Profilbild von hasirasi2

hasirasi2

Lesejury Star
offline

hasirasi2 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit hasirasi2 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.05.2021

Zum Heulen schön

Ein letzter erster Augenblick
0

„Wie zum Henker lässt man sich auf eine Beziehung ein, wenn man sich nicht traut, sich zu verlieben?“ (S. 216)
Joel hat sich in Callie verguckt, geht jeden Tag in das Café, in dem sie arbeitet. Trotzdem ...

„Wie zum Henker lässt man sich auf eine Beziehung ein, wenn man sich nicht traut, sich zu verlieben?“ (S. 216)
Joel hat sich in Callie verguckt, geht jeden Tag in das Café, in dem sie arbeitet. Trotzdem hat Angst, von ihr zu träumen. Denn seit seiner frühesten Kindheit träumt er von der Zukunft der Menschen, die er liebt. Bis auf ganz wenige Freunde weiß niemand davon, denn er will nicht für verrückt gehalten werden. Sein Versuch, die Träume zu vermeiden indem er seinen Schlaf reduziert, funktioniert nicht. Stattdessen ist er immer müde, musste seinen Job als Tierarzt aufgeben und lebt sehr zurückgezogen. Denn je mehr Menschen er mag, desto mehr träumt er, desto schneller dreht sich das Gedankenkarussell in seinem Kopf. Wo soll er eingreifen und wo den Dingen seinen Lauf lassen? Doch jetzt ist da Callie und plötzlich ist alles anders: „Als hätte sie einen Teil von mir zum Leben erweckt, den ich dachte ein für alle Mal begraben zu haben.“ (S. 38)

Callie hat vor 18 Monaten ihre beste Freundin Grace verloren und sich ebenfalls zurückgezogen. Ihre Freunde heiraten und bekommen Kinder, sie hat Grace‘ Hund und Café übernommen – lebt irgendwie deren Leben für sie weiter, dabei ist sie eigentlich Ökologin. Jetzt hat das Naturschutzgebiet die perfekte Assistenzstelle ausgeschrieben, aber sie traut sich nicht, sich zu bewerben. Die Situation scheint festgefahren. „Ich wohne immer noch in der Stadt, in der ich geboren bin, und die Welt dort draußen pulsiert vor Möglichkeiten, während sie sich dreht, dreht, dreht.“ (S. 50) Doch es gibt etwas, was sie glücklich macht: Joels täglicher Besuch im Café. „… er kann mich mit einem bloßen Lächeln umwerfen, mich mit dem flüchtigsten Blick ganz kopflos machen.“ (S. 44)

Joel und Callie sind sich ziemlich ähnlich, leicht kaputt, sehr empathisch und introvertiert, leben sie ihr Leben ohne es genießen zu können, ohne sich was zu trauen. Trotzdem waren sie mir sehr sympathisch, ich wollte nur nicht in ihrer Haut stecken.
Ihre Annäherung ist wie ein leidenschaftlicher Tanz – wie ein Tango. Sie bewegen sich aufeinander zu und wieder voneinander weg, fühlen sich voneinander angezogen, doch trauen sich lange nicht. Und ihre Beziehung wird zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Denn als sie sich gefunden haben, treten Joels schlimmste Befürchtungen ein – er träumt von Callies Zukunft. Während er noch mit sich ringt, ob er es ihr sagen soll, sieht sie es ihm sofort an – und trifft eine Entscheidung. Sie will es nicht wissen, kann aber nicht aufhören, daran zu denken. Und Joel wird klar: „Ich kann nicht damit leben, es zu wissen. Ich kann das nicht mit mir rumtragen, jeden Tag, und sie trotzdem glücklich machen. Das ist unmöglich.“ (S. 346) Was soll also aus ihnen werden? Können sie trotzdem eine glückliche und erfüllte Beziehung führen, oder überlagern ihre Ängste alles? Ist ihre gemeinsame Zukunft zum Scheitern verurteilt, bevor sie richtig begonnen hat?

Wer bei diesem Buch keine Taschentücher braucht, hat kein Herz. „Ein letzter erster Augenblick“ ist die berührendste Liebesgeschichte seit langem, vergleichbar mit „Die Frau des Zeitreisenden“, „Ein ganzes halbes Jahr“ oder „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“ und zum Heulen schön. Für mich ein absolutes Highlight. Ich hoffe, dass Holly Miller weiter so wunderbare Bücher schreibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.05.2021

Jung, schön, reich, tot

Die Schwestern von Mitford Manor – Dunkle Zeiten
0

„Sie trinken viel zu viel und sind leichtsinnig. Sie sind reich und jung und halten sich für unverwundbar.“ (S. 305)
Diana, die dritte Mitford-Schwester, hat es geschafft – sie heiratet 1929 den reichen ...

„Sie trinken viel zu viel und sind leichtsinnig. Sie sind reich und jung und halten sich für unverwundbar.“ (S. 305)
Diana, die dritte Mitford-Schwester, hat es geschafft – sie heiratet 1929 den reichen Brauereierben Bryan Guinness. Fortan besteht ihr Leben aus Shoppingorgien, Partys und Reisen, oft mit einer ganzen Clique illustrer Reicher und Berühmter. Doch bereits auf der Hochzeitreise nach Paris stirbt einer ihrer Freunde an einer Allergie und im Jahr darauf in Venedig eine Freundin an einer Überdosis. Schon der erste Todesfall kam Louisa Canon, Dianas Kammerzofe, die sie überallhin begleitet, merkwürdig vor, doch nach dem zweiten kommt sie ernsthaft ins Grübeln, denn sie entdeckt eine Verbindung zwischen den Toten. Louisa kann ihre Neugier natürlich nicht bremsen und beginnt unauffällig eigene Ermittlungen, bei denen sie selbst ins Visier der Ermittler gerät.

Diana führt von alldem scheinbar unbeeindruckt weiter ihr Jetset-Leben. Immer dabei ist auch der Gesellschaftskolumnist Luke Meyer, den Louisa nicht richtig einordnen kann. Er ist nicht reich und berühmt genug, um wirklich zu Dianas Freundeskreis zu gehören, allerdings lässt er sie in der Presse meist im besten Licht erscheinen und scheint mehr als nur geduldet zu sein. Luke sucht immer wieder Louisas Nähe, ihre Freundschaft, aber sie ist sich nicht sicher, inwieweit sie ihm trauen kann. Und auch mit Diana wird sie nicht richtig warm: „… es lag eher an einer Art Gefühlskälte, die Louisa an ihr spürte und die trotz der freundlichen Fassade immer bestehen blieb.“ (S. 166) Diese Gefühlskälte zeigt Diana auch ihrem Mann gegenüber, der sie abgöttisch liebt und ihr jeden Wunsch erfüllt. Als Diana dann auch noch mit dem Politiker Sir Oswald Mosley sympathisiert, fürchtet Louisa Schlimmstes.

Zur gleichen Zeit suchen Detectiv Sergant Guy Sullivan und Constaple Mary Moon nach einem verschwundenen Dienstmädchen. Auch deren Spur führt nach Paris, wo sich Louisa und Guy wiederbegegnen.

Seit dem ersten Band der Reihe fiebere ich nicht nur mit den „Schwestern von Mitford Manor“ mit, sondern hoffe insgeheim auch, dass aus Louisa und Guy ein Paar wird, doch vor 2 Jahren haben sie sich aus den Augen verloren. Louisa hatte damals auf eine Karriere bei der Polizei gehofft und ist an ihrer Vergangenheit gescheitert. Vielleicht ergeben sich in Dianas Fahrwasser ja neue Chancen. „Sie hat ein Leben geführt wie im Viktorianischen Zeitalter: als Näherin und Dienstboten, dasselbe Leben wie ihre Großmutter, ohne den geringsten Unterschied. In Paris zu sein, weckte neue Hoffnungen in ihr, endlich doch etwas aus sich zu machen, etwas Besonderes.“ (S. 133)

Ich finde es sehr spannend, wie Jessica Fellowes die Unterschiede von arm und reich, Dienstboten und Dienstherren in zwei scheinbar parallele Welten, die natürlich viele Schnittmengen haben, schildert.
Louisa war früher Dianas Kindermädchen und jetzt tut Diana oft so, als würde die alte Vertrautheit noch zwischen ihnen herrschen, macht Louisa aber gleichzeitig deutlich, dass die ihre Dienerin ist und allen Anweisungen ohne Fragen Folge zu leisten hat. Sie kommt nicht besonders sympathisch rüber, sehr kühl, beherrscht und berechnend.
Louisa hat die Hoffnung auf einen Ehemann fast schon aufgegeben, aber sie will im Gegensatz zu Diana keinen Versorger, sondern selber Geld verdienen, einen Beruf, der ihr gefällt und bis zu einem gewissen Grad unabhängig sein.

Es ist Jessica Fellowes wieder gelungen, die wilden goldenen 20er Jahre lebendig werden zu lassen, wobei sie diesmal auch das Nacht- und Partyleben in Paris auferstehen und den übermäßigen Genuss von Alkohol und Drogen einfließen lässt.
Die Politik kommt ebenfalls nicht zu kurz. Der New Yorker Börsencrash zieht in Europa weite Kreise und die Nationalsozialisten fassen in Großbritannien Fuß. Dianas Bruder Tom, der in Berlin studiert, ist bereits in Deutschland mit ihnen in Berührung gekommen und steckt Diana mit seiner Begeisterung an.

Beim zweiten Band hatte ich ja angemerkt, dass mir die Krimihandlung etwas zu kurz kam, hier hat sie wieder sehr gut gepasst. Es werden relativ schnell Verdächtige präsentiert, aber so richtig sicher ist man sich nie. So kann man bis zum Ende miträtseln, wer es jetzt warum gewesen ist.

Mir hat auch der dritte Band dieser Reihe wieder sehr gut gefallen und ich bin gespannt, was Unity (und sicher auch Louisa) im nächsten Buch erlebt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.05.2021

Die Angst geht um

Verlorene Engel
0

Dresden, Oktober 1956: Vor drei Jahren wollte Kommissar Max Heller mit seiner Frau Karin und seiner Ziehtochter Anni in den Westen fliehen, weil die DDR nicht das Land war, was sie sich erhofft hatten, ...

Dresden, Oktober 1956: Vor drei Jahren wollte Kommissar Max Heller mit seiner Frau Karin und seiner Ziehtochter Anni in den Westen fliehen, weil die DDR nicht das Land war, was sie sich erhofft hatten, aber sie blieben wegen ihrem Sohn Klaus und dessen schwangerer Freundin. Da seine Vorgesetzten inzwischen seine Weigerung akzeptieren, in die SED einzutreten, soll er endlich ausgezeichnet und befördert werden. Doch zuvor gilt es, einen Serienvergewaltiger zu fassen, der schon in fast allen Stadtteilen zugeschlagen hat. Als die erste Frau diesen Übergriff nicht überlebt, scheint ihnen die Zeit davonzurennen – sind beim Täter inzwischen alle Hemmschwellen gefallen? Eine Polizeisekretärin bietet sich als Lockvogel an, nächtelang spaziert sie durch Dresden, immer im Blickfeld der Beamten. Und wirklich geht ihnen bald ein Verdächtiger ins Netz, und noch einer, und noch einer – aber keinem von ihnen kann man die Vergewaltigungen und den Mord nachweisen ...
Da taucht Alexej Saizev bei Heller auf und teilt ihm mit, dass zwei russische Soldaten aus der Kaserne geflohen sind, die nach Ungarn versetzt werden sollten, um den dortigen Volksaufstand niederzuschlagen. Er traut ihnen diese Taten durchaus zu und eines der Opfer behauptet ja auch, ihr Peiniger habe russische gesprochen. Die Emotionen in der Bevölkerung kochen hoch, Rufe nach Selbstjustiz werden laut.
Auch privat hat Heller große Sorgen. Ziehtochter Anni ist still geworden, lässt in der Schule nach, streitet und prügelt sich mit ihren Mitschülern und ihrer besten Freundin. Was ist nur los mit ihr? Außerdem überlegen Karin und er immer wieder, wann der richtige Zeitpunkt ist, Anni von ihrer Herkunft zu erzählen. „Ich frage mich, ob nicht da draußen irgendwo jemand herumläuft, der Annie sucht, der sich fragt, was aus ihr geworden ist. Der sich Vorwürfe macht, sie noch nicht gefunden zu haben.“ (S. 15)

„Verlorene Engel“ ist schon der 6. und leider auch vorletzte Band der Krimireihe von Frank Goldammer und für mich war er genauso gruselig, fesselnd, verwirrend und erschütternd wie der erste Teil „Der Angstmann“. Obwohl wir schon fast sommerliche Temperaturen haben, wurde ich die Gänsehaut beim Lesen einfach nicht los. Zu grausam sind die Vergewaltigungen, zu detailreich werden sie zum Teil geschildert. Man spürt das Entsetzen und die Sprachlosigkeit der Opfer, die Angst in der Bevölkerung und den Druck, der auf den ermittelnden Behörden lastet. Neben der Polizei suchen bald auch das MfS und die Russen fieberhaft nach dem Täter und den flüchtigen Soldaten. Frauen trauen sich im Dunkeln nicht mehr auf die Straße, man braucht schnelle Ermittlungsergebnisse, hat Angst vor weiteren Opfern weiteren Toten.

Geschickt bindet Frank Goldammer die damals aktuellen politischen Ereignisse ein. In Ungarn tobt ein Volksaufstand, der auch Heller und seine Frau kurzzeitig hoffen lassen, dass sich die Lage vielleicht doch noch wendet, die restriktiven Maßnahmen der Russen gelockert werden und sich die DDR als eigenständiges und unabhängiges Land entwickeln kann. Außerdem schildert er die Bedingungen in der russischen Armee. Die Soldaten, oftmals Bauern aus den entlegensten Gebieten der Sowjetunion, waren nicht freiwillig hier und der Situation auch überhaupt nicht gewachsen. Die Zustände in den Kasernen müssen grauenvoll gewesen sein, dazu immer wieder der Drill durch die Vorgesetzten – da nehmen einige lieber billigend den Tod auf der Flucht in Kauf, als zu bleiben. „Arme Schweine sind das. Ich war mal in einer Kaserne. Ein Zuchthaus ist ein besserer Ort, sage ich Ihnen.“ (S. 319)

Ich mag die Art, wie dem Leser Einblicke in die Ermittlungen aber auch das Privatleben der Ermittler gewährt werden. Max Heller ist immer noch sehr unangepasst, kann einfach nicht lockerlassen und wendet jeden Fakt so lange, bis er die Täter stellen und überführen kann. Seine Familie muss dabei leider oft zurückstecken und Karin fühlt sich mit ihren Sorgen oft allein gelassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.05.2021

Ist der Rucksack zu klein, sind die Wünsche zu groß.

Achtsam morden am Rande der Welt
0

Eigentlich wollte der achtsame Anwalt Björn Demel seinen 45. Geburtstag mit seinen „Mandanten“ in einem Restaurant feiern, ohne dass die etwas von dem Anlass erfahren. Schließlich hat er ein gutes Verhältnis ...

Eigentlich wollte der achtsame Anwalt Björn Demel seinen 45. Geburtstag mit seinen „Mandanten“ in einem Restaurant feiern, ohne dass die etwas von dem Anlass erfahren. Schließlich hat er ein gutes Verhältnis zu ihnen. Dass sie zwei ehemals verfeindeten Mafia-Clans angehören, dessen Chefs er im Zuge der bei seinem Therapeuten Joschka Breitner erlernten Achtsamkeit leider umbringen musste, weiß keiner. Offizielle leiten Sascha einen Kindergarten, Carla einen Escort-Service und Walter ein Security Unternehmen, nur Stanislaws Drogenhandel lässt sich nicht beschönigen. Doch dann läuft die Feier komplett aus dem Ruder und seine Ex-Frau taucht mit ihrem neuen Freund auf – den Björn von früher unter einem anderen Namen kennt. „Ich hörte etwas klicken. Es war die Büchse der Pandora.“
Als er seinem Therapeuten davon erzählt macht der ihm klar, dass er nicht mehr auf seine Bedürfnisse achtet, sondern sich nach anderen richtet und langsam in eine Midlife-Crisis schliddert. Er rät ihm zu einer Auszeit. Björn soll den 800 km langen französischen Pilgerweg nach Santiago de Compostela gehen und dabei über folgende Fragen meditieren: „Was ist der Sinn des Lebens? Welches Verhältnis habe ich zum Tod? Was brauche ich wirklich für ein erfülltes Leben?“

Leider wird schon am ersten Abend seiner Pilgerschaft auf ihn geschossen und in den folgenden Tagen sterben immer wieder Mitpilger – nur waren leider nie sie, sondern immer Björn gemeint. Sein Attentäter ist also kein Profi. Doch wer ist er und was hat er gegen ihn? Achtsam meditierend und oft intuitiv schafft er nach und nach mehrere Probleme bzw. Gegner aus dem Weg. „Es ging nicht mehr darum, mich selbst zu finden. Es ging vor allem darum, nicht gefunden zu werden.“

Auch der dritte Teil der „Achtsam morden“ Reihe hat mich wieder hervorragend unterhalten. Ich habe mich köstlich amüsiert, wie Autor Karsten Dusse Klischees und Sinnsprüche zum Thema Pilgern einbringt und mich mehr als einmal gefragt, ob er für das Buch wohl selber gepilgert ist. Auch die Spannung kommt nicht zu kurz, zusammen mit Björn rätselt man bis zuletzt, wer ihm warum ans Leder will.
Wie schon in den Vorgängerbänden geht es für Björn auch beim Pilgern um Selbsterkenntnis und Selbstreflexion, darum, eigene Wünsche und Träume nicht nur zu erkennen, sondern sich auch zu erfüllen – natürlich achtsam und im Einklang mit seiner Umwelt.

Ich habe schon viele Bücher über das Pilgern gelesen und träume davon, irgendwann selbst den Camino zu gehen. Und gerade jetzt, wo man nur noch im Kopf reisen darf, macht so ein Hörbuch besonderen Spaß. Zudem werden denen, die sich noch nie mit dem Thema beschäftigt haben ganz nebenbei wichtige Informationen und Bräuche zum Pilgern nähergebracht. „Der Weg gibt dir nicht was du willst, sondern was du brauchst.“

Auch dieses Hörbuch wurde wieder vom Autor selbst eingelesen und ich habe seiner ruhigen und entspannten Stimme sehr gern zugehört.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.05.2021

Babygirl

Soul Food
0

„Seit ich mich erinnern kann, wollte ich Köchin werden.“ (S. 41)
Die 17jährige Emoni lebt in einem Problemviertel in Philadelphia, ist die Mutter der zweijährigen Emma und im Abschlussjahr der Highschool. ...

„Seit ich mich erinnern kann, wollte ich Köchin werden.“ (S. 41)
Die 17jährige Emoni lebt in einem Problemviertel in Philadelphia, ist die Mutter der zweijährigen Emma und im Abschlussjahr der Highschool. Während ihre Mitschüler einen genauen Plan von ihrer Zukunft haben, ist Emoni froh, wenn sie neben der Schule im Burgerladen genug Geld verdient, um ihrer `Buela (Großmutter), bei der sie mit Emma lebt, nicht auf der Tasche zu liegen. Abschalten und runterkommen kann sie nur, wenn sie kocht. Dabei probiert sie immer wieder neue Rezepte aus, entwickelt selbst welche, spielt dabei sehr kreativ und innovativ mit Gewürzen, Aromen und Zutaten. Familie und Freunde sind begeistert, denn ihr Essen löst etwas bei den Menschen aus, berührt sie im Innersten. Als in der Schule Kochkurs angeboten wird, kann sie nicht widerstehen, doch im Unterricht gelten andere Regeln als in ihrer Küche: „Kochen ist eine Wissenschaft, Instinkt reicht nicht aus.“ (S. 95)

Emoni hatte es nie leicht im Leben. Ihre Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben und ihr Vater war überfordert, hat sie bei seiner Mutter „abgeladen“ und ist nach Puerto Rico zurückgegangen. Als sie mit 14 ungeplant schwanger wurde, musste sie sich schief ansehen und oft auch beschimpfen lassen – doch sie hat sich nicht unterkriegen lassen. Der Vater ihrer Tochter ist nur ein Jahr älter und nimmt seine Tochter nur jedes zweite Wochenende, schließlich hätte sie das Kind ja nicht bekommen müssen.
Emoni scheint nirgendwo richtig dazu zu passen. Ihre Haut ist heller als gewöhnlich, durch die Mutterschaft ist sie erwachsener und verantwortungsvoller als ihre Mitschüler und sie hat auch keine Zeit, um mit ihnen auszugehen oder abzuhängen. Sie liebt ihre Tochter über alles, kümmert sich rührend um sie. Für ihr „Babygirl“ würde sie alles tun. Andererseits ist sie planlos, was ihre Zukunft angeht. Sie hat kein Geld für ein College und überlegt stattdessen sofort ungelernt in einer Küche arbeiten. Außerdem traut sie keinem Jungs mehr, ist im Umgang mit ihnen unsicher und will nie wieder eine Beziehung eingehen. Aber Malachi, der Neue ihrer Klasse, ist ganz anders als ihr Ex – rücksichtsvoll und zielstrebig. Ist er der perfekte Freund oder nur ein guter Schauspieler? „Mir ist zwar auch bewusst, dass die Vergangenheit kein Spiegelbild der Zukunft sein muss, aber sie zeigt doch, wie sie sich entwickeln könnte. Und wenn Deine erste große Liebe dir das Herz bricht, kann es noch sehr lange bluten.“ (S. 336)

„Soul Food“ ist ein sehr berührendes Buch und handelt von der Suche einer jungen Frau nach ihrem Platz im Leben, ihrer Zukunft und ihren Wurzeln. Aber es ist noch so viel mehr. Eine sehr poetische Geschichte über Freundschaft, Homosexualität und Rassismus, über das Erwachsenwerden und die Abnabelung von der Familie – und darüber, endlich wieder seinen Gefühlen und Instinkten zu (ver)trauen.
Es ist natürlich auch ein Buch über die Fusion-Küche, das man dank Elizabeth Acevedos Beschreibungen mit allen Sinnen genießen kann und das einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Und nicht zuletzt beinhaltet es drei wunderbar zarte Liebesgeschichten, die zum Hoffen und Träumen einladen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere