Profilbild von Ambermoon

Ambermoon

Lesejury Star
offline

Ambermoon ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Ambermoon über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine gelungene Mischung aus Fiktion und historischem Geschen, die schockiert und noch lange nachwirkt.

Der Tod ist mein Beruf
0

Von der Banalität des Bösen Inspiriert vom Tagebuch des Lagerkommandanten Rudolf Höß schrieb Merle diesen ersten Holocaust-Roman aus Tätersicht, der ihn weltberühmt machte. Die einzigartige Psychostudie ...

Von der Banalität des Bösen Inspiriert vom Tagebuch des Lagerkommandanten Rudolf Höß schrieb Merle diesen ersten Holocaust-Roman aus Tätersicht, der ihn weltberühmt machte. Die einzigartige Psychostudie eines Massenmörders aus Gründlichkeit und Gehorsam erschüttert selbst ein halbes Jahrhundert nach ihrem Erscheinen noch in ihrer schonungslosen, banalen Logik.

--------------------------------------------

Es wird empfohlen dieses Buch als Ergänzung zur Autobiographie "Kommandant in Auschwitz" zu lesen. Dieser Empfehlung kann ich nicht beipflichten.
Dieses vorliegende Buch ist nicht, wie viele fälschlicherweise denken, eine wahrheitsgetreue Biographie des Lagerkommandanten Rudolf Höß, sondern ein Roman.
Der Autor wurde nur vom Tagebuch dieses Lagerkommandanten inspiriert.
Er selbst schreibt:

"Der erste Teil meines Romans ist eine literarische Neuschöpfung des Lebens von Rudolf Höß...."

Es gibt natürlich viele Parallelen, aber auch genauso viel Fiktives (Kindheit, Wechsel in verschiedene KL, etc.)

Nichtsdestotrotz ist dieser Roman eine gelungene Mischung aus Fiktion und historischem Geschehen.
Es wird in einer verstörenden und beängstigenden Weise beschrieben wie so mancher Hitler-Anhänger und vor allem die ausführenden Organe tickten. Viele haben aus Pflichtgefühl zum Führer und aus Autoritätsgläubigkeit alles menschliche abgelegt, nur um die ihnen aufgetragenen Befehle korrekt und zur vollsten Zufriedenheit der Vorgesetzten (und des Führers) durchzuführen.
Der Autor beschönigt nichts! Vor allem die akribische Planung der Judenendlösung wird in grauenhafter Weise beschrieben und lässt einem auch nach Beendigung des Romans nicht mehr los.
Daher ist dieser Roman keineswegs eine leichte Kost und wirkt noch lange nach.

Fazit:
Wenn man einen authentischen Roman aus Tätersicht eines Lagerkommandanten eines KL lesen möchte und keinen schwachen Magen hat, dann ist dieser Roman äußerst lesenswert.
Wenn jemand eine wahrheitsgetreue Biographie von Rudolf Höß sucht, kann ich "Kommandant in Auschwitz: Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß" von Martin Broszat empfehlen. Ebenso verstörend und schockierend.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine tragische Geschichte über Liebe,Hass u. Eifersucht und trotzdem musste ich des Öfteren, aufgrund des Humors und Sarkasmus Hugo's lachen

Der Glöckner von Notre-Dame (Roman)
0

Diese Rezension bezieht sich nicht auf die vorliegende Ausgabe, sondern auf die gekürzte Ausgabe aus dem Jahr 1958.
Aus dem Französischen von Arthur von Riha
Illustrationen von Peter Straub
Erschienen ...

Diese Rezension bezieht sich nicht auf die vorliegende Ausgabe, sondern auf die gekürzte Ausgabe aus dem Jahr 1958.
Aus dem Französischen von Arthur von Riha
Illustrationen von Peter Straub
Erschienen im Überreuter-Verlag Wien
In dieser Ausgabe fehlt das gesamte 2. Buch mit den Kapiteln "Die Kirche Notre Dame" und "Paris aus der Vogelschau", d.h. keine architektonischen Ausschweifungen.

Autor:
Victor-Marie Hugo (26. Feb. 1802 - 22. Mai 1885) war ein franz. Schriftsteller, war Royalist und Revolutionär, Rebell in Kunst und Kirche, Reformer in Paris und Repuplikaner im Exil.
Sein Schafen kann teils der Romantik, teils dem Realismus zugeordnet werden. Von ihm bekannt sind vor allem die Werke "Der Glöckner von Notre Dame" (1831) und "Die Elenden" (1862).

-------------------------------------------------

Die Meisten kennen die Geschichte des Glöckners aus verschiedenen Filmadaptionen, aber ich muss ehrlich sagen, dass absolut keine die ursprüngliche Romanhandlung wiedergibt.
Dadurch dürfte die Handlung jedoch trotzdem weitgehend bekannt sein.

Diese, dazumals schon als historischer Roman bezeichnete, Geschichte ist eine Hommage Victor Hugo's an die Kathedrale von Notre Dame. Entscheidende Handlungen spielen in ihr und in anderen Ausgaben wird die gotische Architektur über mehrere Seiten hinweg beschrieben.
Mir blieb das mit dieser Ausgabe (leider) erspart, daher kam bei mir wohl an keinster Stelle dieses Buches Langeweile auf.

Der Roman beinhaltet mehrere Handlungsstränge, in denen wir verschiedene Protagonisten begleiten.
Da wären:
Quasimodo - als Findelkind vor die Stufen der Kathedrale Notre Dame abgelegt, mißgestaltet, taub aufgrund des Glockengeläutes und dadurch auch meistens stumm, jedoch ein herzensguter Mensch.
Dom Claude Frollo - Archidiakon von Notre Dame, ein zu Beginn freundlicher Mensch, der sich Quasimodo's annimmt und sich liebevoll um ihn kümmert, sich jedoch zu einem besessenen, haßerfüllten und frustrierten Pfaffen entwickelt.
Esmeralda - ein hübsches und naives 16-jähriges Mädel, welches bei den Landstreichern und Zigeunern aufwuchs.
Peter Gringoire - ein analphabetischer Dichter und Philosoph, tollpatschig und etwas vertrottelt im Benehmen, der unter skurrilen Umständen Mitglied des Landstreicher- und Zigeunerbundes wird.
Johannes Frollo - Bruder von Dom Claude Frollo und von ihm aufgezogen, als ihre Eltern der Pest zum Opfer fielen. Student mit großer Klappe, immerzu pleite, aber auch genauso oft besoffen und immer in Kneipen und/oder in den Armen einer Dirne anzutreffen.

Die Unglücksgeschichte handelt von der schönen Esmeralda, in die sich sowohl Claude Frollo, als auch Quasimodo verlieben. Esmeralda ist jedoch einem feschen Offizier verfallen. Als sie seinem Werben nachgibt, wird dieser jedoch vom eifersüchtigen Claude mit einem Dolch schwer verletzt. Dieser flüchtet nach dieser Tat und Esmeralda wird der Hexerei, der Unzucht und des Mordes angeklagt und soll gehenkt werden.
Kurz vor der Vollstreckung wird sie von Quasimodo gerettet und in die Kathedrale Notre Dam gebracht. Und eigentlich beginnt ab hier das eigentliche Drama.

Victor Hugo's Schreibstil ist einfach unglaublich genial. Er ist rasant, fesselnd und trieft vor Humor und Sarkasmus (ich habe selten so gelacht und geschmunzelt).
Immer wieder wird die Handlung unterbrochen und Victor Hugo bringt seine Überlegungen und Anschauungen ein. Hierbei kommt seine Kritik gegenüber Gesellschaft und Kirche durch, seine Liebe zur gotischen Architektur und das Mißfallen über die Zerstörung dieser, sowie seine Ängste gegenüber der Buchdruckkunst. Er ist sozialkritisch und nimmt in der Geschichte auch die Prunksucht und Selbstbereicherung, sowie die Freunderlwirtschaft der Großen und Mächtigen aufs Korn.

Das Spätmittelalter und das Leben darin wird von Hugo so bildgewaltig beschrieben, sodass man sich in die engen und schmutzigen Gassen von Paris katapultiert fühlt.

Fazit:
Es gibt wenig Klassiker, die mich so begeistert haben wie Victor Hugo's "Glöckner von Notre Dame". Ich habe gelacht, war traurig und auch schockiert. Es ist spannend, fesselnd und humorvoll geschrieben.
Ein Klassiker, der es wert ist gelesen zu werden und den auch jeder einmal gelesen haben sollte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine umfassende und interessante Biographie, die sich liest wie ein Roman.

Henry James
0

Henry James
- geboren 1843 in New York,
gestorben 1916 in London als Englischer Staatsbürger.
Zu seinen Freunden zählten unter anderem Charles Dickens und Robert Louis Stevenson.

Henry James hatte seine ...

Henry James
- geboren 1843 in New York,
gestorben 1916 in London als Englischer Staatsbürger.
Zu seinen Freunden zählten unter anderem Charles Dickens und Robert Louis Stevenson.

Henry James hatte seine ganz eigene Art zu schreiben und seine Figuren entstehen zu lassen.
Er benutzte Freunde und Bekannte als Material für seine Arbeit. Er hatte wenig Skrupel, seine gesellschaftlichen Verbindungen für berufliche Zwecke einzuspannen. Nichtsdestotrotz soll er ein gutmütiger, schlagfertiger und loyaler Mensch gewesen sein, mit spitzem Humor und daher allseits beliebt und immer von Freunden umgeben.
Diese Beobachtungen zwischenmenschlicher Beziehungen, sowie mancher spezieller Charakterzüge, fanden in seine Werke. Das Innenleben seiner Figuren berschreibt er so detailreich, dass seine Romane bis heute modern erscheinen.
Des Weiteren beinhaltet so manches Werk die Grenzen verbotener Beziehungen und die Konsequenzen ihrer Überschreitung (z.B. Pädophilie in seiner Novelle "Watch and Ward". In seinen späteren und letzten Werken befreite er sich vom Druck, dem Lesepuplikum zu gefallen und experimentierte mit erzählerischen Techniken und wagte sich an unkonventionelle Themen - unkonventioneller als seine vorherigen Werke schon waren.
Obwohl seine Kurzgeschichten und Romane fern des damaligen Massengeschmacks waren, wurde Henry James einer der führenden Schriftsteller seiner Generation. Er hatte jedoch nie den Dreh raus, mit seinen Werken anständiges Geld zu verdienen. James war aber auch nie jemand der aufgrund des materiellen Reichtums schrieb, sondern aus Überzeugung und Liebe zur Literatur.

Henry James, ewiger Junggeselle, war für seine Zeit ein modern denkender Mann und war überzeugt, dass es nicht abwegig ist, dass Frauen und Männer emotional wie intellektuell ebenbürtig sein können und empfand die typische weibliche Rolle in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts als Absurdität.
"Er begann die Vorstellung von einer neuen Art literarischer Heldin zu
entwickeln, eines idealischtischen, intelligenten, lebhaften amerikanischen
Mädchens, mit einem heftigen Widerwillen gegen Konventionen [....], ein
Mädchen mit größeren Ambitionen als Heiraten. Aber sobald er begann,
ein solches Mädchen zu konzipieren, erkannte er, dass die amerikanische
Mittelklasse keine Verwendung für eine solche Figur hatte..."

Henry James war Europa (vor allem Paris und London) immer mehr zugetan als Amerika, da er dessen moralischen Maßstäbe als zu engstirnig befand, im Gegensatz zu den Europäischen.

Diese Biographie, wenn auch mit mehreren Rechtschreibfehlern gespickt, liest sich wie ein Roman. Flüssig und spannend. Sie zeichnet ein facettenreiches Bild des bedeutenden Schriftstellers und seiner Werke, wobei hier auch eine kurze Inhaltsangabe zu jedem Werk angeführt wird.
Des Weiteren besticht diese Biographie durch zahlreiche Abbildungen, sowie durch eine ausführliche Bibliografie, Erläuterungen zu Personen (die mehr als nur interessant sind) und einer Kurzbiographie mit den wichtigsten Daten.

Fazit:
Eine absolut interessante und toll geschriebene Biographie, die mich begeistert zurück lässt.
Für alle die sich für Biographien literarischer Größen interessieren, kann ich diese Biographie wärmstens empfehlen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Schauerroman, der von seiner düsteren und bildgewaltigen Atmosphäre lebt

Dracula. Ein Vampirroman
0

Autor:
Abraham „Bram“ Stoker ( 8. November 1847 in Marino Crescent in Clontarf bei Dublin; † 20. April 1912 in London) war ein irischer Schriftsteller. Er wurde hauptsächlich durch seinen Roman Dracula ...

Autor:
Abraham „Bram“ Stoker ( 8. November 1847 in Marino Crescent in Clontarf bei Dublin; † 20. April 1912 in London) war ein irischer Schriftsteller. Er wurde hauptsächlich durch seinen Roman Dracula bekannt.
1890 traf Stoker den ungarischen Professor Arminius Vámbéry, der ihm von der Legende des rumänischen Fürsten Vlad III. Drăculea (Drakula) erzählte. Aus diesem Charakter entwickelte Stoker die Figur des Vampirs Dracula. Sieben Jahre arbeitete Stoker an diesem Vampirroman, bis er am 18. Mai 1897 veröffentlicht wurde.
Als Gründerväter des modernen Vampirmythos können John Polidori, Joseph Sheridan Le Fanu und Bram Stoker betrachtet werden. Während erstere das generelle Interesse an der Figur des Vampirs weckten, war es Bram Stoker, der das konkrete Bild des Vampirs prägte. (Wikipedia)

------------------------------------

Wer kennt nicht die Geschichte vom blutrünstigen Vampir Graf Dracula, in der sich ein junger aufstrebender Anwalt, Jonathan Harker, auf dessen Schloss begibt, um den Hauskauf des Grafen Dracula in London abzuwickeln.
Während der Graf Jonathan in seinem Schloss gefangen hält und dieser dort einige unheimliche wie grauenvolle Ereignisse durchlebt, begibt sich der Graf nach London, um dort seinem Blutdurst zu fröhnen und seine "Gefolgschaft" zu vergrößern.
Dort trifft der Leser, unter anderem, auf Mina, Jonathans Verlobter, die bei ihrer Freundin Lucy zu Gast ist. Hier ereignen sich eigenartige und grauenvolle Dinge und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Dieser Schauerroman besteht aus Tagebucheinträgen und Briefen der verschiedenen Protagonisten. Somit hat der Leser das Gefühl an dieser Geschichte direkt teilzunehmen, immer auf dem Laufenden und mitten im Geschehen zu sein.
Durch die altertümliche Sprache fühlt man sich sofort in die damalige Zeit zurückversetzt und dennoch lässt sich dieser Roman leicht und flüssig lesen. Es fehlt auch nicht an Spannung und Gruselmomenten, sodass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen möchte.
Bei Dracula darf es auch nicht an blutigen und grauenvollen Szenen fehlen, wobei diese meist eher subtil beschrieben werden und hier mit dem Kopfkino des Lesers gespielt wird.
Der Roman lebt von seiner düsteren und bildgewaltigen Atmosphäre. Der Leser kann das Grauen regelrecht fühlen und es stellen sich einem nicht nur einmal die Nackenhaare auf.
Die Schauplätze sind so meisterhaft beschrieben, sodass einem z.B. die winterliche Kälte Rumäniens in die Kleidung zu kriechen scheint.

Fazit:
Ein Klassiker den man gelesen haben muss. Eine späte Gothic Novel vom Feinsten.
Ein Schauerroman voll dichter Atmosphäre, der den Leser mitreißt und angenehm gruseln lässt.
Die ideale Literatur für die dunkle Jahreszeit - Halloween kann kommen.
Wieder einmal eine tolle Klassikausgabe aus dem Anaconda-Verlag

Veröffentlicht am 15.09.2016

Einer der größten Gesellschaftsromane der Weltliteratur (Thomas Mann)

Anna Karenina
1

Anna Karenina ist neben Effi Briest und Madame Bovary die wohl berühmteste Ehebrecherin der Weltliteratur. Glücklos mit einem hohen Beamten verheiratet, verfällt die bezaubernde, kluge und sanftmütige ...

Anna Karenina ist neben Effi Briest und Madame Bovary die wohl berühmteste Ehebrecherin der Weltliteratur. Glücklos mit einem hohen Beamten verheiratet, verfällt die bezaubernde, kluge und sanftmütige Anna dem jungen Offizier Graf Wronski in unwiderstehlicher Liebe. Eine leidenschaftliche Affäre, die sie weder vor ihrem Mann noch vor der Gesellschaft verheimlicht, nimmt ihren Lauf. Anna Karenina ist bereit, dieser Liebe alles zu opfern(Klappentext)

-------------------------------------------------------------

Es ist schwierig eine Rezension zu verfassen, die diesem Klassiker gerecht wird, aber ich werde es nach bestem Wissen und Gewissen versuchen.

Dieser Roman verläuft in zwei Handlungssträngen, die nebeneinander herlaufen, aber auch gekonnt miteinander verflochten werden.
Der erste erzählt von Anna, die sich in der oberen Gesellschaftsschicht bewegt, glücklich verheiratet ist und ein ruhiges, besonnenes Leben führt und ein einnehmendes Wesen hat..bis, ja bis sie auf den Offizier Graf Wronski trifft, sich unsterblich in ihn verliebt und die Dinge ihren Lauf nehmen.
Diese Handlung beinhaltet Betrug, Eifersucht, Drama und Depression, welche von Tolstoi in psychologischer Feinstarbeit beschrieben und aufgezeigt wird. Hier erhält der Leser vor allem Einblicke in die damalige russische Oberschicht.

Der zweite Handlungsstrang erzählt von Lewin. Hierbei kommt zwar auch die Liebe vor, dieser ist aber meiner Meinung nach viel tiefsinniger als der von Anna und steht auch im vollkommenen Kontrast zu ihrer Tragödie.
Lewin verabscheut die städtische Hektik mitsamt seiner Gesellschaft, deren Intrigen und Korruption und er zeigt dies auch offen. Ein kleiner Revoluzzer sozusagen. Er ist ein sehr nachdenklicher Mensch, der lieber auf seinem Gut auf dem Land lebt und das unverdorbene, unkomplizierte und einfache Leben bei seinen Bauern liebt.
Hier erhält der Leser Einblicke in das Leben der Bauern und deren Ansichten. Russland befindet sich da gerade im Umbruch, da zur damaligen Zeit gerade die Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben wurde.

Dies sind die beiden Hauptcharaktäre, welche auch die größte Wandlung durchmachen. Nebenbei gibt es auch viele, ja seehr viele Nebencharaktere (die russischen Namen kamen mir nicht nur einmal durcheinander), deren Persönlichkeit Tolstoi gekonnt herausgearbeitet hat und an den Leser bringt. Man begegnet dem kühlen Politiker und Geschäftsmann, einigen Lebemännern vom Feinsten, einer davon betrügt seine Frau im großen Stil, ihr das weder verheimlicht noch ein schlechtes Gewissen hat, Philosophen, etc.
Trotzdem ist bei Tolstoi niemand nur gut oder böse, nichts ist nur schwarz oder weiß. Er schafft es, dass sich der Leser in jeden dieser Personen hineinversetzen kann und auch ein gewisses Verständnis für denjenigen aufbringt.

In diesem Roman wird die politische und philosophische Thematik direkt angesprochen, Dinge die damals die großen, wie kleinen Leute beschäftigt haben (und auch heute noch tun) - der Sinn des Lebens, Liberalismus, Kapitalismus, Religion, soziale Ungerechtigkeit,...
Vor allem im Handlungsstrang Lewins werden diese Themen aufgegriffen. Daher ziehen sich manche Stellen in diesem Bereich etwas. Wenn man sich da jedoch durchbeißt, erhält man als Leser interessante Einblicke in das Leben der damaligen russischen Verhältnisse und auch in die Gedankenwelt Tolstois, der in Lewin viel biographisches einfließen ließ.
Er selbst verachtete soziale Ungerechtigkeit, war von der Gleichheit der Menschen überzeugt, egal welcher Gesellschaft sie angehörten. Wenn man Lewin kennenlernt, lernt man auch Tolsoi kennen, der für die damalige Zeit ein bereits sehr modernes Denken an den Tag legte.

Fazit:
Auch wenn dieser Roman einige Längen aufweist, möchte ich diese nicht missen. Manchmal denke ich mir, ohne Ausschweifungen und Längen, ohne philosophischer und politischer Gedankengänge, ist ein Klassiker kein Klassiker.
Und Tolstoi schafft es trotzdem mich zu fesseln. Er zeichnet die Persönlichkeiten seiner Charaktere wie kein anderer, die Landschaftsbeschreibungen sind überwältigend und die Einblicke in das russische 19. Jahrhundert interessant und informativ.

Ich kann mich hier den Worten Thomas Mann's nur anschließen, der "Anna Karenina" als den größten Gesellschaftsroman der Weltliteratur bezeichnete.
Dies ist ein anspruchsvoller Klassiker, der wie kein anderer aufzeigt, dass jeder Mensch auf der Suche nach etwas Höherem, nach dem Sinn des Lebens und der Liebe ist - damals wie heute.
Es lohnt sich auf jeden Fall sich die Zeit und Muse zu nehmen, sich über diesen Wälzer zu trauen.