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Veröffentlicht am 26.10.2021

Spannend zu lesen, fachlich fundiert, leider mit klischeehaft skizzierten Personen

Probe 12
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Was liegt näher, als in Corona-Zeiten einen Thriller herauszubringen, der mit den Beunruhigungen oder gar Ängsten spielt, die wir alle selbst erlebten oder noch erleben. Die fiktive Handlung des vorliegenden ...


Was liegt näher, als in Corona-Zeiten einen Thriller herauszubringen, der mit den Beunruhigungen oder gar Ängsten spielt, die wir alle selbst erlebten oder noch erleben. Die fiktive Handlung des vorliegenden Buches kommt uns durch unsere eigenen eben erst gemachten Erfahrungen sehr viel näher als andere Spannungsliteratur. Das Thema Bioterrorismus wurde von den beiden Autorinnen sehr gekonnt in Szene gesetzt, auch wenn es Anlass zu ein paar Kritikpunkten gibt. Ich fühlte mich jedenfalls durchgängig sehr gut unterhalten.
Nina Falkenberg ist Journalistin und erlebt in Georgien während eines Besuches bei ihrem ehemaligen Mentor Anasias einen Anschlag, bei dem Anasias getötet wird. Nina hatte jedoch vorher noch erfahren, dass er ein Medikament gegen die höchst gefährlichen multiresistenten Keime entwickelt hatte, und sie muss nun mit Entsetzen erleben, wie das Labor und damit alle Probenreihen und Medikamente in Flammen aufgehen. So versucht sie, in Berlin zusammen mit dem Foodhunter Tom Morell die Forschungsergebnisse nachzuvollziehen, nicht zuletzt, um die Tochter von Tom zu retten, die, infiziert durch ihren Vater, an einem dieser Keime erkrankt und hoffnungslos austherapiert ist. Doch es gibt extrem gefährliche Gegner, die skrupellos weder vor Entführung noch Mord zurückschrecken…
Ganz grundsätzlich ist es den beiden Autorinnen gelungen, das Thema gekonnt wendungsreich in Szene zu setzen. Das Buch liest sich durchweg spannend und ist fachlich gut untermauert, was das Verdienst von Susanne Thiele ist, die als Mikrobiologin und Biochemikerin immer wieder durch Erläuterungen und Zusammenhänge aus ihren Fachbereichen verständlich und ganz und gar nicht langweilig dem Thriller mehr Substanz gibt. Kathrin Lange versteht es, den Spannungsbogen hoch zu halten und zum Ende hin noch zu steigern. Allerdings scheut sie nicht davor zurück, ihre Protagonisten sehr klischeehaft darzustellen. Offenbar ging es den Autorinnen mehr um eine fesselnde Geschichte rund um das Thema Bioterror, ganz und gar nicht aber um eine feinere psychologische Ausarbeitung der handelnden Personen. Das ist schade, weil gerade die so sehr gelungene fachliche Untermauerung des Thrillers eine differenziertere Darstellung der Personen verdient hätte. Auch sind die oftmals willkürlich wirkenden Perspektivwechsel innerhalb eines Kapitels etwas nervig. Und einem fähigen Korrektor hätte eigentlich der mehrfach vorkommende grammatikalisch unzulässige Komparativ „als wie“ schmerzhaft auffallen müssen.
Dennoch in der Summe eine empfehlenswerte Lektüre, denn das spannende Thema ist fachlich fundiert, fesselnd und gut lesbar aufbereitet, leider mit etwas klischeehaft skizzierten Protagonisten.

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Veröffentlicht am 13.10.2021

Humorvolle, sprachlich gewitzte und kurzweilig erzählte Episoden

Als Schisser durchs Netz
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Das vielgelobte Buch „Als Schisser um die Welt“ kenne ich leider nicht, kann also keinen Vergleich anstellen. Auch wenn mir der Begriff Schisser nicht wirklich gefällt, schon gar nicht auf einem Buchtitel ...


Das vielgelobte Buch „Als Schisser um die Welt“ kenne ich leider nicht, kann also keinen Vergleich anstellen. Auch wenn mir der Begriff Schisser nicht wirklich gefällt, schon gar nicht auf einem Buchtitel – da hätte es feinere Formulierungen gegeben – machte mir das Buch insgesamt großes Vergnügen. Gesteigert wurde dieses Vergnügen im Übrigen sehr wesentlich durch die dynamisch-ausdrucksstarken Zeichnungen.

Eine Ehe wird auf eine besondere Probe gestellt, wenn sich die Ehefrau vielfach vernetzt völlig sicher in der Welt der Digitalisierung bewegt, ja geradezu darin aufgeht, während der Ehemann ganz analog mit der Angst kämpft, nicht nur seine Frau, sondern auch seine Autonomie an sprechende Kaffeemaschinen zu verlieren.

In teilweise urkomischen kleinen Geschichten wird erzählt, wie der Schisser so manch fragwürdigem digitalem Fortschritt begegnet und ins Grübeln kommt, ob der Algorithmus Freund oder Feind ist. Er erzählt von Fußgängerüberwegen in China, bei denen die Ampeln in den Zebrastreifen integriert sind, damit die Fußgänger nicht vom Handy hochschauen müssen. Oder dass Bettler keinen Hut mehr haben, sondern einen QR-Code. Er erlebt sehr verschreckt eine sprechende Dusche ohne Armaturen. Und er setzt sich der ganz besonderen Situation eines rein analogen Urlaubs mitten in der Natur aus. Alles wird sehr humorvoll und kurzweilig erzählt, wobei man sich durchaus gelegentlich ertappt fühlt. Es gibt zwar einige Längen im Buch, auch sind mir längst nicht alle Begriffe bekannt, mit denen hantiert wird, doch in der Summe gefiel mir das Buch sehr gut. Denn der Humor des Buches, die unterhaltsame Verpackung, darf nicht über die eigentlichen nachdenkenswerten Informationen und Warnungen hinwegtäuschen.

Fazit: Humorvoll verpackte, sprachlich gewitzte Episoden aus dem digitalen Dschungel und wie man achtsam und unbeschadet durch den digitalisierten Alltag kommt. Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 13.09.2021

Eine Reise der egozentrischen Reflexionen

Reise durch ein fremdes Land
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Die „Reise durch ein fremdes Land“ wirkt in seiner ganz eigenen Intensität am ehesten, wenn man das Büchlein ohne Pause durchliest, sich ganz und gar einlässt auf die schneeverhangene Gedanken- und Erinnerungswelt ...


Die „Reise durch ein fremdes Land“ wirkt in seiner ganz eigenen Intensität am ehesten, wenn man das Büchlein ohne Pause durchliest, sich ganz und gar einlässt auf die schneeverhangene Gedanken- und Erinnerungswelt des Vaters auf der Fahrt zu seinem Sohn. Das großartige Cover gibt dafür die perfekte bildhafte Einstimmung.

Zum Inhalt lässt sich nur wenig sagen. Tom, ein erfolgloser Fotograf, nimmt es auf sich, mitten im Schneechaos mit dem Auto quer durch Schottland zu fahren, um seinen erkrankten Sohn Luke vom fernen Studienort nach Hause zu holen. Luke solle an Weihnachten nicht alleine sein, so drängt Lorna, Tom’s Ehefrau.

Wir, die Leser, sitzen gemeinsam mit Tom im Auto, begleiten ihn über die langen Stunden hinweg bei seiner Fahrt, sehen mit seinen Augen die schier unbegrenzte Schneelandschaft, hören mit ihm in Dauerschleife ausgewählte Songs, folgen der weiblichen Stimme des Navis und den Telefongesprächen mit Lorna und Luke. Endlos scheint die Fahrt. Und endlos scheint die kalte Leere, diese Zeit der Reflexion, in der Tom teils schonungslos, teils unkritisch-beschönigend in die Vergangenheit abschweift. Sehr zögerlich, in ganz kleinen Gedankenschritten, nähert er sich seiner unfassbar großen Schuld, die er mit niemandem bisher geteilt hat, auch nicht mit sich selbst. Tom, der Fotograf, sieht die Welt in Bildern. In doppelbödigen Bildern. Und wir mit ihm. Je länger die Fahrt dauert, umso mehr spüren wir, wie Tom durch sein ganz eigenes Fegefeuer geht.

Der Roman besticht durch seinen poetisch-starken Sprachstil, durch seine Intensität. Und doch bin ich enttäuscht. Die geschilderten Personen bleiben dem Leser fern, sie bleiben im Blassen. Alles, wirklich alles dreht sich um Tom selbst. Der Erzähler wirkt ohne echte Empathie für andere. Das Ende der Geschichte, das in einer seltsam larmoyanten Überhöhung endet, lässt mich endgültig und enttäuscht diese Reise beenden.

Veröffentlicht am 06.09.2021

Kurzweiliger Kriminalroman mit verlockendem Lokalkolorit

Stürmische Algarve
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Die Autorin war mir bislang unbekannt. Die Algarve ebenso. Das Kennenlernen der beiden war für mich sehr bereichernd, denn Carolina Conrad schreibt leicht, locker und doch fesselnd. Es gelingt ihr, Lokalkolorit ...


Die Autorin war mir bislang unbekannt. Die Algarve ebenso. Das Kennenlernen der beiden war für mich sehr bereichernd, denn Carolina Conrad schreibt leicht, locker und doch fesselnd. Es gelingt ihr, Lokalkolorit und einen wendungsreichen Plot schriftstellerisch perfekt unter einen Hut zu bringen und damit eine wunderbare Urlaubslektüre vorzulegen.

Das stürmisch-kalte, regnerische Wetter passt zur Stimmung. Denn die Journalistin Anabela Silva und ihre Mutter haben an der Pflege des dementen Vaters schwer zu tragen. Da bleibt nur wenig Zeit für den Freund, den Chefinspektor Joao Almeida. Als eine Österreicherin tot in ihrem Wohnmobil gefunden wird, scheinbar durch Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben, erinnert sich Anabela an eine frühere Begegnung mit dieser Touristin und glaubt deshalb nicht an einen tragischen Unfall. Ihre Zweifel mit Joao teilend, beginnt eine mühsame Spurensuche in einem mehr als rätselhaften Fall…

Carolina Conrad hat einen ruhigen Kriminalroman geschrieben, dessen Stärke die Darstellung der sympathischen Protagonisten Anabela und Joao sind. Von deren Privatleben erfahren wir genug, um die beiden gut zu verstehen, ohne dass die eigentliche Handlung aus den Augen gerät. Besonders gut gelungen sind der Autorin die sehr, sehr verlockenden Beschreibungen von Land und Leuten – so verlockend, dass man gerne sofort an die Algarve reisen möchte. Das ruhige Spannungsniveau ist an keiner Stelle langweilig, denn die Autorin schreibt kurzweilig, lebensecht und ist authentisch in ihren Schilderungen der jeweiligen Geschehnisse und Örtlichkeiten. Die vielen Dialoge machen das Lesen lebendig und locker-leicht. Die Handlung als solche weist mehrere überraschende Wendungen auf und hält den Leser deshalb bis zum Schluss gefangen.

Fazit: Gekonnt geschriebene Urlaubslektüre mit verlockendem Lokalkolorit.

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Veröffentlicht am 27.07.2021

Besser als ein "echter" Oktoberfest-Besuch

Oktoberfest 1900 - Träume und Wagnis
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Ausnahmsweise erging es mir mit diesem Buch genau anders herum wie sonst: Erst sah ich die Verfilmung, und nach einer längeren Pause las ich das Buch. Zweierlei Welten taten sich dadurch für mich auf. ...


Ausnahmsweise erging es mir mit diesem Buch genau anders herum wie sonst: Erst sah ich die Verfilmung, und nach einer längeren Pause las ich das Buch. Zweierlei Welten taten sich dadurch für mich auf. Und beide Welten fand ich gut, spannend, beeindruckend.
Zwei Frauen begleiten wir im Buch. Zum einen Colina, einst armes Schankmädchen, dann zur Gouvernante der recht eigenwilligen Clara aufgestiegen. Claras Vater will als fränkischer Brauereibesitzer Mitsprache auf dem Oktoberfest, das jedoch in fester Münchner Hand ist. Bei diesem Machtstreben soll die Heirat von Clara helfen. Doch Clara spielt nicht mit, sie flieht. Und Colina hat gewagte Ideen…
Die Geschichte des Oktoberfests, beginnend im Buch im Jahr 1900, war (und ist es vermutlich bis heute) geprägt von Machtkämpfen und von Intrigen. Da war es schon ein gewagter Schachzug, dass ein Auswärtiger, ein Nürnberger, es wagte, sich einen Platz auf dem Oktoberfest zu ergaunern, und zwar gleich für mehrere Tausend Gäste. Diese Hintergrundgeschichte wird im Film zur Vordergrundgeschichte. Im Buch jedoch geht es sehr viel mehr um die Rechte der Frauen, verkörpert durch die Hauptperson Colina, die sehr mutig und unerschrocken für die Belange der ausgebeuteten Schankmadln kämpfte und die von der Autorin etwas blass dargestellte Clara mitzog. Das Buch liest sich lebendig-unterhaltsam, trotz der gelegentlichen Längen. Sowohl Film als auch Buch waren mir auf jeden Fall viel lieber als ein „echter“ Besuch auf dem Oktoberfest…

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