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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ernsthafte Geschichte über Straßenkinder

Das Mädchen mit dem Fingerhut
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Zwei Jungen und ein Mädchen versuchen Tag für Tag zu überleben. Anfangs lernt man ein Mädchen kennen, das nicht weiß, welchen Namen ihre Eltern ihr gegeben haben. Sie nennt sich selbst Yiza. Irgendwo in ...

Zwei Jungen und ein Mädchen versuchen Tag für Tag zu überleben. Anfangs lernt man ein Mädchen kennen, das nicht weiß, welchen Namen ihre Eltern ihr gegeben haben. Sie nennt sich selbst Yiza. Irgendwo in einer namenlosen Stadt lernt Yiza einen sogenannten „Onkel“ kennen, der ihr Ratschläge gab wie sie überleben kann. Für einige Tage erhält Yiza Brot, Wurst und Käse von einem Mann auf dem Markt. Doch diese Art von Unterstützung ist von kurzer Dauer. Eines Tages begegnet sie den beiden Jungen Schamhan und Arian. Gemeinsam kämpfen die drei fast unbemerkt von der Bevölkerung für jeden Tag des Überlebens, an dem sie Lebensmittel bekommen können. Keine Eltern, keine Geschwister. Yiza redet nicht viel außer, dass sie bei einem bestimmten Wort schreit: Polizei.
Der österreichische Autor Michael Köhlmeier schrieb mit wenigen Zutaten von Inhaltselementen einen kurzen, aber intensiven Roman, der aufgrund seiner Geschichte einen Teil der gegenwärtige Weltsituation erzählt. Kurze Sätze, die manchmal einfache Momente des Erlebens beschreiben, aber wodurch banale Momente stark zur Geltung kommen. Das Mädchen Yiza symbolisiert ein x-beliebiges Kind, das ohne Eltern und einem Dach über dem Kopf auf der Straße lebt. Vielleicht ist es ein Flüchtlingskind, vielleicht auch nur ein Großstadtkind, das von zu Hause wegegelaufen ist. Ebenso leben die beiden Jungen Schamhan und Arian in diesem desolaten Zustand. Anhand deren Sprachbarrieren stellt man fest, dass diese Kinder unterschiedliche Herkunftshintergründe haben. Michael Köhlmeier griff ein Thema auf, das die Schwachen der Gesellschaft in den Vordergrund rückt.
Ein Roman, der einen nachdenklich zurücklässt. Die Figur Yiza steht für viele andere Kinder und Jugendliche, die Grenzen überqueren ohne Eltern, Großeltern oder Geschwister. Nicht das Mädchen an sich ist bedeutsam, sondern ihre Rolle. Ihr Rolle als Flüchtling, Obdachlose und Verwaiste. Sie steht symbolisch für viele Schicksale auf dieser Welt. Ein Roman abseits von Politik, Medien und Diskussionen, der seine Anerkennung aufgrund der Thematik verdient hat.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn die Vergangenheit bis in die Gegenwart Spuren hinterlässt

Heimweh
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Jesse Berg arbeitet als Kinderarzt in Berlin, war verheiratet mit Sandra, mit der er die gemeinsame Tochter Isabelle – auch Isa genannt – im Wechsel betreut. Jesse lebte einst im Allgäu als Heimkind in ...

Jesse Berg arbeitet als Kinderarzt in Berlin, war verheiratet mit Sandra, mit der er die gemeinsame Tochter Isabelle – auch Isa genannt – im Wechsel betreut. Jesse lebte einst im Allgäu als Heimkind in einem privaten Internat Adlershof. Der damalige Heimleiter Artur Messner lebt heute noch im Adlershof, allerdings als pensionierter Mann. Mittlerweile führt sein Sohn Richard das Internat und die Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Sandra gehörte damals auch zu den sogenannten Homies – Kinder aus vernachlässigten oder schwierigen Elternhäusern. Jesse wuchs nach dem Tod seiner Mutter beim Vater weiter auf. Als sein Vater aber immer mehr Alkohol trank und seinem Sohn dieses psychisch wie physisch spüren ließ, wurde Jesse vom Vater entzogen. Somit kam er 1981 mit dreizehn Jahren nach Adlershof.
Heute in der Gegenwart lebt Jesse als Arzt und Familienmensch ein beschauliches Dasein bis zu einem einschneidendes Erlebnis. Isa wird entführt und Sandra tot im Wohnzimmer aufgefunden. Jesse läuft die Zeit davon, denn er muss Isa finden, sonst wird auch sie sterben müssen.
Marc Raabe legt mit diesem Psychothriller sein drittes Buch vor. Beim Lesen merkt man, dass der Autor gut recherchiert hat, was mich manchmal beim Lesen an die öffentliche Auseinandersetzung mit der Odenwaldschule erinnerte. Besonders spannend ist der Wechsel zwischen der Vergangenheit 1981 in Adlershof und der Gegenwart in Berlin und Garmisch-Patenkirchen. Jesse muss seine Tochter finden, was hier zu einem Katz-und-Maus-Spiel wird zwischen Jesse, Mitglieder seiner damaligen Clique und dem damaligen Heimleiter Artur Messner. Jesse als Jugendlicher und Erwachsener stellt eine klare Figur dar, allerdings kann man es bei den anderen Figuren nicht immer feststellen, denn sie haben alle ihre Geheimnisse, damals wie heute. Das macht eben die Spannung und die psychologischen Effekte in diesem Thriller aus. Sehr sympathisch fand ich die kleine achtjährige Isabelle, die die ganze Zeit eine kleine Kämpferin darstellte.
Seit einiger Zeit habe ich nicht einen solchen grandiosen und psychologisch spannenden Thriller gelesen. Oft hatte ich Herzklopfen und konnte das Buch nicht an die Seite legen. Unter den deutschen Thriller-Schriftstellern gehört Marc Raabe nun zu meinen Favoriten. Bis zum Schluss hielt der roten Faden mit purer Spannung und Überraschungen. Man bekommt seine Verdachtsmomente, aber man wirft sie schnell wieder über Bord, und muss die Würfel neu mischen, wer nun der oder die Verdächtigen der unterschiedlichen Figuren nun ist. Von Marc Raabe möchte in Zukunft noch mehr solcher Stories lesen.

Veröffentlicht am 12.06.2021

Unterdrückung im 21. Jahrhundert

Im Reich der Schuhe
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Eine jüdische Familie – Vater und Sohn – zogen von Boston in den USA nach China, um dort ihre familiäre Tradition Schuhmacher fortzusetzen. Vater Fedor baute in den letzten Jahren in der chinesischen Stadt ...

Eine jüdische Familie – Vater und Sohn – zogen von Boston in den USA nach China, um dort ihre familiäre Tradition Schuhmacher fortzusetzen. Vater Fedor baute in den letzten Jahren in der chinesischen Stadt Foshan eine Schuhfabrik auf, die die Produktion durch Wander- und Arbeitsmigranten bewerkstelligen. Alex soll in die Fußstapfen des Vaters treten, und die Schuhmarken weiterhin ins Ausland verkaufen. Als Alex die Arbeiterin Ivy kennen- und lieben lernt, lernt er auch deren politische Ambitionen kennen. Die chinesischen Arbeiter und Arbeiterinnen möchten nicht weiterhin am Rande der Gesellschaft stehen. Auf der anderen Seite steht die chinesische Regierung, die mit den Schuhfabrikbesitzern die Arbeiterschaft gängeln wollen, und somit gegen jeden Protest untermauern wollen. Alex versteht die Perspektive der Arbeiter und Arbeiterinnen, und möchte selbst unter eigener Führung der Fabrik Änderungen vornehmen. Wird es Alex gelingen, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen unter den strengen Augen der chinesischen Regierung?
Spencer Wise – selbst Sohn einer Auswandererfamilie und Sohn eines Schuhmachers - erzählt die Geschichte über Moderne, Tradition, Luxus und Armut. Auf der einen Seite stehen Vater Fedor und sein Sohn Alex als Arbeitgeber mit der Partei und Regierung Chinas, und auf der anderen Seite die Arbeiter und Arbeiterinnen sowie eine kleine politische Gruppe, die eine arbeitsrechtliche und menschenwürdige Revolution anstreben. Gleichzeitig entwickelt sich ein Generationenkonflikt zwischen Fedor und Alex. Fedor möchte bei seinen traditionellen Schuhmarken – hauptsächlich für das Ausland produziert – bleiben. Und Alex möchte eine neue modernere Produktionslinie fahren. Ivy - eine Arbeiterin – in die Alex sich verliebt, nutzt diese Liaison, um eine politische und nachhaltige Veränderung in den chinesischen Fabriken voran zu bringen. Man könnte denken, ein Kampf gegen Windmühlen, wenn man an die chinesische Parteiführung und deren macht denkt. Der Autor erzeugte eine authentische Atmosphäre und Figuren, mit denen man mitleidet und mit Spannung wartet, ob die Geschichte gut oder schlecht ausgeht. Die Sprache ist modern, traditionell und mit jüdischen Akzenten erzählt. Man lernt somit verschiedene Kulturgüter in einer Geschichte kennen. Rundum kann man erwähnen, dass der Roman sprachgewaltig und emotional geschrieben wurde, selbst der Humor in den Dialogen geht nicht verloren.
Dieser Roman überzeugte mich aufgrund der Einblicke hinter die Fassaden der chinesischen Wander- und Arbeitsmigranten, und der starken Charaktere von Alex und Ivy. Ein Roman, der lange nachhallt, und zum Nachdenken anregt. Ein Lesehighlight im Frühjahr 2021.
Da ich ein Leseexemplar gelesen habe, hoffe ich, dass die Endfassung nochmal Korrektur gelesen wurde. Denn an mehreren Stellen habe ich grammatikalische Schreib- bzw. Tippfehler gefunden, die ich hier aber nicht im Einzelnen aufzählen möchte.

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Veröffentlicht am 13.11.2018

Spiekeroog – die Insel für Verliebte

Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg
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Frieke ist Anfang dreißig, lebt in einer Beziehung mit Harald in Hamburg und arbeitet dort als Zeitungsjournalistin. Frieke und Harald planen einen Neustart in Boston, doch vorher erhält Frieke noch einen ...

Frieke ist Anfang dreißig, lebt in einer Beziehung mit Harald in Hamburg und arbeitet dort als Zeitungsjournalistin. Frieke und Harald planen einen Neustart in Boston, doch vorher erhält Frieke noch einen Auftrag von ihrem Chef Florian. Sie soll eine Reportage über den Vogelkundler Bengt Gerjets schreiben, der auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog in einem Bauwagen lebt. Harald hatte sich gewünscht, dass er mit Frieke die Umzugskartons packt, aber sie packt die Neugier für die Insel. Kurz vor ihrer Abreise erfährt sie, dass ihr biologischer Vater Ole ebenfalls auf der Insel lebt. Als Frieke auf der Insel ankommt, wohnt sie bei dem Buchhändler Ehepaar Willem und Ebba in deren Ferienwohnung. Bengt Gerjets ist eine harte Nuss, der fast autark in seinem Bauwagen am letzten Zipfel der Insel lebt. Im Laufe ihres Aufenthalts erfährt Frieke, dass ihr Vater schwer erkrankt ist. Plötzlich stellt sich Frieke Fragen zu ihrem Leben, was falsch und richtig ist. Wird sie die richtigen Entscheidungen treffen?
Julie Peters schafft durch ihre Beschreibungen der Figuren und Charaktere sowie die bildhafte Landschaft eine Atmosphäre des Wohlfühlens. Man kommt auf der Insel an, und möchte eigentlich nur Urlaub machen. Es beginnt bei dem kleinen Buchladen bis hin zu den Vögeln, die der Vogelkundler beobachtet. Neben den Hauptprotagonisten Frieke, Harald und Bengt spielen weitere Nebenfiguren eine Rolle, die zu einem Mehrwert der Geschichte beitragen. Jede Figur hat ihren norddeutschen störrischen, in sich gekehrten oder lebensbejahenden Charakter. Manche der Figuren zeigen Wärme und Weisheit, von denen andere Figuren profitieren können. Der Erzählstil ist einfach, unterhaltsam und kaum einer gewissen Spannung aufgebaut. Bei diesem Roman tragen die Figuren und die Atmosphäre den wichtigen Inhalt bei.
Dieser Roman sollte in keinem Koffer oder in einer Reisetasche fehlen, wenn man an der deutschen Küste Urlaub macht. Wenn man das Buch im Herbst oder Winter liest, sehnt man sich den Sommer wieder herbei. Es ist eine kurzweilige, aber unterhaltsame Geschichte.

Veröffentlicht am 26.02.2018

Maskenmensch verbreitet Angst und Panik

Im Kopf des Mörders - Kalte Angst
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Im Umkreis von der Stadt Langenfeld sorgt eine unbekannte Person für Angst und Panik. Denn diese Person dringt in Häuser und Wohnungen ein - leise und das Gesicht hinter einer Fliegenmaske verborgen schreckt ...

Im Umkreis von der Stadt Langenfeld sorgt eine unbekannte Person für Angst und Panik. Denn diese Person dringt in Häuser und Wohnungen ein - leise und das Gesicht hinter einer Fliegenmaske verborgen schreckt es die Bewohner auf. Geknebelt, gefoltert und auf bestialische Art und Weise bringt dieser Fliegenmaskenmörder im Beisein von Familienangehörigen die Menschen um. Die Düsseldorfer Ermittler Max Bischoff und Horst Böhmer ermitteln in ihrem zweiten Fall. Max hat sich noch nicht ganz vom Tod seiner Freundin erholt, stößt er wieder an seine psychologischen Grenzen. Professor Leuken in der Forensischen Klinik in Langenfeld und der Patient Fissmann in der Klinik geraten in den engen Kreis der Verdächtigen. Aus unerklärlichen Gründen kann Fissmann die jeweiligen Taten vorhersehen, oder bekommt er vom Mörder Tipps?
Arno Strobel lässt Max Bischoff und Horst Böhmer zum zweiten Mal ermitteln. Psychologische Spielchen, Perversität und Brutalität lässt die Leserschaft nicht kalt, wenn man der Person mit der Fliegenmaske von außen bei den Mordhandlungen zusieht. Strobel lässt bis kurz vor dem Ende der Auflösung die Leserschaft im Ungewissen. Man möchte spekulieren. Man verdächtigt ein zwei Personen, und gleichzeitig schleißt man sie wieder aus durch neue Fakten. Trotz der vielen Toten in diesem aktuellen Fall, geht den beiden Ermittlern Bischoff und Böhmer der Humor nicht aus. Beide versuchen ebenso, sich von gewissen Personen nicht an der Nase herum führen zu lassen. Einziges Defizit ist bei der Ermittlungsarbeit, dass Bischoff und Böhmer die Vergangenheit bestimmter Personen nicht überprüfen. Bischoff arbeitet teils wie in Trance – übermüdet und mit einem dünnen Nervenkostüm – und Böhmer versucht den Überblick zu behalten und geht manchmal unkonventionelle Wege, um ans Ziel zu kommen.
Der zweite Teil der Trilogie um Max Bischoff und Horst Böhmer gefiel mir genauso gut wie der erste Teil. Spannung bis zum Schluss bringt Unterhaltung, Nervenkitzel und Überraschungen beim Lesen. Trotz brutaler Beschreibungen der Vorgehensweise von der Person mit der Fliegenmaske gelingt es Arno Strobel, den Humor in die Geschichte zu streuen wie das Salz in der Suppe. Einziges Manko meinerseits ist, dass kaum Hinweise auf den oder die Mörder beim Lesen zu erkennen sind. Man tappt ziemlich im Dunkeln, um überhaupt zu erahnen, wer es sein könnte. Ich hätte ein paar kleine – wenn auch versteckte – Hinweise gut gefunden.
Ich bin jetzt schon gespannt auf den dritten Teil, der (leider) ein Jahr auf sich warten lässt.