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Veröffentlicht am 30.05.2021

Wetterfee

Frau Helbing und der tote Fagottist
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Nur einmal die Nase in den Himmel heben muss Franziska Helbing, dann weiß sie schon am Morgen wie sich das Hamburger Wetter den Tag über entwickeln wird. Doch auch sonst nimmt die Fleischereifachverkäuferin ...

Nur einmal die Nase in den Himmel heben muss Franziska Helbing, dann weiß sie schon am Morgen wie sich das Hamburger Wetter den Tag über entwickeln wird. Doch auch sonst nimmt die Fleischereifachverkäuferin im Ruhestand mit Freude am Leben teil. Gerade war sie mit ihrer Freundin Heide in einem Klassikkonzert. Dort spielt ihr neuer Nachbar Herr von Pohl das Fagott. Frau Helbing wäre auch ohne so ein Konzert ausgekommen, aber sie mochte den Herrn von oben nicht enttäuschen. Nur wenig später liegt Henning von Pohl tot in seiner Wohnung. Sofort denkt Frau Helbing an ein Verbrechen.

Ehemalige Fleischereifachverkäuferin, Krimiliebhaberin und die Polizei glaubt der etwas älteren Dame nicht. Sowas. Da muss Franziska Helbing eben selbst ermitteln. Wer stirbt einfach an einen allergischen Schock, wenn er die Gefahren kennt. Da kann es doch einfach nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Kommissarin Schneider will allerdings weder von einem Verbrechen etwas wissen noch von ihrer neuen Co-Ermittlerin. Da könnte ja jeder kommen. Nur der nette Schneider Herr Aydin, der Helbings Ladenlokal übernahm, unterstützt Franziska Helding mit freundlichen Worten und immer einer Tasse Tee.

Möglicherweise ahnt man ein wenig früh, womit man es zu tun hat. Das stört in diesem unaufgeregten Kriminalroman aber nicht. Frau Helbing ist in ihrem ersten Fall selbstgenügsam, schrullig, aber auch zielstrebig. Gegen ihre Überzeugung kommt so schnell keiner an. Sie beschäftigt sich so intensiv mit dem Tod ihres Nachbarn, dass sie manchmal sogar ihre geliebten Krimis vergisst, natürlich nie für lange. Da geht es einem als Leser vielleicht sogar ähnlich, auch wenn man nicht in Kriminalfälle verwickelt wird. Diese sympathische Protagonistin ist für einen entspannten Nachmittag genau richtig. Einen Roman, den man mit einem Lächeln schließen kann, kann man auch mit gutem Gewissen weiterempfehlen, was dann hiermit getan sein soll.

Veröffentlicht am 24.05.2021

Lockvogel

Verlorene Engel
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1956 in Dresden: Max Heller weigert sich immer noch in die SED einzutreten. Sein Chef kündigt an, dass er in Ruhestand gehen wird und Heller für seine Nachfolge in Betracht kommt. Doch bevor das entschieden ...

1956 in Dresden: Max Heller weigert sich immer noch in die SED einzutreten. Sein Chef kündigt an, dass er in Ruhestand gehen wird und Heller für seine Nachfolge in Betracht kommt. Doch bevor das entschieden wird, muss Max Heller verschiedene Fälle aufklären, in denen Frauen bedroht und vergewaltigt wurden. Als eine junge Frau tot aufgefunden wird, drängt die Öffentlichkeit immer stärker, dass jede weitere Tat verhindert werden muss. Heller und sein TEam setzen sich selbst unter Druck. Jeder weitere Übergriff auf eine Frau muss dringend verhindert werden. Wenigstens seine Frau Karin ist Heller eine Stütze, doch mit ihrer Ziehtochter Anni gibt es in letzter Zeit Probleme.

In seinem sechsten Fall hat es Max Heller nicht so leicht. In seiner Position fühlt er sich von den Vorgesetzten bedrängt. Er soll als Vorbild fungieren, wo er doch immer der unangepasste Außenseiter war, der trotzdem seinen Platz hatte, weil er eben ein herausragender Ermittler ist. Da der aktuelle Fall für alle Frauen nur sehr beängstigend genannt werden kann, versucht Heller alles, um den Täter möglichst schnell zu finden, damit die Frauen in Dresden wieder unbesorgt auf die Straße gehen können. Als letzte Möglichkeit denken Heller und seine Kollegen an den Einsatz eines Lockvogels.

Vor dem Hintergrund des Aufstands in Ungarn, durch den klar wird, dass die Sowjetunion nicht gewillt ist, einen ihrer Bruderstaaten aus dem Bund zu entlassen, sucht Max Heller fieberhaft nach einem Vergewaltiger mehrerer Frauen. Dabei hat Heller nur am Rande mit der Politik zu tun. Dennoch gestaltet sich die Ermittlung ausgesprochen fesselnd, gerade in dem Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf. Man kann die Zerrissenheit Hellers gut nachempfinden und man bekommt einen authentischen Eindruck von der Entwicklung der noch jungen DDR. Ein packender Fall, in dem auch Max Heller mal falsch liegt. In diesem Fall ändert sich einiges, aber an der Leseempfehlung für die Max Heller Reihe ändert sich nichts.

Veröffentlicht am 22.05.2021

Der Taunus

Die Akte Adenauer
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Die Eltern von Phil Gerber waren weise genug Deutschland vor Kriegsbeginn zu verlassen. Phil hat in der US-Army gedient und ist nun, im Jahr 1953, für das CiC, die amerikanische Spionageabwehr. Als kurz ...

Die Eltern von Phil Gerber waren weise genug Deutschland vor Kriegsbeginn zu verlassen. Phil hat in der US-Army gedient und ist nun, im Jahr 1953, für das CiC, die amerikanische Spionageabwehr. Als kurz vor der Wahl zum zweiten Bundestag ein Kriminalkommissar bei einem vermeintlichen Unfall zu Tode kommt, wird Gerber als deutscher Kommissar nach Bonn geschickt, um die Hintergründe aufzuklären. Während seiner Ermittlungen trifft er auf die Journalistin Eva Herden, die sich als gewiefte Forscherin erweist. Schnell wird klar, dass sowohl Gerber als auch Herden bei der Untersuchung in Gefahr geraten können.

Die deutsche Nachkriegszeit bietet viele spannende Themen. In seinem ersten Fall ermittelt Phil Gerber, der sich möglicherweise irgendwann entscheiden muss, ob er Deutscher oder Amerikaner ist, im Umfeld der hohen Politik. Gerade ist die heiße Phase des Wahlkampfs im Gang. Und vieles deutet daraufhin, dass es noch rechtsgerichtete Kreise gibt, die meinen, sie könnten das alte Deutschland wieder aufleben lassen. Dafür sind sie bereit über Leichen zu gehen. Gerber will alles versuchen, um das Schlimmste zu verhindern. Gleichzeitig tritt er auch die Nachfolge seines verstorbenen Kollegen an, wobei er sich erst einmal seinen Platz erkämpfen muss.

Wie war es so kurz nach dem Krieg? Wer arbeitete in den Verwaltungen und bei der Polizei? Natürlich waren etliche ehemalige Nazis unter den Mitarbeiten. Es gab niemand anderen, der die Vorbildung und Berufserfahrung hatte. Gut, dass das mal jemand anspricht und das noch in einen so intelligenten Kriminalroman verpackt. Auf dem politischen Spielfeld sind sie alle versammelt, Politiker, Deutsche, Amerikaner, Linke, Rechte. Und mitten drin der Deutsch-Amerikaner Phil Gerber, der sich nicht mehr so sicher ist, dass er nach Amerika zurück möchte. Das alles rankt sich zunächst um den rätselhaften Unfall es ehemaligen Kollegen. Doch bald wird klar, dass der Fall eine politische Komponente hat. Auf packende Weise gibt der Autor einen Einblick in eine spannende Zeit. Vorkommnisse, die einen realistischen Hintergrund haben und somit ausgesprochen authentisch wirken. Und man darf sich auf einen weiteren Fall für Phil Gerber freuen.

Veröffentlicht am 20.05.2021

Der Zeichner

Pandolfo
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In einem Haufen Unrat wird ein schwer verletzter junger Mann gefunden. Der reiche Bernardino Bellapianta nimmt ihn in sein Haus auf. Bernardo selbst und sein Zwillingsbruder waren einmal Findelkinder, ...

In einem Haufen Unrat wird ein schwer verletzter junger Mann gefunden. Der reiche Bernardino Bellapianta nimmt ihn in sein Haus auf. Bernardo selbst und sein Zwillingsbruder waren einmal Findelkinder, doch sein Ehrgeiz und seine Energie haben ihm zum Aufstieg in das Mailand des Jahres 1493 verholfen. Und nun will er etwas Gutes zurückgeben. Es erweist sich das der junge Pandolfo ein begnadeter Zeichner ist. Und so kann er, obwohl er durch die Verletzung sein Gedächtnis verloren hat, seinen Lebensunterhalt verdienen. Verständlicherweise will Pandolfo auch herausfinden, wer er einmal war und wo er herkam.

In diesem historischen Roman sucht ein junger Mann nach seiner Vergangenheit und dabei erlebt er einen Teil der Geschichte. Gerade hat Kolumbus Amerika entdeckt. Eigentlich war Asien sein Ziel und es ist noch nicht klar, was für eine Entdeckung er da gemacht hat. Pandolfo interessiert sich nach seiner Verletzung nicht so sehr für die große Welt. Er möchte seine kleine Welt wieder erobern. Aber immer noch lässt sein Gedächtnis im Stich, so dass ihm erstmal nichts bleibt als einen Neuanfang zu wagen. Mit seinem Retter Bernardino Bellapianta hat Pandolfo Glück gehabt. Doch anscheinen gibt es Menschen in Mailand, die Pandolfo kennen, Menschen, mit denen er sich jetzt nicht mehr herumtreiben würde. Manchmal fragt sich Pandolfo, ob er überhaupt wissen will, wer er war.

Gekonnt vorgetragen wird dieses Hörbuch von Frank Stöckle. Aus verschiedenen Perspektiven erzählt er Pandolfos Geschichte, teils in Rückblenden, wenn Pandolfo wegen des Gedächtnisverlustes nicht selbst erzählen kann. Dabei kommt eine spannende Geschichte aus der beginnenden Neuzeit zustande. Es ein Zeitalter des Aufbruchs, der Entdeckungen und Erfindungen. Und bei seinem Meister und dessen Zwillingsbruder ist Pandolfo mittendrin. Die beiden Brüder sind das, was man heut Selfmademan nennen würde. Und das strahlt auch auf Pandolfo ab. Dieses Hörbuch ist sehr kurzweilig und gibt einen fesselnden Einblick in eine vergangene Zeit.

Veröffentlicht am 13.05.2021

Beste Freundin

Letzte Ehre
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Die 16jährige Finja ist verschwunden. Ist sie abgehauen, ist ein Unglück geschehen oder ist sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Die Lage ist unklar. Ihr Verschwinden wurde nicht gleich gemeldet. Vielleicht ...

Die 16jährige Finja ist verschwunden. Ist sie abgehauen, ist ein Unglück geschehen oder ist sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Die Lage ist unklar. Ihr Verschwinden wurde nicht gleich gemeldet. Vielleicht ist sie auch zu ihrem leiblichen Vater unterwegs. Kommissarin Fariza Nasri vernimmt die Mutter, den Stiefvater, die Freunde. Können sich die Ereignisse so abgespielt haben, wie sie erzählt werden? Die Polizistin wird misstrauisch und bohrt weiter nach. Irgendwie findet sie nicht die Geschichte, nach der sie gesucht hat, sondern eine ganz andere. Doch diese andere ist schlimmer.

Nachdem Kommissarin Nasri in die Provinz versetzt wurde, hat sie eine zweite Chance bekommen. Sie ermittelt wieder bei der Kriminalpolizei. Immer noch ist es ihr erstes Anliegen, den Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen. Selbst wenn diese verstorben sind soll ihnen Gerechtigkeit widerfahren. Dabei geht die Beamtin äußerst einfühlsam und aufmerksam vor. Sie nimmt auf, was die Menschen ihr anvertrauen, sie wiegt sie, sie wägt ab. Und irgendwann kommt der zündende Gedanke. Doch manchmal kann sich Fariza nicht bremsen. Und dann gerät ihre Rückversetzung in Gefahr, denn im Kommissariat sind ihr nicht alle wohlgesonnen. Kann sie gleichzeitig sich selbst treu bleiben und ihre Stelle behalten?

Dieser sehr düstere Kriminalroman lockt einen in einen Irrgarten aus dunklen Machenschaften, unausgesprochenen Gedanken und unterschwelligen Gefühlen. War Fariza Nasri ihr Weg vorbestimmt? Eine melancholische Frau, die immerhin zwei enge Freundinnen hat, von denen eine ihre Beste ist. Ihr untrügliches Einfühlungsvermögen führt sie häufiger zum Täter, macht sie aber seltsamerweise nicht beliebt bei ihren Kollegen. Fast schon widerwillig wird ihre Leistung anerkannt. Es schein, als werde lieber jede Gelegenheit genutzt, sie zu diskreditieren. Zwar wünscht man sich manchmal etwas Gradlinigkeit. Allerdings versteht es der Autor dennoch einen in den Bann zu ziehen, indem er den Ereignissen einfach ihren Lauf lässt. Ein düsterer Mahlstrom, dem man unweigerlich ausgeliefert ist.