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Veröffentlicht am 28.02.2017

Eine Achterbahnfahrt der Wut, Trauer, Liebe und Aggression

Die Nacht brennt
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„Die Nacht brennt“ ist das 2. Buch der Autorin Sarah Butler, dass von der Droemer Knaur Verlagsgruppe im März 2016 veröffentlicht wurde.
Es dreht sich um den jungen Engländer Stick, dessen bester Freund ...

„Die Nacht brennt“ ist das 2. Buch der Autorin Sarah Butler, dass von der Droemer Knaur Verlagsgruppe im März 2016 veröffentlicht wurde.
Es dreht sich um den jungen Engländer Stick, dessen bester Freund plötzlich ermordet wurde.
Und das in der Nacht bevor ihre große Reise nach Spanien beginnen sollte, in der Nacht bevor sie alles hinter sich lassen wollten: Die Vergangenheit, die Stadt und die Aussichtslosigkeit.
Doch am nächsten Tag wird nichts mehr so sein, wie es war.

Ich bekam das Buch vor kurzem von einer Freundin geschenkt.
Das Cover ist spannend gestaltet: Ein groß geschriebener Titel, im Hintergrund ein Stadtbild, die angedeutet in Flammen stand und ein Junge, der rennt. Wäre es nicht so künstlerisch angehaucht, ginge es glatt als Schlagzeile durch.
Ich verstand den Klappentext erst so, dass es sich wohl schlussendlich um eine dramatische junge Erwachsene-Romanze handeln muss. Da lag ich falsch.
Die Autorin beschreibt hauptsächlich Sticks Situation kurz vor und nach dem Tod seines besten Freundes Mac.
Und das nicht in einer hübsch verfassten Geschichte, nein, sondern im jugendlichen Slang.
Ich meine, der Junge kommt aus dem Ghetto Manchesters und das liest sich auch so.
Das Buch spiegelte seine Gedankengänge, seinen Wortlaut und seine Beschreibungen von Menschen und Umgebungen wieder. Das hat dem Ganzen aber auch eine Authentizität verliehen, wie kaum etwas anderem.
Weiterhin wird anhand der Angaben klar gezeigt, dass es in den Monaten Juni bis August 2011 spielt. Die Zeit der Aufstände in den Großstädten Großbritanniens. Ein weiterer Punkt, der mit Sticks Hang zur Unruhe und Zerstörung ein Zusammenspiel ergibt.
Es ist ein Wechselbad der Gefühle und Stimmungsschwankungen, die nicht nur dem traumatisierten Stick erfüllt, sondern auch ihm nahe stehenden Menschen.
Mich haben die vielen Wendungen trotz allem überrascht. Ohne viel zu verraten: Von manchen Personen dachte ich anfangs „was für ein Scheusal“ und zum Ende hin war es das ganze Gegenteil. Vernunft, Wut und Traurigkeit wechseln sich ständig ab, Es wird dadurch nie langweilig und man empfindet eine gewisse Empathie für die Persönlichkeiten in diesem Buch.
Dabei hat für mich die vorab angesprochene Liebesgeschichte wenig Platz eingenommen. Bei der Hälfte des Buches habe ich mich doch gefragt, wann es da mal los geht. Schließlich steht es ja im Klappentext. Im Endeffekt war das aber nicht so wichtig. Es ging allein darum herauszufinden, ob Stick sein Leben in den Griff bekommt und die richtige Wahl trifft. Passend dazu ein Zitat aus meinem Lieblingskapitel des Buches: „Du bist ein super Kerl, Kieran. Du kannst tun, was immer du willst, aber die Welt kommt nicht zu dir, wenn du keinen Schritt zu ihr hin machst.“

Fazit: Das Buch „die Nacht brennt“ ist ein sehr dramatisch-emotionaler Roman, der von Menschen gelesen werden sollte, die sich in solche Situationen hineinversetzen können. Andere würden es als übertrieben erachten.

Veröffentlicht am 17.02.2017

Ein weiblicher Bibliothekar als wortwörtliche Bücherjägerin. Was für ein Abenteuer!

Die unsichtbare Bibliothek
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"Alles, was sie wollte - immer nur gewollt hatte -, das war, ein gutes Buch zu lesen. Von Höllenhunden gejagt zu werden und Dinge explodieren zu lassen - all das war ein vergleichsweise unwichtiger Teil ...

"Alles, was sie wollte - immer nur gewollt hatte -, das war, ein gutes Buch zu lesen. Von Höllenhunden gejagt zu werden und Dinge explodieren zu lassen - all das war ein vergleichsweise unwichtiger Teil ihres Berufes."

"Die unsichtbare Bibliothek" ist das erste Werk der britischen Autorin Genevieve Cogman. Es stellt den Anfang einer Bücherreihe dar und erschien 2015 im Bastei Lübbe - Verlag.
In dem mehr als 400 Seiten starken Fantasy-Roman dreht es sich um die Bibliothekarin Irene, die der unsichtbaren Bibliothek dient. Ihre Aufgabe besteht darin, für die Bibliothek wichtige Bücher aus verschiedenen Parallelwelten zu beschaffen.
Natürlich ist es nicht so, dass sie in eine Welt hinein spaziert und die Bücher mit nimmt. Nein! Sie wandert durch Zeiten, Kulturen, verschiedenen Realitäten, macht Bekanntschaften mit magischen Wesen und Personen, die Romanhelden mehr als nur ähneln.
Nur ist diese Mission anders als alle Bisherigen...
Natürlich möchte ich hier nicht zu viel verraten

Ich persönlich habe mir das Buch (vorerst) aus rein optischen Gründen gekauft. Das Cover sieht super aus: Rot glänzende Schrift, ein paar Schnirkel mit Tintenfass und Feder, dazu eine Stadtkarte in Sepia mit einer auf einem Buch stehenden Bibliothek...
Einzig und allein die Seitenzahl war abschreckend. Aber hey, es ist ein Fantasy-Roman, das sollte doch flüssig zu lesen sein. So war es auch. Die Mischung zwischen Realität und Fiktion ist sehr gut gelungen. Sicherlich auch, da die Autorin Steampunk-Elemente genutzt und das ein oder andere Fabelwesen eine Rollle gespielt hat.
Das Abenteuer begann schon ab Seite 1, keine Vorgeschichte. Der Leser wird sofort in Irenes Geschichte gestürzt. Super! So kommt keine Langeweile auf.
Die Autorin hat es dazu auf einzigartige Weise geschafft, nebenbei Hintergründe zu erläutern. Sei es in den Gedankengängen der Hauptfiguren, Dialogen oder fett gedruckten Schlüsselwörtern.
Die Charaktere werden auch nach und nach beschrieben, so dass man nicht mit Informationen zu den Persönlichkeiten überflutet wird und das ein oder andere Geheimnis erst im Laufe der Geschichte offenbart wird. Ein Spannungsbogen, der sich durch das ganze Buch zieht, so dass man dieses nicht mehr weg legen möchte.
Was mich fasziniert hat, waren die vorkommenden Fremdwörter im Buch. Normalerweise ist es so, dass man teilweise nicht mehr versteht, worum es in dem Moment geht. Hier hat es den Inhalt nicht entstellt, da es nur vereinzelt vorkam. Außerdem hat es meine Neugier geweckt, so dass ich Redewendungen wie "Ockhams Rasiermesser" oder Wörter wie "Altruismus" gegooglet habe. Sich weiter zu bilden schadet bekanntlich nie.
Einzig und allein das Finale, quasi der letzte Kampf, hat mich enttäuscht. Hier hat die Autorin ihrer Kreativität, meiner Meinung nach, zu viel freien Lauf gelassen. Die Szene war fast bizar und schwer vorstellbar. Zuviel auf einmal. Manchmal reicht es auch einfach, den Bösewicht einfach nur dingfest zu machen. Denoch, der Abschluss des Buches lässt hoffen... (und ich vermeide weiter Beinahe-Spoiler)

Mein Fazit: Das Buch ist nicht nur etwas für Fantasy-Fans. Sondern auch für diejenigen, die in Büchern einen Schuss Realität mit dem gewissen Etwas haben wollen. Das Buch ist spannend und hält jede Menge Unvorhergesehenes bereit. Also allemal wert, die über 400 Seiten zu lesen.

Veröffentlicht am 17.09.2023

Kleinstadtcharme, gewollt weihnachtlich, starke Sidekicks, Friends to Lovers with perfect man – Sinnbild

Lovelight Farms – Lichterglanz
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Ich muss wirklich sagen, dass mir das Buch nicht wegen dem Weihnachtsfeeling oder der passend verlaufenden Lovestory im Kopf bleiben wird. Denn das war meine Vorstellung, bevor ich mit Lesen anfing. Das ...

Ich muss wirklich sagen, dass mir das Buch nicht wegen dem Weihnachtsfeeling oder der passend verlaufenden Lovestory im Kopf bleiben wird. Denn das war meine Vorstellung, bevor ich mit Lesen anfing. Das süße Cover verleitet einen ja förmlich dazu. Nein, mir bleibt das Buch im Kopf aufgrund der markanten Sidekicks, dem Setting und der Atmosphäre, weil beides mehr die Charaktere untermalt als für sich selbst steht, den diversen Dialogen zwischen Stella und Luka, in denen immer mitschwingt, wie gut sie sich kennen und der Kleinstadt, die nur oberflächlich betrachtet klischeehaft ist. Das sei nur schon einmal gesagt.

Ich verfolgte Stella als alleinige Erzählerin in ihrer Ich-perspektive durch den Alltag auf der Farm. Der Herbst neigt sich dem Ende zu, es gibt einige unvorhersehbare Probleme, die ans Licht kommen und das kurz bevor die Influencerin Evelyn selbst vorbeischauen wird, um sich ein Bild zu machen. Sie neigt dazu ellenlang ein Problem zu zerdenken, um sie abschließend in einem metaphorischen Satz zusammenfassen. Das amüsierte mich teilweise, da ihre Vergleiche auf den Punkt sind. Beispielsweise, wenn das magische Winterland eher einer eisigen Hölle gleicht, aus der es kein Entrinnen gibt. Sie ist eine von den Personen, die sich für andere aufopfert und niemanden eine Last auferlegen will. Zudem wirkt sie wesentlich jünger als gedacht. Ganz ehrlich, ich habe mehrfach nachgeschaut bzw. gerechnet, ob sie wirklich Ende 20 oder um die 30 Jahre alt ist. Im Nachgang denke ich mir, dass die Autorin das vermutlich genutzt hat, um eine Entwicklung zu zeigen. Doch die Entwicklung des naiven Mädchens zur gestandenen Frau passte für mich nicht zum Gesamtkonzept einer Farminhaberin. Reife und erwachsenes Verhalten setze ich da einfach voraus, mir hat für Stella dahingehend das Verständnis gefehlt.

Dafür mochte ich die Leichtigkeit und Wärme in der Freundschaft mit Luka, auch wenn Stellas Gefühle sie oft ablenkten, sehr ablenkten (ich kenne sämtliche Facetten von Lukas Augenfarbe). Ich mag es sehr gern, wenn beide Protagonisten dieses in- und auswendig kennen so ausleben, dass es sich selbst für mich richtig anfühlt. Ja, ich möchte einen Luka als Freund, nur ist er so perfekt, dass Stella echt nicht ran kommt. Er hält für sie Ordnung, er kocht für sie, er löst ihre Probleme und Gedanken auf, er interpretiert jede Gefühlsregung richtig, reagiert richtig. Könnte fast schon langweilig sein, wenn ich nicht damit zu tun gehabt hätte, Stella innerlich zuzuschreien, dass sie nicht so blind sein soll, denn es ist so offensichtlich, für alle (!), außer für sie, warum Luka sich so verhält. Ach ja, trotzdem sind die beiden definitiv Puzzleteile, die zusammengehören. Erst recht, als körperliche Nähe eine Rolle spielt und das nicht nur für sich allein steht, sondern für die Zweisamkeit. Das ist schön.

Es gibt neben dem Wettbewerbsthema um die Farm und der Lovestory noch kleinere Nebenhandlungen, die die Protagonisten selbst oder die Nebencharaktere betreffen. Ich gestehe offen, dass ich die familiären Stories von Stella und Luka nicht gebraucht hätte, um irgendetwas zu erklären oder toxische Elemente, die einen prägen, einzuarbeiten. Dagegen gefielen mir die Handlungen der Nebencharaktere sehr. Das hat sicherlich den Grund, dass noch weitere Bücher folgen werden. Überhaupt, ich liebe Beckett, wie so gut alle Frauen in der Stadt. Wer den eigenbrötlerischen Luke aus Gilmore Girls kennt: Stellt euch dessen Eigenschaften in gutaussehender, tätowierter Form und mit kleinem Kätzchen auf der Schulter vor. Genau das, meine Freunde, genau das!

Der Autorin ist es gelungen, alle Personen wunderbar miteinander agieren zu lassen, sie in das Setting zu integrieren, dass das Setting die Person ummalt bzw. hervorhebt wie ein kleiner Heiligenschein. Dazu spielt B. K. Borison auch mit Stereotypen, die ich mit einer Kleinstadt oder dem Influencermarketing verband, so dass ich über mein Schubladendenken selbst lachen musste. Dabei ist der weihnachtliche Hintergrund glatt egal. Natürlich sind Weihnachtsfeelings nett, aber die vielen zuckerwattigen, rot gestreiften, wärmenden, schokoladigen, baumigen Aspekte lullten mich nicht so ein wie es andere weihnachtliche Lektüre tut. Zeitweise wirkte es für mich aufgesetzt, leider. Mein bester running Gag kam übrigens in der Übersetzung vor: „Butternusskürbis“. Täusche ich mich oder übersetzt man dieses Wort nicht komplett, sondern als „Butternutkürbis“?

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Veröffentlicht am 18.08.2022

Die Message kommt rüber und die Perspektiven sind besonders

Radio Silent - Melde dich, wenn du das hörst
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Klingt Spannend? War es auch. Nur nicht durchgehend. Dafür zeigten sich andere Facetten der Geschichte. Der Autor scheint Fan von wechselnden Perspektiven zu sein. Nicht die klassische Variante mit unterschiedlichen ...

Klingt Spannend? War es auch. Nur nicht durchgehend. Dafür zeigten sich andere Facetten der Geschichte. Der Autor scheint Fan von wechselnden Perspektiven zu sein. Nicht die klassische Variante mit unterschiedlichen Charakteren. Nein. Zuerst wurde mir über den Prolog der Podcast vorgestellt. Was echt cool war, weil sich das so liest, wie der Podcast sich anhören würde - ein bisschen wie ein Drehbuch. Ich kann mir das übrigens wirklich gut als Hörbuch vorstellen. Die Idee ist gelungen, der Slogan des Podcasts einprägsam und so lernte ich Dees Vorgehensweise bei verschiedenen Fällen in den gesamten USA kennen. Danach entführte mich Dees kindliche personale Perspektive in ihre Vergangenheit, die mir mit der Zeit Schritt für Schritt Sibbys Entführung zeigen wird. Tja, und dann Perspektive 3: Dees gegenwärtige Ich-Perspektive. Dieser Mix war ein Grund, warum es mir beim Lesen nie langweilig wurde.

Ich lernte die Protagonistin Dee aus dem beschaulichen Örtchen Redfield also über verschiedenen Wege kennen. Was die "Sucherin" mir nicht zeigte, sah ich über die private Dee. Eine Einzelgängerin, die ein großes Sicherheitsbedürfnis hat, eher introvertiert, aber nicht auf den Mund gefallen ist. Sie lebt mit den Schuldgefühlen, dass sie ihre Freundin damals nicht retten konnte, obwohl sie doch selbst ein Kind war. Das tat mir leid. Sie erklärte vieles bildlich und nachvollziehbar. Ich versank aber nicht in ihren Emotionen. Das war merkwürdig, weil sie dadurch immer ein wenig Abstand zu mir als Leserin wahrte, obwohl ich doch ihre Gedanken lesen konnte. Das lag sicherlich an dem situativen Schreibstil, der sich auf die Entwicklung der Handlung konzentrierte. Es baute alles aufeinander auf. Ob es der Besuch bei der Nachbarin war oder die Fälle der Sucherin. Das gefiel mir gut.

Was mir beim Lesen ziemlich auf die Nase gedrückt wurde, ist die offene, freundliche, diverse, moderne Gesellschaft, wie sie doch sein sollte. Insbesondere die Lösung klassischen Rollenverteilungen zu entschlüpfen. Versteht mich nicht falsch. Das Leben in all seinen Farben gehört dazu, doch bitte rückt es nicht in den Vordergrund. Es soll dazugehören, mittendrin sein, nicht herausstechen. Zumindest nicht als Thema in diesem Buch. Mir muss niemand den Vater als übertriebenen Hausmann und Vater vorstellen, der sich im Café mit anderen hippen Vätern trifft, während die Mutter ihr voll wichtiges Business schmeißt. Interessanterweise wurden Feminismus und queere Liebesdinge sensibler behandelt - warum ging das nicht überall so?

Die Nebencharaktere machten es oftmals wieder gut. Dialoge mit diesen Personen begrüßte ich in jeden Augenblick. Offene Kommunikation ist eben etwas Tolles. Burke, Dees bester Freund, den sie als Welpen beschreibt und das Herz am richtigen Platz hat. Er weist Dee auch mal in die Schranken oder weitet ihren Blickwinkel. Was mir nicht gefiel, war seine offensichtliche "Kifferei". Ich weiß auch nicht, wieso der Autor das eingebaut hat. Jugendklischee? Weiterhin gefiel mir Sarah, dass neue Nachbarsmädchen mit dem Oldtimer. Tatsächlich dachte ich am Anfang, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmen kann, weil sie Dee sooo unterstützt. Das schien mir zu schnell zu gehen. Genauso wie die Entwicklung der Richtung, in die die Protagonistin geht. Erst baut sich Seite für Seite ihr ganzer emotionaler Ballast auf, um ihn dann nach ein bis zwei Geschehnissen fallen zu lassen? Der Aktionismus passte meines Erachtens gar nicht zu ihr. Zumindest nicht in dieser kurzen Zeit. Ich denke, das Vorantreiben der Handlung stand damit eher im Hintergrund.

Neben Traumabewältigung und Aktionismus zogen sich noch mehr Themen, die mit einer Kindesentführung einhergehen, durch das Buch. Das Finden von Verdächtigen, der Bezug zu älteren Fällen, der Medienrummel und die Verunsicherung der Menschen im Ort. Für mich ist das ein vorhersehbares Schema, das höchstens durch eine abweichende Auflösung für Überraschung gesorgt hätte. Nun kramte der Autor trotzdem in der Klischeekiste für Thriller. Sowohl in Sibbys Entführung als auch in der des gegenwärtig entführten Nachbarsmädchen. Mein Gedanke war "Den Film kenn ich und den anderen auch". Das war schon schräg, ließ sich dennoch super lesen. Die Spannung baute sich aus der Frage heraus auf, ob ich mit dieser und jener Vermutung recht hatte.
Ich musste mich weder vor Nervenkitzel unter meiner Decke verstecken, noch groß rätseln. Das Buch empfehle ich dennoch, weil es unterhält, Facetten mit True-Crime-Touch aufzeigt, keine Langeweile mit den Menschen aus Redfield aufkommt und die Message mitbringt, dass jeder auf seine Weise helfen kann. "Silent Radio - Melde dich, wenn du kannst" ist einfach ein Jugendthriller und dementsprechend passend für das Genre gestaltet.

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Veröffentlicht am 19.07.2021

Ein philosophischer Denkanstoß mit vertauschtem Blickwinkel

Und der Ozean war unser Himmel
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Ihr glaubt gar nicht, wie ehrfürchtig ich dieses 160-seitige Schätzlein in den Händen hielt. Ein Buch des Autors von "Sieben Minuten nach Mitternacht". Den Titel habe ich leider nicht gelesen, aber ich ...

Ihr glaubt gar nicht, wie ehrfürchtig ich dieses 160-seitige Schätzlein in den Händen hielt. Ein Buch des Autors von "Sieben Minuten nach Mitternacht". Den Titel habe ich leider nicht gelesen, aber ich weiß, wie bekannt er ist, dass er verfilmt wurde und Preise abgeräumt hat. "Und der Ozean war unser Himmel" wurde zum Teil als Hommage an "Moby Dick" beworben. Ihr wisst schon, die Geschichte, um den verrückten Kapitän, der wirklich alles riskiert hat, um den berüchtigten Wal Moby Dick zu fangen. Ein sehr dickes Buch im Gegensatz zu diesem hier. Ansonsten wusste ich tatsächlich nicht, was auf mich zukommen würde. Ich war blind als ich anfing zu lesen und meine Ahnungslosigkeit wurde mir zu Beginn des Lesens ein wenig zum Verhängnis.

Den Startschuss lieferte ein Zitat aus "Moby Dick", dass für mich brutalen Willen und Mordlust ausdrückte. Harter Tobak gleich am Anfang. Hatte ich erwähnt, dass das Buch ab 12 Jahren empfohlen wird? Ich bin mir bis jetzt nicht sicher, ob das nicht zu früh wäre. Denn auch, wenn blutige Details nicht komplett ausgeschlachtet werden - es gibt sie. Es behandelt die Jagd, den Tod, auch Worte wie Massaker fallen und Gefangenschaft, in der Folter angewandt wird. Die Grausamkeit sollte einem einfach bewusst sein. Möglicherweise bin ich ein Korinthenkacker, nur ist mir das aufgefallen und ich möchte darauf aufmerksam machen.

Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive der Walin Bathseba erzählt, die sich für ihre Geschichte den Namen gegeben hat, aber nicht so heißt. Im Nu war ich im 1. Kapitel perplex. Denn warum sie sich umbenennt, bleibt mir bis jetzt ein Rätsel. Allerdings spielt das keine Rolle für die Handlung, so viel sei gesagt. Der Erzählstil wirkt gewaltig und bedeutsam. Beim Lesen fühlte es sich an wie literarische Kunst in Poesie und Philosophie vereint und war trotzdem kurzweilig. Ich verstand die Message. Nein, die vielen Messages. Bathseba erzählt von einem tausend Jahre alten Krieg zwischen den Menschen da unten und den Walen da oben (zu der Betrachtungsweise des Settings komm ich noch). Um nicht selbst gejagt zu werden muss man selbst jagen - eine endlose gegenseitige Jagd ist das Ergebnis, gespickt mit Verlusten, Trauer und Rache. Grob gesagt, las ich die Geschichte von Moby Dick, nur anders herum. Denn auch die Wale folgen einer Legende, einem Martyrium, suchen den Teufel. Bathseba ist klug und als sie beim Kapern eines Menschenschiffes einen Gefangenen machen, kommen ihr Zweifel an der Jagd, ihren Zielen und sämtlichen Mythen, die diese umgeben. Patrick Ness fragt offen, wer ist schuld, wer ist unschuldig, wer setzt dem ein Ende, warum so weiter machen? Ist es möglich aus seiner Haut zu kommen? Fragen, die auf alle menschlich geprägten Katastrophen passen. Welche Antworten er darauf hat, werde ich nicht vorweg nehmen, aber ich interpretiere sie so, dass wir alle die Antwort kennen. Das hat mir gut gefallen, denn so komplex die Betrachtungsweise in meinen Augen scheint, so ist der moralische Gedanke bekannt.

Mein Verstand kam also mit den Botschaften im Text zurecht, für die dazugehörigen Beschreibungen des Settings brauchte ich allerdings ewig. Ehrlich gesagt fast das ganze Buch lang, weil der Titel Programm ist. Ich musste mir langfristig vorstellen, dass der menschliche Himmel mit Sonne, Wolken, Vögeln etc. ein Abgrund ist. Die Wale im Ozean schwimmen also im Himmel und zwar so, dass sie sich mit dem Bauch Richtung menschlichen Himmel (ihrem Abgrund) bewegen. Dazu sind sie ausgestattet mit Harpunen und weiterem Material, dass nicht in meinem Kopf wollte. Die Wale in ihrem tierischen Sein nehmen menschliches Gebaren an, aber nicht auf die Kinderbuchart, das wäre ja leicht, nein, sondern todernst. Realistisch ist das natürlich nicht, obwohl gerade bei dem Gefangenen die Thematik Sauerstoff mit einer guten Idee beantwortet wird. Ich kann bis jetzt nicht sagen, ob mir die Variante der verkehrten Welt wirklich zusagt. Fasziniert bin ich definitiv, nur kompliziert ist es eben auch.

Die Illustrationen haben meinem Verstand auf die Sprünge geholfen. Rovina Cai arbeitete viel mit Schraffuren und meist mit zwei verschiedenen Grundfarben, die dann entweder in hellere oder dunklere Tönen übergingen. Die skizzenartigen Zeichnungen sind wirklich beeindruckend und eindringlich, gerade bei aggressiv aufzeigenden Szenen, die das Buch wegen der Jagdthematik besitzt. Trotzdem versteht sie sich dabei, den Betrachtenden nicht zu "traumatisieren". Schlussendlich lässt mich lässt mich Bathseba mit vielen Eindrücken statt einem Gesamtbild zurück. Unvergesslich in seiner einmaligen Art.

Fazit:

"Und der Ozean ist unser Himmel" ist mehr Kunst als Geschichte mit moralischen Denkanstößen, die jeder kennt und untermauert mit eindringlichen Illustrationen. Einmalig, aber der Verstand kann einem hier Streiche spielen. Für erfahrene Leser*innen, die Herausforderungen in kurzweiligen, poetischen Büchern suchen.

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