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Veröffentlicht am 15.05.2021

Ein neuer Friedrich Ani mit bekannter Ermittlerin

Letzte Ehre
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Fariza ermittelt wieder. Mit untrüglichem Instinkt erkennt sie, wenn eine Aussage nicht stimmt, wenn ein Zeuge etwas verschweigt. Auch wenn sie sich noch nicht sicher ist, wo genau etwas versteckt ist. ...

Fariza ermittelt wieder. Mit untrüglichem Instinkt erkennt sie, wenn eine Aussage nicht stimmt, wenn ein Zeuge etwas verschweigt. Auch wenn sie sich noch nicht sicher ist, wo genau etwas versteckt ist. Aber sofort erkennt sie die Schwachstellen in den Aussagen der Zeugen oder Verdächtigen, lenkt ab, kehrt unvermittelt zurück zum Thema, entlockt zum Schluss die Geständnisse und die Tatverdächtigen sind am Ende erleichtert. Fariza Nasri übernimmt die Vernehmungen wegen ihrer erfolgreichen Art diese zu führen. Ohne psychische Gewalt anzuwenden oder suggestive Fragen, einfach durch Zuhören und auf das Gesagte oder auch nicht Gesagte Acht geben, löst Fariza Nasri die Fälle meisterhaft. Im vorliegenden Buch gibt es nicht einen Mord den sie auf der letzten Seite dann auflöst, so wie in einem klassischen Krimi. Es ist eher so, ein Tod wird aufgeklärt enthält aber in irgendeiner Form schon den Ansatz zum nächsten Mord, auch wenn der etliche Jahre zurück liegt. Scheinbar zusammenhanglos nach einer Kneipenschlägerei wird der zweite Mord ans Tageslicht geholt. Die Täterin erzählt Fariza alles, weil ihr endlich jemand wirklich zuhören will, wie es zu dem Mord kam, aber auch wie die Kindheit (wenn man das so nennen kann) der Frau verlaufen ist. Und wir stellen fest, alles hängt irgendwie zusammen der erste Todesfall und der lang zurückliegende Mord, ist miteinander verkettet und verzahnt, bildet eine unwiderlegbare Einheit.
Und mittendrin geschieht ein Gewaltverbrechen im persönlichen Umfeld Farizas, mit dem sie schwer zu kämpfen hat. Auf persönlicher Ebene aber auch als Polizistin.
Friedrich Anis Schreibstil ist unverkennbar. Leicht pessimistisch, nüchtern, staubtrocken und dann fallen Sprachbilder die den Leser kurz schmunzeln lassen: Fariza „spendiert dem Bier noch einen russischen Bodyguard“ (S.175) oder die Polizisten im Präsidium werden Goldfasane genannt, zu Grewe, einem Kommissar der Fariza ein Dorn im Auge ist und der sie bedroht und runtermacht, antwortet sie auf seine Hassrede „ Geh rückwärts zur Tür“… „Damit ich dich nicht von hinten sehen muss. Mir reicht Dein Gesicht“ (S.173). In solchen Momenten frage ich mich, warum fallen mir nie solche Repliken ein, wenn mir jemand blöd kommt.
Aber es gibt auch richtiggehend lyrische Passagen. So wenn sie den Tod beschreibt, oder ihr letztes Zwiegespräch mit der verstorbenen Freundin: „Dein Leinenhemd so weiß und unversehrt. Das Licht so weiß und voller Tod“ (S. 219)
Letzten Endes sind es drei Todesfälle die Kriminaloberkommissarin Fariza Nasri löst in einem Krimi. Und doch endet das Buch in einem schockierenden (oder doch nicht?) Cliffhanger der uns auf den nächsten Roman von Friedrich Ani warten lässt.

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Veröffentlicht am 08.05.2021

Da steckt Potential drin

Nasses Grab (Zwischen Mord und Ostsee, Küstenkrimi 1)
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Thomas Herzberg hat mit „Nasses Grab“ einen der tollen Krimis hingelegt, bei denen man Lust kriegt, die Gegend, in der der Krimi spielt, zu besuchen. Man denke nur an die Allgäuer Kluftinger Krimis oder ...

Thomas Herzberg hat mit „Nasses Grab“ einen der tollen Krimis hingelegt, bei denen man Lust kriegt, die Gegend, in der der Krimi spielt, zu besuchen. Man denke nur an die Allgäuer Kluftinger Krimis oder Gil Ribeiros „Lost in Fuseta“ Serie. Also min Jung, leg Dich ins Zeug und hol auf!
Eine Polizistin kehrt nach elfmonatiger Abwesenheit in den Dienst zurück und kriegt gleich als Partner ihren Exschwager vorgesetzt. Die zwei Hauptermittler, Ina und Jörn haben es nicht immer leicht. Nicht leicht miteinander, da Jörn und Inas Schwester mal verheiratet waren, nicht leicht mit ihren Ermittlungen, sie kriegen immer nur Lügen oder Halbwahrheiten aufgetischt, nicht leicht mit ihrem Vorgesetzten Karsten Bruhn und der Sekretärin Britta Krohnwald, nicht leicht mit der pubertierenden Tochter von Jörn und Heike, das Mädel ist in der „heißen Phase“ und eckt und pöbelt alle an.
Und doch gelingt es den beiden, zwei Morde aufzuklären, einen Menschenschmugglerring auffliegen zu lassen, die Frage eines Geisterschiffes wird so nebenbei auch gelöst, zwei Asylsuchenden wird auch geholfen und vor allem: Nadine, Jörns Tochter lässt sich von ihrem Vater Nachhilfestunden in Mathe geben und hört sogar manchmal zu (so O-Ton des Vaters). Ja ja, irgendwann geht jede Pubertät einmal zu Ende!
Leider auch der Krimi, aber der nächste in dieser Serie bahnt sich auch schon an. Von Sylt wird sich unser Augenmerk nun auf St. Peter-Ording richten.
Der Krimi verdient solide 4.3/4 Punkte. Der kleine Abzug: an manchen Stellen wirken die Dialoge leicht hölzern, unnatürlich. Der Krimi verwandelte sich vor meinen Augen in ein Theaterstück mit puren Dialogen, eben wie in einer Theaterszene, ohne großen Regieanweisungen. Aber ich bin überzeugt, im „Grünes Grab“ wird das bestimmt ausgemerzt.

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Veröffentlicht am 05.05.2021

Ein Stück deutscher Kolonialgeschichte

Dein ist das Reich
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Ich war schon öfter in Neuendettelsau, habe aber nur die heutigen Werke und Taten der Diakonie bewundert. Wie verlogen, dogmatisch, selbstgerecht und rassistisch die Diakonie eigentlich in der Vergangenheit ...

Ich war schon öfter in Neuendettelsau, habe aber nur die heutigen Werke und Taten der Diakonie bewundert. Wie verlogen, dogmatisch, selbstgerecht und rassistisch die Diakonie eigentlich in der Vergangenheit war, sowohl in Deutschland als auch in Papua Neuguinea, in der Kolonie im Kaiser Wilhelms Land, habe ich nicht gewusst. Katharina Döblers Buch ist ein richtiger Augenöffner gewesen. Wer wider den Stachel blökte wurde für verrückt erklärt und eingesperrt, die Kinder der Missionarsfamilien wurden in Neuendettelsau betreut wenn sie in die Schule kamen, dadurch wurden die Eltern noch willfähriger gemacht und auf Linie gebracht. Vor Gott sind alle gleich, aber, um mit Ephraim Kishon zu sprechen, manche sind noch gleicher. Es gab da zuerst die Missionare, die durften predigen und missionieren. Dann gab es die deutschen Bauern, die durften die Plantagen verwalten, die Papua zum Arbeiten anhalten, sich um Geräte und Werkzeug kümmern, um den Bau von Kirchen, Häusern, Schulen, Straßenbau, usw. Und dann die Papua, die sich von ihrem althergewohnten Leben trennen mussten, sich christlich taufen lassen und ansonsten durften sie nur arbeiten, lernen, arbeiten, beten, arbeiten, bis in alle Ewigkeit. Das Urteil über sie: „Ihnen (den Papua) fehlen schlicht die Eigenschaften, die das Kennzeichen einer höheren Entwicklungsstufe sind“. (S. 298)

Wir lernen zwei Familien kennen, beide mit fränkischen Wurzeln, die von Neuendettelsau aufbrechen nach Kaiser Wilhelms Land um die Papua zu bekehren und das Werk Gottes zu verrichten. Die beiden Männer und ihre Ehefrauen sind ganz unterschiedliche Charaktere, das eine ist eine Liebesheirat, die andere ist eine Vernunftsehe. Beide Familien haben Kinder, einer der Söhne der Familie Mohr wird eine der Hensolt Töchter heiraten und gemeinsam vier Kinder haben. In dieser Generation ist die eine Tochter, die namenlos bleibt und die Chronik der beiden Familien zusammenstückeln wird aus alten und bruchstückhaften Familiengeschichten, vergilbten Fotos und Dokumenten. Die Geschichte beginnt Ende des 19 Jahrhunderts als die Diakonie Neuendettelsau Anwerber durch die fränkischen Dörfer schickt, Männer anzuwerben, um Gottes Werk bei den Heiden zu vollbringen. Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges fahren diese zwei Männer getrennt los auf die beschwerliche lange Reise ans andere Ende der Welt. Marie, die Verlobte von Heiner Mohr sollte bald nachkommen, nach Beendigung ihrer Ausbildung als Hebamme und Krankenschwester, sie soll nachreisen aber der Erste Weltkrieg bricht aus und ihre Reise wird verschoben. So wird sie erst 1923 nach Neuguinea fahren, als sie sich längst entfremdet hatte von Heiner Mohr. Linette Marchand und Johann Hensolt finden erst nach dem Weltkrieg zueinander. Das Leben dieser beiden Familien ist nicht leicht. Harte Arbeit, Hitze, Krankheiten, Insekten, Malaria, die Papuaner die nicht mit deutscher Gründlichkeit arbeiten wollen, und über allem die Vorurteile gegenüber den andersdenkenden, den anders lebenden, den Farbigen. Die Intoleranz macht auch vor der eigenen Rasse nicht halt. Zwischen einem deutschen Missionar und einem deutschen Laienprediger bestehen gewaltige Standesunterschiede. Verbrüderungen zwischen den Rassen werden nicht geduldet. Johann Hensolt verliebt sich in eine Papuanerin und hat ein Kind mit ihr. Am liebsten würde er sie und das Kind zu sich nehmen. Für die anderen Missionare ein Anathema. Hensolt wird entlassen, er muss den kolonialen Gottesstaat verlassen. Nach Kriegsende, als es Kaiser Wilhelms Land nicht mehr gibt und keine neuen Missionare mehr aus Deutschland kommen dürfen, wird er wieder aufgenommen, hat aber einen schweren Stand in der strengen Gemeinschaft. Auf einem Heimaturlaub lernt er Linette Marchand kennen und kehr mit ihr als seine Frau zurück nach Guinea.
Oder Bruder Hilpert, er ist halb Deutscher, halb Engländer. „So einer“ darf für kein Kind der deutschen Gemeinschaft Pate stehen. Das geht natürlich nicht!
Was in der Heimat passiert interessiert die deutsche Gemeinschaft sehr. Viele lassen sich schon früh von Hitler beeinflussen, vor allem da auch in Neuendettelsau „ein neuer Wind weht“ und Zeitungen und Briefe aus der Heimat das braune Gedankengut (na ja, gut?) auch hier verbreiten. Und genau in diese Atmosphäre hinein fahren beide Familien nach Deutschland, um ihre Kinder bei den Angehörigen unterzubringen, damit sie da deutsche Schulen besuchen.
Bei den Hensolts ist es Johann, bei den Mohrs ist es Marie die mit den völkischen Ideen liebäugeln, in die NSDAP eintreten, den Gedanken der arischen besseren Rasse vertreten. Heiner Mohr und Linette Hensolt erliegen dieser Versuchung nicht. Während des Jahres in Deutschland erkennen sie die Gefahr, die von Hitler ausgeht, immer wieder versuchen sie ihre Partner zur Raison zu bringen. Auch als der zweite Weltkrieg ausbricht bleiben sie lange Zeit treue Anhänger Hitlers.
Die Erwachsenen reden nicht über die Weltkriege, die Kinder, die in Deutschland die Schulen besuchten, sind von der Kälte des Wetters aber auch der Menschen, von der Indoktrinierung in Neuendettelsau geprägt. Als die überlebenden Erwachsenen nach 1946 nach Deutschland zurückkehren, sind ihre Kinder erwachsen, den Eltern entfremdet.
Das Buch ist spannend geschrieben, wir erfahren immer neue Facetten über das Leben und die Gesellschaft in Papua-Neuguinea aber auch in Neuendettelsau. Aber manchmal muss man innehalten und das Gelesene einsacken lassen, wie die deutschen Internierten auf dem sinkenden Schiff kein Rettungsboot oder Floß bekommen und das Rettungsschiff abdreht, die Ertrinkenden sind ja Deutsche.

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Veröffentlicht am 04.05.2021

Hannah Arendt - ein Porträt

Was wir scheinen
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Kein einfaches Thema, an das sich Hildegard E. Keller hier rantraut. Aber schon ein Blick auf den Klappentext verrät, dies ist ein spannendes und lesenswertes Buch. Ein Stück dunkler deutscher und europäischer ...

Kein einfaches Thema, an das sich Hildegard E. Keller hier rantraut. Aber schon ein Blick auf den Klappentext verrät, dies ist ein spannendes und lesenswertes Buch. Ein Stück dunkler deutscher und europäischer Geschichte und ein Porträt dieser großen Denkerin.
Das Buch wird in Rückblenden erzählt. Während ihres letzten Urlaubs in Tegna, im Tessin, lässt Hannah Arendt ihr Leben Revue passieren, die Menschen die sie manche länger, manche nur kurz, begleitet und einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Ihr Aufenthalt in der Casa Barbaté (gibt es heute noch, ein Besuch wäre lobenswert) ist für Hannah Arendt aber auch die Gelegenheit neue Freundschaften zu schließen. Was einen wahren Denker charakterisiert, Hannah Arendt hat es: sie begegnet den Menschen auf Augenhöhe, ob alt oder jung, ob gebildet oder nicht, für die Denkerin zählt allein das Menschsein. Auch im Alter ist sie geistig rege und aufgeschlossen geblieben. Allergisch reagiert sie eher auf Borniertheit, auf politische Mitläufer, denen sie zuhauf während der NS Zeit begegnet ist, auf totalitäre Strukturen, auf die Bereitwilligkeit der Deutschen den Krieg schnell zu vergessen: „All die Tatsachen, an die sich niemand erinnern kann, all die Toten, die niemand vergast haben will.“ (S. 123)
Einen zentralen Platz im Buch nimmt der Eichmann Prozess, der 1961 in Jerusalem stattfand. Als Prozessbeobachterin und Gerichtsreporterin für den New Yorker saß sie im Gerichtssaal oder im Presseraum und empfand tiefste Verachtung für Adolf Eichmann. Wenn einer einen Menschen tötet, ist er ein Mörder. Wenn er zehn oder zwanzig Menschen tötet, ist er ein Serienmörder. Aber wenn er sechs Millionen Menschen tötet? Was ist er dann? Dafür gibt es keinen richtigen Namen, der das Entsetzen und die Abscheu vor solch einer Tat ausdrücken kann. Verbrechen gegen die Menschheit? Ja, das käme in die Nähe. Was Arendt da sah, war ein serviles Phrasen dreschendes Wesen, das den Richter zu überzeugen versuchte, er habe bloß Befehle ausgeführt und die Tragweite seiner Handlungen nicht erfasst. Er hat „die Judenfrage“, man bemerke, nicht „das Judenproblem“ oder „die Ermordung der europäischen Juden“, nein, die harmlose „Endlösung der Judenfrage“ zur Zufriedenheit des Führers und seiner Handlanger zu erfüllen versucht. Eichmann haftete nichts Dämonisches an sich, alles an ihm war klein, erbärmlich und böse. Hannah Arendt weigerte sich, in Eichmann einen Höllenfürst zu sehen, er war ein Verwalter des Todes. Effizient weil es seinem eigenen politischen und sozialen Fortkommen in der NS Zeit diente und sich dann der Verantwortung in Argentinien zu entziehen versuchte. Hannah Arendt prägt dafür aus heutiger Sicht, den perfekten Begriff: „Die Banalität des Bösen“. Dafür ist sie heftig angegriffen und kritisiert worden. Aber sie hat sich nicht beirren lassen, nichts widerrufen. Was sah sie? Sie sah einen dürren Mann im Anzug in einem Glaskasten sitzend, der vor dem Richter höfliche Bücklinge machte und sich überaus beflissen zeigte. Eichmann hatte keine Größe, keinen Schneid. „Die Banalität des Bösen“ beschreibt ihn perfekt.
Außer dem Eichmann Prozess werden im Buch auch andere Stationen aus Hannah Arendts Leben kurz beleuchtet, die Probleme und Gefahren in denen sie sich dabei befand, werden nur gestreift, sind trotzdem präsent: Verhaftung durch die Gestapo in Berlin, Internierung in Paris, Ehe mit Günther Stern/Anders, zweite Ehe mit Heinrich Blücher, der ihr treuer Lebensbegleiter bis zu seinem Tod wird, die nur gestreifte Affäre mit Martin Heidegger und die tiefe Freundschaft mit ihrem Doktorvater Karl Jaspers, die Bekanntschaft mit dem Zionisten Kurt Blumenfeld noch während ihrer Studienjahre, mit Walter Benjamin in Paris, mit Ingeborg Bachmann in New York, und die vielen Aufenthalte in der Schweiz, in Paris, auf der Flucht vor den Nazis. Das sind Zeugen eines sehr bewegten und doch gradlinigen Lebens. Hanna Arendt bleibt sich immer und in allen Lebenslagen selbst treu.
Das Buch liest sich leicht, obwohl die Themen so vielfältig und schwerwiegend sind. Hildegard Keller lässt Hannah Arendt vor unseren Augen lebendig werden, Koseworte mit ihrem Mann Heinrich austauschen, lässt sie rauchen wie einen Altbundeskanzler, ironische, sarkastische und oft auch humorvolle Kommentare abgeben, ein denkender und liebender Mensch, ohne Allüren, mit einer fantastischen Bildung des Geistes und des Herzens.
Danke, Hildegard E. Keller.

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Veröffentlicht am 01.05.2021

Es ist nichts so fein gesponnen…

Schwarzwälder Morde
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Linda Graze versteht es den Leser zu packen und bis zur letzten Seite nicht mehr loszulassen. Wobei in diesem Falle die letzten Seiten besonders lecker sind, ich werde das Rezept von Waltraud Schmälzle ...

Linda Graze versteht es den Leser zu packen und bis zur letzten Seite nicht mehr loszulassen. Wobei in diesem Falle die letzten Seiten besonders lecker sind, ich werde das Rezept von Waltraud Schmälzle auf jeden Fall nachbacken. Und danach einen anderen „Tortenheber“ als auf dem Titelfoto benützen…
Aber zurück zum Krimi: Auf der ersten Seite behauptet Justin Schmälzles, bei der ersten Leiche das Motiv zu finden sind direkt prophetisch. Lange Zeit scheint es unklar, wieso, aber letzten Endes stimmt es. Zwischen der Frauenleiche, die seit gut 150 Jahren im Moor lag und den gegenwärtigen Problemen des Schnapsbrenners Willi Hauck scheint es keine Verbindung zu geben. Und hier greift Linda Grazes kriminalistisches Geschick ein. Langsam in kleinen Schritten erfahren wir was damals, im Mai 1869 geschah. Eine Frau wagte es aus den Fesseln einer ungeliebten Ehe und einer einengenden und oppressiven Gesellschaft auszubrechen. Doch sie wird nie den Schwarzwald verlassen. Der Gerichtsmediziner Lothar und Archäologen finden die Todesursache heraus, finden was sie bei sich trug, kommen mit ihren Vermutungen der Wahrheit ziemlich nahe. Kommissar Justin Schmälzle, Postenleiter Harald Scholz, Polizeiassistentin Leonie sowie die Putzfrau Frau Meichle ermitteln peu á peu in den Streitigkeiten zwischen dem Notar Andreas Langner und Willi Hauck. Wie es scheint, versucht jemand mit aller Macht den Notar zum Aufgeben seiner Baupläne zu bewegen. Drohbriefe, zerstochene Reifen, Körperverletzung, die Bedrohungen eskalieren von Mal zu Mal. Und doch hat Willi Hauck jedes Mal ein unwiderlegbares Alibi. Dass sich Hauck absolut unkooperativ zeigt und die Ermittler an der Nase herumführt lässt ihn verdächtig erscheinen. Hinzu kommen die illegal von Hauck verschobenen Grundstückgrenzen und die Errichtung eines Gebäudes halb auf dem nachbarlichen Boden, es sieht nicht gut aus für Willi Hauck. Die Lösung liegt 150 Jahre zurück. Untaten der Vergangenheit rächen sich in der Zukunft.
Ich habe die Sprache in diesem Buch geliebt. Die Dialoge sind in der schwäbischen Mundart, gemäß dem Slogan von Baden-Württemberg: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ sind die gesprochenen Passagen pures bezauberndes Schwäbisch. Interessanterweise sind die inneren Monologe von Martha im 19 Jahrhundert auf Hochdeutsch, sobald sie aber mit dem Pfarrer oder Sophie spricht, ist es Mundart. Das macht sie lebendig vor unseren Augen, lässt ihren Ausbruchversuch so tragisch erscheinen.
Kommissar Justin Schmälzle hat haitianische Wurzeln und deshalb dunkle Hautfarbe. Von seinen Mitmenschen bewusst oder auch achtlos hingeworfene Äußerungen interpretiert er von der rassistischen Seite, und lässt uns dadurch innehalten und überlegen. Er hat Recht, in vielen unserer Aussagen ist versteckter Rassismus drin. Vor Coloured People aus beiden Amerikas oder der Karibik scherzhaft von Sklaven zu sprechen ist nicht angebracht. Andererseits kannte Schmälzle anscheinend den Begriff der Leibeigenschaft als eine Form der Sklaverei nicht.
Ich hoffe, das Ermittlerquartett bleibt uns für noch einige spannende Krimis erhalten, ha ja!

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