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Veröffentlicht am 01.08.2021

Ein absolutes Herzensbuch, aber mit leicht überzogenem Ende...

Be My Tomorrow
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"Be My Tomorrow" ist nun mein achtes Buch von Emma Scott, welche sich schon mit ihren Liebesdramen "The Light In Us", "Bring Down The Stars", "Light Up The Sky", "Never Doubt", "Between Your Words" "All ...

"Be My Tomorrow" ist nun mein achtes Buch von Emma Scott, welche sich schon mit ihren Liebesdramen "The Light In Us", "Bring Down The Stars", "Light Up The Sky", "Never Doubt", "Between Your Words" "All In - Zwei Versprechen" und "All In - Tausend Augenblicke" in mein Leseherz geschrieben hat. Wie bei jedem ihrer Bücher habe ich mich auch in die Geschichte von Zelda und Beckett Hals über Kopf verliebt, ganz an die von Thea und Jim, die ich vor ein paar Wochen gelesen habe, kommt "Be My Tomorrow" aber nicht heran.

"Be My Tomorrow" ist in vielerlei Hinsicht ein typischer Emma-Scott-Roman. So beginnt es schon beim Cover, dass ich eigentlich genau dasselbe schreiben kann, wie bei ihren anderen Romanen auch: Grundsätzlich ist es mal wieder sehr schön anzusehen mit dem lavendelfarbenen Hintergrund, der von federartigen cremefarbenen Strukturen und helleren Lichtpunkten durchzogen ist. Wie aber bei fast allen Cover-Gestaltungen des LYX-Verlag fehlt unter der hübschen Oberfläche die tiefere Bedeutung: die Verbindung zum Inhalt. Auch den Titel, "Be My Tomorrow" finde ich eher enttäuschend. Ich habe das bestimmt mittlerweile an die 100-mal gesagt in Rezensionen, aber ich wiederhole es gerne nochmal: ich kann einfach nicht nachvollziehen, weshalb man einen bestehenden, perfekten Originaltitel ändern muss (außer aus Urheberrechtsgründen natürlich) und wenn man es doch tut, warum man dann einen anderen englischen Titel wählt. "Be My Tomorrow" ist zwar kein kompletter Griff ins Klo, da Beckett und Zelda sich zusammen gegenseitig aus ihrer Vergangenheit reißen und einen Schritt ins Morgen gehen. Da der Originaltitel "The Butterfly Project" aber etwa tausend Mal besser passt und auch einen höheren Wiedererkennungswert hat, finde ich es sehr schade, dass der Verlag nicht bei einer Version des Originals geblieben ist.


Erster Satz: "Kein Herz", flüsterte ich in meinen Mantelkragen"


Wir lernen unsere erste Hauptprotagonistin Zelda am Tiefpunkt ihres Lebens kennen. Sie hat alles auf eine Karte gesetzt, ist aus Las Vegas weg und nach New York gezogen, um ihre Graphic Novel Verlagen anzubieten. So langsam wird es mit ihren Ersparnissen knapp, es hagelt nur Absagen und als dann auch noch ihre Zeichenutensilien geklaut werden, steht sie kurz davor, ihren Traum aufzugeben. Dann trifft sie Beckett, einen gutaussehenden Fremden, der mit seiner eigenen Miete in Verzug ist, aber trotzdem einem Obdachlosen Geld gibt, der zwei Jobs hat, aber trotzdem seiner Nachbarin Essen bringt, der ein verurteilter Straftäter ist, bei dem sie sich aber trotzdem sofort wohl und sicher fühlt. Um Geld zu sparen und ihrer Heimreise Aufschub zu gewähren, zieht sie bei ihm ein, nicht wissend, dass die winzige Wohnung schon bald zu einem Zuhause und ihr Mitbewohner zu einer Chance auf Liebe, Glück, Vergebung und ein Morgen wird...


Zelda: "Mir wurde klar, dass man sich an alles gewöhnen konnte - selbst daran, jahrelang allein zu sein, - bis zu dem Moment, in dem man mit etwas in Berührung kam, was besser war als das, was man hatte."


Ich sagte bereits nach meiner Einleitung, dass "Be My Tomorrow" ein typisches Emma-Scott-Buch ist. Genau wie alle ihre Bücher ist die Geschichte zwar leise und sensibel erzählt, ruhig und ereignislos über weite Teile der Geschichte, aber dafür mit brüllend lauten Schicksalen unter der Oberfläche. Die zentralen Themen der Geschichte, auf die auch die Triggerwarnung hinweist, sind Kindesentführung, Drogenmissbrauch, Tod, Trauer und vor allem: Schuld. Während Zelda vergeblich versucht, ihre Trauer, Angst und Schuldgefühle über den Verlust ihrer Schwester in ihrer Kunst zu verarbeiten, bezahlt Beckett tagtäglich den Preis für eine dumme Entscheidung, die er aus Verzweiflung getroffen und seither bitter bereut hat. Neben den emotionalen Päckchen, die die beiden den Lesern und sich gegenseitig schon früh im Buch offenbaren, sorgt auch ihr Leben am Rand der Gesellschaft für eine melancholische Grundstimmung. Anders als in anderen Geschichten, in denen das blühende Leben und die tausend Möglichkeiten von New York gefeiert werden, zeigt uns Emma Scott hier eine Welt voller Einsamkeit, Geldsorgen, winzigen Wohnungen, abgewrackten Hostels, Bewährungshelfer und Ungerechtigkeit, sodass uns eine gewisse Schwere durch das gesamte Buch begleitet.


Beckett: "Ich öffnete das Fenster einen Spalt breit und rauchte eine Zigarette, während ich der Musik lauschte. Es war ein gutes Album. Ein bisschen kitschig, aber manchmal denke ich, dass kitschig nur bedeutet, dass etwas in einfachste Begriffe gepackt wird. "Hör niemals auf zu glauben". Das ist alles. Keine Metapher. Keine Poesie. Ein simpler Rat im Wert von fünfunddreißig Dollar bei jedem Pfandleiher."


Emma Scott erzählt hier also mal wieder kein locker-leichtes Wohlfühlbuch mit schnellen Entwicklungen oder überkochender Leidenschaft, sondern lässt es gerade im ersten Drittel ruhig angehen. Arbeiten, Kochen, Überarbeiten der Graphic Novel, Schlafen... viel mehr tun die beiden Figuren nicht. Durch ihr Zusammenleben auf engem Raum wohnt jedoch allem, was sie tun eine Intensität und Intimität inne, die einen vergessen lässt, dass sie sich erst nach gut 200 Seiten langsam näherkommen. "Be My Tomorrow" ist eine ultra-slow-burn Geschichte, was angesichts der Tatsache, dass beide sich vorher nicht kannten, lange einsame Einzelkämpfer waren und sich nur Schritt für Schritt öffnen, nur natürlich erscheint. Besonders herzergreifend wird die Annäherung der beiden auch durch Emma Scotts besonderen Schreibstil. Diese Autorin schafft es wie keine Zweite, intensiv Schmerz und Liebe gegenüberzustellen und den Leser damit zum Weinen, zum Lachen und zum Mitfiebern zu bringen. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen heilt, sind wirklich erstaunlich.


Zelda: "Ich schmeckte Champagner, eine Süße, dicht gefolgt vom Biss des Alkohols. Süß und stark. Genau wie er. Ich stellte mir vor, dass er auch ohne den Champagner so schmecken würde, jeden Tag, immer, und verspürte das plötzliche Verlangen, zu wissen, ob das stimmte. Ihn im heißesten, dunkelsten Teil der Nacht zu küssen, in der schläfrigen Wärme des Morgens, oder selbst nach zehn Stunden auf dem Rad im Sommer, sodass sich sein salziger Schweiß mit dieser berauschenden Mischung verband, die ihn repräsentierte. Das bist du."


Auch die Figuren sind mir wieder in Rekordzeit ans Herz gewachsen. Zelda ist eine eher zurückhaltende, verschlossene Protagonistin, die ich zunächst noch schwer greifen konnte. Mit jedem Kapitel aus ihrer Sicht können wir sie dann jedoch besser verstehen, lernen, was sie bewegt und weshalb sie sich so verzweifelt an ihre Graphic Novel klammert. Beckett hingegen ist mal wieder eine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Schon mit dem ersten Kapitel aus seiner Sicht und dem ersten von 40 Briefen, die er an die Leidtragende seiner dummen Entscheidung schreibt und von denen einige abgedruckt sind, war es um mich geschehen. Ich weiß auch nicht wieso, aber die Autorin hat einfach ein Händchen dafür, männliche Protagonisten zu erschaffen, die mich mit ihrer poetischen Tiefgründigkeit und gequälte Intensität immer wieder vom Hocker hauen. Nach Isaac in "Never Doubt" dachte ich, ich würde keinen New-Adult-Protagonisten mehr lieben können, aber here it is: ein neuer und noch anbetungswürdigerer Love Interest (mein armes Herz, seufz).


Zelda: "Ich gehörte ihm. Auf jede erdenkliche Weise. Und er mir. In diesem Herzschlag wusste ich, dass er es auch fühlte, und das schönste Lächeln der Welt umspielte seine Lippen, bevor er mich küsste."


Wirklich besonders wird die Geschichte jedoch erst durch die geschickte Einbindung der Graphic Novel in Handlung und Satz. Überrascht hat mich, dass hier tatsächlich einige Graphic-Novel-Illustrationen von Christopher Stewart eingefügt sind, die Beschreibungen bildlich untermauern und unterstützen. Das ist jedoch viel mehr als ein schönes Plus in der Gestaltung, oder allgemein ein interessantes Thema - die Graphic Novel ist tatsächlich der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, durch die essenzielle Entwicklungsschritte der Figuren abgebildet werden. Wie sich Becketts und Zeldas Weg aus Schuld, Rache, Zorn und Trauer hin zu Vergebung in der Weiterentwicklung von "Mutter, darf ich" widerspiegelt ist einfach KUNST! Und wenn wir schon bei tollen Parallelen sind - riesig gefreut habe ich mich auch über die kurzen Easter-Eggs, die mir schon in "Between Your Words" aufgefallen sind und bei denen die Autorin eine kurze Verbindung zu Theo und Jonah aus ihrer "All In"-Reihe herstellt.


Zelda: "Wir hatten uns zu oft berührt, als dass mein Körper es vergessen konnte, und jetzt litt ich den köstlichen Schmerz, etwas zu wollen, was ich nicht haben konnte. Diesen außergewöhnlichen Schmerz, wenn die Person, die man will, in Greifweite ist. Diese aufgeladene Atmosphäre, die Spannung, die sich mit einem einzigen Blick oder Wort plötzlich entladen könnte..."


Der einzige Grund, weshalb "Be My Tomorrow" einfach nicht in derselben Liga spielt wie "Between Your Words" ist das Ende. Nachdem wir zuvor in Mikroschritten Richtung Hoffnung vorangeschlichen sind, passiert hier plötzlich viel zu viel auf einmal, scheinbar alle Probleme lösen sich in Luft auf und das Happy End erscheint etwas zu perfekt. Versteht mich nicht falsch, ich freue mich riesig über das schöne Ende, hier hätte aber einfach ein etwas leiseres, zurückhaltenderes Happy End besser gepasst. Zu meinem großen Glück ist "Be My Tomorrow" mal wieder der Auftakt einer Reihe. Zwar ist die Geschichte von Beckett und Zelda hier weitgehend zu Ende erzählt und in Band 2 und 3 geht es um andere Figuren, so müssen wir uns aber noch nicht ganz von ihnen verabschieden.


Zelda: "Aber war Liebe nicht auch eine Art Chaostheorie? Ein kurzer Blick, ein Lächeln oder ein Wort konnten den Verlauf eines Lebens für immer verändern. Beckett und ich waren der lebende Beweis."





Fazit:


Emma Scott erzählt mit "Be My Tomorrow" mal wieder kein locker-leichtes Wohlfühlbuch, sondern zeigt vor der melancholischen Kulisse einer erbarmungslosen Großstadt, wie zwei verlorene Figuren zusammenfinden und ihre Schuld hinter sich lassen. Mal wieder ein wahres Herzensbuch, leider aber mit leicht überzogenem Ende.

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Veröffentlicht am 19.07.2021

Eine erfrischend, herzerwärmend und liebeswert erzählte Anthologie!

Blackout
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Handlung: Sofia (von Sofias kleine Bücherwelt) und ich haben schon vor unserem Buddyread festgehalten, dass wir beide eigentlich kein so großer Fan von Anthologien sind, da man dort so schnell wieder aus ...

Handlung: Sofia (von Sofias kleine Bücherwelt) und ich haben schon vor unserem Buddyread festgehalten, dass wir beide eigentlich kein so großer Fan von Anthologien sind, da man dort so schnell wieder aus einer Situation gerissen und in einen anderen Kontext geworfen wird, sobald man sich eingefunden hat. In "Blackout" gibt es jedoch nicht nur durch die Gesamtsituation des Stromausfalls inmitten des hochsommerlichen New Yorks einen klaren roten Faden, die einzelnen Kurzgeschichten stehen auch durch minimale Überschneidungen, Begegnungen, Bekanntschaft oder Verwandtschaft zwischen den einzelnen Figuren in Verbindung, sodass der Lesefluss beinahe dem einer zusammenhängenden Geschichte gleicht. Dazu trägt auch bei, dass alle der sechs Geschichten auf einen gemeinsamen Endpunkt zusteuern: das Zusammentreffen auf einer Blockparty. Man kann die einzelnen Geschichten also ohne Probleme verteilt lesen, das Format lädt aber definitiv zum Binge-Reading ein. Damit erinnerte mich "Blackout" vom Konzept her an die romantische Komödie "Tatsächlich... Liebe" - nur ohne weihnachtlichen Bezug und eben in Buchform, aber mindestens genauso erfrischend, herzerwärmend und liebeswert erzählt!

Schreibstil:
Wunderschön ist auch, dass jede der sechs Autorinnen (von denen ich einige schon aus anderen Romanen kannte) hier spürbar ihren eigenen Stil miteinfließen lässt. So sind die sechs kurzen Teile der Anthologie trotz des gemeinsamen Schwerpunkts auf verschiedenen Formen der Liebe und des erarbeiteten roten Fadens, sehr individuell und alle auf ihre Weise besonders. Wie bei fast allen Büchern dieses Formats gab es natürlich auch hier Geschichten, die mir besser und andere, die mir weniger gut gefielen (bei "Der lange Weg" hat mich die Aufteilung gestört und die Auflösung am Ende war nicht so ganz zufriedenstellend und meine Lieblingsgeschichte ist "Ohne Maske"), sie sind jedoch alle ohne Ausnahme wahnsinnig süß und raffiniert erzählt und halten die ein oder andere süße Message bereit, ohne dass dies gekünstelt oder aufdringlich wirken würde.

Figuren:
Das coolste an "Blackout" ist jedoch, dass hier eine Gruppe von Figuren im Vordergrund steht, die sonst in der Buchwelt viel zu kurz kommen: junge Protagonists of Color. Neben verschiedenen Herkünften und Schattierungen der Hautfarben treten auch eine Menge queere Figuren auf, was diesen Roman zu einem tollen Paradebeispiel für Diversität macht. Queer Love, Friends-to-Lovers, Love-at-first-sight, Ex-Friend-to-Lovers, Liebesdreieck - die sechs Autorinnen feiern hier alle möglichen Facetten der Liebe, sodass hier für alle was dabei ist.


Das Zitat


"Vielleicht passiert heute Nacht ja auch noch irgendetwas Gutes. Die Art von Magie, die nur im Dunkeln entstehen kann."



Das Urteil:

Eine erfrischend, herzerwärmend und liebeswert erzählte Anthologie, die alle möglichen Facetten der Liebe feiert und einer in der Buchwelt viel zu kurz kommenden Gruppe eine Stimme verleiht: jungen Protagonists of Color. Großes Lob für Idee, Konzept und Umsetzung!

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Veröffentlicht am 19.07.2021

Eine erfrischend, herzerwärmend und liebeswert erzählte Anthologie!

Blackout
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Handlung: Sofia (von Sofias kleine Bücherwelt) und ich haben schon vor unserem Buddyread festgehalten, dass wir beide eigentlich kein so großer Fan von Anthologien sind, da man dort so schnell wieder aus ...

Handlung: Sofia (von Sofias kleine Bücherwelt) und ich haben schon vor unserem Buddyread festgehalten, dass wir beide eigentlich kein so großer Fan von Anthologien sind, da man dort so schnell wieder aus einer Situation gerissen und in einen anderen Kontext geworfen wird, sobald man sich eingefunden hat. In "Blackout" gibt es jedoch nicht nur durch die Gesamtsituation des Stromausfalls inmitten des hochsommerlichen New Yorks einen klaren roten Faden, die einzelnen Kurzgeschichten stehen auch durch minimale Überschneidungen, Begegnungen, Bekanntschaft oder Verwandtschaft zwischen den einzelnen Figuren in Verbindung, sodass der Lesefluss beinahe dem einer zusammenhängenden Geschichte gleicht. Dazu trägt auch bei, dass alle der sechs Geschichten auf einen gemeinsamen Endpunkt zusteuern: das Zusammentreffen auf einer Blockparty. Man kann die einzelnen Geschichten also ohne Probleme verteilt lesen, das Format lädt aber definitiv zum Binge-Reading ein. Damit erinnerte mich "Blackout" vom Konzept her an die romantische Komödie "Tatsächlich... Liebe" - nur ohne weihnachtlichen Bezug und eben in Buchform, aber mindestens genauso erfrischend, herzerwärmend und liebeswert erzählt!

Schreibstil:
Wunderschön ist auch, dass jede der sechs Autorinnen (von denen ich einige schon aus anderen Romanen kannte) hier spürbar ihren eigenen Stil miteinfließen lässt. So sind die sechs kurzen Teile der Anthologie trotz des gemeinsamen Schwerpunkts auf verschiedenen Formen der Liebe und des erarbeiteten roten Fadens, sehr individuell und alle auf ihre Weise besonders. Wie bei fast allen Büchern dieses Formats gab es natürlich auch hier Geschichten, die mir besser und andere, die mir weniger gut gefielen (bei "Der lange Weg" hat mich die Aufteilung gestört und die Auflösung am Ende war nicht so ganz zufriedenstellend und meine Lieblingsgeschichte ist "Ohne Maske"), sie sind jedoch alle ohne Ausnahme wahnsinnig süß und raffiniert erzählt und halten die ein oder andere süße Message bereit, ohne dass dies gekünstelt oder aufdringlich wirken würde.

Figuren:
Das coolste an "Blackout" ist jedoch, dass hier eine Gruppe von Figuren im Vordergrund steht, die sonst in der Buchwelt viel zu kurz kommen: junge Protagonists of Color. Neben verschiedenen Herkünften und Schattierungen der Hautfarben treten auch eine Menge queere Figuren auf, was diesen Roman zu einem tollen Paradebeispiel für Diversität macht. Queer Love, Friends-to-Lovers, Love-at-first-sight, Ex-Friend-to-Lovers, Liebesdreieck - die sechs Autorinnen feiern hier alle möglichen Facetten der Liebe, sodass hier für alle was dabei ist.


Das Zitat


"Vielleicht passiert heute Nacht ja auch noch irgendetwas Gutes. Die Art von Magie, die nur im Dunkeln entstehen kann."



Das Urteil:

Eine erfrischend, herzerwärmend und liebeswert erzählte Anthologie, die alle möglichen Facetten der Liebe feiert und einer in der Buchwelt viel zu kurz kommenden Gruppe eine Stimme verleiht: jungen Protagonists of Color. Großes Lob für Idee, Konzept und Umsetzung!

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Veröffentlicht am 04.07.2021

Eine blutige, symbolträchtige Parabel über Monster, Krieg und die Frage des Blickwinkels.

Und der Ozean war unser Himmel
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Handlung: "Nennt mich Bathseba", läutet die Geschichte einer jungen Walin ein, die zusammen mit ihrer Schiffscrew auf der Jagd nach einem legendären Walfänger ist: "Toby Wick." Schon mit dem ersten Satz ...

Handlung: "Nennt mich Bathseba", läutet die Geschichte einer jungen Walin ein, die zusammen mit ihrer Schiffscrew auf der Jagd nach einem legendären Walfänger ist: "Toby Wick." Schon mit dem ersten Satz wird somit klar, auf welchen Klassiker sich Patrick Ness mit seiner düsteren Parabel über Monster, Krieg und die Frage des Blickwinkels bezieht. Nacherzählungen in Form von Kinderbüchern gibt es eine Menge zu Herman Melvilles "Moby Dick", was Patrick Ness hier aber tut, ist in Form einer Gegenerzählung alle Rollen zu vertauschen und Jäger und Gejagte an der Wasseroberfläche zu spiegeln. Durch die gewählte Perspektive erscheinen viele Aspekte der Handlung zunächst wirr. In der Welt der Wale ist unser Himmel der "Abgrund", gegen dessen Anziehungskraft in Form des Auftriebs es anzuschwimmen gilt. Im Gegensatz dazu entsprechen die Tiefen des Ozeans dem Himmel (Verweis: Titel). Doch nicht nur oben und unten sind vertauscht. In Patrick Ness´ Version der Geschichte haben die Wale eine entwickelte Gesellschaft mit Technik, Sozialsystem, Sprache und Kultur und machen Jagd auf die Menschen, deren Leichen sie ernten. Es ist durchaus anspruchsvoll, sich auf diesen fremden Blickwinkel einzulassen und die dargestellte Handlung als kritischen Spiegel zu begreifen, der unser eigenes Handeln verurteilt. Trotz der vielen Parallelen, Andeutungen und Schnittstellen zu "Moby Dick" geht "Und der Ozean war unser Himmel" jedoch seinen eigenen Weg, weshalb es nicht zwingend notwendig ist, den Klassiker von Melville zu kennen.

Schreibstil:
"Und der Ozean war unser Himmel" ist auf der reinen Handlungsebene ein blutiges Abenteuer, die Metaebene ist aber wie bei dem Autor gewohnt reichhaltig gefüllt mit bildreichen Metaphern, Symbolen und Andeutungen. Die viele Gewalt, Kämpfe, die ständige Jagd und der allgegenwärtige Tod zeichnen ein sehr düsteres Bild, zwischen Blutbädern und Begegnungen mit anderen Walschulen diskutieren unsere Figuren aber auch Prophezeiungen, Glaube, Monster und Krieg diskutiert. Dabei beschränkt sich diese düstere Fabel aber eher darauf, Fragen zu stellen, als diese dann auch zu beantworten. Wer sorgt dafür, dass eine Prophezeiung eintritt? Die Vorsehung, oder führt man sein Schicksal durch eine Vorhersage selbst in diese Richtung? Wie rechtfertigt man einen Krieg und kann man diesem Strudel aus Hass jemals entkommen? Was bedeutet Loyalität? Und warum machen wir aus dem Unbekanntem immer Monster? Genau wie in allen Geschichten von Patrick Ness ("A Monster Calls", "Chaos Walking") ist also auch wieder ein ordentlicher Hä-Effekt dabei und worauf die Geschichte eigentlich hinauswill bleibt am Ende eher nebulös umrissen und mit jeder Menge Raum für Interpretationen, Diskussionen und Projektion.

Figuren:
Eine Walin zur Protagonistin machen - funktioniert das? Klar, in Kinderbüchern wird das ständig gemacht, doch wie steht es in einem blutigen Überlebensdrama? Ab wann wird dieses Vermenschlichungs-Experiment absurd? All das habe ich mich während der ersten Seiten der Geschichte gefragt. Doch trotz dass uns Lesern die Wale nicht gerade als Sympathieträger ans Herz wachsen, verschwimmen während der 160 Seiten der Geschichte die Grenzen zwischen Menschen und Walen, Fremd und Eigenperspektive zusehends und man findet sich ab und zu selbst in dem Taumel wieder, den Bathseba fühlt, wenn sie den Wasserspiegel durchbricht und die Welt für den Bruchteil einer Sekunde kippt. In diesen kurzen Momenten war dann ich der Wal und fürchtete und gierte gleichermaßen nach der Legende des bösartigen Teufels Toby Wick...

Illustrationen:
Begleitet und unterstrichen wird die Geschichte durch die Illustrationen von Rovina Cai. Egal ob seitenfüllende, halbseitige oder nur angedeutete Motive am Seitenrand - durch kontrastreiche Blau-Schwarz-Zeichnungen mit blutroten Akzenten erhält die Geschichte einen düsteren, aber verträumten Beigeschmack, der ganz wunderbar zur Handlung passt. Alle wichtigen Szenen sind doppelseitig dargestellt, wobei die Bilder durch das Großformat des Buches im Stil eines Graphic Novels besonders gut zur Geltung kommen. Auch die 38 Kapitelanfänge sind durch kleine blaue Zeichnungen ausgestaltet. Sehr spannend ist, dass auch die Illustrationen mit den Motiven "oben und unten" und dem Spiegel spielen und somit der Himmel immer am unteren Seitenrand, der Ozean oben und der Wasserspiegel häufig mittig dargestellt ist.


Die Zitate


"Wir würden zu den Bergen gelangen. Wir würden unserem Schicksal ins Auge sehen. Aber war es eine Scheibe, dir unser Schicksal besiegelte? Oder die Hartnäckigkeit, mit der wir ihrer Botschaft folgten? Wird die Welt in Finsternis enden, weil es so vorhergesagt ist? Oder weil manche so fest daran glauben, dass sie es dadurch wahr machen? Voll der Angst, die sich stets in meinem Herzen zu verstecken versuche, frage ich mich, ob es da überhaupt einen Unterschied gibt."

"Wer den Teufel bekämpft, wird selbst zum Teufel."
"Vielleicht kann ja aber nur ein Teufel einen Teufel bekämpfen", sagte ich.
"Doch wenn dieser Kampf zu Ende ist, Bathseba", sagte er, "bleiben dann nur noch Teufel übrig?"
Und für einen Moment war im Meer nichts als Finsternis. Wir waren allein. Auch mit uns selbst. Und den Teufeln, die, ungesehen, irgendwo lauern."



Das Urteil:

Eine blutige, symbolträchtige Parabel über Monster, Krieg und die Frage des Blickwinkels. Patrick Ness hält uns hier mit einer Gegenerzählung zu Melvilles "Moby Dick" den Spiegel vor und lässt jede Menge Raum für eigene Interpretationen und Denkanstöße.

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Veröffentlicht am 04.07.2021

Eine blutige, symbolträchtige Parabel über Monster, Krieg und die Frage des Blickwinkels.

Und der Ozean war unser Himmel
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Handlung: "Nennt mich Bathseba", läutet die Geschichte einer jungen Walin ein, die zusammen mit ihrer Schiffscrew auf der Jagd nach einem legendären Walfänger ist: "Toby Wick." Schon mit dem ersten Satz ...

Handlung: "Nennt mich Bathseba", läutet die Geschichte einer jungen Walin ein, die zusammen mit ihrer Schiffscrew auf der Jagd nach einem legendären Walfänger ist: "Toby Wick." Schon mit dem ersten Satz wird somit klar, auf welchen Klassiker sich Patrick Ness mit seiner düsteren Parabel über Monster, Krieg und die Frage des Blickwinkels bezieht. Nacherzählungen in Form von Kinderbüchern gibt es eine Menge zu Herman Melvilles "Moby Dick", was Patrick Ness hier aber tut, ist in Form einer Gegenerzählung alle Rollen zu vertauschen und Jäger und Gejagte an der Wasseroberfläche zu spiegeln. Durch die gewählte Perspektive erscheinen viele Aspekte der Handlung zunächst wirr. In der Welt der Wale ist unser Himmel der "Abgrund", gegen dessen Anziehungskraft in Form des Auftriebs es anzuschwimmen gilt. Im Gegensatz dazu entsprechen die Tiefen des Ozeans dem Himmel (Verweis: Titel). Doch nicht nur oben und unten sind vertauscht. In Patrick Ness´ Version der Geschichte haben die Wale eine entwickelte Gesellschaft mit Technik, Sozialsystem, Sprache und Kultur und machen Jagd auf die Menschen, deren Leichen sie ernten. Es ist durchaus anspruchsvoll, sich auf diesen fremden Blickwinkel einzulassen und die dargestellte Handlung als kritischen Spiegel zu begreifen, der unser eigenes Handeln verurteilt. Trotz der vielen Parallelen, Andeutungen und Schnittstellen zu "Moby Dick" geht "Und der Ozean war unser Himmel" jedoch seinen eigenen Weg, weshalb es nicht zwingend notwendig ist, den Klassiker von Melville zu kennen.

Schreibstil:
"Und der Ozean war unser Himmel" ist auf der reinen Handlungsebene ein blutiges Abenteuer, die Metaebene ist aber wie bei dem Autor gewohnt reichhaltig gefüllt mit bildreichen Metaphern, Symbolen und Andeutungen. Die viele Gewalt, Kämpfe, die ständige Jagd und der allgegenwärtige Tod zeichnen ein sehr düsteres Bild, zwischen Blutbädern und Begegnungen mit anderen Walschulen diskutieren unsere Figuren aber auch Prophezeiungen, Glaube, Monster und Krieg diskutiert. Dabei beschränkt sich diese düstere Fabel aber eher darauf, Fragen zu stellen, als diese dann auch zu beantworten. Wer sorgt dafür, dass eine Prophezeiung eintritt? Die Vorsehung, oder führt man sein Schicksal durch eine Vorhersage selbst in diese Richtung? Wie rechtfertigt man einen Krieg und kann man diesem Strudel aus Hass jemals entkommen? Was bedeutet Loyalität? Und warum machen wir aus dem Unbekanntem immer Monster? Genau wie in allen Geschichten von Patrick Ness ("A Monster Calls", "Chaos Walking") ist also auch wieder ein ordentlicher Hä-Effekt dabei und worauf die Geschichte eigentlich hinauswill bleibt am Ende eher nebulös umrissen und mit jeder Menge Raum für Interpretationen, Diskussionen und Projektion.

Figuren:
Eine Walin zur Protagonistin machen - funktioniert das? Klar, in Kinderbüchern wird das ständig gemacht, doch wie steht es in einem blutigen Überlebensdrama? Ab wann wird dieses Vermenschlichungs-Experiment absurd? All das habe ich mich während der ersten Seiten der Geschichte gefragt. Doch trotz dass uns Lesern die Wale nicht gerade als Sympathieträger ans Herz wachsen, verschwimmen während der 160 Seiten der Geschichte die Grenzen zwischen Menschen und Walen, Fremd und Eigenperspektive zusehends und man findet sich ab und zu selbst in dem Taumel wieder, den Bathseba fühlt, wenn sie den Wasserspiegel durchbricht und die Welt für den Bruchteil einer Sekunde kippt. In diesen kurzen Momenten war dann ich der Wal und fürchtete und gierte gleichermaßen nach der Legende des bösartigen Teufels Toby Wick...

Illustrationen:
Begleitet und unterstrichen wird die Geschichte durch die Illustrationen von Rovina Cai. Egal ob seitenfüllende, halbseitige oder nur angedeutete Motive am Seitenrand - durch kontrastreiche Blau-Schwarz-Zeichnungen mit blutroten Akzenten erhält die Geschichte einen düsteren, aber verträumten Beigeschmack, der ganz wunderbar zur Handlung passt. Alle wichtigen Szenen sind doppelseitig dargestellt, wobei die Bilder durch das Großformat des Buches im Stil eines Graphic Novels besonders gut zur Geltung kommen. Auch die 38 Kapitelanfänge sind durch kleine blaue Zeichnungen ausgestaltet. Sehr spannend ist, dass auch die Illustrationen mit den Motiven "oben und unten" und dem Spiegel spielen und somit der Himmel immer am unteren Seitenrand, der Ozean oben und der Wasserspiegel häufig mittig dargestellt ist.


Die Zitate


"Wir würden zu den Bergen gelangen. Wir würden unserem Schicksal ins Auge sehen. Aber war es eine Scheibe, dir unser Schicksal besiegelte? Oder die Hartnäckigkeit, mit der wir ihrer Botschaft folgten? Wird die Welt in Finsternis enden, weil es so vorhergesagt ist? Oder weil manche so fest daran glauben, dass sie es dadurch wahr machen? Voll der Angst, die sich stets in meinem Herzen zu verstecken versuche, frage ich mich, ob es da überhaupt einen Unterschied gibt."

"Wer den Teufel bekämpft, wird selbst zum Teufel."
"Vielleicht kann ja aber nur ein Teufel einen Teufel bekämpfen", sagte ich.
"Doch wenn dieser Kampf zu Ende ist, Bathseba", sagte er, "bleiben dann nur noch Teufel übrig?"
Und für einen Moment war im Meer nichts als Finsternis. Wir waren allein. Auch mit uns selbst. Und den Teufeln, die, ungesehen, irgendwo lauern."



Das Urteil:

Eine blutige, symbolträchtige Parabel über Monster, Krieg und die Frage des Blickwinkels. Patrick Ness hält uns hier mit einer Gegenerzählung zu Melvilles "Moby Dick" den Spiegel vor und lässt jede Menge Raum für eigene Interpretationen und Denkanstöße.

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