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Veröffentlicht am 28.04.2021

Schauderhaft schöner Krimi und Katzen noch dazu

Die Katze und die Leiche in der Scheune
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Clarice Beech ist die Tierliebe in Person. Sie besitzt einen alten Hof und nimmt dort pflegebedürftige Hunde und Katzen auf, die sie wieder aufpäppelt und einige davon in ein liebevolles neues Zuhause ...

Clarice Beech ist die Tierliebe in Person. Sie besitzt einen alten Hof und nimmt dort pflegebedürftige Hunde und Katzen auf, die sie wieder aufpäppelt und einige davon in ein liebevolles neues Zuhause vermittelt. So auch den dreibeinigen, fast zahnlosen Kater Walter, den sie bei ihrer Bekannten, Lady Vita Fayrepoynt, untergebracht hat. Allerdings ist Walter mal wieder per Anhalter von seinem Zuhause ausgebüxt. Als Clarice ihn wiederfindet, macht sie gleichzeitig eine andere, schaurige Entdeckung: Bei dem Versuch Walter aus dem Gebälk der alten Galgenscheune zu befreien, stürzt sie in die Tiefe und landet prompt auf der sich bereits zersetzenden Leiche von Rose Miller. Das weckt Clarice‘ Spürnase und sie stellt Ermittlungen auf eigene Faust an. Dabei kreuzen sich ihre Wege des Öfteren mit denen des eigentlichen Leiters der Ermittlungen: Ihrem Noch-Ehemann Rick.

„Die Katze und die Leiche in der Scheune“ bietet das beste Rezept für einen typischen englischen Krimi: Ein kleiner Ort mit all seinen Bewohnern und ihren Eigenheiten sowie tief verborgene Familiengeheimnisse in aristokratischen Kreisen.

Zu Beginn gewinnt man den Eindruck, es handle sich um einen entspannten Cosy-Krimi, der viel Wert auf die Atmosphäre legt und welchen man zu einer guten Tasse Tee genießen kann. In der Sekunde, in der Clarice jedoch von dem Balken stürzt, ändert sich die Stimmung schlagartig von gemütlich zu schauderhaft und selbige Tasse Tee möchte einem vor Schreck beinahe aus der Hand fallen. Mir hat es richtig gut gefallen, dass man nicht lange warten musste, bis etwas passiert. So ist man sofort von der Geschichte gefesselt. Die gemütliche Atmosphäre wird ebenso wie die schön schauderhaften Momente wunderbar transportiert und nach kurzer Zeit hat man das Gefühl, selbst durch die Straßen des Örtchens zu fahren.

Im Laufe der Geschichte lernt man sehr viele Menschen wie Tiere kennen. Teilweise sind die vielen Namen eine ganz schöne Herausforderung. Viele der Personen sind irgendwie in den Fall verstrickt, sodass man ziemlich viel gleichzeitig überblicken muss. Gerade die ganzen Verwandtschaftsverhältnisse der Fayrepoynts waren teils recht komplex, was aber vermutlich keine Seltenheit in Adelsfamilien mit langem Stammbaum ist.

Die Protagonistin war mir durch und durch sympathisch. Auch ihre Bekannten und Freunde wurden alle sehr individuell gezeichnet, wodurch man einen guten Einblick in ihre Welt bekommt und man sich dort durchaus wohlfühlt. Da sich Clarice in die Ermittlungen verbissen hat, bringt sie allerhand Neues ans Tageslicht und manövriert sich dadurch in die Schusslinie schmieriger Typen. Ihre Reise in die Familiengeschichte der Fayrepoynts enthüllt explosives Material, was dann zu einem ebensolchen Showdown führt.

Der Krimi war sehr kurzweilig geschrieben und man konnte ihn gut und schnell lesen. Da es nicht bei diesem einen Verbrechen bleibt, kommt immer wieder genug Spannung in die Geschichte und der Leser wird des Öfteren auf eine falsche Fährt gelockt. Auch die bildhafte Sprache und amüsanten Vergleiche machen viel Spaß zu lesen.

Die Auflösung fand ich teils sehr gelungen und hat mich fast schon schadenfroh zurückgelassen. Andererseits waren mir dann einige Teile etwas zu weit hergeholt und von zu vielen Annahmen geprägt. Zumindest konnte ich nicht immer sehen, wie man auf diese und jene Wendung gekommen ist. Ebenso wurden nicht alle Rätsel aufgedeckt, was ich etwas schade fand, da diese in den folgenden Teilen wohl ebenso nicht mehr von Bedeutung sein werden.

Auch wenn für meinen Geschmack die Katzen eine noch viel Größere Rolle hätten spielen dürfen, gibt’s von mir, für die heldenhaften Katzen und ihre Dosenöffnerin Clarice, 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Mordermittlungen im Krieg

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
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Was zunächst konfus klingen mag, ist die Realität in diesem Roman: Im 1940 von den Deutschen besetzten Paris werden am Gare d’Austerlitz vier tote Polen aufgefunden. Édouard, Eddie, Giral übernimmt die ...

Was zunächst konfus klingen mag, ist die Realität in diesem Roman: Im 1940 von den Deutschen besetzten Paris werden am Gare d’Austerlitz vier tote Polen aufgefunden. Édouard, Eddie, Giral übernimmt die Ermittlungen, bei denen ihm die Deutschen unendlich viele Steine in den Weg legen. Für ihn beginnt ein Drahtseilakt, bei dem auch sein eigenes Leben immer wieder in Gefahr gerät. Er versucht den Täter zu entlarven, ohne den Deutschen zu sehr auf die Füße zu treten, was nicht immer gelingt. Er trifft auf unerwartete Widerstände in den eigenen Reihen und muss versuchen, sich selbst treu zu bleiben, da die Deutschen ständig versuchen, die Ermittlungen in die von Ihnen gewünschten Bahnen zu lenken. Gleichzeitig hat er mit sich selbst und den Vorwürfen seines überraschend aufgetauchten Sohnes zu kämpfen.

Die Geschichte wird aus Sicht Eddie Girals erzählt, den wir bei seinen Ermittlungen begleiten. Der Charakter wird sehr lebhaft mit all seinen Schwächen und seinen inneren Kämpfen gezeichnet, was ihn nahbar und sympathisch macht. Gleichzeitig ist Eddie aber auch ein durchtriebener Ermittler, der durch perfide Kniffe, meist mit hohem Risiko verbunden, diejenigen austrickst, die ihn manipulieren wollen, um seine Ermittlungen voranzutreiben. Immer wieder tauchen kürzere Episoden aus seiner Vergangenheit zwischen den Kapiteln auf, in denen man viel über seine Beweggründe und Entscheidungen erfährt. Dadurch, dass die Rückblenden so kurz gehalten werden, tun sie der Spannung keinen Abbruch, sondern liefern vielmehr nützliche und spannende Informationen, die für das weitere Verständnis der Geschichte und des Charakters notwendig sind.

Der Krimi spielt immer wieder mit der Frage, worin der Sinn liegt, während eines Weltkrieges mit tausenden von Toten, nach den Mördern einzelner Personen zu suchen. In dieser hoffnungslosen Situation scheinen Mordermittlungen wie ein Tropfen auf den heißen Stein, ja fast schon unsinnig zu sein. Auch Giral muss diese Frage für sich selbst beantworten und gleichzeitig bekommt der Leser immer wieder neue Ansätze geliefert, die Antworten bieten, was, wie ich finde, wunderbar gelöst ist. Giral beantwortet diese Frage für sich, in dem er versucht „Gerechtigkeit für die vier Männer zu erlangen […], um den ungestraften Mord an Millionen zu entschuldigen“. Seine Aufgabe sei es eine „Lösung für das geringere Übel zu finden“. An anderer Stelle wird gewarnt, „dass wir Mord gegenüber nicht gleichgültig werden und nicht mehr unterscheiden können, was akzeptabel ist und was nicht.“ Die wohl einfachste Antwort findet sich in der Aussage „[…] damit die Zivilisation nicht zusammenbricht, müssen wir Mord weiter bestrafen […]“.

Man hat den Eindruck, dass sich Giral in die Ermittlungen stürzt, um in diesen Zeiten irgendeinen Sinn zu finden und nicht verrückt zu werden. Er steht unter enormem Druck, da er sich gegen alle Seiten behaupten muss und ein gefährliches Spiel mit den Nazis zu spielen beginnt. Ironischerweise erinnern die Entscheidungen, mit denen er sich konfrontiert sieht, an de Gaulles „Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg!“. Diese Frage muss Giral bei seinen Ermittlungen des Öfteren abwägen: Die Mörder identifizieren oder einem höheren Ziel zugunsten schweigen. Dabei handelt er sehr viel besonnener als sein Sohn, dessen Aktionen des Öfteren jugendlichem Leichtsinn zu entspringen scheinen.

In diesem Roman habe ich eine andere Sicht auf den zweiten Weltkrieg kennen gelernt, was wirklich spannend war. Die Auflösung musste ich zwei Mal lesen, da sie recht kompliziert war und es viele Verstrickungen gab. Das Buch hat mich des Öfteren zum googlen – bspw. historischer Begebenheiten – animiert, was für mich immer positiv zu bewerten ist. Auch die Anmerkungen des Autors am Ende fand ich hilfreich und wertvoll. Ein spannender Kriminalroman in den wirren des zweiten Weltkriegs: Für Krimiliebhaber und alle mit Interesse an Frankreich während der deutschen Besatzung, eine klare Empfehlung.

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Veröffentlicht am 06.04.2021

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“

Die Wahrheit der Dinge
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Frank Petersen, Strafrichter, befindet sich an einem Wendepunkt in seinem Leben. Seine Frau wohnt vorübergehend mit dem gemeinsamen Sohn Jannis bei ihren Eltern und möchte eine Pause von der Ehe. Außerdem ...

Frank Petersen, Strafrichter, befindet sich an einem Wendepunkt in seinem Leben. Seine Frau wohnt vorübergehend mit dem gemeinsamen Sohn Jannis bei ihren Eltern und möchte eine Pause von der Ehe. Außerdem nagt der Zweifel, besonders über zwei Urteile, welche er gefällt hat, an ihm. Zum einen ist da der Fall Korkmaz, bei dem seine Frau entschieden Vorwürfe gegen sein Urteil erhebt und der Fall Corinna Maier. In einem früheren Verfahren hat sie kurz vor der Urteilsverkündung den Angeklagten im Gerichtssaal niedergeschossen. Da ihre Haftstrafe nun endet, reißt der Fall bei Petersen alte Wunden auf. Indem er Corinna Maier aus der Haftanstalt abholt, möchte er endlich ungeklärte Fragen klären. Ob beide damit ihren Frieden finden werden?

Die Erzählung erfolgt in zwei Handlungssträngen: Zum einen die Gegenwart, welche aus der Sicht Frank Petersens erzählt wird und von seiner Sinnkrise, die über eine Midlife-Crisis hinausgeht, berichtet. Zum anderen bekommt der Leser immer wieder Einblick in die Vergangenheit Corinna Maiers. Langsam setzt sich ein Bild zusammen, was den Leser erkennen lässt, was sie zu dieser Tat getrieben hat. Das harte Schicksal, welches dieser Frau widerfahren ist, sprüht nur so vor Ungerechtigkeit und lässt einen schockiert zurück. Hier sieht man sich bereits mit dem ersten Dilemma konfrontiert, man kann ihre Beweggründe nachvollziehen, Selbstjustiz jedoch auch nicht gutheißen.

Relativ schnell stellt sich heraus, dass der Fall Korkmaz das Fass für Britta zum Überlaufen gebracht hat und sie deshalb eine Auszeit wollte. Man weiß, dass es mehrere Dilemmata gibt, die Petersen hin und herreißen, allerdings zieht sich die Erzählung, bis man herausfindet, um was es konkret geht. Lange wird man im Dunkeln gelassen, sodass man sich selbst keine Gedanken machen und abwägen kann.

Der Roman regt sehr zum Nachdenken an. Es gibt viele Punkte, über die man nachgrübelt, da man beide Seiten verstehen kann. Ganz besonders deutlich wird dies durch Petersen und seine Frau widergespiegelt. Auf der einen Seite der rationale Petersen mit den harten Fakten im Blick, auf der anderen Seite Britta, die eine emotionale Sichtweise und einen Blick für den Kontext mitbringt. Man stellt fest, dass beides seine Berechtigung hat, wichtig ist und es eigentlich nie die eine Wahrheit gibt.

Ebenso wird das Dilemma Familie und Job beleuchtet. Was tun, wenn das eine das andere negativ beeinflusst und sich beides nicht mehr richtig anfühlt? Petersen steht zwar hinter seinen Entscheidungen und kann „sich selbst noch im Spiegel ansehen“, aber das ist nicht das Einzige was zählt. Auch die Menschen, deren Urteil wir schätzen, die das Beste in uns herauszuholen vermögen müssen uns weiter in die Augen sehen können.

Selbst wenn man jedes für und wider abwägt, heruntergebrochen geht es um Schicksale, um Menschenleben, um Menschen, denen bereits alles genommen wurde und denen nichts mehr bleibt außer die Hoffnung auf einen Funken Gerechtigkeit. Man fragt sich das ein oder andere Mal durchaus, ob Dummheit und Ignoranz überhaupt diese differenzierte und offene Betrachtung verdienen. Aber wie Petersens Chefin so deutlich sagt: „Ohne Leute wie Sie, geht unser Rechtsstaat zugrunde“. Liegt nicht genau darin die Aufgabe, ständig und mit aller Kraft dafür zu kämpfen, unsere so fragilen und verletzlichen Gebilde Demokratie und Rechtsstaat aufrecht zu erhalten?

Empfehlenswert ist dieser Roman allemal. Vor allem für diejenigen, die sich für die Zusammenhänge und Fragen der Justiz interessieren. Dabei ist alles auch für Laien absolut verständlich aufgearbeitet. Leichte Kost ist „Die Wahrheit der Dinge“ sicherlich nicht, wer aber nicht davor zurückschreckt, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, für die es kein klares ja oder nein gibt und seine eigenen Wahrheiten zu hinterfragen, für den ist dieser Roman mit Sicherheit sehr wertvoll.

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Veröffentlicht am 13.03.2021

Zwei unterschiedliche Lebenswege – faszinierend, hoffnungsvoll, ernüchternd

Sie haben mich nicht gekriegt
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Ab dem Jahr 1902 begleitet der Roman zwei Frauen auf ihren verschiedenen und jeweils sehr beeindruckenden Lebenswegen. Marie Rosenberg, die als Tochter eines jüdischen Buchhändlers in stabilen und behüteten ...

Ab dem Jahr 1902 begleitet der Roman zwei Frauen auf ihren verschiedenen und jeweils sehr beeindruckenden Lebenswegen. Marie Rosenberg, die als Tochter eines jüdischen Buchhändlers in stabilen und behüteten Verhältnissen aufwächst und Tina Modotti, die in ärmlichen Verhältnissen mit ihrer Familie ums Überleben kämpfen muss. Sie muss früh die Schule abbrechen, um Geld zu verdienen und emigriert bald in die USA, um sich ein neues Leben aufzubauen. Dort verschreibt sie sich dem Kommunismus und versucht zunächst mit Worten und später mit Taten die Revolution ins Rollen zu bringen. Marie und ihre Familie haben mit ihrer Religion nicht mehr viel zu tun, sie definieren sich als Deutsche und nicht als Juden. Ihr Traum ist es eines Tages Ärztin zu werden, jedoch kann sie nie den elterlichen Zwängen entfliehen und muss die Buchhandlung des Vaters weiterführen. Tina kämpft überall aktiv gegen den Faschismus an und begibt sich selbst in große Gefahren. Marie versucht dem aufkeimenden Nationalsozialismus solange es geht die Stirn zu bieten. Der Roman zeichnet das Bild zweier Welten, zweier verschiedener Frauen, die für ihre Überzeugungen leben und einstehen.

Bevor ich jedoch das Buch überhaupt aufschlug, musste ich mich etwas wundern. Mehr als fragwürdig fand ich das Zitat auf dem Buchrücken, welches das Buch als literarische Grundlage von „Babylon Berlin“ anpreist. Es gibt jedoch bereits diese literarische Grundlage, da „Babylon Berlin“ ja auf den Büchern von Volker Kutscher basiert. Mehr als gewisse Überschneidungen in der Zeit, in der dieser Roman hier und die ganze Reihe Kutschers spielt, sehe ich auch nicht wirklich. Zudem möchte ich auch nicht im Imperativ zum Lesen aufgefordert werden, aber nun gut, das hat nichts mit dem Inhalt des Buches zu tun und kann nicht als Kritik an diesem gewertet werden.

Jetzt zum eigentlichen Inhalt: Die Idee des Romans finde ich sehr gelungen. Oft ist einem gar nicht klar, dass auch in anderen Teilen der Welt bzw. Europas schrecklichste Zustände und Regime geherrscht haben, was man oft durch die Fokussierung auf den Nationalsozialismus außer Acht lässt. Es animiert, die Dinge auch aus anderen Perspektiven zu sehen und zu überdenken. Außerdem macht einem der Roman ganz deutlich bewusst, dass Revolution, auch schon im Kleinen, auf so viele verschiedene Arten möglich ist.

Das Zeitgeschehen wird sehr lebendig und authentisch dargestellt, man kann sich gut in die jeweiligen Zeitabschnitte, in die der Roman aufgeteilt ist, hineinversetzen. Der Autor verwebt die Erzählstränge und die Leben der beiden Protagonistinnen geschickt, welche sich durch Zufall ab und zu sogar berühren. Die Gestaltung der Berührungspunkte hat mir sehr gut gefallen, für die beiden Frauen bleibt nicht viel mehr als eine blasse Erinnerung und doch bedeutet es so viel mehr.

Faszinierend ausgearbeitet ist im ersten Drittel die Darstellung der Perspektiven. Die eine Protagonistin hat welche, die andere nicht. Der einen stehen alle Wege offen, jedoch kann sie sich nicht ihrer, teils selbstauferlegten, Verpflichtung entziehen, die andere scheint keine Möglichkeiten zu haben, entkommt jedoch der bittersten Armut und kann sich zunächst frei entfalten.

Die Erzählungen rund um Marie fand ich durchgehend spannend. Sie ist eine Mischung aus bewundernswert optimistisch und feministisch andererseits auch etwas naiv und riskant. Trotz allem hätte ich zu gerne in ihrer Buchhandlung gestöbert und mit ihr über die verrücktesten Geschichten, die doch meist das Leben schreibt, zu sprechen.

Für mich sind extreme Ideologien, egal welcher Art, immer etwas ermüdend, weswegen ich im Mittelteil die Erzählung um Tina etwas langatmig fand. Im Klappentext wird auch angemerkt, dass sie über den Umweg Hollywood zur Fotografie fand. Allerdings findet dieser Umweg nur den Weg in einen sehr kurzen Teil der Geschichte. Gegen Ende fand ich es interessant zu beobachten, wie einige festgefahrene Ideologien reflektiert wurden. Die Zeiten haben sich stark geändert, die Frage ist nun mitgehen oder stehen bleiben? Insgesamt ist es ein interessantes Porträt der echten Tina Modotti, die ich so noch nicht kannte. Einige bekannte Verlage, deren Schwierigkeiten während der NS Zeit mir nicht bekannt waren, finden auch öfters Erwähnung. Wie schön, einige der Namen zu kennen die durchgehalten haben und heute noch existieren. Neu war mir auch die Vergangenheit vom Versandhandel „Quelle“, was ich gleich noch intensiver recherchiert habe. Wie interessant darüber jetzt Bescheid zu wissen.

„Sie haben mich nicht gekriegt“ ist ein toller Roman, welcher zwei Frauen auf ihrem nicht einfachen Lebensweg begleitet. Wer sich für die Schwierigkeiten während der NS Zeit und für den Kommunismus im 20. Jahrhundert in Romanform interessiert, ist hier richtig.

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Veröffentlicht am 04.02.2021

Karriere, Liebe, Freundschaft und Krebs

Bucket List – Nur wer fällt, kann fliegen lernen
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Die Mittzwanzigerin Lacey Whitman bekommt eine folgenschwere Diagnose: Sie trägt die BRCA1-Genmutation in sich, die ein erhöhtes Brustkrebsrisiko birgt und an dessen Folgen bereits ihre Mutter verstarb. ...

Die Mittzwanzigerin Lacey Whitman bekommt eine folgenschwere Diagnose: Sie trägt die BRCA1-Genmutation in sich, die ein erhöhtes Brustkrebsrisiko birgt und an dessen Folgen bereits ihre Mutter verstarb. Die Diagnose lässt sie ihren vorgefertigten Plan vom Leben hinterfragen. Sie hat es geschafft nach New York zu ziehen und in der Modewelt fußzufassen. Gleichzeitig arbeitet sie mit ihrer Freundin Vivian an einem Startup Projekt. Die Beziehung zu ihrer Schwester ist angespannt und wird auf eine neue Probe gestellt, da sich diese deutlich gegen den Genmutationstest ausspricht. Lacey muss nun die Entscheidung für oder gegen eine präventive Mastektomie treffen. Zusammen mit ihren Freundinnen Steph und Vivian erstellt sie eine Bucket List mit Dingen, die sie vor einer möglichen Mastektomie noch mit ihren eigenen Brüsten erleben will.

Der Leser begleitet die Protagonistin auf ihrer Reise, diese Liste abzuarbeiten und eine Entscheidung zu treffen – dafür gibt sie sich ein halbes Jahr Zeit.

Seit dem Erstellen der Bucket List, stürzt sich Lacey ins Abenteuer und nimmt ihr Leben mutig in die Hand. Es passieren die verrücktesten Dinge und es bieten sich allerhand Gelegenheiten ein paar der To-do‘s abzuhaken. Man fragt sich, ob diese Gelegenheiten schon immer da waren und nur die zurückhaltende Prä-Diagnose Lacey nie danach gegriffen hat. Ändert die Diagnose alles oder ist es vielmehr die eigene Einstellung?

Lacey jongliert in jedem Bereich ihres Lebens mit mehreren Entscheidungen: Zwei Jobs, für die sie jeweils Vollzeit arbeiten soll, das Hin und Her mit der OP und in Sachen Liebe steht sie auch vor einigen Entscheidungen. Da sie sich neuerdings ständig Hals über Kopf verliebt, findet sie sich in einer toxischen Beziehung mit einem Modedesigner wieder und möchte gleichzeitig mit dem sympathischen Mitbewohner ihrer Freundin Steph zusammen sein.

Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Familie. Über Höhen und Tiefen, über schwierige Entscheidungen, Loyalität und Konsequenzen.

Der Roman unterhält einen ganz wunderbar. Das Buch hat alles: Man hat das Gefühl, in einer Mischung aus 50 Shades, Sex and the City, Der Teufel trägt Prada und The Bold Type zu stecken.

Mein wahres Highlight ist eindeutig Laceys Freundin Steph, eine beste Freundin wie man sie sich nur wünschen kann: Herrlich amüsant, so offen, treu und würde für Lacey buchstäblich alles tun. Die Szenen mit ihr waren immer pure Unterhaltung und halten viele Überraschungen bereit.

Was ich etwas schade fand war, ohne zu viel zu verraten, dass ihr die Entscheidung quasi abgenommen wird. Das löst das ganze Dilemma, um das es ja eigentlich ging und mit dem man sich den ganzen Roman über auseinandersetzt.

Der Schreibstil hat mir richtig gut gefallen. Die Erzählungen waren witzig und selbstironisch, so konnte man das Lesen wirklich genießen.

Nachdem man so lange mit Lacey um eine Entscheidung gerungen hat und sie auf ihrem Entscheidungsfindungsprozess begleitet hat, würde ich mir fast schon eine Fortsetzung wünschen, um zu erfahren, wie es ihr in ihrem Post-Entscheidungsleben ergeht, mit welchen positiven und auch negativen Konsequenzen sie leben muss und wie sie sich in diesem Lebensabschnitt schlägt.

Für alle, die vor allem einen unterhaltsamen (Jugend-) Roman lesen wollen, die eigene Entscheidungen hinterfragen oder schwere Entscheidungen treffen müssen, ist Bucket List - Nur wer fällt kann fliegen lernen - eine klare Empfehlung.

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