihrer Feder lesen zu können, da sie mir schöne und zuweilen sehr humorvolle Lesestunden beschert hat.

Oxford, im Jahr des Brexit Referendums, 2016:

Ada, eine über 70jährige Witwe, fühlt sich nach dem Tod ihres Mannes Michael, einem angesehenen Literaturwissenschaftler der italienischen Fakultät Oxford, einsam und ist unglücklich: Sie merkt, dass sie "frischen Wind" in ihr Leben lassen muss, um eine positive Veränderung zu erreichen und gründet nach einem misslungenen Versuch als Kellnerin im Lieblingscafé ein start-up: In "rent-a-gran" stellt sie ihre Kompetenzen und Lebenserfahrungen ihren Kunden zur Verfügung, von denen wir später einige "kennenlernen" sollen (und die mich sehr zum Lachen brachten :). Bevor Michael Karriere machte, schrieb Ada erfolgreiche Lyrik und ihre Gedichte wurden gerne gelesen. Ob sie es noch einmal versuchen sollte? Und ob sich Menschen überhaupt für ihre Lyrik interessieren? (Warten wir es ab)...

Eliza, Mitte 20, eine Studentin am italienischen Institut der Uni in Oxford, will nach ihrem Studium in Bath promovieren. Ihr Thema ist Primo Levi. Während sie anfangs begeistert ist, jedoch an der Uni eher ein Underdog ist und ihre Kontakte sich über den Austausch des Mittagessens kaum herausbewegen, zweifelt sie - auch durch ihre Trennung von Ruby, ihrer Freundin, deren Verlust sie noch nicht überwinden konnte, an ihren Studienabsichten. Sie enttäuscht eine Weile ihren Tutor Mr. Baleotti und versucht ihrerseits, ihrer Einsamkeit in einigen one-night-stands zu entfliehen: Ohne Erfolg....

Als Eliza Paola und Leslie kennenlernt, die sich für die Pro EU-Aktionsgruppe engagieren, teilt sie mit Paola zusammen Flugblätter aus und steht vor der gelben Tür, hinter der Ada wohnt: Eliza wohnt in einem Haus, das gerade kernsaniert wird, direkt gegenüber. Im Gegenzug zum "Remain" flyer gibt Ada den beiden jungen Frauen ihr Flugblatt, auf dem sie ihre Dienste als Leihoma anbietet. Tage später fasst sich Eliza ein Herz und klingelt bei der alten Dame: Der erste aller Teeabende nimmt seinen Lauf und beide merken, wie sich jede in Anwesenheit der anderen Frau wohlfühlt. Eine Freundschaft entsteht, die sogar dazu führt, dass Eliza bei Ada wohnen wird. Bis die Ex-Freundin auftaucht und ein Missverständnis der Freundschaft zwischen Eliza und Ada (vorläufig) ein Ende setzt...

Der Stil von Leaf Arbuthnot ist sehr warmherzig und emotional; der Roman eingängig zu lesen und beide Frauen, die ein großer Altersunterschied zwar trennt, die sich jedoch trotzdem zueinander hingezogen fühlen und es schaffen, eine zarte Freundschaft aufzubauen, werden dem Leser immer sympathischer und auch vertrauter, je mehr man in Rückblicken von ihnen liest und sie besser kennenlernt: Eliza wuchs in nicht unproblematischen Verhältnissen auf, Ada gab die eigene Karriere zugunsten der ihres Mannes Michael auf, beide sind sensibel und verletzlich, besitzen aber auch eine ungeheure Stärke und Kraft: Besonders die humorvollen Passagen haben mich zum Lachen gebracht und nehmen der ernsten Thematik um Einsamkeit ihre Strenge.

Die Themen sind darüber hinaus vielfältig: Liebe und Freundschaft, aber auch Verlust und Trauer, Einsamkeit und alleine sein, ohne sich einsam zu fühlen; am Rande auch politische Themen wie der Brexit (deren Verlauf am Tag der Abstimmung ich durch die beiden ProtagonistInnen sehr interessant nachempfinden konnte); Bisexualität und gleichgeschlechtliche Liebe, auch die Zerbrechlichkeit von Beziehungen und Liebe. Nach dem Bruch zwischen Ada und Eliza geht es auch um Gefühle von Reue und Schuld; doch beide sind sich in der letzten Romanszene (bei einer Bootstour in Oxford) darüber einig, dass sie sich mehr als einmal gegenseitig retten konnten!

Fazit:

Ein vor Leben sprühender, zeitweise humorvoller, emotional tiefgehender wunderschöner Roman, der mir sehr gut gefallen hat und den ich unbedingt allen weiterempfehlen möchte, die an den o.g. Themen interessiert sind; gerade in Pandemiezeiten ein witzig-skurriler, aber auch mutmachender Roman um die generationsübergreifende Freundschaft zweier Frauen, die mir sehr ans Herz wuchsen. Ein Dank an die Autorin für wirklich schöne und erheiternde Lesestunden! Von mir erhält "Warten auf Eliza" die volle Punktezahl und 5*

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Spannender literarischer Streifzug durch die Geschichte mit Prinzessin Alice von Battenberg (1885-1969)

In der Stille die Freiheit Band 1 - Das bewegte Leben der Prinzessin Alice von Griechenland, Prinzessin von Battenberg, Mutter von Prinz Philip, Duke von Edinburgh, 1885-1969 - Geburt, Kindheit, Jugend und die Jahre bis 1922
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"In der Stille die Freiheit" von Silke Ellenbeck (Verlag DeBehr, Radeberg, TB, 2019), Bd. 1 ist eine historische Romanbiografie des "bewegten Lebens der Prinzessin Alice von Griechenland, Prinzessin von ...

"In der Stille die Freiheit" von Silke Ellenbeck (Verlag DeBehr, Radeberg, TB, 2019), Bd. 1 ist eine historische Romanbiografie des "bewegten Lebens der Prinzessin Alice von Griechenland, Prinzessin von Battenberg, Mutter von Prinz Philip, Duke of Edinburgh", so der UT, die von 1885 bis 1969 lebte.

Die vorliegende historische Romanbiografie beginnt mit Alice's Geburt, Kindheit und Jugend und ist in der Ich-Form geschrieben, was dem Roman eine große Authentizität und Nähe des Lesers ermöglicht. Bd. 1 endet ein Jahr nach der Geburt vom einzigen und jüngstgeborenen Sohn der Familie: Prinz Philip (1921-2021), der vor Kurzem nach einem langen und erfüllten Leben im Dienste der englischen Krone und als Prinzgemahl von Queen Elizabeth II. beigesetzt wurde, wobei die Weltöffentlichkeit am TV Abschied von ihm nehmen konnte.
Da über seine Mutter, Prinzessin Alice von Battenberg, nicht viel bekannt ist, sie jedoch in der Geschichte nicht im Dunkeln bleiben sollte, hat ihr die Historikerin Silke Ellenbeck mit ihrer hervorragend recherchierten Romanbiografie und zahlreichen historischen Fotos ein Denkmal gesetzt, das mich (die ich lange in Darmstadt wohnte, dem langen Lebensmittelpunkt der Familie von Battenberg) mehr als begeistert hat:

Alice von Battenberg wird (25.02.1885) in eine Familie des englischen Hochadels geboren; ihre Großmutter ist niemand Geringeres als Queen Victoria, deren Besuche auch im Roman nachgezeichnet werden, die teils im Schloss Heiligenberg (Jugenheim bei Darmstadt, Hessen) als auch in Darmstadt (Rosenhöhe, Schloss Darmstadt, Wolfsgarten) wie auch an den anderen royalen Orten, die wir aus England kennen, stattfanden (Buckingham Palace, Schloss Windsor, Balmoral).
Man lernt zahlreiche adelige Personen und Verbindungen zu anderen europäischen und russischen Adelshäusern näher kennen und der Autorin gelingt es hervorragend, familiäre Ereignisse in die bewegte und unruhige Geschichte des 20. Jahrhunderts miteinander zu verweben. Alice nimmt den Leser an der Hand und lässt sie uns durch ihr Leben begleiten, da sie in der Ich-Form erzählt.

So erfährt man von ihrer Taubheit, aber auch von ihrer Intelligenz und ihrem unermüdlichen Willen, der es ihr erlaubt, in mehreren Sprachen von den Lippen lesen zu können. Sie verliebt sich in Andrea von Griechenland, den 4. Sohn des Königs George I. von Griechenland und gründet mit ihm eine Familie, die auf Korfu ihren Lebensmittelpunkt hat; aber immer mit der eigenen Familie in Verbindung steht. Die vier Töchter (Margarita, Theodora (Dolla genannt), Cäcilie und Sophie werden geboren; die Wirren des 1. WK verlangen dem dem Militär angehörenden Ehemann und der ganzen Familie sehr viel ab; Alice engagiert sich in der Versorgung der Kriegsverletzten im griechisch-türkischen Krieg; auch auf dem Balkan ist die Lage sehr unruhig. Die politischen Ereignisse der Weltgeschichte überschatten das Familienleben und nehmen Einfluss auf das zuvor luxuriöse Leben aller europäischer Dynastien: 1918 zerbricht "das Gefüge der Alten Welt" vollends; in vielen Staaten gibt es politische Unruhen und Umbrüche, Monarchien wird teils ein gewaltsames Ende bereitet (Ermordung der letzten Zarenfamilie Romanow, Juni 1917). Alix, die Ehefrau des letzten Zaren Nikolaus Romanow, war eine Tante von Alice und so trauert sie wie viele um ihre Cousinen und Angehörigen. Von den Besuchen der Romanows zeugt heute noch die "Russische Kapelle" auf der Mathildenhöhe, die auf russischer Erde steht und in der Alice und Andrea von Griechenland 1903 heirateten. (Sehenswert bei Darmstadt-Besuchen!)
Der deutsche Kaiser Wilhelm dankt ab und auch in Griechenland ereignen sich politische Umbrüche, die durch Venizelos das Verhältnis der Bevölkerung zum Königshaus nachhaltig verändern sollten.

Besonders faszinierten mich die Verflechtungen und die Besuchsfreudigkeit der Adelshäuser untereinander, da ich von Haus aus oft mit enormem Wissen und Interesse an der Geschichte des europäischen Adels meines monarchistisch eingestellten Vaters (1912-1997) konfrontiert war: So ist eines meiner persönlichen "Erbe", dass ich mich schon immer für Geschichte interessierte, dem englischen Königshaus sehr zugeneigt bin und die Geschichtsschreibung wie auch manche Persönlichkeiten mich faszinieren ("Aus der Geschichte können wir viel lernen" - so die frühere Histo-Couch).

Dem hier sehr persönlich nachgezeichneten bewegenden Lebenslauf der sympathischen, intelligenten und willensstarken Prinzessin Alice von Battenberg (aus dem Namen sollte später Mountbatten werden) bin ich sehr gerne literarisch gefolgt und fand es so spannend erzählt, dass ich (die keine Floskeln mag) dennoch nur sagen kann, dass ich an den Seiten, den Ereignissen, den vielen historischen Fotos, regelrecht 'klebte' und das Buch in der Tat kaum weglegen konnte: Besser kann Geschichte nicht erzählt werden, hier aus der Perspektive einer starken und intelligenten Prinzessin! Ein Chapeau an Silke Ellenbeck und 5* mit Auszeichnung von mir!
Allen Geschichtsinteressierten kann ich diese Romanbiografie sehr empfehlen.

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Veröffentlicht am 06.04.2021

Berührendes literarisches Denkmal für die "Schwabenkinder"

Als wir uns die Welt versprachen
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"Als wir uns die Welt versprachen" von Romina Casagrande (und aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt von Katharina Schmidt und Barbara Neeb) erschien im Fischer Krüger Verlag (2021, HC gebunden).

Dieser ...

"Als wir uns die Welt versprachen" von Romina Casagrande (und aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt von Katharina Schmidt und Barbara Neeb) erschien im Fischer Krüger Verlag (2021, HC gebunden).

Dieser bewegende und berührende Roman der Autorin, die selbst aus Südtirol stammt, gibt all den Kindern eine Stimme, die während 3 Jahrhunderten (!!), bis Mitte des 20. Jahrhunderts, aus dem Tessin, aus Italien und dem Süden Österreichs, aus bettelarmen Familien stammend, mit einem Kurier die Alpen überquerten, um auf reichen Höfen in Oberschwaben zu arbeiten. Hier begegnen wir den "Schwabenkindern" in der fiktiven Gestalt der Romanfiguren Edna und Jacob.

Edna und Jacob trafen sich auf dem Hof des Großbauern, auf dem sie harte Arbeit zu verrichten hatten, immer am Kirschbaum und beschlossen, gemeinsam die Flucht zu ergreifen. Jacob (der besser zeichnen konnte als schreiben) hatte alles bis ins Detail geplant. Doch am Tag der Flucht, die sie gemeinsam mit Emil, dem Papagei, antreten wollten, ging nicht alles gut - so konnte Edna mit dem Papagei auf einem Wagen, der den Hof verließ, flüchten - aber Jacob blieb zurück....

Das Versprechen, das sich beide Kinder gaben, ist der Hintergrund dieses Romans und der Reise der nun alten Edna: Emil gehörte eigentlich Jacob und sie will den Papagei, mit dem sie ihr Leben teilte, Jacob zurückgeben, als sie ein Bild in einer Zeitung sieht, das Jacob zeigt, der nach einer Überschwemmung in einer Ravensburger Klinik liegt...

So begleiten wir die alte und liebenswerte Dame auf ihrer Reise zu Jacob: Wirerleben, wie ihr Umhang verloren geht und sie fortan fast mittellos weiterreisen muss:Wir begegnen Roland, einem netten Motorradfahrer, der Edna eine warme Unterkunft anbietet und ihr seine Lederjacke schenkt (denn wenn jemand in Schwierigkeiten steckt, hilft man sich gegenseitig) und erfahren später, dass die Jacke und ein Freund von Roland noch von sehr positiver Bedeutung sein werden. Auch Priska und Flo, zwei Aussteiger, helfen Edna weiter, die sich ihr Bein mit Brennesseln verbrannte und Priska sich als Schamanin beweisen kann. Wir laufen neben Edna, die teils bei Regen und hustend, den Transportkäfig von Emil hinter sich herziehend, größere Strecken trotz ihres hohen Alters bewältigen kann und treffen Fer(nando), den Argentinier, der nicht nur den Käfig von Emil reparieren kann (er kümmert sich sonst um Oldtimer), sondern auch ein solches "ausleiht", um Edna nach Bregenz zu bringen. Ohne Fer hätte sie Emil womöglich verloren, da er noch im Laderaum des Busses steckte, den sie zuvor zum Reisen nutzte.
Auf Ednas Fersen hat sich Adele geheftet, jene Nachbarin, die immer bei ihr nach dem Rechten sah und ihr Lebensmittel brachte: Um sie abzuschütteln, lässt sich diereaktionsschnelle Edna gerne etwas einfallen, denn diese Reise müsse sie alleine machen, sagte sie Adele...

In Rückblenden, die in die Reise Ednas und Emils eingebaut sind, erfährt man von den Ängsten und der äußerst harten Arbeit bei schmaler Kost, die die Schwabenkinder auf den Höfen zu verrichten hatten: Begleitet wurden sie wie im Falle von Edna oftmals von einem Padre, der sie dann am Zielort jemandem "übergab", der dieKinder an die Großbauern verkaufte. Noch heute, so die Autorin, fragt man sich, wie solch' eine abscheuliche Tradition sich über Jahrhunderte halten konnte, in denen Kinder (zwischen 5 und 15 Jahren) "wie Vieh" verkauft wurden. Viele dieser Kinder überstanden die Reise über die Alpen oder die harten Monate bei den Bauern nicht und bezahlten mit ihrem jungen Leben.

Trotz dieser sehr traurigen Wahrheit gelingt es Romina Casagrande durch ihren sehr menschlichen, warmherzigen, klugen und auch humorvollen Schreibstil, den Lebensmut und die Willenskraft von Kindern wie Edna und Jacob sehr positiv darzustellen, denn

"manchmal braucht man Mut, um glücklich zu sein" (Zitat S. 315) und
"... er (der Mut) wird aus Zweifeln und Angst geboren" (S. 316)

Letzteres macht die beeindruckende Reise von Edna zu einem einmaligen Leseerlebnis und gleichzeitig zu einem geschichtlichen Verständnis, die den Schwabenkindern ein Denkmal setzt. Mit Edna und Jacob gab die Autorin ihnen eine Stimme, die mutig war und niemals resignierte. Die Danksagung im Anhang ist eine der schönsten, die ich je gelesen habe - für diesen wundervollen und sehr einfühlsam geschriebenen, atmosphärischen sowie humorvollen Roman gebe ich deshalb den Dank fürs Lesen und eine Zauberfeder zurück an Romina Casagrande.
Von mir erhält "Als wir uns die Welt versprachen" die höchste Bewertung und eine Leseempfehlung für alle, die sich für die Geschichte der Schwabenkinder interessieren. 5 *

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Veröffentlicht am 28.03.2021

999 - Der letzte Wächter

999 - Der letzte Wächter
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Das cover weckte sofort mein Interesse (schlicht, aber schön gestaltet) und die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des TB weist präzise auf die Romanhandlung hin. Im Anhang ist ein Personenregister ...

Das cover weckte sofort mein Interesse (schlicht, aber schön gestaltet) und die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des TB weist präzise auf die Romanhandlung hin. Im Anhang ist ein Personenregister sowohl des 15./16. Jhd. als auch de 20./21. Jhd. zu finden.
Der junge Adlige Giovanni Pico Graf de Mirandola betrieb Studien zur Natur Gottes und der Menschheit, wobei die Würde des Menschen und seine Willensfreiheit im zentralen Mittelpunkt stehen, die er in 900 Thesen (und weiteren 99 als deren Quintessenz) niederschreibt. Als er diese veröffentlichen will, wird er von der kath. Kirche der Ketzerei und Häresie beschuldigt, da die Thesen eine große Gefahr für die mächtige "Heilige Römische Kirche", personifiziert durch den Pontifex Innozenz sowie den nach Macht strebenden Kardinal Borgia darstellen. Somit muss das Manuskript der 99 Thesen, das unter größter Gefahr für den (jüdischen) Buchdrucker gedruckt wurde, gehütet und sorgsam versteckt werden.
Die erste Zeitebene spielt in Rom und Florenz Ende des 15. Jahrhunderts, die zweite 1938 und ff im faschistischen Italien; hier spielen auch die deutschen Nationalsozialisten eine Rolle, die sich des Buches bemächtigen wollen, um es für ihre Zwecke zu nutzen.
Das Buch ist in einer bildhaften und sehr schönen, detailreichen Sprache geschrieben (Ein Dank auch an dieser Stelle an die Übersetzerin!) und zeigt deutlich und mit größter Spannung, ja Dramatik, das Einwirken der Kath. Kirche, das Denunziantentum, die Machtgier und Intrigen des Klerus auch auf die politisch Mächtigen und Reichen wie z.B. den Medici's in Florenz oder dem spanischen Königspaar. Deutlich wird, wie sich Päpste anhand von Erlassen die Kassen füllten (Judenverfolgungen, deren Ermordung und das Einziehen all ihrer Besitztümer); auch die unsägliche Jagd auf vermeintliche Hexen in ganz Europ und deren wahrhafte Hintergründe wird geschildert - ein "Feindbild des Bösen", den die Kirche brauchte, war gefunden worden: Die Frau! Dies steht auch in direktem Zusammenhang mit den 99 Thesen. Das sog. "Böse" (meist kräuterkundige Frauen) musste mit allen (Folter!-)methoden "bekämpft" werden...
Die Spannung ist während des gesamten Romanverlaufs von Beginn an - dermaßen groß, dass es einem historischen "Thriller" gleichkommt. Ich habe selten ein Werk solcher Explosivität gelesen und gebe daher 100 Punkte.
Ein literarisches Meisterwerk, das einem die Augen öffnet (was zuweilen schmerzhaft sein kann) und das ich uneingeschränkt sehr empfehlen kann!

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