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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.05.2021

"Schönheit reicht, um ins Auge zu fallen. Aber man benötigt Charakter, um im Gedächtnis zu bleiben." (Coco Chanel)

Die Farben der Frauen
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1918. Als Leonora Easts Vater an den Folgen einer Influenza stirbt, hält sie in England nichts mehr. Sie verkauft die familieneigene Apotheke und macht sich mit ihrer australischen Freundin, der Krankenschwester ...

1918. Als Leonora Easts Vater an den Folgen einer Influenza stirbt, hält sie in England nichts mehr. Sie verkauft die familieneigene Apotheke und macht sich mit ihrer australischen Freundin, der Krankenschwester Joan, auf den Weg nach New York, um dort ihren Traum von einer eigenen Kosmetiklinie wahrwerden zu lassen. Schon bevor sie einen Fuß an Bord des Überseeschiffes setzt, trifft Leonora in Everett Forsyth die Liebe ihres Lebens. Everett, Eigentümer einer bekannten Londoner Kaufhauses, hat ebenfalls sein Herz an Leonora verloren. Doch schon während der Überfahrt nach Amerika sieht er sich gezwungen, einer alten Freundin der Familie aus der Verlegenheit zu helfen und diese, kaum in New York angekommen, zu ehelichen, obwohl sie von einem anderen Mann schwanger ist. Leonora versucht, sich mit drei Jobs über Wasser zu halten und mit harter Arbeit abzulenken. In der Chinesin Li und der Designerin Lottie trifft sie gute Freundinnen, die sie bei der Erreichung ihrer Ziele kräftig unterstützen, ebenso wie der Unternehmer Benjamin Richier. Dessen Schwester Faye allerdings lässt keine Möglichkeit aus, Leonora Steine in den Weg zu legen…
Natasha Lester hat mit „Die Farben der Frauen“ einen sehr unterhaltsamen Roman vor historischem Hintergrund vorgelegt, der den Leser nicht nur in die Anfänge der Kosmetikbranche entführt, sondern auch mit einer fesselnden Geschichte aufwartet, in der sich alles um Liebe, Geheimnisse, Eifersucht und Intrigen handelt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil schickt den Leser auf eine Zeitreise ins vergangene Jahrhundert, wo er sich nach dem ersten Weltkrieg in einem kleinen englischen Dorf in der Apotheke wiederfindet, die Leonora und ihrem Vater ein Auskommen bietet und Leonora den Grundstein für ihre Kosmetikprodukte legt. Die Überfahrt nach New York, die ersten Schritte in Manhattan und Chinatown, die Schaufensterdekorationen, das Arbeiten bei Elizabeth Arden: alles ist so farbenfroh geschildert, dass man als Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein. Die ersten Monate Leonoras sind von einigen Entbehrungen und Schicksalsschlägen geprägt, doch ihr Eifer und ihr Mut sind bewundernswert. Die Entwicklung von Mascara, Puder und Lippenstift mit Hilfe von chinesischen Ingredienzen zur Haltbarkeit und Geruchsstimulierung sind interessant beschrieben und zeugen von Leonoras Ideenreichtum und Hartnäckigkeit in Bezug auf ihre Produkte. Abenteuerlich sind die Moralvorstellungen der damaligen Zeit, wo Männer und alte Matronen vor Kosmetikartikeln warnen und diese sowie ihre Benutzerinnen regelrecht verteufeln. Der Aufstieg von Leonora ist sehr schön dargestellt, der von Entwicklung Ausdauer und Einfallsreichtum zeugt und einmal mehr aufzeigt, was die Frauen von heute den starken Frauen von damals zu verdanken haben.
Die mit menschlichen Eigenschaften ausgestatteten Charaktere sind facettenreich, lebendig und liebevoll in Szene gesetzt. Der Leser heftet sich gern an ihre Fersen und fiebert mit ihnen, während er einige Gefühlswechselbäder durchlebt. Leonora ist eine Visionärin, die weiß, wovon sie spricht. Sie besitzt Stärke, Ausdauer, Fleiß und vor allem Mut, ihren Traum zu leben. Dabei ist sie ehrlich, offen, freundlich und liebenswert. Everett ist ein sympathischer Kerl, der immer das Richtige tun will. Er ist fast zu gut für diese Welt. Lottie und Li sind völlig verschieden, doch sie eint die enge Freundschaft zu Leo. Benjamin ist durch und durch Geschäftsmann, doch er besitzt Herz und ist ein guter Freund. Seine Schwester Faye ist eine alkoholsüchtige Giftspritze, die meint, mit Arroganz und Boshaftigkeit interessant zu sein. Mattie ist eine arrogante und selbstsüchtige Frau, die es nur auf Wohlstand und ihren Ruf abgesehen hat. Aber auch Joan und Alice spielen eine Rolle in dieser Geschichte.
„Die Farben der Frauen“ weiß mit einer sehr unterhaltsamen Geschichte über Liebe, Familie, Geheimnisse und die Schönheitsbranche mit viel Tragik und Dramatik von Anfang bis Ende zu fesseln. Absolute Leseempfehlung für ein abwechslungsreiches Buch mit Suchtfaktor!

Veröffentlicht am 22.05.2021

"Wir sind ganz oben." (A. Grundies)

Gebrauchsanweisung für die Ostsee und Mecklenburg-Vorpommern
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Wer schon einmal an der Ostsee war, der kann bestätigen, dass es dort so viele malerische und wunderschöne Orte gibt, dass man sich kaum entscheiden kann, was man als erstes besuchen möchte. Auch wir haben ...

Wer schon einmal an der Ostsee war, der kann bestätigen, dass es dort so viele malerische und wunderschöne Orte gibt, dass man sich kaum entscheiden kann, was man als erstes besuchen möchte. Auch wir haben uns von dem Zauber der Seebäder in Mecklenburg-Vorpommern einfangen lassen und freuen uns darauf, auch in diesem Jahr wieder einige Zeit dort verbringen zu dürfen. Auf das Buch „Gebrauchsanweisung für die Ostsee und Mecklenburg-Vorpommern“ von Ariane Grundies haben wir uns sehr gefreut, um uns schon einmal auf die kommende Auszeit vorzubereiten und einige Ziele herauszusuchen, die wir diesmal unbedingt mit auf unseren Ausflugszettel nehmen wollen, wenn wir mit dem Hausboot auf Reisen gehen.
Die Autorin weiß als „Insiderin“ genau, was sie ihrer interessierten Leserschaft präsentieren muss, um ihnen den Mund wässrig zu machen und vom baldigen Urlaub zu träumen. Die gebürtige Stralsunderin widmet vor allem der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern einen Großteil ihres Buches. Erst gibt sie einen Abriss über die Geschichte, die Bewohnern sowie den üblichen Klischees, um sich dann den unterschiedlichen Gebieten des Bundeslandes zuzuwenden, wobei sie sich auch einigen größeren Städten wie Rostock, Schwerin, Wismar, Neubrandenburg und auch ihrer Heimatstadt Stralsund widmet. Ebenfalls gibt sie einen Einblick in die unterschiedlichen Inselwelten wie Rügen, Hiddensee, Vilm, Poel, Fischland-Darß-Zingst und Usedom. Unter den Hotspots, die man sich unbedingt ansehen sollte, sind einige Küstenwälder, der Königsstuhl sowie die Seebäder. Was den Freizeitbereich angeht, gibt es hier jede Menge Möglichkeiten für Radtouren, Wellness, Wandern, Camping, Angel und vor allem für Wassersportliebhaber. Ob Surfen oder Stand-up-paddling, ob mit dem eigenen Kanu oder einfach nur schwimmen, die Möglichkeiten sind vielfältig und versprechen einen wunderbaren, sportlichen Urlaub. Vogelbeobachter kommen an der Ostsee ebenso auf ihre Kosten wie Leuchtturmliebhaber oder Hobbyfotografen, denn es gibt immer wieder wunderschöne Motive, die sich einzufangen lohnen.
Auch der kulinarischen Fraktion wurde eine Rubrik gewidmet, die allerdings etwas zu kurz kommt. Aber wer sich gern auf Land und Leute einlässt, gern selbst erkundet und sich auch mal treiben lässt, der wird nach so manchem Geheimtipp Köstlichkeiten auf seinem Teller wiederfinden, die den Geschmack nach See, Salz und Urlaub auf die Zunge bringen.
„Gebrauchsanweisung für die Ostsee und Mecklenburg-Vorpommern“ ist eine interessante und unterhaltsame Einstimmung für den Urlaub an der Ostsee. Vor allem für Anfänger sehr zu empfehlen, aber auch Dauergäste werden den einen oder anderen Tipp zu schätzen wissen.

Veröffentlicht am 22.05.2021

Traumhafte Romantik und harte Realität

Wohin mein Herz dich trägt
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Plötzlich steht die Halbitalienerin Elena allein da, der Ehemann in Spe hat kurz vor der Hochzeit kalte Füße gekriegt und sie abserviert. Da bietet sich ein Tapetenwechsel geradezu an, so dass sich Elena ...

Plötzlich steht die Halbitalienerin Elena allein da, der Ehemann in Spe hat kurz vor der Hochzeit kalte Füße gekriegt und sie abserviert. Da bietet sich ein Tapetenwechsel geradezu an, so dass sich Elena allein auf die geplante Hochzeitsreise nach Sizilien macht, wo sie in der Pension ihrer Verwandten unterkriecht, um ihre Wunden zu lecken. Dort trifft sie auf den Arzt Gabriel und dessen Hund Pino, mit denen sie gemeinsam auf Entdeckungstour geht und dabei nicht nur die Schönheit Siziliens erkundet, sondern sich auch Hals über Kopf in den attraktiven, geheimnisvollen Mann nebst Anhang verliebt. Als Gabriels Urlaub dem Ende zugeht, lädt er Elena kurzerhand ein, ihn nach Pozallo zu begleiten, wo er sich als Arzt um die dort anlandenden Flüchtlinge kümmert. Die Schicksale der Flüchtlinge wühlen Elena sehr auf, besonders das der Eritreerin Imani, was zu einem Zerwürfnis mit Gabriel führt…
Jani Friese hat mit „Wohin mein Herz dich trägt“ einen sehr emotionsgeladenen Roman vorgelegt, der nicht nur zu einem Kurztrip auf die malerische Insel Sizilien einlädt und italienisches Flair versprüht, sondern neben einer Liebesgeschichte auch ein brisantes Thema anschneidet, das aktueller ist denn je und den Leser während der Lektüre durch eine Achterbahn der Gefühle schickt. Der flüssige, farbenfrohe und anrührende Erzählstil lädt den Leser ein, Elena nach Sizilien zu begleiten, um dort nicht nur ihre Verwandtschaft sowie die Besonderheiten der Insel kennenzulernen, sondern auch mit der stetigen Ankunft von Flüchtlingen auf der Insel die andere Seite der Medaille mitzuerleben. Die Autorin versteht es wunderbar, ihren Protagonisten nicht nur Herz und Seele zu verleihen, sie verwebt gekonnt auch immer wieder brisante Themen in ihre romantischen Geschichten, um den Leser auf die präsenten Problematiken deutlich hinzuweisen. Mit bildgewaltigen Landschaftsbeschreibungen verschafft sie dem Leser zudem ein wunderbares Kopfkino, das ihm während der Lektüre das Gefühl vermittelt, leibhaftig vor Ort zu sein und alles selbst mitzuerleben, während ihm ein tiefer Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten gewährt wird. Die Spannung schraubt sich während der Handlung immer weiter in die Höhe und weiß bis zum Schluss zu fesseln.
Liebevoll ausgestaltete, glaubwürdige Protagonisten mit menschlichen Ecken und Kanten schleichen sich schnell ins Herz des Lesers und geben ihm das Gefühl, ein Teil von ihnen zu sein. Elena ist eine Frohnatur: natürlich, impulsiv, lebensfroh, stur, hilfsbereit und mitfühlend. Mit ihr fühlt man sich sofort verbunden, aber auch ihre Familie wächst einem ans Herz, vor allem ihre Schwestern und Cousin Luici. Gabriel ist ein sympathischer Kerl, der in seinem Beruf aufgeht. Er trägt ein Geheimnis mit sich herum, dass sich zu entdecken lohnt. Sein Hund Pino ist eine wahrhaft treue Seele, der das richtige Gespür hat, wem er vertrauen kann und wem nicht, was die Erwachsenen erst noch lernen müssen. Imani ist eine verletzte junge Frau, die schon sehr viel durchmachen musste. Sie sehnt sich nach Sicherheit und Geborgenheit.
„Wohin mein Herz dich trägt“ wartet nicht nur mit einer romantischen Liebesgeschichte vor malerischer mediterraner Kulisse und italienischem Flair auf, sondern auch mit viel Spannung und Dramatik, mit Geheimnissen und realistischen Schicksalsschlägen. Absolute Leseempfehlung für einen emotionalen Pageturner, der gleichzeitig einen Kurzurlaub spendiert.

Veröffentlicht am 16.05.2021

„Das Gedächtnis ist der Schreiber der Seele.“ (Aristoteles)

Villa Fortuna
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Die Mitsechzigerin Johanna Burger lebt mit fünf Hunden abgeschieden in einem alten Haus in den Bergen der italienischen Marken nahe Belmonte, als sie eines Tages unangemeldeten Besuch bekommt. Ein 44-jähriger ...

Die Mitsechzigerin Johanna Burger lebt mit fünf Hunden abgeschieden in einem alten Haus in den Bergen der italienischen Marken nahe Belmonte, als sie eines Tages unangemeldeten Besuch bekommt. Ein 44-jähriger Amerikaner namens Michael steht bei ihr vor der Tür und behauptet, Johanna wäre seine Mutter. Doch so leicht macht es Johanna ihrem ungebetenen Gast nicht, sie streitet alles ab. Trotzdem nimmt sie Michael in ihr Haus auf und während der sich schon bald handwerklich nützlich macht und zudem Gefallen an der Dorfschönheit Flavia findet, die den Lebensmittelladen führt, brechen bei Johanna Jahrzehnte zurückliegende Erinnerungen hervor, die sie schon viel zu lange verdrängt hat…
Antonia Riepp hat mit „Villa Fortuna“ wieder einen sehr unterhaltsamen, fesselnden Roman vorgelegt, bei dem sie den Leser nicht nur wieder in die italienischen Marken entführt, sondern ihm auch eine Geschichte präsentiert, in der sie Vergangenheit und Gegenwart wunderbar miteinander verwebt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil weist dem Leser schnell den Platz als Johannas unsichtbarer Schatten zu, durch den er nicht nur Michaels Ankunft auf Johannas bergischem Domizil miterlebt, sondern mit ihr gedanklich immer wieder in die Vergangenheit der Jahre 1974-1976 und 2006 abtaucht. Während die Gegenwart die sich entwickelnde Beziehung zwischen Johanna und Michael wiederspiegelt, wird in der Vergangenheit das von Johanna Erlebte nach und nach offen gelegt. Dabei gewinnt auch das Schicksal der Italienerin Gabriella an Bedeutung, das unbewusst eng mit dem von Johanna verbunden ist. Die Autorin versteht es meisterlich, die landschaftliche Atmosphäre mit ihrer Geschichte zu verbinden und ihre Protagonisten einen Lebenslauf zu verpassen, der für so manche Frau der 70er Jahre steht. Vor allem die damaligen Erziehungsmethoden, die Scheinheiligkeit innerhalb der Familie sowie der gute Ruf nach außen werden hier thematisiert und bilden vor allem die Grundlage für das Handeln und Tun von Johanna. Mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl bringt Riepp Johannas Vergangenheit ans Tageslicht, lässt den Leser in deren Gedanken- und Gefühlswelt wie in einem offenen Buch lesen und überrascht doch mit einigen Wendungen, die die Geschichte nicht vorhersehbar machen und so die Spannung gut halten. Dabei wird der Leser durch eine Achterbahn der Gefühle gejagt, während er sich fragt, wie er selbst in der einen oder anderen Situation wohl gehandelt hätte.
Ihre Charaktere hat die Autorin mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften lebendig bestückt, die dem Leser schnell ans Herz wachsen, so dass ihm Mitfühlen und –fiebern leicht fallen, während er sie auf ihrem Lebens-(Leidens-)weg begleitet. Johanna ist als Teenager naiv und voller Träume, doch landet sie buchstäblich hart auf dem Boden der Tatsachen, was ihr gesamtes späteres Leben prägt. In der Gegenwart wirkt Johanna freundlich, aber unterkühlt und manchmal hart, unterschwellig jedoch mit einer unbestimmten Sehnsucht und unterdrücktem Schmerz ausgestattet. Michael ist ein offener und ehrlicher Mann, der zwar schon lang weiß, dass er adoptiert wurde, doch jetzt erst feststellt, dass dies durchaus bis heute einen Einfluss auf sein Leben hat. Gabriella ist wie Johanna ein Opfer ihrer Zeit und trägt die Trauer immer bei sich. Frau Grundel ist eine harte und unbeugsame Frau, der es nur um ihr Auskommen geht. Durga ist ein Freigeist und Johanna eine gute Freundin. Aber auch Marion, Max oder Johannas Mutter spielen einige tragende Rollen in dieser Handlung.
„Villa Fortuna“ zieht den Leser mit wenigen Worten in die fesselnde Handlung hinein, wo ihn spannend verpackt Familiendrama, Geheimnisse, Intrigen und großes Gefühle erwarten. Ein wunderbares Kopfkino während der Lektüre ist garantiert. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner!

Veröffentlicht am 15.05.2021

„Das Herz des Menschen ist sehr ähnlich wie das Meer, es hat seine Stürme, es hat seine Gezeiten und in seinen Tiefen hat es auch seine Perlen.“ (Vincent Van Gogh)

Elbstürme
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1890. Nach drei Jahren im englischen Liverpool kommt Reederstochter Lily mit Ehemann Henry von Cappeln und Tochter Hanna zurück in ihre Heimatstadt Hamburg, weil es ihrem Vater gesundheitlich nicht gut ...

1890. Nach drei Jahren im englischen Liverpool kommt Reederstochter Lily mit Ehemann Henry von Cappeln und Tochter Hanna zurück in ihre Heimatstadt Hamburg, weil es ihrem Vater gesundheitlich nicht gut geht. Ihre arrangierte Ehe ist eine Farce, denn Henry schreckt auch vor Gewalttätigkeiten nicht zurück,. Noch immer trauert Lily ihrem geliebtem Jo hinterher, dem Vater von Hanna. Aber auch Jo Bolten hat Lilys Weggang nicht gut verkraftet, im Alkohol das Vergessen gesucht und für die Rechte der Hafenarbeiter gekämpft. Nun sinnt er auf Rache an Ludwig Oolkert, den er für sein ganzes Elend verantwortlich macht. Derweil legt der windige und geschäftstüchtige Oolkert wie ein Krake seine Hände auf die Karsten-Reederei. Doch Lily hat weder die Reederei noch Jo aufgegeben und fängt damit an, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht länger rumschubsen zu lassen, auch wenn die Gefahr besteht, dass Henry ihr Tochter Hanna wegnimmt…
Miriam Georg hat mit „Elbstürme“ genau den richtigen Titel für den Abschlussband ihrer historischen Familiensaga gefunden, denn diesmal geht es wirklich auf sämtlichen Schauplätzen stürmisch zu. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert antreten, um dort Lily und Jo wiederzutreffen und deren Schicksal mitzuverfolgen. Über wechselnde Perspektiven erlebt der Leser zum einen, wie Lily von ihrem Ehemann Henry gegängelt und unterschwellig immer wieder bedroht wird. Es gefällt ihm sie in einem goldenen Käfig zu halten, der Lily mehr und mehr die Luft zum Atmen nimmt. Aber auch die Rückkehr in den Hamburger Familienhaushalt ändert nichts an ihrer Situation, dort herrschen ebenfalls die alten konventionellen Vorstellungen, was sich für eine Frau schickt oder nicht. Zum anderen nimmt man Anteil an Jos Leben, der sich zwar aktiv für die Rechte der Arbeiter einsetzt, sich gleichzeitig jedoch auch an Oolkerts Opiumvorrat bedient, um seiner Familie ein halbwegs würdiges Leben zu ermöglichen. Neben dem engen Korsett von Lilys Leben lässt die Autorin die Armut und Verzweiflung der Bewohner des Gängeviertels sowie die Arbeitskämpfe und die Bemühungen der Frauenrechtlerinnen um Gleichberechtigung so lebendig wiederaufleben, so dass der Leser alles hautnah miterleben kann. Gleichzeitig hat sie ein Paket von Intrigen, Neid, Lügen und Geheimnissen geschnürt, die den Leser vor sich her und die Spannung immer weiter in die Höhe treiben, wobei das Ende eine Überraschung birgt, die so nicht zu erwarten war.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet und lebendig in Szene gesetzt. Mit glaubwürdigen Ecken und Kanten können sie den Leser überzeugen, der regen Anteil an ihrem Schicksal nimmt und mit ihnen hofft, bangt und fiebert. Lily ist ein Kämpferherz, die einiges an Durchhaltevermögen und Geduld beweist, bis sie mutig und selbstbewusst ihre Frau steht. Henry ist ein widerlicher Kerl, der nur an sich denkt und es genießt, andere gewaltsam unter seiner Knute zu halten und damit sein eigenes Unvermögen zu kaschieren. Jo hat sich gehen lassen und seinen Frust im Alkohol ertränkt. Doch seine Leidenschaft für den Arbeitskampf und Gerechtigkeit sind ungebrochen. Lilys Bruder Franz ist genauso ein Scheusal wie Henry, der für ein Geheimnis seiner Frau das Leben zur Hölle macht. Aber auch Emma, Hanna, Charlie, Sylta und Mr. Huckabe tragen viel zum Unterhaltungswert der Handlung bei.
„Elbstürme“ fesselt mit einer spannenden und facettenreichen Familiengeschichte vor gut recherchiertem Hintergrund. Eine Zeitreise voller Abwechslung und Dramatik, dabei tiefgründig und vor allem sehr unterhaltsam. Absolute Leseempfehlung für ein Geschichte der Extraklasse! Einfach wunderbar!!!