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Veröffentlicht am 12.08.2023

Kollaps

Tasmanien
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Mit der Lektüre von „ Tasmanien“ von Paolo Giordano, den ich bisher nicht kannte, dringen wir in die Welt der intellektuellen Physiker ein, die eine andere, da besser informierte Weltsicht haben als die ...

Mit der Lektüre von „ Tasmanien“ von Paolo Giordano, den ich bisher nicht kannte, dringen wir in die Welt der intellektuellen Physiker ein, die eine andere, da besser informierte Weltsicht haben als die Durchschnittsbürger.
Der Protagonist, studierter Physiker, Journalist und Autor ist, Mitte dreißig und völlig überwältigt von den zunehmenden Treibhausgasen, dem Schmelzen der Gletscher und dem Anstieg der Meeresspiegel. Seine Existenz sieht er bedroht von bewaffneten Konflikten, humanitären Katastrophen wie Erdbeben und Überschwemmungen sowie Terrorismus.
Ist sein Übersteigertes Interesse an den Problemen unserer Zeit Teil seines Evasionsstrebens, da die Kinderlosigkeit seiner Ehe möglicherweise von ihm ausgeht, denn seine etwa 10 Jahre ältere Frau hat bereits einen Sohn im Teenageralter ? Seine Ehe könnte deswegen zerbrechen. Diese persönliche Krise führt zu einer inneren Blockade und Tatenlosigkeit, denn die Wärme einer Familie mit Kindern fehlt ihm. Zur „Ablenkung“ unterrichtet er Post Docs aus den Mint - Fächern in Kommunikationswissenschaften. Studenten, die sich mit kaum fassbaren Phänomenen befasst haben, und teilweise abdriften. Ein Student begeht Selbstmord! Seine Freunde Novelli und Giulio sind, wie der Protagonist, Physiker, haben auch viele Probleme, jedoch genügend Einkommen um ein interessantes, unabhängiges Leben zu führen. Mit einem Freund teilt er das Hobby, sich stundenlang Henkersszenen anzugucken. Sind die drei also auch am Abdriften?
Paolo beginnt ein Buch über die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki zu schreiben. Warum? Es wird ihm mitgeteilt, es sei doch schon alles zu diesem Thema berichtet worden.
Er und seine Freunde sind mit ihren Ecken / Kanten und Problemen differenziert dargestellt, aber ich kann mich mit ihnen nicht identifizieren. Paolos emotionale Reise zu sich selbst ist bisher auch nicht geglückt.
Der Leser erfährt viel über das Kassandra-Syndrom, das Kessler-Sydrom und diverse, sehr spezielle, physikalische Fragestellungen, die mich nur recht wenig interessieren.
Paolo ist auf der Suche nach einer Zukunft, die ihn glücklich macht. Tasmanien wird ihm als Zufluchtsort genannt. Dieser Ort ist aber synonymisch und symbolhaft anzusehen, denn er kommt in dem Buch fast gar nicht vor. Deshalb bin ich von dem Werk enttäuscht und fühle mich von dem Buchtitel an der Nase herumgeführt.
Zwar stimmen das Cover mit dem einsamen Mann am aufgewühlten Meer und der abwechslungsreiche, teilweise poetische Schreibstil, der von Andeutungen lebt. Die Vielfalt der Themen und das ständige Springen des Autors in seinem Erzählfaden machen die Lektüre aber zeitweise mühsam. Generell ist die Stimmung düster und deprimierend.
Die Themen anderseits sind herausfordernd und höchst aktuell. Das Werk ist geeignet für eine eher intellektuelle, problembewusste Leserschaft. Mein Tasmanien ist mein Garten!

Veröffentlicht am 15.02.2023

Ausgeliefert

Macht
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Mir gefällt die schöne altrosa Farbe des Covers mit den Scherben darin sehr gut. Es passt mit der „Frauenfarbe“ sehr gut zu diesem Thema.
Die Geschichte spielt in Norwegen. Liv, die Protagonistin, hat ...

Mir gefällt die schöne altrosa Farbe des Covers mit den Scherben darin sehr gut. Es passt mit der „Frauenfarbe“ sehr gut zu diesem Thema.
Die Geschichte spielt in Norwegen. Liv, die Protagonistin, hat mit den Nachwirkungen ihrer Vergewaltigung zu kämpfen, dem Moment, als sie die Macht über sich verloren hat und zu einem Objekt der Begierde eines Mannes wurde. Ständig kreisen ihre Gedanken um dieses Ereignis, obwohl sie inzwischen verheiratet ist, zwei Kinder und ein schönes Zuhause hat. Niemand weiß von der Vergewaltigung.
Das Buch ist schwer und bedrückend. Auch die Aufteilung des Werkes hat keine klare Struktur. Es gibt keine einheitlichen Kapitel, teilweise nur sehr kurze Absätze, die wie Scherben wirken. Manchmal spricht Liv die Lesenden sogar direkt an. Die Sätze sind kurz und wirken oft abgehackt. All das passt zu ihrer zerrissenen Persönlichkeit, andererseits lässt sie sich aber völlig in die Opferrolle fallen, bricht eine Gesprächstherapie nach nur einer Sitzung ab. Will sie sich überhaupt helfen lassen?
Es ist hervorzuheben, dass sie auch bei sich nach der Schuld sucht. Zu recht finde ich, denn wenn man sich bei einem Date volllaufen lässt, dann mit dem Mann nach Hause mitgeht und „es“ über sich ergehen lässt und sich fragen muss, ob man < nein > gesagt hat oder nur gedacht hat, dann war man sehr unvorsichtig, zumal etliche one-night stands vorher und nachher waren. Die Autorin hat die Konfliktsituation sehr gut beschrieben, aber ich finde keinen Zugang zu Liv, dieser jungen, modernen Frau. Für mich gilt der Satz:“ Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.“ Aber scheinbar ist jede zehnte Frau in Norwegen schon vergewaltigt worden, ein abscheuliches Dilekt, welches von der Gesellschaft und der Polizei aber oft mit einem Schulterzucken abgetan wird. Kommt es zu einer Verhandlung, steht Aussage gegen Aussage, so schreibt Furre.
In Italien am „Zufluchtsort“ von Niki de Saint Phalle, die ebenfalls vergewaltigt wurde, schaft Liv die befreiende Offenbarung, dass auch sie diese Schicksal erlitten hat.
Ein Ende, das eine Persönlichkeitsbefreiung bedeuten könnte.
Dieses Werk kann ich allen an der Problematik interessierten Frauen empfehlen, allerdings fehlt mir die Sicht des Mannes, der, in betrunkenen Zustand, oftmals gar nicht ahnen kann, das die Regungslosigkeit der Frau keine Zustimmung, sondern Angst ist
Daher nur 4Punke

Veröffentlicht am 05.05.2022

Sehnsucht nach dem bohèmen Leben

Ein französischer Sommer
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Das Cover mit dem sommerlichen Motiv hat mich dazu bewogen, das Werk zu lesen.
Die Autorin, um deren Erstlingswerk es sich hier handelt, bemüht sich darum, ihrem Roman einen intellektuellen Anstrich zu ...

Das Cover mit dem sommerlichen Motiv hat mich dazu bewogen, das Werk zu lesen.
Die Autorin, um deren Erstlingswerk es sich hier handelt, bemüht sich darum, ihrem Roman einen intellektuellen Anstrich zu geben. Sie will zeigen was sie kann, und verwendet in ihrem Sprachstil teils kryptische Formulierungen, Metaphern, bildhafte Formulierungen, Ausdrücke aus der Jugendszene, es werden aber auch landestypische Verhaltensweisen, architektonische Besonderheiten (wer kennt schon die Hausmannschen Häuser im Pariser Zentrum?), französische und englische Ausdrücke eingestreut, die wohl Lokalkolorit erzeugen sollen, jedoch nicht übersetzt werden. Auf mich als Paris- und Londonkenner wirkt das motivierend, aber was ist mit den nicht - Insidern die weder Englisch noch Französisch beherrschen? Der Sprachstil ist also nicht für jedermann leicht zu lesen.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Leah, der Protagonistin, und dem souveränen alternden Autor, Michael Young, erzählt.
Leah, eine Engländerin, ist nach dem Studium in Paris “hängengeblieben” und schlägt sich mit Aushilfsjobs durch. Sie kommt sympathisch rüber, was man von Michael nicht behaupten kann. Leah will nicht in der Tretmühle Londons arbeiten, verweigert aber auch in Paris einen exakten Karriereplan, sondern bewundert eine Art “Bohème Leben” dort, was eigentlich typisch für die 60er Jahre war. Sie stellt sicherlich einen gewissen Typ der heutigen Generation dar, der noch lange auf der Suche nach sich selbst ist. Jedoch stört mich eine gewisse Promiskuität an ihrem Charakter.
Der Autor Young ist von Leah angezogen und stellt sie als Assistentin ein, um seine Tagebücher aus den 60er und 70er Jahren zu sichten und zu ordnen, zusätzlich noch, um seine Korrespondenz zu erledigen, damit er wieder Zeit zum Schreiben hat.
Sie verbringt den Sommer mit Michaels Familie in Südfrankreich, lernt deren intellektuellen Lebensstil kennen, aber hat auch einen tiefen Einblick in die Beziehung Michaels zu seiner Frau, die sich zügellos verhält.
Leah ist noch sehr naiv und unerfahren mit der Nonchalance der Schönen und Reichen, deshalb wird sie enttäuscht.
Die Atmosphäre in Südfrankreich wird wundervoll eingefangen und macht diesen Roman zu einer seichten Sommerlektüre Spannung wird leider weggenommen, da viele Dinge vorhersehbar sind. Das Geheimnis wird gelüftet, plötzlich auftauchende alte Fotos werfen Fragen auf. Es kommt zu einem Streit und ein unerwarteter Gast taucht auf.
Der Roman hat leider einige Längen. Er spielt zwar im Jahre 2016, soll jedoch das seichte Mittelmeerleben der Intellektuellen dort darstellen, was typisch für Michaels “junge” Jahre war.

Veröffentlicht am 07.06.2021

Lost in love in France

Liebe, lavendelblau
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Ich habe dieses tolle Werk ausgewählt, da mich das wunderschöne Cover mit der ansprechenden Haptik magisch angezogen hat. Außerdem ist Frankreich mein Lieblingsurlaubsland, besonders die Provence mit der ...

Ich habe dieses tolle Werk ausgewählt, da mich das wunderschöne Cover mit der ansprechenden Haptik magisch angezogen hat. Außerdem ist Frankreich mein Lieblingsurlaubsland, besonders die Provence mit der tollen Landschaft, den würzigen Gerüchen, den Lavendelfeldern, den Weinbergen und den türkis farbenen Seen. Als Hamburger ist es sehr gut nachvollziehbar, dass das beschauliche Leben in der sauberen provenzalischen Luft mit den guten Weinen und dem frischen sehr geschmackvollen Essen einen sehr großen Kontrast zur Hektik, der CO 2 Verseuchung und dem ewigen Stress der Großstadt darstellt. Hier kommt man zur Ruhe und findet es seine innere Mitte.
Das wird durch die sehr bildhafte, metaphernreiche und flüssige Schreibweise der Autorin unterstützt. Es ist ein Genuss, wie sie es schafft, dem Leser das Ambiente vor seinem inneren Auge entstehen zu lassen.
Die junge Protagonistin hat sich ein selbstständiges Leben als Buchhändlerin mit schöner Wohnung In Hamburg – Altona, mit einem Lebensgefährten und netten Freunden aufgebaut.
Als sie arbeitslos wird und auch ihre Beziehung zu scheitern droht, flieht sie zu ihrer Freundin in die Provence. Deren Mutter rät ihr dort zu bleiben, nachzudenken und ihren Gefühlen, ihrem Herzen zu folgen, denn im Laufe der Zeit wird die Beziehung zu dem introvertierten Winzer Lucien immer enger. Es plagen Sarah jedoch Gewissensbisse, denn sie sieht keine Zukunft für sich und Lucien, da jeder in seiner Umwelt gefangen zu sein scheint. Erst nach ihrer Rückkehr nach Hamburg wird ihr klar, wohin ihr Zukunftsweg führen muss.
Die vielen Charaktere sind sehr gut beschrieben und lassen den Leser an die Geschichte glauben. Der Roman steckt voller Gefühl, hinzu kommen die romantischen Gedichte, die eingestreut werden und den Seelenzustand der Protagonistin reflektieren. Luciens Gefühlswelt wird für die eines Mannes sehr speziell beschrieben. Er ist anders als die norddeutschen Männer!
Allerdings finde ich das Ende etwas zu romantisiert und irreal.
Nach Women’s Lib sind die Frauen doch an ihrer Selbstständigkeit, ihrer guten Ausbildung und finanzieller Unabhängigkeit interessiert und geben sich nicht völlig ihren Gefühlen hin,
daher 4 Punkte

Veröffentlicht am 22.04.2021

Beziehungsprobleme

So wie du mich kennst
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Die Hauptthematik des Werkes ist die Beziehung der sehr unterschiedlichen Schwestern Karla und Marie, die sehr behütet in einem kleinen Ort in Unterfranken aufwachsen. Während Karla in der gewohnten Umgebung, ...

Die Hauptthematik des Werkes ist die Beziehung der sehr unterschiedlichen Schwestern Karla und Marie, die sehr behütet in einem kleinen Ort in Unterfranken aufwachsen. Während Karla in der gewohnten Umgebung, in der Nähe der alten Eltern, ein sehr geregeltes, aber eintöniges Leben lebt, zieht es Marie schon früh in die weite Welt. Als Fotografin kann sie in New York das aufreibende, aber auch sehr abwechslungsreiche Leben eines Single mit Einsamkeit und Heimweh führen. Karla reist 2- bis 3-Mal pro Jahr dorthin, telefoniert täglich mit Marie und glaubt, jedes Detail ihres Lebens zu kennen. Als Leser kann man die Geschichte abwechselnd aus der Sicht beider Schwestern verfolgen. Als Marie bei einem Autounfall ums Leben kommt, muss Karla ihren Nachlass in New York regeln und stößt dabei auf erschütternde Fakten aus dem Leben ihrer Schwester. Aus Scham und Angst hat sie Karla vieles verschwiegen. Der Ordner “A” auf Maries Laptop deckt ein Geheimnis auf und verstört Klara zunehmend. Die inneren Monologe zeigen viel von dem jeweiligen Seelenzustand und offenbaren, wie stark Marie sich in einer Selbstfindungsphase befunden hat. Viele unausgesprochene Worte verschleiern die wahre Problematik, nämlich ein Tabuthema. Ängste und Träume werden offenbart. Im Prinzip geht es um Karlas Trauerverarbeitung, die in gut verständlicher, leiser Diktion dargelegt wird, aber auch eine gewisse Larmoyanz enthält. Die Figuren werden detailliert porträtiert und sind sicherlich, in vielerlei Hinsicht, stellvertretend für die Generation um die dreißig.
Ich empfinde diese fast schon krankhafte Verbindung der beiden Schwestern weit hergeholt. Die unterschwellige Problematik, das Geheimnis, wird leider erst im letzten Drittel offenbart, obwohl schon vorher kurze Hinweise vorkommen. Somit ist mir der Plot zu eintönig, er enthält keine Dynamik, denn es handelt sich ja um einen Roman und nicht um ein Sachbuch. Die Autorin hat sich viel vorgenommen, aber erzählt zu langatmig.