Platzhalter für Profilbild

mabuerele

Lesejury Star
offline

mabuerele ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit mabuerele über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.04.2017

Bewegender biblischer Roman

Die neunte Stunde
0

„...Gewiss, wenn jeder sich an das hielte, was er sagte, dann sähe die Welt anders aus. Da dies nie geschehen wird..., ist es sinnlos, darüber nachzudenken...“

Stephaton, Sohn eines bekannten Baumeisters, ...

„...Gewiss, wenn jeder sich an das hielte, was er sagte, dann sähe die Welt anders aus. Da dies nie geschehen wird..., ist es sinnlos, darüber nachzudenken...“

Stephaton, Sohn eines bekannten Baumeisters, ist ein angesehener Schauspieler in Tiberias. Er liebt Sara, eine junge jüdische Frau. Mit ihr wandert er nach Kapernaum und hört dort die Bergpredigt Jesu. Sara zuliebe will Stephaton beim Theater kündigen und bei seinem Vater eine Lehre antreten. Doch die letzte Vorstellung ändert sein Leben abrupt. Es genügt ein falscher Satz gegen den Kaiser und er wird als Hilfskraft mit der Armee nach Jerusalem geschickt.
Der Autor hat einen beeindruckenden Roman über die letzten Tage Jesu geschrieben. Das biblischen Geschehen hat er geschickt in eine spannende Handlung verpackt.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil spielt vorwiegend in Tiberias und schildert das Leben des Stephaton und seine Begegnung mit Jesu.
Zwei Jahre später wird die Geschichte fortgesetzt. Stephaton gehört zum Hinrichtungskommando der Römer. Er erlebt die Verurteilung und die Kreuzigung Jesu somit hautnah.
Der dritte Teil schließt dort ab, wo die eigentliche Handlung begann: auf dem Hügel bei Kapernaum. Stephaton sieht den Auferstandenen.
Der Schriftstil des Buches lässt sich gut lesen. Die Handlung hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Es fiel schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Der Autor hält sich an vielen Stellen exakt an den biblischen Text. Natürlich gibt es ein paar Abweichungen, die aber die Ereignisse des Karfreitags nicht tangieren. Um dieses Geschehen wurde eine tiefgehende Rahmenhandlung geschrieben. Die sprachlichen Höhepunkte sind für mich vor allem die Gespräche und Dialoge. Wenn sich die Frauen um Jesu über die Zukunft mit Maria, Jesu Mutter, unterhalten, werden Fragen berührt, die die Frauen im Innern bewegen. Ganz anders verläuft der Dialog zwischen Pilatus und Kaiphas. Hier sind unterschwellige Drohungen und versteckte Anspielungen spürbar. Die beiden brauchen einander, mögen sich aber nicht. Deutlich wird herausgestellt, dass für die Römer ein Posten in den jüdischen Provinzen eher Strafe als Belohnung war. Pilatus wirkt wie ein Getriebener. Im ersten Teil des Buches gibt es ein inhaltsreiches Gespräch zwischen Herodes Antipas und Sextus Salvius. Vergleiche zwischen Johannes dem Täufer und Jesu zeugen vom Zeitgeist.
Die Verurteilung Jesu und die Kreuzigung werden mit berührenden Worten wiedergegeben. Viele gehen vom Kreuz anders weg, als sie gekommen sind. Mit einem besonderen stilistische Mittel hat der Autor die Qualen der Kreuzigung deutlich gemacht. Stephaton hatte als Schauspieler selbst eine Kreuzigungsszene zu spielen. Die drohte zu entgleiten. Stephaton ließ mich als Leser wissen, was in der Zeit mit seinem Körper geschehen war. Damit brauchte das in Jerusalem auf Golgatha nicht nochmals eingeflochten zu werden und war doch immer gegenwärtig.
Ich hätte meiner Rezension manch Bibelzitat voranstellen können, habe mich aber bewusst für die obigen Worte von Stephaton entschieden. Er spricht sie zu Sara nach der Bergpredigt Jesu. Wie Recht er mit dem ersten Teil seiner Aussage hatte, zeigen 2000 Jahre vergangener Geschichte. Beim letzten Teilsatz irrt Stephaton.
Eine Karte Jerusalems und ein ausführliches Nachwort des Autors ergänzen das Buch.
Das Cover mit dem roten Himmel über den Mauern Jerusalems zieht die Blicke an.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Spagat zwischen biblischen Geschehen und fesselnder Rahmenhandlung ist sehr gut gelungen.
„...Ihr seid das Salz der Erde...“
ist eine der Botschaften Jesu, die wiederholt im Buch anklingt und auch Stephaton nicht loslässt.

Veröffentlicht am 13.04.2017

Netttelbecks fünfter Fall - spannend

Hyänengesang
0

„...Mit ihrem diplomatischen Status haben Sie sowieso nichts zu befürchten. Und denken sie daran: Ungläubige sind in der Regel sehr, sehr dumm..."

Violetta arbeitet bei einem Escort-Service. Im Hotel ...

„...Mit ihrem diplomatischen Status haben Sie sowieso nichts zu befürchten. Und denken sie daran: Ungläubige sind in der Regel sehr, sehr dumm..."

Violetta arbeitet bei einem Escort-Service. Im Hotel trifft sie sich mit dem Diplomaten Saif Mohamed Zekri. Am nächsten Tag wird die junge Frau tot im Bad gefunden.
Der 55jährige Schlagersänger Roland Weiden hat seine beste Zeit schon hinter sich. Er träumt von einem neuen durchschlagenden Song. Doch weil er dem Finanzamt seinen Porsche verschwiegen hat, platzt seine Restschuldversicherung. Er schwört dem Verräter Rache und hat auch schon eine Person im Visier.
Maximilian Hollweg war Finanzberater. Nach einem Unfall mit Fahrerflucht sitzt er im Rollstuhl. Obwohl er auf seinen Assistenten Jens angewiesen ist, behandelt er ihn wie den letzten Dreck.
Kommissar Martin Nettelbeck hat den Ghanaurlaub mit seiner Familie exakt geplant. Doch der Tod von Violetta bringt seine Pläne durcheinander. Er muss Frau und Kinder allein reisen lassen, da ihm seine Chefin am ehesten Erfolge auf diplomatischen Parkett zutraut. Das hängt mit einem früheren Fall zusammen.
Der Autor hat einen fesselnden und hintergründigen Kriminalroman geschrieben. Er versteht es geschickt, die verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen. Gleichzeitig wendet er sich einem brisanten politischen Thema zu.
Nettelbeck setzt alles daran, den Fall schnell zu lösen, um der Familie nachreisen zu können. Doch Verbrechen im Diplomatenbereich haben ihre eigenen Gesetze. Während Nettelbeck und Täubner den Tod der jungen Frau aufzuklären versuchen und schnell an Grenzen stoßen, schmiedet Weiden einen finsteren Racheplan gegen denjenigen, dem er die Schuld für seine Finanzmisere gibt..
Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Der Autor beherrscht das Spiel mit Worten. Gekonnte Wortschöpfungen wie „akustische Umweltverschmutzung“ oder „grenzdebiler Schlagerwahnsinn“ zeugen davon. Weidens neue Lieder lösen bei mir als Leser nur Kopfschütteln aus.
Einen großen Raum nehmen die Verhältnisse in der Botschaft des Oman ein. Der Autor ermöglicht einen Blick in Diplomatenkreise mit ihren eigenen Gesetzen. Der Diplomatenstatus und die damit verbundenen Immunität lassen nicht nur Zekri die dunklen Seiten seines Charakters ausleben. Wie man das Gastland sieht, beweist das obige Zitat.
Nettelbeck ist begeisterter Jazzliebhaber. Sein Hobby durchzieht immer wieder die Handlung und sorgt für Ruhepunkte im hektischen Alltag.
Detailgenau darf ich einerseits die Ermittlungsarbeit der Kriminalisten verfolgen, andererseits die Verwirklichung von Weidens Racheplänen. Dabei lerne ich auch einige mir bisher unbekannte Berliner Örtlichkeiten kennen wie den asiatischen Großmarkt und den Teufelsberg mit seiner Geschichte.
Zu den sprachlichen Höhepunkten gehören immer wieder die Dialoge, sei es zwischen Netttelbeck und seiner Chefin, die eine Art Hassliebe verbindet, oder zwischen den Kriminalisten und Zetki, wo manches nur unterschwellig mitschwingt.
Das Cover wirkt interessant.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Nettelbecks manchmal sarkastische Ader hat mich sehr gut unterhalten. Die Schattenseiten der diplomatischen Immunität wurden deutlich herausgearbeitet.

Veröffentlicht am 12.04.2017

Klasse Münchenkrimi

Die Montez-Juwelen
0

„...Tom, das war Magie, die über sie kam, ohne dass sie sich wehren konnte. Tom, dass war ein Gefühl wie Eis, das in der Sonne schmolz, wie ein Looping bei der Fahrt mit der Achterbahn, wenn man nicht ...

„...Tom, das war Magie, die über sie kam, ohne dass sie sich wehren konnte. Tom, dass war ein Gefühl wie Eis, das in der Sonne schmolz, wie ein Looping bei der Fahrt mit der Achterbahn, wenn man nicht mehr wusste, was oben und unten war...“

Im Prolog wird der Polizist Tom Perlinger im Einsatz angeschossen. Er überlebt.
Ein Jahr später kehrt Tom nach München zurück. In seiner Heimatstadt hat sich einiges geändert. In der Hofstatt hat der Hamburger Juwelier Carsten Thromschatz ein neues Geschäft eröffnet. Am Tage von Toms Rückkehr findet dort eine Vernissage statt. Als besonderes Objekt werden die Montez-Juwelen ausgestellt. Tom beobachtet eine Jungen, der sich am Büfett bedient. Am nächsten Tag wird der tot im Fischbrunnen gefunden. Zu den Verdächtigen gehört Max, Toms Halbbruder, dem er viel zu verdanken hat. Offiziell aber kann Tom nicht ermitteln, denn sein Dienst beginnt erst in ein paar Tagen. Und Kommissar Mayrhofer legt Wert darauf, dass ihm keiner in die Quere kommt.
Die Autorin hat einen fesselnden und komplexen Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Mayrhofer ist von sich eingenommen und delegiert die Arbeit gern weiter. Leidtragende war lange Zeit seine Partnerin Jessica, bis sie ihn durchschaut hat. Ein Vorgesetzter Tom Perlinger kommt Mayrhofer sehr ungelegen.
Der Krimi spielt in der Geschäftswelt Münchens. Die persönlichen Beziehungen sind dort sehr diffizil. Es gibt Spannungen und tiefgehende Feindschaften. Die Juwelen scheinen dabei keine unwesentliche Rolle zu spielen.
Der Schriftstil ist ausgewogen. Sehr genau werden die Münchner Handlungsorte beschrieben. Gleichzeitig gibt es einen Überblick über die bayrische Geschichte unter Ludwig I. Der Journalist Hubert, dessen Frage während der Vernissage abgeblockt wurde, recherchiert über den Verbleib der Juwelen nach dem Rücktritt Ludwig I. und fördert Erstaunliches zutage. Der Krimi lässt viel Raum für das Privatleben der Protagonisten. Tom begegnet seiner alten Liebe wieder. Ihr Empfinden wird mit obigen Zitat ausgedrückt. Das zeigt, dass die Autorin auch romantische Szenen eingebaut hat und die Verwendung treffender Metapher beherrscht. Behutsam versteht es Tom, seiner Nichte Tina bei ihren Sorgen zu helfen.
Ein weiterer Handlungsstrang bereichert das Geschehen. Der allerdings ist heftig. Larissa, eine Studentin, lässt sich mit einem Mann auf SM-Spielchen ein und kommt nur knapp mit dem Leben davon. Welche Rolle dies Geschehen im Gesamtzusammenhang der Handlung spielt, wird später klar.
Das Buch zeichnet sich durch einen hohen Spannungsbogen und ein sehr komplexes Geschehen aus, von dem ich nur wenige Facetten erwähnt habe. Die Kombination von historischen Fakten mit der Gegenwart, in der Machtbewusstsein und Geldgier keine unwesentliche Rolle spielen, gibt der Geschichte sein besonderes Flair. Dabei wird für Tom auch ein Stück seiner Kindheit neu aufgerollt. Plötzlich sieht er vieles in einem anderen Licht.
Das Cover mit dem Bildnis der Montez passt zum Geschehen.
Der Krimi hat mir ausgezeichnet gefallen. Er wurde logisch zu Ende geführt und alle Fragen des aktuellen Falls sind beantwortet.

Veröffentlicht am 12.04.2017

Spannend und humorvoll

Jeremias Voss und der tote Hengst - Der zweite Fall
0

„....Herr Pelzig ist unser Methusalem. Er kennt hier jede Schraube mit Vor- und Nachnamen...“

Dr. Bertram Rusinski erscheint auf Verlangen der Versicherung beim Pferdegestüt von Bernd Graf von Mückelsberg. ...

„....Herr Pelzig ist unser Methusalem. Er kennt hier jede Schraube mit Vor- und Nachnamen...“

Dr. Bertram Rusinski erscheint auf Verlangen der Versicherung beim Pferdegestüt von Bernd Graf von Mückelsberg. Früher hat sich der Tierarzt immer um die Pferde gekümmert, aber seitdem ein neuer Manager das Gut leitet, ist das nicht mehr gewünscht. Nun soll Dr. Rusinski der Versicherung bescheinigen, dass ein wertvoller Zuchthengst gesund ist.
Wenige Tage später kommt es auf dem Gut zu einem Brand, dem alle Pferde zum Opfer fallen. Außerdem kann Dr. Nele Rusinski ihren Vater nicht mehr telefonisch erreichen.
Die Versicherung vermutet Betrug und beauftragt den Hamburger Detektiv Jeremias Voss mit dem Fall.
Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben. Nachdem ich mit Lesen begonnen hatte, fiel es schwer, das Buch aus der Hand zu legen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Voss ist ein Detektiv der alten Schule. Er recherchiert gewissenhaft und gründlich. Das Besondere ist, dass er kein Einzelgänger ist, sondern mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und selbst Wissenschaftlern auf Augenhöhe zusammenarbeitet. Es ist ein Geben und Nehmen. Natürlich hat er auch eine Schwäche. Frauen können ihn – zumindest im ersten Moment – schnell um den Finger wickeln. Die Geschichte zeigt allerdings, dass er selbst dann sein Köpfchen nicht ganz ausschaltet.
Vera, seine Sekretärin, ist flexibel und denkt mit. Sie kennt seine Schwäche. Aus diesem Grund ist das Sie zwischen ihnen ein Muss.
Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Wie obiges Zitat schon zeigt, durchzieht eine feiner Humor und manchmal eine Spur Ironie die Geschichte. Es fällt zwischen Voss und dem Versicherungsagenten Dr. Hartwig. Hier treffen zwei ähnliche Charaktere aufeinander. Was als möglicher Versicherungsbetrug beginnt, wächst sich zu einem komplexen Kriminalfall aus. Gut gefallen hat mir, dass es einen kurzen Rückblick auf Voss` Leben gibt. Da ich den ersten Fall nicht kenne, war mir nach dieser Zusammenfassung sofort klar, über welche Fähigkeiten der Detektiv verfügt. Sehr detailgenau lässt mich der Autor an den Ermittlungen teilnehmen. Das geht so weit, dass er selbst die Fahrtroute beschreibt. Dadurch bin ich nicht nur auf den aktuellen Stand der Dinge, sondern ich lerne auch Land und Leute kennen. Dies alles tut dem hohen Spannungsbogen keinen Abbruch. Hermann, ein Rentner, der ab und an für Voss arbeitet, gibt durch sein Plattdeutsch der Geschichte einen authentischen regionalen Rahmen. Einen wichtigen Protagonisten darf ich nicht vergessen. Das ist Nero, Voss` Hund. Der sorgt nicht nur für amüsante Szenen, sondern ist erstklassig erzogen und hört im Einsatz aufs Wort. Voss` Gegner bringt dies in schwierige Lagen. Ein bisschen verfressen ist er allerdings auch. Dass sich Voss nicht die Butter vom Brot nehmen lässt, zeigt sein Umgang mit den Herren vom Staatsschutz. Denen macht er schnell klar, wie sie sich zu benehmen haben. Dieser Dialog gehört für mich zu den sprachlichen Höhepunkten.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Dem Autor ist es bis zum Schluss gelungen, zumindest einen der wahren Täter geschickt zu verschleiern.

Veröffentlicht am 09.04.2017

Wien anno 1919 - spannender Krimi

Der zweite Reiter
0

„...Wenn jeder in der Stadt, der gerade was Illegales tut, sich aus Angst in die Donau stürzen würde, dann würden darinnen mehr Leichen als Fische schwimmen..."

Wir befinden uns in Wien des Jahres 1919. ...

„...Wenn jeder in der Stadt, der gerade was Illegales tut, sich aus Angst in die Donau stürzen würde, dann würden darinnen mehr Leichen als Fische schwimmen..."

Wir befinden uns in Wien des Jahres 1919. Der erste Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen. Es fehlt am Lebensnotwendigen, sei es Feuerholz oder Nahrung. Es ist die Stunde der Schleichhändler. Wir würden Schmuggler oder Schwarzhändler sagen. Rayonsinspektor August Emmerich soll ihre Schlupfwinkel finden und die Männer verhaften. Ihm zur Seite wird der Neuling Ferdinand Winter gestellt. Emmerich ist alles andere als begeistert. Bei ihren Ermittlungen finden sie einen Toten.
Emmerichs Vorgesetzter legt den Tod des Dietrich Jost als Selbstmord zur Seite, doch Emmerich vermutet Mord. Dafür gibt es wichtige Indizien.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Es fiel schwer, das Buch aus der Hand zu legen.
Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Das trifft selbst auf die Nebenrollen zu. Ich möchte mich aber auf die beiden Polizisten beschränken. Emmerich leidet als Folge einer Kriegsverletzung an Athrofibrose. Er hat einen Granatsplitter im Bein. Er versucht alles, um seine Schmerzen zu verbergen, denn er möchte nicht an den Schreibtisch verbannt werden. Er kann sehr stur sein, hat aber seine Vergangenheit im Waisenhaus nicht vergessen. Dadurch fällt er manchmal unkonventionelle Entscheidungen. Sein Wunsch ist es, zur Kriminalpolizei zu wechseln.
Ferdinand Winter stammt aus begüterten Haus. Er war nicht im Krieg und sieht deshalb vieles anders als Emmerich. Während Emmerich kein Problem hat, wenn es bei den Ermittlungen dreckig zugeht, versucht Winter alles, das zu vermeiden. Der Anblick von Toten ist ihm ebenfalls neu. Trotzdem kann man nicht sagen, dass Emmerich durch den Krieg abgestumpft wurde, denn es gibt Situationen, in denen seine Menschlichkeit und Gerechtigkeit überwiegt.
Die Ermittlungen gestalten sich nicht einfach. Das liegt nicht nur daran, dass Emmerich die auf eigene Faust betreibt. Irgendjemand scheint ihm immer einen Schritt voraus zu sein und ihn zu blockieren.
Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Mit dem Wiener Dialekt habe ich keine Probleme. Die Autorin führt einerseits quer durch Wien, andererseits auch in den Wiener Untergrund. Die Handlungsorte werden sehr genau beschrieben. Gleichzeitig wird gut herausgearbeitet, dass Wien zweigeteilt ist. Während ein Teil der Bevölkerung hungert, gibt es in exklusiven Lokalen alles, was das Herz begehrt. Informativ gestaltete Dialoge bringen die Handlung vorwärts und geben einen Einblick in die Zeitverhältnisse. Einer der in meinen Augen sprachlichen Höhepunkte ist das Gespräch zwischen August Emmerich und Schleichhändler Veit Kolja. Eine besondere Facette bekommt die Handlung durch Emmerichs trockenen Humor und seinen Sarkasmus. Obiges Zitat ist ein Beispiel dafür. Während des Geschehens lernt Emmerich die Stärken Winters schätzen. Nach und nach wandelt sich ihr Verhältnis. Sie werden zu Partnern. Die Autorin spricht vielfältige Probleme der damaligen Zeit an. So kann es ein Leben völlig über den Haufen werfen, wenn der totgeglaubte Ehemann plötzlich wieder vor der Tür steht. Auch Ausreisevereine versuchten, Profit aus der Not der Wiener zu schlagen. Ich könnte hier noch viele Themen aufzählen, die die Handlung bereichern, möchte es aber bei den beiden belassen.
Im Nachwort wird Realität und Fiktion getrennt und darauf hingewiesen, was aus manchen Wiener Gebäuden im Laufe der Zeit geworden ist.
Das Cover mit den Bild vom historischen Wien passt perfekt zum Inhalt des Buches.
Der Roman hat mir ausgezeichnet gefallen. Das liegt am Ermittler mit seine Ecken und Kanten, den vielfältigen gut recherchierten historischen Fakten und dem hohen Spannungsbogen der Geschichte.