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Veröffentlicht am 11.11.2021

Einmal etwas richtig Gutes aus dem katholischen Köln!

Waffeln, Brot und Gottes Glanz
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Hier schreibt ein wahrer Nachfolger des kölschen Kardinals Frings, der in der Nachkriegszeit in und vor alle für Köln aktiv war, was man vom derzeitigen Amtsinhaber und dem davor in keinster Weise behaupten ...

Hier schreibt ein wahrer Nachfolger des kölschen Kardinals Frings, der in der Nachkriegszeit in und vor alle für Köln aktiv war, was man vom derzeitigen Amtsinhaber und dem davor in keinster Weise behaupten kann.
Frings hat nämlich, soweit es ihm möglich war, das Leben der Kölner in ihrer völlig zerbombten Stadt lebenswert gemacht und sogar Mundraub rechtfertigt! Er war so hochgeschätzt, dass sogar meine aus Überzeugung evangelische Mutter mit uns Kindern im Dezember 1978 in den Kölner Dom ging, wo der nach langem und wertvollen Leben im Alter von 91 Jahren verstorbene hohe Herr aufgebahrt war, um uns einem wirklich guten Menschen die letzte Ehre erweisen zu lassen. Wir mussten lange, lange in der Kälte anstehen und haben es mit Freuden getan!

Diese Ehre wird wohl leider dem Autor dieses Buches - dem ich aber natürlich noch ein sehr, sehr langes Leben wünsche - leider nicht zuteil werden, denn obwohl er derjenige ist, der das Ant des Kölner Kardinals von allen am allermeisten verdient und von der Basis sehr geschätzt wird, sitzen schon länger irgendwelche Heinis auf dem Kirchenthron.

Pfarrer Franz Meurer predigt schon lange Jahre in einem der sozialen Brennpunkte in Köln und nicht nur das - er schafft und lebt auch Wohltätigkeit im wahrsten Sinne des Wortes bspw. durch die Schaffung einer sozialen Einrichtung und immer wieder durch Aktionen mit Pfiff.

Hier erzählt Franz Meurer, wie er Kirche lebt und leben lässt und er tut es auf so liebenswerte, authentische und mitreißende Art, dass man immer weiter lesen könnte, auch wenn das Buch schon zu Ende ist. Genau so und keinen Deut anders sollte die katholische Kirche der Gegenwart sein!

Veröffentlicht am 09.10.2021

Leader of the Pack

2001
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Das wird Julia, deren Traumjob Rapperin ist, wohl nie sein, aber dafür hat sie ihre Crew um sich, die fest zusammenhält. Und die Tage fast zwangsläufig zusammen verbringt, da die meisten von ihnen zum ...

Das wird Julia, deren Traumjob Rapperin ist, wohl nie sein, aber dafür hat sie ihre Crew um sich, die fest zusammenhält. Und die Tage fast zwangsläufig zusammen verbringt, da die meisten von ihnen zum sogenannten "Restmüll" der örtlichen Hauptschule gehören; zu denen, aus denen nichts wird.

Obwohl - Bene, Julias Freund seit Kindertagen und Melli, die sie auch schon ihr Leben lang kennt, haben doch ein paar Chancen: Bene ist schlau und Melli sieht einfach Hammer aus.

Man schreibt das Jahr 2001 und sie alle wachsen in der tiefsten Einöde nahe der italienischen Grenze auf, wo es keine beruflichen Perspektiven gibt. Kein Wunder, dass sich Julias großer Bruder Michael und sein Freund Hannes, die das Glück haben, das Gymnasium zu besuchen, danach zum Studium nach Salzburg aufbrechen, ans andere Ende des Landes.

Was gerade für Julia ihre hoffnungslose Zukunft noch deutlicher werden lässt.

Autorin Angela Lehner versteht es, das Sujet weder als durchgehendes Trauerspiel noch als große Sartire zu präsentieren. Bereits in ihrem Erstling "Vater Unser" empfand ich ihren Stil als etwas Besonderes, hier ist dieser noch stärker mit der Handlung verbunden. Nichts wirkt daran lächerlich oder künstlich - Lehner versteht es, dem "Restmüll" eine Stimme zu geben und zwar nicht einfach irgend eine.

Ein Roman für alle, die sich für junge, vielversprechende deutschsprachige Autoren interessieren. Und natürlich auch für Leser, die gerne mal etwas aufregend Anderes, etwas komplett Neues lesen. Damit ist Ihnen hier auf jeden Fall gedient!

Veröffentlicht am 18.09.2021

Irgendwann rafft es auch Herr Schmidt

Barbara stirbt nicht
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Dass nämlich seine Frau Barbara nicht mehr so wird, wie sie war. Auch, wenn er zunächst ihre Krankheit nicht wahrhaben wollte.

Aber komischerweise wissen ganz schön viele Menschen Bescheid. ...

Dass nämlich seine Frau Barbara nicht mehr so wird, wie sie war. Auch, wenn er zunächst ihre Krankheit nicht wahrhaben wollte.

Aber komischerweise wissen ganz schön viele Menschen Bescheid. Zumindest darüber, wer er ist und wer Barbara ist. Besonders Letzteres. Und sie sind bereit, ihm zu helfen. Ihm, der im Haushalt nie einen Finger gerührt hat. Ihm, der trotzdem immer alles besser wusste.

Und so lernt Walter kochen - für sich selbst. Naja, eigentlich auch für Barbara, aber sie mag nix. Bzw. träumt sie von dem russischen Zeug, das er immer so voll daneben fand. Denn: wenn man in Deutschland ist, dann isst man auch deutsch. Findet Walter.

Er macht weiter. Nicht nur mit Kochen. Nein, auch mit Backen. Denn es gibt massenweise Aktivitäten, in die Barbara eingebunden ist. Und - wie wir ja schon wissen - will Walter nicht wahrhaben, dass sie sich nicht mehr berappeln wird. Höchstwahrscheinlich jedenfalls. Aber was heißt schon höchstwahrscheinlich.

Und sie da - seinen Kuchen, den mag sie. Und zwar nicht nur sie. Denn Walter hat seine Begabung gefunden - köstliche Kuchen zu backen.

Wenn bloß nicht die Kinder wären, die immer zur Kontrolle vorbeischneien. Und ihn beraten - ungefragt natürlich.

Autorin Alina Bronsky legt mal wieder den Finger genau in die Wunde. Mitten rein. Und verschont keinen. Herrn Schmidt schon gar nicht. Wenn gleich zum Ende hin eine gewisse Milde waltet, denn Walter gibt sich ja Mühe, auch wenn er selbst es nicht wahrhaben will - niemals!

So schreibt nur Alina Bronsky. Sie wäre der Schrecken aller Spießbürger - wenn diese sie kennen würden. Denn Spießbürger lesen sowas nicht, bzw. legen es bald aus der Hand, weil es ihnen nicht ganz geheuer ist. Kein Wunder.

Wer Alina Bronsky schon kennt und schätzt, der greift sowieso zu. Und wer gerne ungeschminkte Wahrheiten liest, auch auf die Gefahr hin, dass ihm selbst mal der Spiegel vorgehalten wird - der ist hier an der richtigen Adresse. So etwas haben Sie garantiert noch nicht gelesen. Ich kann ihnen nicht garantieren, dass Sie sich danach noch pudelwohl fühlen werden - ins Grübeln kommen Sie in jedem Fall. Aber das kann ja auch mal ganz inspirierend sein!

Veröffentlicht am 17.09.2021

Emotionen und Mord in der lichten Leichtigkeit des Mittsommers

Tödlicher Mittsommer
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Die Jugendfreunde Thomas, der ermittelnde Stockholmer Kommissar und Nora, Bankerin, Familienmutter und auf der Schäreninsel, die zur Kulisse des mörderischen Plots wird, bilden den personellen Rahmen ...


Die Jugendfreunde Thomas, der ermittelnde Stockholmer Kommissar und Nora, Bankerin, Familienmutter und auf der Schäreninsel, die zur Kulisse des mörderischen Plots wird, bilden den personellen Rahmen in diesem Krimi . Beide haben ihr Päckchen zu tragen: Thomas die durch den Tod seiner kleinen Tochter bedingte Auflösung seiner Familie, Nora den Alltag als Karrierefrau und Mutter, wobei ihr nicht selten ihr Gatte, der fesche Diplomatensohn Henrik, im Weg steht. Der lässt sie gern allein: um mit seinen Kumpels zu segeln und das Glas zu heben - doch auch ihre beruflichen Träume soll Nora sich aus seiner Sicht zugunsten der Familie komplett abschminken. Beide Protagonisten sind auf den Schäreninseln vor Stockholm aufgewachsen und stehen somit am oberen Ende der sozialen Hackordnung.

Ganz anders die Opfer: Kicki, eine frustrierte Fünfzigerin, die eher dem unteren sozialen Spektrum zuzuordnen ist, ist offen frustriert. Sie ist alleinstehend, lässt sich seit Jahren in ihrem Job als Croupiere ausbeuten und hat wenig Bezugspersonen: eine der ihr nahestehendsten war bisher ihr Cousin Krister, eine ebenso gestrandete, vom Leben vernachlässigte Persönlichkeit wie sie selbst. Während Kickis dreimonatigem Arbeitsaufenthalt in Griechenland wurde seine Leiche aufgefunden: er liegt im Wasser am Ufer der Schäreninsel. Nun versucht Kicki, eine Geldquelle, die ihnen beiden offenstand, alleine anzuzapfen - ein gefährliches Unterfangen, das auch ihr den Tod bringt. Die Stockholmer Polizei deckt diverse Verbindungen zu Inselbewohnern auf: hier gibt es einen weiteren Todesfall sowie eine Verletzung. Der Leser tappt lange im Dunkel, die Auflösung trifft ihn durchaus überraschend.

Der Krimi spielt zwar in der lichten Leichtigkeit schwedischer Mittsommernächte und lässt so Ferienstimmung aufkommen. Allerdings schimmert auch die Düsternis durch - so stehen Thomas und Nora keineswegs nur auf der Sonnenseite des Lebens, sondern haben durchaus Grund, mit ihrem Schicksal zu hadern. Dies ist auch bei anderen Romanfiguren der Fall, auch geht die Autorin ausführlich auf die Vertreter sozial schwacher Schichten ein, hier sind es vor allem Opfer. Ein wenig zu klischeehaft sind die Schilderungen der Autorin, ein bisschen noch fehlt der eigene Stempel, doch ist der Krimi trotzdem ein Lesegenuss, der Fans von Leena Lehtolainen und Helene Tursten begeistern wird. Die Charaktere sind einfühlsam, doch nicht zu detailliert geschildert und auch an Spannung mangelt es nicht. Ich verspreche mir auch von möglichen Folgebänden ausführlichen schwedischen Krimigenuss, langfristig möglicherweise sogar eine neue Lieblingsautorin.

Veröffentlicht am 19.07.2021

Es weht ein anderer Wind im Seniorenheim

Die Bücher des Monsieur Picquier
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Ja, im Seniorenheim "Les Bleuets" weht ein anderer, viel frischerer Wind, seit es einen Vorleser gibt. Nämlich Hilfskoch Grégoire, der bislang mit Lesen so gar nichts am Hut hatte. Aber bei der Essensverteilung ...

Ja, im Seniorenheim "Les Bleuets" weht ein anderer, viel frischerer Wind, seit es einen Vorleser gibt. Nämlich Hilfskoch Grégoire, der bislang mit Lesen so gar nichts am Hut hatte. Aber bei der Essensverteilung hat er den ehemaligen Buchhändler Monsieur Picqiuer kennen gelernt, dessen winziges Zimmer auch im Stile einer Buchhandlung eingerichtet ist - findet jedenfalls Grégoire, der sich zugegebenermaßen nicht allzu gut auskennt.

Aber: das Zimmerchen ist voll mit Büchern und dabei ist das nur ein Bruchteil vom persönlichen Besitz des alten Buchhändliers. Denn mehr passt hier nicht hinein. Das tragische: aufgrund seines Leidens kann der alte Herr sie gar nicht mehr selber lesen.

Grégoire, der es bisher so gar nicht mit Büchern hatte, den alten Herrn jedoch sehr schätzt, bietet sich daraufhin als Vorleser an, was von der Heimleitung als - zunächst winzig kleiner - Anteil seiner Arbeitszeit genehmigt wird. Grégoire wird richtig gut und er findet in dem alten Herrn überraschenderweise einen Vertrauten. Peu à peu wird er zum Vorleser des gesamten Seniorenheims.

Doch Monsieur Picquier geht es gesundheitlich immer schlechter und er hat eine große Bitte an Grégoire: es ist etwas ganz Unheuerliches, aber das verrate ich nicht.

Denn das Buch ist wirklich lesenswert - gerade in Zeiten, wo man so richtig gepackt werden will von einem Roman und zwar so, dass man ihn erst aus der Hand legt, wenn er wirklich zu Ende ist.

In vielen Aspekten war der vorliegende Roman ein solches Buch für mich, aber um mich so ganz und gar abzuholen, war ein bisschen zu viel Sex drin, auch an - aus meiner Sicht - unpassender Stelle. Aber ich kann mir vorstellen, dass es vielen noch besser gefällt, zumal die Handlung komplett aus der Sicht von Grégoire geschildert wird, was den eigentlichen Charme des Buches ausmacht.

Ich wollte und erwartete ein bisschen zu viel. Wer jedoch einfach einen Roman lesen will, der süffig ist, dazu Tiefe und einen leisen Humor gekonnt vereint, der ist hier an der richtigen Stelle!