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Bianste

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.04.2017

Dramödie

Man lernt nie aus, Frau Freitag!
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Frau Freitag ist die Lehrerin, die Schüler unterrichtet, die sich mit „Du Spast“ beschimpfen und auf Nachfrage sagen, dass es sich dabei um einen kleinen Vogel handele, was nun wieder die Beschimpfung ...

Frau Freitag ist die Lehrerin, die Schüler unterrichtet, die sich mit „Du Spast“ beschimpfen und auf Nachfrage sagen, dass es sich dabei um einen kleinen Vogel handele, was nun wieder die Beschimpfung in ganz neuem Licht erscheinen lässt. Jedenfalls ist Frau Freitag genau die richtige Lehrerin für diese Klientel, zu der sie die weise Schulbehörde eingeteilt hat. Frau Freitag selbst stellt das auch kaum in Frage – zumindest nicht endgültig, denn mit diesem Themenbereich hat sie bereits mehrere Bücher gefüllt. Nun aber ist sie scheinbar in ein Sabbatjahr gegangen. (Man kann sich Frau Freitag kaum ohne ihre Schüler vorstellen.)
Damit keine Langeweile aufkommt, beginnt sie, den Führerschein zu machen. Leicht jenseits der 50 in einer Stadt, in der es alle immer eilig haben und der Verkehr schon mal etwas ruppiger ist, sucht sie eine Fahrschule auf … und bekommt eine volle Ladung Vorurteile ab. Davon lässt sie sich aber nicht aufhalten. Lieber wechselt sie die Fahrschule.
Doch bei dieser ist es auch nur wenig besser. Einvernehmlich sagt ihr niemand, wie lange sie wohl brauchen wird, bis sie den Führerschein in der Tasche hat. So fährt sie Stunde um Stunde durch Berlin.
Jedes Kapitel informiert die Leserinnen und Leser in der Überschrift darüber, wieviel sie am Ende jeweils ausgegeben haben wird.
Doch Frau Freitag zweifelt nicht nur an den pädagogischen Fähigkeiten ihrer Fahrlehrer, die sie ums Verrecken nicht loben wollen, sondern oft genug auch an sich selbst, was allerdings nicht dazu führt, dass sie das mit dem Führerscheinmachen aufgibt.
Ihre Kommentare zum Schulterblick, zum Beschleunigen, zu Autobahnfahrten, zum Einparken usw. sind für alle, die selbst Auto fahren, zu köstlich, ahnt man doch, dass ihre Realität ein wenig neben der anderer Menschen angesiedelt ist.
Mehr will ich zum Inhalt nicht verraten, denn es lohnt sich, Frau Freitags Kampf mit dem Führerschein selbst zu lesen. Ein witziger, eingängiger Stil, kurze Kapitel, viele Gespräche (zum Beispiel mit ihrer Freundin und Kollegin Frau Dienstag) und eine gesunde Mischung an Slapstick und Ernsthaftigkeit machen beim Lesen Freude, lassen einen gelegentlich breit grinsen und manchmal laut lachen. Leider ist es das auch. Gelesen, gemocht, vorbei obwohl: Einige Fragen geben einem aber auch zu denken, oder wissen Sie noch wie das war mit dem Unterschied zwischen Bremsweg und Anhalteweg und wie man beide berechnet?


Veröffentlicht am 14.04.2017

Bittersüß

Unsere Seelen bei Nacht
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Addie klingelt einfach bei Louis und fragt ihn, ob er Lust habe, nachts bei ihr zu schlafen, damit sie beide nicht so einsam sind nach dem Tod ihrer Ehepartner. Beide sind über 70 und haben Familien, da ...

Addie klingelt einfach bei Louis und fragt ihn, ob er Lust habe, nachts bei ihr zu schlafen, damit sie beide nicht so einsam sind nach dem Tod ihrer Ehepartner. Beide sind über 70 und haben Familien, da bleibt es nicht aus, - schließlich spielt die Geschichte in den USA, im erfundenen Ort Holt - dass in der Stadt geredet wird und auch die Kinder der beiden mischen sich ein, wollen, dass Addie und Louis ihr Gesicht wahren. Doch den beiden ist egal, was die anderen denken, sie fühlen sich wohl. Dann kommt Addies sechsjähriger Enkel für einige Zeit zu Besuch. Das ändert einiges, doch gemeinsam schaffen sie für den Jungen eine Atmosphäre, die ihn darüber hinweg tröstet, dass seine Eltern sich trennen.
Alles könnte so schön sein, doch so bleibt es leider nicht.
Trotzdem ist Kent Haruf eine bittersüße, schöne Geschichte gelungen, die sich wunderbar liest, ohne jeden überflüssigen Schnörkel, einfache Sätze, sehr kurze Kapitel, nichts Überflüssiges.
Wörtliche Rede ist nicht gekennzeichnet, was das Lesen manchmal etwas schwieriger macht. Denn es gibt sehr viel davon, und oft wechselt der Sprecher nach nicht einmal einer Zeile.
Ich weiß nicht, ob Addies Entscheidung am Ende zu der Addie passt, die am Anfang zu Louis marschiert ist. An der Stelle finde ich es zu amerikanisch, hätte mir andere Reaktionen gewünscht.

Veröffentlicht am 05.04.2017

Spannende Fangeschichte

Superfans
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Pia und Antonia schwärmen für den Sänger Kenny. Bei einem Konzert wirft er sein T-Shirt ins Publikum. Pia und Antonia greifen danach - und Philine. Keine will loslassen.
Dies ist der Anfang einer neuen ...

Pia und Antonia schwärmen für den Sänger Kenny. Bei einem Konzert wirft er sein T-Shirt ins Publikum. Pia und Antonia greifen danach - und Philine. Keine will loslassen.
Dies ist der Anfang einer neuen Freundschaft der ganz besonderen Art. Die Mädchen finden einen Modus, nach dem sie sich das T-Shirt teilen, doch dann fällt ihnen der echte Sänger in die Hände. Sie entführen ihn, denn er ist völlig zugedröhnt und sie wollen ihn in Sicherheit bringen - vor der Presse, vor wilden Fans usw.
Zuerst kommen sie in der Laube von Pias Oma unter, doch das geht nicht lange gut. Kenny ist zu bekannt. Er entpuppt sich als ziemliches Ekelpaket, der seine Karriere vor alles stellt, deswegen dazu neigt, sich zuzudröhnen und gleichzeitig hasst er (zumindest gelegentlich) den ganze Karriererummel, weil er nie Zeit für sich hat.
Ich will an dieser Stelle inhaltlich nicht mehr verraten, aber Kenny bringt den drei Mädchen noch mehr Irrungen und Wirrungen, denn es taucht noch jemand aus seiner Vergangenheit auf.
Was als “Spaß” beginnt, entwickelt sich zu einem veritablen Thriller, weil vom Stalking über Brandstiftung bis zum tatsächlichen tätlichen Angriff alles vorkommt, je weiter sich die Situation zuspitzt.
Pia, die Ich-Erzählerin, wächst an dieser Geschichte. Sie erfährt viel über sich, ihre Wünsche, Einstellungen und Träume. Sie muss lernen, dass das öffentliche Gesicht einer Person nicht unbedingt viel mit dem wahren Menschen zu tun hat. Sie muss auch überprüfen, was sie unter Freundschaft versteht.
Philine, die aus einer anderen sozialen Schicht stammt als sie selbst, stellt viele ihrer Überzeugungen infrage, bringt sie dazu, Stellung zu beziehen. Ihre Freundin Antonia bleibt seltsam blass, nimmt zwar Anteil an den Geschehnissen, trägt aber selbst wenig aktiv dazu bei.
Der Text ist sehr flüssig geschrieben, wird von Seite zu Seite spannender und endet in einem wirklich außergewöhnlichen Showdown. Eine Leseempfehlung für alle Mädchen, die einen Star mal aus der Nähe erleben wollen, die toughe Mädchen mögen und gern spannende Stories lesen.

Veröffentlicht am 04.04.2017

Allgäuromantik

Endstation Hochgrat
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Der Untertitel hält, was er verspricht. Melissa arbeitet in einer Bank. Sie hat viel Stress. Solange der mit Erfolg verknüpft ist und ihre Beziehung gut funktioniert, kommt sie damit klar. Doch sobald ...

Der Untertitel hält, was er verspricht. Melissa arbeitet in einer Bank. Sie hat viel Stress. Solange der mit Erfolg verknüpft ist und ihre Beziehung gut funktioniert, kommt sie damit klar. Doch sobald eine der Säulen wackelt, beginnt auch sie zu taumeln. Zeit für eine Auszeit, ein Zusichkommen. Sie wählt ein schickes Wellnesshotel in Oberstaufen. Natürlich überlässt sie nichts dem Zufall, sondern nimmt einen Ratgeber mit, der es ihr ermöglichen soll, in sieben Tage garantiert wieder stressfrei zu werden.
Beinahe sklavisch hält sie sich an die Tipps – wohl auch, weil sie sonst nicht wüsste, was sie eigentlich tun will.
Das Hotel scheint Probleme zu haben. Zudem begegnet ihr ein sehr attraktiver Mann, Enrico, den sie allerdings als so arrogant einstuft, dass sie beinahe vor ihm davonläuft.
Doch auch in Tom, dem Golflehrer, lernt sie jemanden kennen, der sie ernst nimmt.
Doch letztlich ist es auch die Natur und Melissas Auseinandersetzung mit ihr, die ihr hilft Abstand zu gewinnen und ein wenig genauer zu erkennen, was sie eigentlich will.
Ich werde an dieser Stelle nicht verraten, welche interessanten Wege das Leben manchmal geht, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Aber so viel sei gesagt: die Autorin wartet mit allerlei überraschenden Wendungen auf. Die Nebenhandlungen erzeugen einen spannenden Allgäu-Kosmos, in denen es ebenfalls um viel geht.
Die Geschichte ist aus verschiedenen Perspektiven erzählt, die sich ergänzen und ebenfalls zur Spannung beitragen, weil der Leser/die Leserin immer ein bisschen mehr weiß als die beiden Protagonisten.
Atmosphärisch ist das Buch sehr dicht. Der Autorin gelingt es, ihre Liebe zum Allgäu in eine interessante Handlung zu verpacken.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und empfehle es allen als virtuelle Auszeit – eine Entspannungsreise im Kopf sozusagen.
Einziger Wermutstropfen: Der Klappentext verrät viel zu viel.

Veröffentlicht am 04.04.2017

Humorvoller Krimi

Voll von der Rolle
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Lorettas Freund Frank übernimmt einen Kiosk – im Ruhrgebiet „Klümpchenbude“ genannt – doch die Freude währt nur kurz. Bald wird der Kiosk das Opfer von Farbbombenwürfen und Abzocke. Vier Jugendliche, mit ...

Lorettas Freund Frank übernimmt einen Kiosk – im Ruhrgebiet „Klümpchenbude“ genannt – doch die Freude währt nur kurz. Bald wird der Kiosk das Opfer von Farbbombenwürfen und Abzocke. Vier Jugendliche, mit Skateboards, nehmen sich, was sie brauchen, ohne zu bezahlen. Frank sieht hilflos zu. Doch Loretta kann das nicht zulassen. Sie leistet Widerstand, will die jugendlichen Delinquenten abschrecken und überführen. Da liegt plötzlich einer von ihnen vor dem Kiosk, tot. Ein Skateboard-Unfall oder ein Mord? Oder etwa ein misslungener Streich? Alles erscheint möglich, und es gibt auch entsprechend viele Verdächtige, denn Loretta findet bald heraus, dass nicht nur Franks Kiosk Opfer der Bande war. Außerdem gab es untereinander Streitigkeiten und und und …
Minck fährt ein Arsenal an Originalen auf. Neben Loretta und ihrem Ermittlerfreund, sind das vor allem die drei Oppas vor dem Büdchen, die sich ein wenig wie Waldorf und Stadler ausnehmen, aber viel zum Lokalkolorit beitragen, auch weil sie als laufende Lexika für die Gegend fungieren. Lorettas Freund dagegen bleibt blass. Die Beziehung ist in Gefahr, Loretta kümmert`s nur am Rande, schließlich muss sie Frank helfen und einen Fall lösen. Da dies bereits der achte Fall einer Reihe ist, sind vermutlich noch mehr Figuren als Standardpersonal dabei (die Kommissarin, die Frau des Ermittlers, die so gut kochen kann usw.), die jedoch in diesem Band wirklich nur Nebenfiguren waren.
Der Fall an sich war interessant. Jugendliche Abzockerbanden sind vermutlich nicht selten, und zu sehen, wie sie vorgehen und wie sich das Ganze verselbständigt, hat mir gut gefallen. Richtige, ich-beiß-mir-die-Fingernägel-ab-Spannung ist jedoch nicht entstanden.
Ich habe das Buch ausgesprochen gern gelesen, mochte die Charaktere, die Handlung und vor allem Atmosphäre und „Volksmund“. Haben die Engländer nicht den Begriff „Cosy“ für diese Art Krimis? Ich finde, der Begriff passt hier ganz hervorragend.
Wer es humorvoll mag, ein wenig schräg und vielleicht auch ein wenig sozialkritisch, ist hier ganz richtig.