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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.06.2021

Reiselust und Reisefrust liegen manchmal ganz nah beieinander

Happy Road
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Ein wunderschönes Reisebuch, das sich klar von Baedeker & Co. absetzt. Bei Baedeker habe ich immer die Tendenz, die Sehenswürdigkeiten auf der Liste abzuhaken. Bei Sarah Kringes Buch kriege ich Lust mich ...

Ein wunderschönes Reisebuch, das sich klar von Baedeker & Co. absetzt. Bei Baedeker habe ich immer die Tendenz, die Sehenswürdigkeiten auf der Liste abzuhaken. Bei Sarah Kringes Buch kriege ich Lust mich noch mehr auf die Menschen, der Fauna (ok, muss ja nicht immer ein Bär sein) oder der Pflanzenwelt des bereisten Landes oder Stadt einzulassen. Kringe schriebt sehr mitreißend und begeistert. Mein Traum war nie, in einem VW-Schlaf-Koch-Wohn-Bus die Welt zu erkunden. Nach der Lektüre habe ich mich dabei ertappt, dass ich mich fragte, wie das wohl wäre…?
Die Bilder, die jedes Kapitel einleiten, stimmen uns auch auf die nun folgenden Texte ein, umso mehr, wenn man die Bilder zusammen mit dem Motto des Kapitels verbindet, ob es nun ein magischer Zauberspruch von Harry Potter ist, ein etwas derbes Zitat von Matthias ist (Scheiß di ned oa) oder ein Ausspruch von Konfuzius oder Jorma (You have very much succeeded in finding a good man) finnische Lebensweisheiten (in der Sauna sind alle gleich) usw., es heitert auf, macht neugierig auf das nun Folgende und hält dadurch den Leser bei der Stange, ähem, Buch.
Was mich besonders beeindruckt hat: beide Partner sind sich sehr bewusst gewesen, dass die Reise nicht einfach sein wird. Ein Mensch mit Zöliakie und anderen Essensunverträglichkeiten fährt nicht mal so ein paar 1000 km ins Ungewisse. Planung, ehrliche Gespräche zwischen den Partnern, all das gehört dazu, aber auch viel Toleranz und Bereitschaft sich auf den Partner und seine Belange einzulassen. Auch der Mut, zu zugeben, wenn einer am Ende seiner Kräfte ist und der andere das anerkennt und mit dem Abbruch der Reise einverstanden ist, zeugt von der Liebe und Verständnis zwischen den beiden Protagonisten. Dies alles wird in diesem Buch deutlich unter Beweis gestellt.
Der Verlag „Wenn nicht jetzt“ hat mit diesem liebevoll gestalteten Buch allen Vanlifern, Campern aber auch uns, den (bislang) nicht infizierten Lesern ein Kleinod geschenkt.
Zum Schluss muss ich mir das Wort Kalsarikännit merken. Ob ich es anwenden werde, ist eine andere Sache. Aber toll ist das Wort allemal.

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Veröffentlicht am 16.06.2021

Der kalte Krieg als Geburtshelfer der BRD

Die Akte Adenauer
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Krimi und Geschichte zugleich, spielt das Buch in einer Zeit als die deutsche Demokratie noch in den Kinderschuhen steckte und von den Amerikanern geleitet wurde. Interessante vergessene Details jener ...

Krimi und Geschichte zugleich, spielt das Buch in einer Zeit als die deutsche Demokratie noch in den Kinderschuhen steckte und von den Amerikanern geleitet wurde. Interessante vergessene Details jener Zeit kommen zu Tage. Wie das Leben in Bonn wohl war? Eine Kleinstadt die über Nacht zur Hauptstadt wurde. Die Wirtschaft brummt, die Wunderjahre bahnen sich unaufhaltsam an. Parteimäßig ist noch nicht viel los, in der jungen Bundesrepublik. Es gibt die CDU und die SPD, die FDP die CSU und eine ganze Reihe kleinerer Parteien. Die CDU wird dominiert von Konrad Adenauer, in der SPD ist es Erich Ollenhauer. Im Roman treten neben den fiktiven Gestalten auch historische Personen auf: der Bundeskanzler Konrad Adenauer, Herbert Wehner (SPD), Grete Burmester (Wehners Stieftochter).
Immer wieder taucht die braune Vergangenheit Deutschlands auf im Roman, in Form von der Organisation der Werwölfe, die aus dem Untergrund Attentate planen, ein Netz von ehemaligen SS-Mitgliedern einspannen, die jetzt als „saubere“ Bürger erscheinen, die aber heimlich die Werwölfe unterstützen, usw.
Philipp Gerber, der junge US-Soldat der dann zum deutschen BKA wechselt, wirkt sympathisch und geradlinig. Obwohl in den Staaten eine Professur an Harvard winkt, zieht er es vor in Bonn zu bleiben. Er hat seine Pflicht vor der Familie seines toten Freundes erfüllt und seinen Tod gerächt, aber nun wird es Zeit sein eigenes Leben so zu leben, wie er es sich wünscht, auch wenn es nicht einfach ist. Als Ermittler ist er eher die Sorte „Terrier“, wenn er sich einmal festgebissen hat, kann er nicht mehr loslassen. Er erkennt Zusammenhänge, was eben einen guten Kriminalisten ausmacht. (Zumindest i der einschlägigen Literatur und Filmen).
Rasanter Schreibstil, gleich von Anfang an, wird es noch ein Ticken spannender, als es zum Showdown kommt. Dabei gibt es eigentlich zwei Showdowns: einmal im Wald, hollywoodmäßig mit Explosionen, Stürzen von Hubschraubern, Rettung in letzter Minute, usw. Sehr mitreißend geschrieben, lässt sich die Szene in einem Rutsch lesen. Der zweite Showdown, gefiel mir schon fast besser. Da entlarvt Gerber den Drahtzieher der Attentate in einem offenen Gespräch und führt ihm vor Augen, dass er eigentlich verloren hat. Dass sein Gegenüber die ganze Zeit eine Pistole auf Gerber richtet, scheint ihn nicht zu tangieren. So abgebrüht möchte ich auch mal sein!
Ein Wort zum Titelbild: das ist schon fast ein Zeitdokument mit dem großen schweren schwarzen Wagen mit den Seitenspiegeln vorne auf den Kotflügeln. Ob solch ein Auto schwer zu lenken war? So, ohne Servolenkung und ABS? Gab es überhaupt schon ein Radio im Auto?

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Veröffentlicht am 12.06.2021

Spannender Fantasy der Lust auf mehr und Meer macht

Dark Blue Rising (Bd. 1)
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Spannender Fantasy der Lust auf mehr und Meer macht. Ein junges Mädchen fühlt sich vom Meer angezogen. Nur in der Nähe des Meeres fühlt sie sich wohl, kann frei atmen. Ihre Mutter hat sie fernab der anderen ...

Spannender Fantasy der Lust auf mehr und Meer macht. Ein junges Mädchen fühlt sich vom Meer angezogen. Nur in der Nähe des Meeres fühlt sie sich wohl, kann frei atmen. Ihre Mutter hat sie fernab der anderen Menschen großgezogen, sie hat nie eine Schule besucht ihre Mutter war ihre Lehrerin. Als Tabby einen Unfall hat und im Krankenhaus landet, holt ihre Mutter sie raus und flieht mit ihr quer durch England. Und plötzlich stellt sich heraus, dass nichts mehr so ist, wie es sein sollte, dass das Mädchen als Kind entführt wurde, ihre Mutter war eigentlich ihre Nanny, ihre Eltern sind reich, haben ein Haus an der Küste. Tabbys Leben wird auf den Kopf gestellt. Und das ist erst der Anfang. Das Buch ist sehr fesselnd geschrieben, man kommt nicht los davon. Es gibt sehr viele rätselhafte Details, die den Leser nicht loslassen. Was hat es mit dem Armband auf sich? Wieso haben unterschiedliche Personen die gleichen oder ähnliche Tattoos, in was für einem merkwürdigen Schwimmcamp soll Tabby den Sommer verbringen? Wieso verschwinden die Jugendlichen mit denen sie sich anfreundet? Wieso können Tabby und viele der anderen Teilnehmer über 20 Minuten die Luft anhalten? Und vor allem: welches ist Tabbys Verbindung zum Meer? Fragen über Fragen, die leider erst in den Folgebüchern beantwortet werden.
Wer also Cliffhanger nicht mag, der lasse bitte die Finger von Dark Blue Rising.

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Veröffentlicht am 11.06.2021

Ergreifend

Der Junge, der das Universum verschlang
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Nur schwer und zögerlich fand ich Zugang zum Buch. Kein Kind sollte den kalten Entzug seiner Mutter zu Hause miterleben. Überhaupt ist die Kindheit von Eli Bell schwer als solche zu bezeichnen. Er erlebt ...

Nur schwer und zögerlich fand ich Zugang zum Buch. Kein Kind sollte den kalten Entzug seiner Mutter zu Hause miterleben. Überhaupt ist die Kindheit von Eli Bell schwer als solche zu bezeichnen. Er erlebt und erleidet Schreckliches. Und doch findet er immer wieder Halt bei seinem stummen Bruder, bei der Mutter, beim Freund der Mutter, beim Vater. Aber Eli Bell gibt selbst Halt und Trost: einem Gefängnisinsassen, einem asiatischen Freund, einem Ex-Häftling, seiner Mutter, die im Gefängnis sitzt, seinem neurotischen Vater. Eli Bells Kindheit ist ein ständiges Auf und Ab der Gefühle, ein ständiges auf der Hut sein vor Drogendealern und Mördern. Genau genommen kann man dieses Buch dem „Coming of Age“ Genre zu zählen, wenn da nicht auch ganz klare Thriller Elemente drin wären, vor allem in der zweiten Hälfte des Buches. Eli Bell durch- und überlebt die fatalen und tragischen Momente in seinem Leben, er wird reifer, aber er behält seinen Mut, seine Macht zu lieben, zu verstehen, mitzufühlen. Sein weites Herz und heller Verstand helfen und leiten ihn weiter. Als junger Erwachsener, als er so nebenbei Mörder und Kindesentführer stellt, gewinnt er auch noch die große Liebe seines Lebens.
Das Buch trägt offensichtlich autobiografische Züge. Und das macht es einerseits so schwer, das Buch zu lesen. Wenn man weiß, es ist nicht pure Fiktion, Eli Bell ist Trent Dalton, was im Buch erzählt wird, ist tatsächlich so oder ähnlich passiert, dann ist es bitter weiterzulesen. Andererseits ist es doch ein wunderschönes, Leben bejahendes Buch, voller Liebe in seiner pursten Form.
Eli Bell erzählt naiv, nüchtern und doch poetisch über sein Leben und wie er die Dinge und das Leben sieht. Der Stil ist fesselnd, lässt einen nicht mehr los. Der Aufbau des Buches legt Zeugnis von einem großen Autor. Allein der Satz „Dein Ende ist ein toter blauer Zaunkönig“, der im Buch von Gus mit dem Finger in die Luft geschrieben wird, immer wieder, man denkt, das ist eine Marotte des großen Bruders, denkt sich, ja, der Junge ist halt so. Nur gegen Ende des Buches findet dieser merkwürdige Satz plötzlich solch eine reale und brutale Bedeutung. Es sind solche Hinweise und Bemerkungen, die irgendwo im Buch auftauchen, man schenkt ihnen keine große Beachtung und plötzlich erschlagen sie einen fast mit ihrer Wucht, als sie in den Fokus der Handlung gelangen.
Leseempfehlung? Und ob!

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Veröffentlicht am 11.06.2021

Remy Eyssen ist ein Garant für spannungsvolle Krimis

Verhängnisvolles Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 7)
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Zuerst einmal das Titelbild: zum Dahinträumen schön: das Licht, das Meer, die Boote im Vorder- und die Stadt im Hintergrund. Einfach nur schön.
Nach einem grauenvollen Prolog wissen wir, dies wird spannend. ...

Zuerst einmal das Titelbild: zum Dahinträumen schön: das Licht, das Meer, die Boote im Vorder- und die Stadt im Hintergrund. Einfach nur schön.
Nach einem grauenvollen Prolog wissen wir, dies wird spannend. Vielleicht liegt es daran, dass immer, wenn Kinder die Opfer jeglicher Art von Gewalt sind, etwas in uns nach Rache und Sühne schreit. Und ohne dass wir wissen, wie die Fälle zusammenhängen, der gefundenen Leichen von Kindern und die ermordeten Männer, ahnen wir etwas. Der Prolog ist so eindringlich und beeindruckend geschrieben, dass wir die Vorstellung, dass jemand Rache nimmt, akzeptieren wenn nicht gar gutheißen können. Die ermordeten Männer haben keine Gemeinsamkeiten, keine Berührungspunkte, sie sind geachtete Mitglieder der Gesellschaft, üben ganz unterschiedliche Berufe aus: Schneider, Apotheker, Gärtnereibesitzer. Der Vierte ist Priester, allseits beliebt, soll zum Bischof ernannt werden, ist uns aber von seinem ersten Auftreten im Roman an unsympathisch. Er liebt den Luxus, entwendet Kirchengelder um seine Residenz verschwenderisch zu renovieren. Wer dabei an Franz-Peter Tebartz -van Elst, den Bischof von Limburg denkt, darf das gerne tun. Das Odeur von Limburger Käse haftet beiden Bischöfen an, dem realen als auch der Romangestalt.
Remy Eyssen ist ein alter Fuchs im Geschäft. Ganz bewusst legt er falsche Fährten, lässt uns einen anderen der Kindermorde verdächtigen als falsche Fährte. Er baut auch andere Episoden ein, um zu zeigen, dass Leon Ritter, der Gerichtsmediziner und seine Freundin, Isabelle Moreau auch ein Privatleben haben, so das heftige Intermezzo das Isabelles Tochter, Lilou mit einem viel älteren Mann hat, oder die Boule-Partien die Leon Ritter sich mit Einheimischen und Touristen liefert. Wunderbar auch die Beschreibung der Atmosphäre von Le Lavandou und Umgebung.
Irgendwann werde ich mein altes Schulfranzösisch zusammenkratzen und in den Midi fahren, die Krimis von Eyssen als Reiseführer.

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