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Veröffentlicht am 24.06.2019

Lebendige Geschichte in einer sinnlosen Rahmenhandlung

Hannah und ihre Brüder
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Dieses Buch hat mich mir sehr gemischten Gefühlen hinterlassen. Wir bekommen zwei verschiedene Zeiten präsentiert, einerseits die Vergangenheit, in der die Geschichte von Ben Solomon im Polen während der ...

Dieses Buch hat mich mir sehr gemischten Gefühlen hinterlassen. Wir bekommen zwei verschiedene Zeiten präsentiert, einerseits die Vergangenheit, in der die Geschichte von Ben Solomon im Polen während der NS-Zeit erzählt wird, und andererseits die Gegenwart, das Jahr 2004, in welchem er die Geschichte erzählt und die Ermittlungen gegen Rosenzweig, den Ben für einen NS-Verbrecher hält, laufen. Die Geschichte aus der Vergangenheit ist interessant und macht das Grauen des Nazi-Regimes lebendig. Alles, was im Jahr 2004 spielt, hat mich zunehmenden wütend gemacht. Doch von vorne.



Lebensnahe Schilderung der Judenverfolgung

Ben erzählt der Anwältin Catherine seine Geschichte. Wir erfahren vom Leben im Polen, wie die Menschen, insbesondere die Juden, über das Radio die Nachrichten aus Deutschland verfolgen und schließlich bei Kriegsausbruch mitten in den Terror geraten. Immer wieder können Ben und seine Familie Hoffnung schöpfen, aber mindestens ebenso oft schlägt die Tragödie zu. Es ist spannend zu lesen, wie die Umstände in Polen zunehmend schlechter werden, wie einige mit offenen Augen sehen, was geschieht, während andere die Augen verschließen, weil sie es nicht verkraften, die Wahrheit zu sehen. Das Wissen um Konzentrationslager, die in einigen Fällen auch als Vernichtungslager gedient haben, das Wissen, absolut hilflos zu sein, lässt jeden Menschen anders reagieren. Das ist interessant dargestellt, auch wenn wir als Leser stets ein wenig auf Distanz gehalten werden.

Die Sprache dieser Vergangenheitsabschnitte ist recht kühl und vor allem ein Tatsachenbericht, weniger geprägt von Dialogen oder Emotionen. Dennoch gelingt es dem Autor, dem Leser Stück für Stück die absolute Hoffnungslosigkeit und die allumfassende Angst der Juden näherzubringen. Es ist unmöglich, aus Geschichtsbüchern wirklich zu lernen, wie schlimm die Dinge damals waren. Zahlen, Daten, Fakten, all das verwischt am Ende nur, wie unendlich das Leid war und wie unfassbar grausam das Böse. Obwohl auch dieses Buch nie wirklich emotional wird, kommt man doch viel näher an die Tragödie der Vergangenheit heran. Für diesen Teil der Geschichte würde ich vier Punkte vergeben.



Konstruierter Plot um flache, unglaubwürdige Charaktere

Dem gegenüber stehen die Geschehnisse der Gegenwart. Über Liam, einen Privatdetektiv und nahen Freund von Catherine, wird diese mit Ben bekannt gemacht. Für etwa die erste Hälfte des Buches sträubt sie sich dagegen, den Fall wirklich zu übernehmen. Sie betont immer wieder, dass sie keine Zeit hat, weil ihre Kanzlei sich um solche Fälle nicht kümmert und sie sich vor ihren Arbeitgebern verantworten muss für die Stunden, die sie mit Ben verbringt. Trotzdem hört sie ihm jede Woche für mehrere Stunden zu - der Konflikt ist also ohne jegliche Konsequenz, stört das Vorankommen und wirkt seltsam, da einfach keinerlei Motivation bei Catherine zu finden ist, warum sie überhaupt nach der ersten Sitzung noch weiter macht. Es gibt keine Motivation dafür. Dann, plötzlich, ist sie ergriffen von der Geschichte und will den Fall auf jeden Fall übernehmen, gegen alle Widerstände. Obwohl das Stück für Stück geschieht, ist die Motivation erneut nicht ganz klar. Sie scheint mitgenommen zu sein von der Tragödie, aber dem Autor gelingt es nie, mir als Leser irgendwelche Gefühle zu vermitteln.

Stattdessen wird die Erzählung von Ben regelmäßig für alltägliche Dinge unterbrochen, meistens von der Notwendigkeit, etwas zu essen. Es wird zum Ende hin beinahe lächerlich, wie oft wir erfahren, dass, was und wo sie essen. Zumal auch das keinerlei Konsequenzen für die Handlung hat und nichts zur Charakterentwicklung beiträgt. Diese findet nämlich generell nicht statt. Wir bekommen gesagt, dass Catherine so und so ist, aber wir sehen das nie in Handlungen oder Dialogen. Dass es schließlich Liam ist, der ihre private, intime Vergangenheit an Ben weitererzählt, ohne dass Catherine das weiß, und diese das dann, als sie es erfährt, nicht einmal schlimm findet, setzt dem ganzen die Krone auf. Keine dieser Figuren hat auch nur den Hauch eines Charakters. Sie alle sind nur offensichtliche Werkzeuge, um die Geschichte der Juden in Polen zu erzählen.

Besonders deutlich wird das zum Schluss, wo verschiedene, praktisch irrelevante Personen, die nur für einige Seiten erwähnt werden, die entscheidenden Hinweise für den Gerichtsprozess liefern, ohne dass Liam oder Catherine tatsächlich irgendeine Form von eigener Arbeit getan hätten. Fotos ex machina. Erinnerungen ex machina. Belastende Aussage ex machina. Die Dinge, die Liam für Catherine herausfindet, sind wiederum so offensichtlich und leicht zu bemerken, dass man sich fragen muss, warum nie zuvor jemand das bemerkt hat. Es ist einfach alles viel zu konstruiert. Ich bin zunehmend wütend geworden beim Lesen. Für die Handlung auf der Seite der Gegenwart würde ich am liebsten keine Punkte vergeben. 



Fazit

Der Roman "Hannah und ihre Brüder" von Ronald H. Balson überzeugt mit einer interessanten, authentischen Darstellung der Judenverfolgung in Polen zur NS-Zeit. Die darum herum gewobene Geschichte der Anwältin Catherine und des Prozesses gegen den reichen, einflussreichen Rosenzweig hingegen bleibt bis zum Ende platt, konstruiert und unglaubwürdig. Die Figuren bekommen leider nie eine Chance, einen echten Charakter zu zeigen oder zu entwickeln. Als historischer Roman über das Leiden der Juden in Polen funktioniert dieses Buch gut, doch die Rahmenhandlung enttäuscht massiv.

Veröffentlicht am 22.07.2017

Gerade so interessant

Don't You Cry - Falsche Tränen
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Dieses Buch ist ein Thriller, so steht es jedenfalls auf dem Cover. Von einem Thriller erwarte ich, dass ich mich grusele, oder gespannt Seite um Seite weiter blättere, dass ich mit den Protagonisten mitfiebere ...

Dieses Buch ist ein Thriller, so steht es jedenfalls auf dem Cover. Von einem Thriller erwarte ich, dass ich mich grusele, oder gespannt Seite um Seite weiter blättere, dass ich mit den Protagonisten mitfiebere und wissen will, was hinter allem steckt. Das einzige, was dieses Buch geschafft hat, war, dass ich wissen wollte, was hinter allem steckt.

Schon der Schreibstil ist mir direkt negativ aufgefallen: Ich-Perspektive und Präsens, durchbrochen von Erzählungen aus der Vergangenheit, die in der entsprechenden Zeitform geschrieben sind. An sich ist das Buch gut geschrieben, doch insbesondere die Zeitform hat mich häufig gestört. Meines Erachtens trägt der gewählte Stil nichts dazu bei, die Geschichte spannender zu machen oder sie anderweitig zu unterstützen.

Abwechselnd aus der Perspektive von Quinn, der jungen Frau aus dem Klappentext, und Alex, einem jungen Mann, der zunächst schwer zuzuordnen ist, werden wir über Esther und einige andere involvierte Menschen aufgeklärt. Das ist interessant. Aber auch wahnsinnig langweilig. Immer wieder nimmt sich die Autorin Zeit, Kleinigkeit sehr ausführlich zu beschreiben, sodass meine Thriller-Instinkte aufmerksam lesen, weil ich ahne, dass es später wichtig sein wird für die Aufklärung. Leider ist das nicht der Fall. Obwohl ich vor Ende des Buches auf die Lösung gekommen bin, trugen etwa 90 Prozent der ausführlichen Beschreibungen nichts zur Erkenntnis bei. Sie waren einfach nur da, für den Plot unerheblich, für die Charakterdarstellung selten von Belang. Ich bin mir sehr sicher, dass man das Buch um etwa 100 Seiten raffen könnte, ohne Inhalt zu verlieren.

Tatsächlich ist es nämlich auch so, dass die ersten 250 bis 300 Seiten nichts geschieht, was der Klappentext nicht bereits angedeutet hätte. Gewiss, wir wussten vom Klappentext nichts über Alex, doch seine Abschnitte erscheinen so belanglos, dass man sie schnell wieder vergisst. Die Ermittlungen von Quinn hingegen kommen über sehr, sehr weite Strecken des Buches nicht über den Klappentext hinaus. Das ist ungünstig, da so keinerlei Spannung entsteht.

Entsprechend erscheint das Ende dann recht plötzlich. Viele Erkenntnisse kommen mit einem Mal, viel wird gleichzeitig aufgeklärt, es wird spannend und dramatisch und dann ist es schon wieder vorbei. Man muss bei diesem Buch wirklich ganz bis zum Schluss durchhalten, um den Ansatz eines Thrillers geliefert zu bekommen. Das ist nicht für jeden etwas, so interessant die eigentliche Geschichte auch ist. Zusätzlich saß ich am Ende da und fragte mich, was mir diese Geschichte nun eigentlich sagen wollte. Kaputte Familien produzieren kaputte Menschen? Gib Acht auf deine Mitbewohner? Ich weiß es leider nicht.


FAZIT:
Der Thriller „Don’t you cry – Falsche Tränen“ von Mary Kubica ist ein interessantes Buch, welches über die ersten 300 Seiten hinweg leider keinerlei Spannung aufbauen kann. Der gewählte Stil ist ungewöhnlich, viele Passagen erscheinen übermäßig gestreckt und erzeugen damit das Gefühl von Langatmigkeit und Langeweile, obwohl es sich ansonsten flüssig liest. Insgesamt geschieht erstaunlich wenig in diesem Buch. Auch, wenn es nicht wirklich schlecht war, kann ich doch keine Kaufempfehlung aussprechen.

Veröffentlicht am 14.06.2021

Zu wenig Spannung und Tiefe

Die Ingenieurin von Brooklyn
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Ich habe mich auf dieses Buch gefreut, da ich Romane über echte historische Figuren sehr gerne lese, insbesondere wenn es dabei um Frauen geht, die entgegen ihrer Zeit für sich und ihre Träume gekämpft ...

Ich habe mich auf dieses Buch gefreut, da ich Romane über echte historische Figuren sehr gerne lese, insbesondere wenn es dabei um Frauen geht, die entgegen ihrer Zeit für sich und ihre Träume gekämpft haben. Leider konnte mich dieser Roman aber nicht überzeugen.

Von Beginn an hatte ich das Gefühl, eher eine Zusammenfassung von Ereignissen zu lesen als eine richtige Geschichte. Während ich zunächst dachte, dass dies nur so ist, weil der Roman den eigentlichen Plot mit Hintergrundwissen vorbereiten muss, wurde ich mit jeder Seite mehr enttäuscht. Der Stil blieb gleich – beschreibend und flach, ohne Gefühle und damit auch ohne Spannung. Einzelne Elemente, wie Rückblenden, um Trauma zu erklären, wurden abgehandelt, als wären sie eine Pflichtübung für die Autorin.

So blieben auch die Charaktere blass. Die Romanze zwischen Walsh und Emily beginnt sehr plötzlich und so sehr sie auch für ihn schwärmt, blieb mir bis zum Schluss unklar, woher die echte Liebe kam. Während durchaus Ansätze da sind, Emily zu einem komplexen Charakter zu machen – hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zu ihrem Ehemann, den sie immer unterstützen will, und ihren Idealen und Träumen, für die Suffragetten-Bewegung zu kämpfen – bleiben alle anderen eindimensional. Sie sind zwar leicht zu unterscheiden, doch meist nur auf eine Eigenschaft beschränkt. Jeder hier scheint Statist zu sein, damit die Autorin den Charakter von Emily entwickeln kann.

Es gibt hier viel Potential: Die Ideen sind gut und auch, dass die Autorin verschiedenste Formen von Trauma anspricht, um das Wesen der Charaktere zu zeigen, hat mir gefallen. Es scheitert leider für mich stets an der Umsetzung, da ich nie das Gefühl bekam, wirklich mitgenommen zu werden.


Fazit

Der Historische Roman Die Ingenieurin von Brooklyn“ nimmt sich eine spannende historische Figur vor, um uns ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Der Plot hat viel zu bieten – von Trauma über die Frauenwahlrechtsbewegung bis hin zum eigentlichen Bau der Brücke -, doch gelingt es bis zum Schluss nicht, die Elemente in eine stimmige Geschichte zu gießen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.01.2018

Leider zu seicht und zu hölzern

Der kleine Teeladen zum Glück
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Ich bin auf dieses Buch aufmerksam geworden, da am 15. Januar der zweite Teil der Reihe um die Valerie Lane erschienen ist. Da die Reihe vielversprechend klang, wollte ich unbedingt am Anfang beginnen. ...

Ich bin auf dieses Buch aufmerksam geworden, da am 15. Januar der zweite Teil der Reihe um die Valerie Lane erschienen ist. Da die Reihe vielversprechend klang, wollte ich unbedingt am Anfang beginnen. Leider wurden meine Erwartungen enttäuscht und ich werde die Reihe wohl nicht fortsetzen. Insgesamt sind mindestens vier Teile geplant.


Flache, ausschließlich sympathische Charaktere

Doch von Anfang: Laurie und ihre Freundinnen aus der Valerie Lane führen alle ihre ganz eigenen, gemütlichen, nostalgischen Lädchen. Als großer Fan von Tee war ich darauf vorbereitet, mich in Lauries Laden sofort wohlzufühlen. Offensichtlich war das auch das Ziel der Autorin, denn von Anfang an wird uns gesagt, wie toll und einladend der Laden ist, wie rührend sich Laurie darum kümmert und wie schön sie mit ihren Freundinnen die Tradition fortsetzt, jeden Mittwochabend die Türen zu öffnen, um über die schönen und schlechten Seiten des Lebens zu reden. Sie alle sind herzensgute Frauen, durchaus mit unterschiedlichen Charakteren, die sich aber meist auf ein oder zwei Adjektive beschränken. Etwa alle zwei Seiten wird erwähnt, dass sie sich seit fünf Jahren kennen und seitdem alle die besten Freundinnen sind. Mit Hilfe einer armen, älteren Dame und eines Obdachlosen wird zudem ihre wohltätige Seite mehrfach zur Schau gestellt.

Auch der Love-Interest Barry ist rundum ein Goldstück. Er ist der Tee-Lieferant, was ihn zu einem Experten auf den Gebiet und damit sofort sympathisch macht. Er ist aufmerksam, interessiert, höflich und sieht sehr gut aus. Dass Laurie in seiner Gegenwart zu einer stotternden Jugendlichen wird, obwohl sie schon jenseits der dreißig Jahre ist, ist ein charmanter Charakterzug, der jedoch wieder mit dem Holzhammer dargestellt wird. Ihre Freundinnen sind daher überzeugt, dass die beiden Nachhilfe in Sachen Flirten brauchen und mischen sich auf die wohl plumpeste Art und Weise ein.


Keine Konflikte, keine Handlung

Was wäre ein guter Liebesroman ohne ein wenig Drama? Natürlich taucht auch der Ex von Laurie auf, der unbedingt wieder mit ihr zusammen sein will – weil er den Sex vermisst – und natürlich weist die gute Laurie ihn sofort ab. Der Konflikt, der daraus entsteht, wird nach etwa zehn Seiten gelöst, so dass kein Leser wirklich zutiefst mitleiden muss. Generell wird es dem Leser erspart, zu sehr mit den Figuren zu fühlen. Die Dialoge sind hölzern und belanglos, von jeder eingeführten Person wird und exakt gesagt, was wir über sie oder ihn denken sollen, und niemand der wichtigen Menschen ist wirklich unsympathisch, nicht einmal der störende Ex.

Das Buch ist auf Wohlfühlromantik ausgelegt, genau das habe ich auch erwartet. Die hölzerne, belanglose Art der Umsetzung ist jedoch wirklich störend. Die Idee ist charmant, doch die Autorin gibt sich zu viel Mühe, uns ein schönes Gefühl zu geben, und am Ende fühle ich als Leserin gar nichts, weil mir an jeder Stelle vorgeschrieben wird, was ich fühlen soll. Keiner der Konflikte hat Konsequenzen, keines der Gespräche scheint etwas mit dem Fortgang der Geschichte zu tun zu haben, die liebevolle Darstellung der Läden ist ebenfalls nur schmückendes Beiwerk ohne Bedeutung für den Plot. Ich bin sehr enttäuscht, denn ich wollte dieses Buch lieben, ich wollte mich wohlfühlen, ich wollte die Reihe komplett lesen. Sehr schade.


Fazit:

Der Liebesroman „Der kleine Teeladen zum Glück“ von Manuela Inusa ist eine seichte, belanglose Romanze um die Teeladen-Besitzerin Laurie und ihren Tee-Lieferanten Barry. So viel Liebe auch in der Ausgestaltung der Valerie Lane und den Läden dort steckt, so hölzern und oberflächlich erscheinen alle Charaktere. Konflikte sind beinahe nicht vorhanden, ebenso wenig haben die Charaktere Ecken und Kanten. In der Valerie Lane ist alles schön und harmonisch. Für Fans von seichter Wohlfühlromantik ist dieser Roman definitiv zu empfehlen, mich hat das Buch leider enttäuscht.

Veröffentlicht am 25.12.2017

Dieses Buch hat mich so wütend gemacht

Mitfahrer gesucht - Traummann gefunden
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Bevor ich mit meiner Rezension anfange, will ich direkt vorwarnen: Der einzige Grund, warum dieser Roman von mir zwei Punkte und nicht bloß einen erhält, ist der gute, leicht lesbare Schreibstil. Alles ...

Bevor ich mit meiner Rezension anfange, will ich direkt vorwarnen: Der einzige Grund, warum dieser Roman von mir zwei Punkte und nicht bloß einen erhält, ist der gute, leicht lesbare Schreibstil. Alles andere an diesem Buch hat mir nicht gefallen.

Die Leseprobe bzw. die ersten paar Seiten versprechen eine lockere Romanze mit zwei Protagonisten, deren Chemie stimmt. Die Autofahrt, auf der sich Romy und Leon kennenlernen, wird über den gesamten Roman hinweg erzählt, während die eigentliche Handlung die Zeit danach betrifft. Die Szenen während der Autofahrt dienen sehr offensichtlich dem Zweck, die Anziehungskraft zwischen Romy und Leon herauszustellen, doch obwohl die Intention der Autorin so offensichtlich ist, sind die Dialoge vergnüglich genug, dass ich darüber hinwegsehen könnte.

Was dann jedoch in der Zeit danach geschieht, ist für mich persönlich zum Haare ausraufen. Romys aktueller Freund, mit dem sie zusammen gezogen ist, Flo, arbeitet als Blogger. Er ist Gamer und betreibt eigenständig Deutschlands beliebtesten Gamer-Blog. Er arbeitet von zu Hause aus, sitzt gerne in Unterhose vorm Rechner und hört laute Musik, wenn er seine Artikel schreibt. Er ist ein wenig faul, hat seine Umzugskisten noch nicht ausgeräumt und beteiligt sich nicht genügend im Haushalt. Auf Grillpartys, zu denen das Paar eingeladen wird, trägt er Shirts mit Star-Wars-Bildern drauf, obwohl er schon fast dreißig Jahre alt ist. Er kann mit den Menschen auf diesen Partys wenig anfangen, weswegen er sich keine große Mühe gibt, höfliche, oberflächliche Konversation zu machen. Auf einer solcher Party muss er früher weg, da er zu einem Spiele-Marathon mit bekannten YouTubern wie Gronkh eingeladen ist. Später hat er unter anderem einen semi-bekannten Sänger bei sich in der Wohnung zu Gast, um das YouTube-Format "Schlag den Star" aufzunehmen.

All das ist Romy unfassbar peinlich, sie schämt sich dafür vor ihren Freunden und sie ärgert sich beinahe täglich, dass Flo so faul ist und sich gehen lässt. Auch, dass er mit ihr schläft, egal ob sie unten rum rasiert ist oder nicht, lastet sie ihm negativ an. Und dass er keine Brustbehaarung hat. Wenn er abends nicht hört, dass sie heim kommt, weil er bei lauter Musik arbeitet, ist das seine Nachlässigkeit, weswegen sie ihm gar nicht mitteilt, dass sie wieder da ist, und dann wütend auf ihn werden kann, wie unwichtig sie ihm ist. Dass er samstags keine eifersüchtigen Nachfragen stellt, wenn sie spontan ausgeht, ist ebenfalls ein Charaktermangel.

Natürlich ist es dann auch er, der einen so groben Fehler macht, dass Romy ihn ohne schlechtes Gewissen verlassen kann, obwohl sie selbst eine Grenze überschritten hat.

Dass sie ihrem neuen Lover, Leon, von Anfang an ihren Beziehungsstatus verschwiegen hat und auch später weiter darüber lügt, ist natürlich auch kein Vergehen von ihr. Als er deswegen wütend auf sie wird und ihr Vorwürfe macht, ist das natürlich sein Fehler und er entschuldigt sich in dramatischer Geste, dass er je böse auf sie war.

In meinen Augen macht Romy in der gesamten Geschichte zu keinem Zeitpunkt etwas richtig. Sie lügt, sie betrügt und sie erwartet von ihren Mitmenschen, dass sie bei all ihren Plänen mitmachen, ohne dass sie diese Pläne jemals kommuniziert. Ja, gewiss, sie erlebt ein paar dramatische Rückschläge deswegen, aber am Ende entschuldigen sich die anderen bei ihr, sie muss über ihr Verhalten nicht ernsthaft reflektieren, ihr wird kein Fehlverhalten zur Last gelegt, stattdessen erhält sie ihr Happy End.

Als jemand, die selbst freiberuflich arbeitet (Schriftstellerin, Bloggerin), die zudem leidenschaftlich die Pro-Gamer-Szene verfolgt und Let's Plays auf YouTube anschaut, die es liebt, in bequemen Klamotten mit ihrem Ehemann in der Wohnung zu chillen, anstatt aufgetakelt auf Grillpartys zu gehen, habe ich keinerlei Verständnis für Romy und sehr viel Verständnis für Flo. Das Buch hat mich irrational wütend gemacht und leider wurde es zunehmend nur schlechter, nicht besser. Für jemanden mit einer Lebenseinstellung, die eher der von Romy gleicht, ist dieses Buch gewiss ein packender Liebesroman voller emotionaler Momente. Für mich war es eine einzige Beleidigung und Enttäuschung. Schade. Die Leseprobe hatte mehr versprochen.