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Veröffentlicht am 11.07.2021

Rettungsinseln

The Comfort Book – Gedanken, die mir Hoffnung machen
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Matt Haig sind trübe Gedanken, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit vertraut. Der Autor musste bereits erfahren, was es heißt, eine Depression durchzumachen. Für schwierige Zeiten hat er eine Auswahl an ...

Matt Haig sind trübe Gedanken, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit vertraut. Der Autor musste bereits erfahren, was es heißt, eine Depression durchzumachen. Für schwierige Zeiten hat er eine Auswahl an kurzen Texten und Zitaten zusammengetragen, die ihm Trost gespendet haben. Sie soll dabei behilflich sein, die schönen Seiten des Lebens zu erkennen.

„The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen“ ist ein Sachbuch von Matt Haig.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus vier Teilen. Diese sind wiederum in Kapitel unterschiedlicher Länge untergliedert, manche davon sehr kurz, andere ausführlicher. Das Buch ist so aufgebaut, dass man es weder chronologisch noch vollständig lesen muss, um es zu verstehen. Dieses Konzept finde ich sehr sinnvoll für diese Art von Sachbuch. Eine Form von Inhaltsverzeichnis wäre jedoch hilfreich gewesen, um einzelne Kapitel besser wiederzufinden.

Stilistisch ist das Buch sehr abwechslungsreich. Es enthält Erfahrungsberichte, Listen, Lebensweisheiten, Zitate und Rezepte. In sprachlicher Hinsicht ist das Buch nicht spektakulär, aber angemessen.

Inhaltlich handelt es sich um eine Sammlung tröstender Worte und Erkenntnisse, die der Autor als seine „Rettungsinseln“ bezeichnet. Die Gedanken, Betrachtungen, Erinnerungen, Selbstreflexionen und Beispiele sollen Hoffnung und neue Zuversicht in verschiedenen, vor allem schwierigen Lebenssituationen spenden, inspiriert von eigenen und fremden Erfahrungen. Dabei bedient sich der Autor auch bei der Philosophie und aus dem Gedankenschatz bekannter Persönlichkeiten wie Marc Aurel und James Baldwin.

Als Leitmotiv nennt Matt Haig das Verbundensein - aller Dinge, Momente, Emotionen und Menschen. Das Buch soll dabei helfen, Trost und Halt in uns selbst zu finden. Die Aussicht, von jemandem lernen zu können, der offen zugibt, an Depressionen und Panikattacken zu leiden, hat mich neugierig auf die Sammlung gemacht. Naturgemäß konnte ich nicht aus allen Kapiteln etwas ziehen. Beispielsweise hat jeder und jede ein andere Songauswahl, die ihn oder sie beruhigt und tröstet, sodass die abgedruckte Liste Haigs nicht 1:1 auf andere Menschen übertragbar ist. Zudem gibt es immer wieder nur kurze Impulse, die eine Therapie oder ähnliche Intervention bei ernsten psychischen Problemen natürlich nicht ersetzen können. Aber es finden sich viele schlaue und wohl durchdachte Sätze und Ideen in der Sammlung. So bringt die Lektüre etliche Denkanstöße und hat mich mehrfach zum Nachdenken angeregt. Mehr noch: Das Buch hat in mir den Wunsch geweckt, selbst eine solche persönliche Sammlung in einem Notizbuch anzulegen.

Das Cover mit dem stilisierten Sonnenaufgang passt mit seiner Symbolik gut zum Inhalt. Schön finde ich, dass auch der Originaltitel für die deutsche Ausgabe übernommen wurde.

Mein Fazit:
„The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen“ von Matt Haig ist ein sehr persönliches Sachbuch, das vielerlei schlaue Gedanken und Denkimpulse bietet. Eine empfehlenswerte Lektüre, die dazu einlädt, sie immer mal wieder zur Hand zu nehmen.

Veröffentlicht am 07.07.2021

Kein zartes Pflänzchen

Blütenschatten
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Der Künstlerin Eve Laing (61) hat es die Natur angetan. Vor allem Blumen tauchen immer wieder in ihren Werken auf. Doch anders als bei früheren Weggefährten blieb ihr der große Ruhm verwehrt. Ihre Ehe ...

Der Künstlerin Eve Laing (61) hat es die Natur angetan. Vor allem Blumen tauchen immer wieder in ihren Werken auf. Doch anders als bei früheren Weggefährten blieb ihr der große Ruhm verwehrt. Ihre Ehe mit dem zehn Jahre älteren Stararchitekten Kristof Axness, aus der ihre Tochter Nancy hervorgegangen ist, erfüllt Eve zudem schon seit Längerem nicht mehr. Deshalb will es die Künstlerin nun wissen: Sie bereitet eine große Retrospektive in London vor. Sie ahnt nicht, dass sie auf eine Katastrophe zusteuert...

„Blütenschatten“ ist ein Roman von Annalena McAfee.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 30 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Es gibt zwei Erzählebenen: Zum einen streifen wir im gegenwärtigen Strang mit Eve durch die Straßen von London, zum anderen halten wir mit ihr eine Rückschau auf ihr Leben, wobei die jüngere Vergangenheit dominiert. Erzählt wird somit einerseits im Präsens und andererseits im Präteritum, jeweils aus der Sicht von Eve. Beide Ebenen sind sehr gekonnt verknüpft.

Dass sie vortrefflich mit Sprache umgehen kann, stellt die Autorin immer wieder unter Beweis. Zwar ist der Roman aufgrund seiner komplexen Syntax, vieler Fachtermini sowie Referenzen zu Kunstwerken und Künstlern nicht leicht lesbar. Das lässt den Schreibstil zunächst etwas prätentiös wirken. Allerdings gibt es immer wieder auch starke Sprachbilder, spitzzüngige Bemerkungen und scharfsinnige Formulierungen, nicht selten garniert mit zynischem Humor, zu entdecken.

Mit Eve steht eine schwierige Protagonistin im Vordergrund. Sie ist verbittert, rachsüchtig, gehässig, egoistisch und eitel, was sie interessant, aber nicht gerade sympathisch erscheinen lässt. Man kann ihr zugute halten, dass sie durchaus auch selbstkritisch ist und viel reflektiert. Auch die weiteren Charaktere sind für mich keine Sympathieträger, machen aber ebenfalls einen lebensnahen Eindruck.

Inhaltlich hat mich der Roman zu Beginn nicht fesseln können, da die ausführliche Darstellung der Kunst viel Raum in der Geschichte einnimmt. Im weiteren Verlauf des Romans erschließt sich das jedoch und hat mich immer weniger gestört. Mehr noch. Die Persiflage auf die Kunstszene und ihre Auswüchse, die das Buch durchzieht, konnte mich amüsieren und begeistern. In diesem Punkt zeigt sich die fundierte Sachkenntnis der Autorin. Affären, Konkurrenzkampf, Betrug und weitere menschliche Abgründe sind weitere Zutaten der Geschichte. Sehr gerne gelesen habe ich auch den Streifzug Eves durchs nächtliche London, der mir die Stadt näher gebracht hat.

Die Geschichte beginnt in einem ruhigen Tempo und ist zunächst sogar ein wenig langatmig. Das ändert sich jedoch bald, weil sich abzeichnet, dass Eves Leben eine dramatische Wendung genommen hat. Die Spannung wächst stetig. Der Roman entwickelt einen zunehmenden Lesesog und endet schließlich mit einem fulminanten Finale, das mich überraschen konnte und trotz aller Tragik sowohl absolut schlüssig als auch stimmig ist.

Das reduzierte und verlagstypische Cover mit dem Frauenporträt passt vortrefflich zum Inhalt. Der deutsche Titel weicht zwar vom Original („Nightshade“) ab, ist aber ebenso eine gute Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Blütenschatten“ hat mich Annalena McAfee in mehrfacher Hinsicht überzeugt. Ein durchweg empfehlenswerter Roman und ein Lesehighlight 2021!

Veröffentlicht am 25.06.2021

Der Atem der Vergangenheit

Von hier bis zum Anfang
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Vor 30 Jahren wurde Vincent King zum Mörder an Sissy Radley. Nun wurde er aus dem Gefängnis verlassen und kehrt in seinen Heimatort Cape Haven in Kalifornien zurück. Sein Freund, der Polizist Walk, hält ...

Vor 30 Jahren wurde Vincent King zum Mörder an Sissy Radley. Nun wurde er aus dem Gefängnis verlassen und kehrt in seinen Heimatort Cape Haven in Kalifornien zurück. Sein Freund, der Polizist Walk, hält zu ihm. Doch viele andere sind nicht über das Wiedersehen erfreut. Ex-Freundin Star Radley, die Schwester der Getöteten, und deren 13-jährige Tochter Duchess hassen ihn. Aber in dem Versuch, ihre Mutter zu beschützen, setzt Duchess eine dramatische Kettenreaktion in Gang, die für den ganzen Ort Konsequenzen hat...

„Von hier bis zum Anfang“ ist ein Roman von Chris Whitaker.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem kurzen Prolog. Daran schließen sich vier Teile an, die aus 49 angenehm kurzen Kapiteln bestehen. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Duchess und der des Polizisten Walk. Der Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist größtenteils klar und schnörkellos, aber eindringlich und einfühlsam. Einige Natur- und Landschaftsbeschreibungen stechen außerdem positiv heraus.

Die Charaktere sind für mich eine der Stärken des Romans, denn die Figuren sind besonders gut gezeichnet. Vor allem Duchess ist eine bewundernswerte, mutige Protagonistin.

Inhaltlich ist der Roman erstaunlich vielschichtig. Er handelt von Schuld und Vergebung, von Verbrechen und Betrug, von Liebe, Familie und Hoffnung. Vor allem aber geht es darum, wie sich ein einziges Ereignis in der Vergangenheit auf das Hier und Heute auswirken kann.

Auf mehr als 400 Seiten ist die Geschichte beinahe so spannend und fesselnd wie ein Thriller. Zudem hält sie die eine und andere Überraschung und Wendung bereit. Zudem konnte mich der Roman mehrfach emotional bewegen.

Gut gefällt mir auch, dass das englische Originalcover für die deutsche Ausgabe übernommen wurde. Der Titel der Erstausgabe („We Begin at the End“) wurde nicht ganz wörtlich, glücklicherweise aber sinngemäß übersetzt.

Mein Fazit:
„Von hier bis zum Anfang“ von Chris Whitaker ist ein gleichermaßen spannender wie berührender Roman. Eine durch und durch empfehlenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 02.06.2021

Im Hofstaat von Kaiserin Sisi

Das Kaffeehaus - Falscher Glanz
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Wien am Ende des 19. Jahrhunderts: Komtess Sophie von Werdenfels, genannt Phiefi, bekommt eine Stelle als Hofdame von Kaiserin Sisi. Aber im Hofstaat hat es die junge Frau ganz und gar nicht leicht. Sie ...

Wien am Ende des 19. Jahrhunderts: Komtess Sophie von Werdenfels, genannt Phiefi, bekommt eine Stelle als Hofdame von Kaiserin Sisi. Aber im Hofstaat hat es die junge Frau ganz und gar nicht leicht. Sie muss an der Hochzeit ihrer großen Liebe mit einer anderen Komtess teilnehmen. Und dann soll sie selbst auch noch zwangsverheiratet werden...

„Das Kaffeehaus - Falscher Glanz“ ist der zweite Teil der Kaffeehaus-Trilogie von Marie Lacrosse.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Sie umrahmen 26 Kapitel, die sich über fünf Teile erstrecken. Die Handlung umspannt die Jahre 1889 bis 1891 und spielt an diversen Orten innerhalb und außerhalb von Wien. Einheitliche Zeit- und Ortsangaben machen die Orientierung leicht. Erzählt wird nicht nur aus der Sicht von Sophie, sondern auch aus der weiterer Personen.

Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich und einfühlsam. Lebhafte Dialoge, gelungene Beschreibungen und gelegentliche Einschübe des Wiener Dialekts machen ihn aus.

Obwohl es sich empfiehlt, zuerst den ersten Teil der Saga zu lesen, ist der zweite Band auch ohne Vorkenntnisse verständlich. Ich hatte keinerlei Probleme, wieder in die Welt von Sophie einzutauchen.

Sophie steht im Mittelpunkt der Geschichte, eine starke und äußerst sympathische Protagonistin, mit der ich sehr gerne mitgefiebert habe. Sie ist ebenso authentisch wie die übrigen Charaktere, von denen es einige gibt. Hilfreich ist daher eine Personenübersicht mit Erläuterungen, die historische Persönlichkeiten als solche ausweist.

Trotz der mehr als 700 Seiten kommt keine Langeweile auf. Die Handlung ist abwechslungsreich und spannend.

Besonders gereizt an der Lektüre haben mich Sisi und das Leben am kaiserlichen Hof. Darüber hinaus hat die Geschichte noch viele andere Facetten zu bieten, die die damalige Gesellschaft und Politik beleuchten. Dabei glänzt der Roman mit gründlich recherchierten Fakten und Hintergründen, die der Leserschaft auf unterhaltsame Weise näher gebracht werden. Wie umfangreich und fundiert die Recherche ist, zeigt sich unter anderem im ausführlichen Nachwort „Wahrheit und Fiktion“. Darin erläutert die Autorin, was auf tatsächlichen Begebenheiten basiert und was der Fantasie entsprungen ist. Ein Quellenverzeichnis lädt zu eigenen Nachforschungen ein.

Erfreulicherweise ist dieses Mal wieder zusätzliches Bonusmaterial enthalten. Es gibt Stadt- und Landkarten. Ein Glossar erklärt einige weniger bekannte Begriffe. Außerdem ist ein Rezept der Mokka-Prinzentorte abgedruckt.

Das Cover fügt sich gut in die Reihe ein. Der Titel, der sogar im Nachwort erläutert wird, ist ebenfalls passend.

Mein Fazit:
Mit „Das Kaffeehaus - Falscher Glanz“ ist Marie Lacrosse ein vielseitiger, sehr lesenswerter Roman gelungen, der mich sogar noch mehr als der Auftakt der Trilogie überzeugt hat. Ich freue mich bereits auf den finalen Band, der für Oktober 2021 angekündigt ist.

Veröffentlicht am 30.05.2021

Facetten unseres Lebens

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
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Anthropozän, so heißt unser aktuelles Erdzeitalter. Was steht sinnbildlich für unsere Zeit? Was spiegelt unser Leben wider? Der Autor John Green stellt unterschiedliche Facetten dieser Epoche dar - und ...

Anthropozän, so heißt unser aktuelles Erdzeitalter. Was steht sinnbildlich für unsere Zeit? Was spiegelt unser Leben wider? Der Autor John Green stellt unterschiedliche Facetten dieser Epoche dar - und zwar in Form von Rezensionen.

„Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?“ ist ein Sachbuch von John Green.

Meine Meinung:
Das Buch beginnt mit einer sehr persönlichen Einleitung, deren Offenheit mich sofort eingenommen hat. Daran schließen sich 43 Texte, die Rezensionen, an, wovon nur eine bebildert ist. Sie bauen nicht aufeinander auf und können in beliebiger Weise gelesen werden. Das Buch endet mit einem Nachwort, Anmerkungen sowie den Text- und Bildnachweisen.

Alle Texte sind in der Ich-Perspektive verfasst. Der Schreibstil wechselt immer wieder zwischen sachlichen Darstellungen und faktenbasierten Passagen sowie Anekdoten und eigenen Anmerkungen, sodass der Inhalt zwar informativ ist, aber nicht zu trocken vermittelt wird. Die Sprache ist leicht verständlich und locker, aber angemessen und nicht zu salopp. Es gibt 45 Fußnoten.

Inhaltlich umfasst das Buch ein erfreulich breites Spektrum interessanter Themen. Es reicht vom Internet über Klimaanlagen und Teddybären bis zu Sonnenuntergängen. Auch populäre Marken, Produkte, Figuren und Phänomene werden rezensiert. Einschränkend ist anzumerken, dass einige Rezensionen für ein US-amerikanisches Publikum wohl besser nachvollziehbar sind, weil Dinge wie Dr Pepper dort wesentlich bekannter sind. Ich hatte allerdings keinerlei Verständnisprobleme.

Das Konzept, Aspekte des aktuellen Erdzeitalters zu rezensieren, gefällt mir. Obwohl ich nicht alle Bewertungen unterschreiben würde, habe ich mich prima unterhalten gefühlt. Das Gute: Nebenbei erfährt die Leserschaft nicht nur eine Menge Wissenswertes, sondern lernt auch den Autor selbst besser kennen. Zudem schafft er es, zum Nachdenken anzuregen.

Das Cover entspricht der amerikanischen Ausgabe und erschließt sich nicht direkt. Der deutsche Titel ist leider etwas ungelenk formuliert und nicht so treffend wie das Original („The Anthropocene Reviewed“).

Mein Fazit:
Mit „Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?“ ist John Green ein ungewöhnliches und unerwartet persönliches Sachbuch gelungen, das gleichsam unterhaltsam, kreativ und lehrreich ist.