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Veröffentlicht am 29.09.2021

Interessantes und spannendes Gedankenspiel mit einer futuristischen Idee

Die Anomalie
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Im Roman „Die Anomalie“ des Franzosen Hervé le Tellier kommt es, treffend zum Titel, zu einer sehr außergewöhnlichen Situation, von der sich beiläufig herausstellt, dass diese nicht einmalig ist. Dabei ...

Im Roman „Die Anomalie“ des Franzosen Hervé le Tellier kommt es, treffend zum Titel, zu einer sehr außergewöhnlichen Situation, von der sich beiläufig herausstellt, dass diese nicht einmalig ist. Dabei geht es um eine Boeing 787, die im März 2021 von Paris nach New York fliegt. Die Auswirkungen des Flugs betreffen das Flugzeug selbst, die Crew und die Passagiere. Das Thema Corona spielt in der Geschichte keine Rolle.

Das Buch ist in drei Kapitel geteilt. Im Folgenden lernte ich in weiteren Unterteilungen des ersten Kapitels verschiedene Mitreisende des genannten Flugs kennen. Dieser Teil des Romans liest sich wie Kurzgeschichten, die unabhängig voneinander gelesen werden können. Darin erfuhr ich mehr vom Alltag einiger Figuren aus dem Pool der Reisenden, ihren Beruf, über ihre Beziehung zu Verwandten und Bekannten sowie den Grund, warum sie von Paris nach New York fliegen. Der mittlere Teil beschäftigt sich damit, was nach Eintritt der Anomalie geschieht, welche Konsequenzen offizielle Stellen daraus ziehen. Dabei wird der Geheimdienst zugeschaltet, der Präsident der Vereinigten Staaten informiert und Wissenschaftler zur Klärung hinzugezogen. Im letzten Kapitel erlebte ich, welche persönlichen Folgen die Anomalie für die Passagiere und die Crew hat und wie diese damit umgehen.

Die Regelwidrigkeit, über die die Geschichte handelt, gehört in den Bereich des Science Fictions. Sie ist ein Gedankenexperiment mit dem der Autor gekonnt spielt. Hervé le Tellier schreibt literarisch mit Spannungsmomenten und komödiantischen Elementen. Der Genremix sorgt immer wieder für Überraschungen. Die Figuren sind abwechslungsreich. Neben einem Auftragskiller sitzen beispielsweise auch eine Mutter mit zwei Kindern, ein Architekt und seine Freundin, eine Anwältin und ein Schriftsteller im Flugzeug auf die der Autor genauer schaut. Die Figuren sind so gewählt, dass sie veranschaulichen, wie ganz unterschiedliche Personen mit einer Extremsituation zurechtkommen, egal welchen Alters.

Auf das dritte Kapitel freute ich mich besonders, denn ich wollte wissen, welches Schicksal der Autor den mir nun bekannten Figuren des ersten Teils weiter zukommen lassen würde. Dagegen fand ich das mittlere Kapitel unumgänglich, aber vom Verständnis her schwieriger als die anderen, denn Hervé le Tellier theoretisiert hierin mehrfach mit einigen Erklärungen für das Unglaubliche. Seine Ausführungen sind ausdrucksvoll, er zieht manche Schleife über das Geschehen hinaus und greift auch gerne zum Wortwitz.

Hervé le Tellier spielt in seinem Roman mit einer futuristischen Idee, deren Glaubwürdigkeit angezweifelt werden darf. Doch allein die Beschäftigung damit, welche Rädchen sich drehen müssen, um die Realität zu vertuschen und unser Dasein zu erklären, ist das Lesen wert, darum empfehle ich das Buch gerne weiter.

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Veröffentlicht am 20.09.2021

Einfühlsames Porträt der Künstlerinnen Lotte Laserstein und Traute Rose

Meine Freundin Lotte
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Wer Anne Sterns Romane rund um die Hebamme Hulda Gold kennt, erlebt die Autorin im Roman „Meine Freundin Lotte“ von einer ganz anderen Seite. Titelgebend und Protagonistin des Buchs ist die Malerin Lotte ...

Wer Anne Sterns Romane rund um die Hebamme Hulda Gold kennt, erlebt die Autorin im Roman „Meine Freundin Lotte“ von einer ganz anderen Seite. Titelgebend und Protagonistin des Buchs ist die Malerin Lotte Laserstein, geboren 1898. Die Geschichte beginnt im Jahr 1961, als die Protagonistin ihre Freundin Gertrud Rose, genannt Traute und deren Ehemann Erich als Gäste in ihrer neuen Heimat Kalmar zu Besuch in Schweden hat. Im Wechsel übernehmen Lotte und Traute die Erzählperspektive in der Ich-Form. Doch nicht nur das aktuelle Miteinander, sondern vor allem ihre langjährige Freundschaft und die gemeinsamen Jahre in Berlin sind Gegenstand der Erzählung.

Die Freundinnen lernten sich im Winter 1924 bei der Ausgabe kostenloser Suppe an Bedürftige kennen. In Traute fand Lotte das perfekte Modell für ihre Malerei. Sie ist eine der wenigen Frauen, die damals bereits an der Kunstakademie Berlins studieren können. Da das Einkommen in Lottes Familie gering ist, unterrichtet sie und verkauft einige ihrer Bilder. Es entwickelt sich eine vertrauensvolle Beziehung zwischen der Malerin und Traute, die als Fotografin ihre eigenen Wege geht und mit Erich schon als junge Frau einen Partner zur Seite hat. Während Lotte stur ihrer malerischen Leidenschaft nachgeht und sich dennoch gerne mal fröhlich und ausgelassen ins Getümmel stürzt, ist die herbe Schönheit Traute die einfühlsamere von beiden, die in unangenehmen Situationen zu klären versteht.

In Kalmar kommt es immer wieder zu misslichen Auseinandersetzungen bei denen Vieles unausgesprochen bleibt zwischen den Frauen. Bis dato bedauert Traute, dass Lotte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist. Als Jüdin hat die Malerin 1937 eine Möglichkeit gefunden nach Schweden zu emigrieren und für einige Zeit verloren die beiden den Kontakt zueinander. Doch auch kleine Geheimnisse und verborgene Gefühle liegen in der Luft. Anne Stern schreibt auf eine ruhige Art über die besondere Beziehung der Freundinnen, wobei auch die Kunst von Lotte in ihrer Berliner Zeit nicht zu kurz kommt. Anhand der von Anne Stern vorgenommenen, teil poetischen Beschreibung entstehen die Bilder vorstellbar im Kopf und forderten mich dazu heraus, im Internet nach Abbildungen zu suchen.

„Meine Freundin Lotte“ von Anne Stern ist das feinsinnige Porträt zweier Künstlerinnen, Lotte Laserstein und ihrer Freundin Traute, über viele Jahre hinweg, die über ihre Arbeit miteinander verbunden waren und deren Zuneigung dabei zunahm. Die Autorin lässt dabei beide Frauen ihre Gedanken und Gefühle mit dem Leser und der Leserin teilen. Gerne empfehle ich den Roman denen weiter, die sich für Biografien historischer Personen interessieren.

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Veröffentlicht am 25.08.2021

Romantische Komödie mit fantasievollen Einfällen

Dich hab ich nicht kommen sehen
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Nina Resinek hat mit dem Buch „Dich hab ich nicht kommen sehen“ ihren Debütroman geschrieben. Ihre Protagonistin ist 31jährige Mari Thaler, die genauso wie die Autorin Rechtswissenschaft studiert hat. ...

Nina Resinek hat mit dem Buch „Dich hab ich nicht kommen sehen“ ihren Debütroman geschrieben. Ihre Protagonistin ist 31jährige Mari Thaler, die genauso wie die Autorin Rechtswissenschaft studiert hat. Nach einigen Schicksalsschlägen beschließt Mari einen Neuanfang, der darin besteht, dass sie eine neue Arbeitsstelle in einer großen Berliner Kanzlei annimmt. Damit verbunden ist ein Umzug in die Hauptstadt. Cover und Titel verleihen dem Buch bereits beim Betrachten einen freundlichen Anklang.

Mari ist ganz begeistert von der Annonce eines Lofts in Berlin und freut sich über die Zusage. Bereits am Vortag des verabredeten Mietbeginns bringt sie einige Einkäufe zur Wohnung und trifft dort auf einen Handwerker. Bald schon stellt sich heraus, dass dieser Leo heißt und der Bruder ihrer Vermieterin Alexandra ist. Die sonst auf Contenance bedachte Mari bekommt im Kontakt mit Leo weiche Knie. Aber sie vermutet, dass sie ihn nicht wiedersieht. Zu diesem Zeitpunkt ahnt sie noch nicht, wie sehr sie in die familiären Wirrnisse von Alexandra einbezogen werden wird und wie oft Leo ihre Wege dabei kreuzt.

Die Autorin hat einen erfrischend eigenen Schreibstil, der sich durchgehend amüsant liest. Mari ist eine Figur voller Sorgen, als sie in Berlin ankommt. Das bleibt auch nach außen hin nicht unbemerkt. Im neuen Job muss sie sich erst bewähren, als neue Angestellte hält sie ihre Arbeitsbedingungen für nicht diskutabel. Demgegenüber findet sie bei Alexandra und ihren Bekannten und Verwandten einen Ort, an dem ihr Verständnis entgegengebracht wird, allerdings ist sie skeptisch und bleibt verschlossen. Es kommt zu Missverständnissen und zahlreichen Verstrickungen. Zum Ende des Buchs hin gab es ein paar Ereignisse, bei denen ich die Entwicklungen etwas schnell und für mich nicht ganz realistisch empfand.

Nina Resinek kennt sicher aus eigener Erfahrung das juristische Berufsumfeld und lässt diese in ihre Geschichte einfließen. Sie schreibt mit einer Überspitzung der Gegebenheiten, die zu vergnüglichen Szenen führen. Jeder Situation nimmt sie den ernsten Ton und gibt ihr etwas belustigendes, dennoch lässt sie unterschwellig problematische Themen anklingen. Maris Beziehung zu Leo geht über Höhen und Tiefen hin zu mehr Selbstbewusstsein. Erst dadurch kann sie ihre Gefühle zulassen, die die Autorin nachvollziehbar herausarbeitet. Der Umgang von Mari zu einem Kleinkind und ihrer in diesem Zusammenhang eingesetzten Fantasie fand ich bemerkenswert.

Das Buch „Dich hab ich nicht kommen sehen“ von Nina Resinek ist ein romantische Komödie, die durch einen eigenen Schreibstil auffällt. Die Geschichte ist durchgehend heiter und überrascht mit fantasievollen Einfällen. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

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Veröffentlicht am 11.08.2021

Reale Version des Lebens der Frauen einer Bauernfamilie in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts

Wildtriebe
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Der Roman „Wildtriebe“ von Ute Mank gibt Einblicke in das Leben auf dem Land über mehrere Generationen hinweg. Dabei stehen drei Frauen im Fokus. Im Vergleich verhält sich deren Leben wie Wildtriebe, ihre ...

Der Roman „Wildtriebe“ von Ute Mank gibt Einblicke in das Leben auf dem Land über mehrere Generationen hinweg. Dabei stehen drei Frauen im Fokus. Im Vergleich verhält sich deren Leben wie Wildtriebe, ihre Wege führen sie trotz bestehender Werte und Konventionen in eine andere als die von ihren Angehörigen vorgesehene Richtung. Das Cover nahm mich optisch mit in die Natur, die im Buch eine tragende Rolle spielt, denn sie lässt alles Wachsen und Gedeihen und bildet die Erwerbsgrundlage in der Landwirtschaft.

Die Geschichte spielt etwa um die Wende vom 20. ins 21. Jahrhundert. Lisbeth, inzwischen etwa Mitte 70, hat den in einem kleinen hessischen Dorf gelegenen elterlichen Hof übernommen, nachdem ihre beiden Brüder im Zweiten Weltkrieg gefallen waren. Kurze Zeit nach dem Tod ihrer Geschwister hat sie ihre Mutter verloren. Ihr einziges Kind, ihr Sohn Konrad hat zu Beginn der 1970er Jahre seine langjährige Freundin Marlies geheiratet, die in einem Kaufhaus in der Stadt arbeitet. Die beiden haben eine Tochter Joanna. Zu Beginn des Romans begibt die 19-jährige Joanna sich nach ihrem Abitur auf große Fahrt, um ein Jahr Freiwilligenarbeit in Afrika zu leisten. Schon auf den ersten Seiten ist zu erfahren, dass Konrad inzwischen nur noch im Nebenerwerb Landwirt ist.

Ute Mank blickt auf das bewegte Leben der Frauen, vor allem aber auf das von Lisbeth und Marlies und ihr Verhältnis zueinander. Lisbeth hat schon früh gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen, immer zum Wohl des Hofs und seiner Bediensteten. Sie war immer diejenige, die das Sagen hatte. Es ist schwierig für sie nun mir ihrer Schwiegertochter eine Berufsfremde im Haus zu haben. Wie es damals üblich war, hat Marlies ihre Arbeitsstelle nach der Heirat aufgegeben. Marlies wurde der Weg aufs Gymnasium von ihren Eltern untersagt, stattdessen wurde sie auf Ehe und Haushalt vorbereitet. Sie hat gelernt, den Entscheidungen ihrer Eltern nicht zu widersprechen. Lisbeth begegnet sie mit Respekt, aber es ist und bleibt zu viel Schweigen in ihrer Beziehung, um Vertrauen aufzubauen. In ihrer Rolle als Bäuerin ist sie nie richtig angekommen, ihre beruflichen Erfolge werden von ihrem familiären Umfeld nicht anerkannt.

Die Autorin beschreibt ein Verhalten, dass früher auf dem Dorf normal war, Platz für Selbstverwirklichung war hier meist nicht. Marlies fügt sich in die Gegebenheiten, doch sie schafft sich immer wieder Genugtuung, indem sie sich durch ihr Handeln dem Willen von Lisbeth bei Kleinigkeiten widersetzt. Schließlich erringt sie die Zustimmung ihres Ehemanns zu einigen für sie wichtigen Freiheiten. Ihrer Tochter eröffnet sie durch ihre Erziehung weite Wege und ist erstaunt darüber, dass Joanna manche ihrer eigenen Entscheidungen früher ihrer Großmutter mitteilt als ihr. Die Autorin begründet Lisbeths Verhalten Joanna gegenüber mit einem Geheimnis, das eigentlich in der Dorfgemeinschaft, in der jeder alles von jedem weiß, nicht sein kann. Für Lisbeth und Marlies hat die vermutete, gefestigte Meinung der Verwandten und Ortsbewohner maßgeblich zu ihrem Tun beigetragen, Joanna setzt sich unkonventionell darüber hinweg. Lisbeth ist mit dem Alter gelassener geworden, bleibt aber hauptsächlich Marlies gegenüber fast trotzig bei ihren Ansichten.

Ute Mank schildert in ihrem Roman „Wildtriebe“ das unterschiedliche stille Streben einer Bäuerin, ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkelin um mehr Selbstbestimmtheit und Anerkennung ihrer Persönlichkeit. Durch ihren Schreibstil drückt die Autorin die nie gesagten Worte zwischen ihren Protagonistinnen aus und beschreibt eine reale Version des Lebens auf dem Land in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 17.07.2021

Schicksalhafter Roman, eine Geschichte über Freundschaft, Vergebung und Vertrauen.

Heldinnen werden wir dennoch sein
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Der Roman „Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane Wünsche nahm mich mit an den Niederrhein. Susi, Ellie, Ute und Helma sind seit 1974, als sie in die
5. Klasse an einem Gymnasium in Kaarst eingeschult ...

Der Roman „Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane Wünsche nahm mich mit an den Niederrhein. Susi, Ellie, Ute und Helma sind seit 1974, als sie in die
5. Klasse an einem Gymnasium in Kaarst eingeschult wurden, befreundet. Auch Marie gehörte zu ihrem Kreis, ist aber inzwischen verstorben. Jede der Freundinnen hatte schon damals ihre eigenen Sorgen, was unter anderem an den Eltern lag.

Wenn es zu Problemen mit Mitschülern kam, stand jeder von ihnen Frank zur Seite, der eine gefestigte Position in ihrem Klassengefüge hatte. Obwohl er immer mit den fünf Mädchen befreundet war, hat er in der Teeniezeit nie versucht eine Liebesbeziehung aufzubauen. Schließlich begreift sein Umfeld, dass er schwul ist. Die Freundinnen erfahren viele Jahre später während einer Geburtstagsfeier von Franks Freitod in Berlin. Die Gedanken der Frauen kehren zurück zu einem bestimmten Abend im Herbst 1984, der ihre Freundschaft nachhaltig verändert hat.

Die Autorin erzählt ihre Geschichte über mehrere Zeitebenen hinweg. Der Fokus wechselt zwischen den Kapiteln von einer Freundin zur anderen, wobei jedes Kapitel zur Orientierung mit dem jeweiligen Namen überschrieben ist. Die Rückblenden sind an geeigneten Stellen in den Text eingegliedert. Recht schnell wurde mir bewusst, dass der Prolog und weitere kursiv gesetzte Einstreuungen von Frank in der Ich-Form erzählt werden, dessen Gefühlswelt mir aufgrund der gewählten Darstellung verständlicher wurde. In der vorderen Klappe sind die Hauptcharaktere mit einer kurzen Selbstbeschreibung aufgeführt. Dadurch behielt ich den Überblick, denn im Laufe der Geschichte gesellen sich noch etliche Nebenfiguren hinzu.

Die Freundinnen sind schon über viele Höhen und Tiefen in ihrem Leben gegangen. Seit Lisa, die Tochter von Marie, erwachsen ist, wird sie in diesen Kreis mit einbezogen. Überrascht nehmen Susi, Ellie, Ute und Helma nach Franks Tod Kenntnis davon, dass Lisa noch Kontakt zu ihm hatte. Die Erinnerungen der Frauen, die inzwischen Anfang Fünfzig sind, gehen zurück in ihre Jugend zu vielen problematischen Themen, sei es die schwere Erkrankung oder der Alkoholismus eines Elternteils, hohe Anforderungen der Eltern, Kriegstrauma, Drogenkonsum und Selbstverwirklichung.

Christiane Wünsche ist gleichalt mit ihren Figuren und in Kaarst aufgewachsen, so dass ihr dadurch eine realistische Darstellung des damaligen Umfelds gelingt. Jede der Frauen ist bis in die Gegenwart eine stille Heldin für die anderen Freundinnen, weil sie für diese Anlaufstation für eine Aussprache sein kann und dennoch erfährt man, dass die Frauen über eine wichtige Situation ihrer Jugend das Mäntelchen des Schweigens all die Jahre hinweg gedeckt haben. Die Freundschaft wirkte auf mich nicht besonders innig. Susi, Ellie, Ute und Helma verhalten sich so wie viele andere, die man kennt, mal gedankenlos in ihren Äußerungen, manchmal arglos, selbstsüchtig oder zickig.

Jede der Freundinnen hat ihr Päckchen zu tragen, hier und da blitzt auf, dass sie auch viele schöne Erinnerungen an gemeinsame Zeiten haben, doch diese gab es meiner Meinung nach im Roman zu wenig, ich hätte lieber noch häufiger mit ihnen gelacht. Auch in der Jetztzeit hat jede der Freundinnen nicht nur den Tod von Frank zu verkraften, sondern kämpft mit der eigenen Gesundheit, mit der Ehebeziehung oder sorgt sich um Familienmitglieder. Doch trotz diverser Meinungsverschiedenheiten hat die Freundschaft der Frauen weiter Bestand.

„Heldinnen werden wir dennoch sein“ von Christiane Wünsche ist ein schicksalhafter Roman, eine Geschichte über Freundschaft, Vergebung und Vertrauen. Mich brachte sie dazu, mich an meine eigene Jugend zu erinnern und darüber nachzudenken, was eine Freundschaft ausmacht. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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