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Veröffentlicht am 12.08.2021

Der tote Journalist

Der tote Journalist
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Als Polizeireporterin Gesa Jansen zu einem neuen Fall gerufen wird, ist die Erschütterung groß. Denn das Opfer ist ihr Kollege Uwe Stolter, mit dem sie in der Redaktion einige Jahre zusammengearbeitet ...

Als Polizeireporterin Gesa Jansen zu einem neuen Fall gerufen wird, ist die Erschütterung groß. Denn das Opfer ist ihr Kollege Uwe Stolter, mit dem sie in der Redaktion einige Jahre zusammengearbeitet hat. Das Urgestein der Hamburger Abendpost, für den der Job das Ein und Alles bedeutete, wurde offensichtlich vergiftet.

Darin sieht Chefredakteurin Maike Thomsen die Chance für eine Titelstory und hofft, dass Gesa den Fall mittels ihrer Recherchen und Fähigkeiten aufklären kann. Ihr zur Seite wird Björn Dahlmann gestellt, der darüber höchst unglücklich ist. Viel lieber wäre er in der Kulturredaktion geblieben.

Im Gegensatz zu Gesa ahnt Dahlmann nicht, dass seine Tätigkeit bei der Tageszeitung auf der Kippe steht und der Einsatz als Polizeireporter seine letzte Chance ist. Gleichwohl hält sich Gesas Begeisterung in Grenzen, kann sie doch mit der feingeistigen Art des Neuen zunächst gar nichts bis wenig anfangen.

Allerdings erweist sich Björn mit der Zeit nicht nur als Mann mit viel Kunstsinn, sondern auch als intelligenter, verständiger und loyaler Kollege, der seinen Teil zu den Ermittlungen beiträgt.

Nachdem Gesa und Björn das Notizbuch von Uwe Stolter entschlüsseln können und mehrere Hinweise entdecken, entpuppen diese sich letztlich auch für die beiden Polizeireporter als riskant ...


Auf den ersten Blick unterscheidet sich „Der tote Journalist“ zunächst einmal nicht von anderen Krimis. Auch hier gibt es ein Mordopfer und die Suche nach dem Täter. Und doch weicht Hanna Paulsens Geschichte in einem wesentlichen Punkt ab: Die ermittelnde Hauptfigur Gesa Jansen hat zwar mit Polizeiarbeit durchaus etwas zu tun, allerdings vor allem als Polizeireporterin des Hamburger Abendblattes.

Als ihr Arbeitskollege Uwe Stolter vergiftet wird, fühlt sich Gesa gefordert und beginnt mit eigenen Nachforschungen, bei denen wir sie und Neuzugang Björn Dahlmann begleiten dürfen.

Die Autorin offeriert nicht nur klassische Untersuchung eines Tötungsdelikts, denn die Tätigkeit der Kriminalpolizei lässt sie nicht außen vor. Aber zudem gewährt Hanna Paulsen Einblicke in journalistische Arbeitsweisen und konfrontiert uns währenddessen mit den positiven und auch negativen Aspekten der Medienbranche. So stehen sich das rücksichtslose Jagen nach einer Titelstory und sachliche, von Rücksichtnahme auf das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen geprägte Recherchen gegenüber.

Hanna Paulsens Erzählstil ist im Ausdruck stimmig und im Detail beschreibend, ohne ausufernd zu sein, und ermöglicht es, bei der Lektüre, eigene Mutmaßungen anzustellen. Die Autorin agiert hinsichtlich der Entwicklung der Ereignisse eher ruhig und mit ausgleichendem Augenmerk, schafft trotzdem einen ansprechenden Spannungsbogen, der im Verlauf des Geschehens stetig ansteigt.

Hervorzuheben ist außerdem, dass sie im Hinblick der Eigenschaften ihrer im Mittelpunkt stehenden Protagonisten eine Balance zwischen Stärken und Schwächen bietet. Mit Gesa Jansen und Björn Dalmann treffen zwei völlig unterschiedliche Charaktere aufeinander Während Gesa vor ein paar Jahren als Kriegsreporterin rund um den Globus gereist ist, begeistert sich Björn für das kulturelle Leben. Nach und nach erkennen, begreifen und letztlich lernen die beiden das Potential des jeweils anderen schätzen.

Hanna Paulsens Krimidebüt besticht mit einem beachtlichen Plot und bemerkenswerten Figuren. Dadurch wird „Der tote Journalist“ zum gelungenen Reihenauftakt und erhöht die Freude auf nachfolgende Bände.

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Veröffentlicht am 25.05.2021

Sehnsucht in Aquamarin

Sehnsucht in Aquamarin
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Als kleine Kinder waren die Schwestern Jette und Polly an einem regnerischen Aprilmorgen von ihrer Mutter verlassen und vom Vater und der Stiefmutter aufgezogen worden. Polly – damals zweieinhalbjährig ...

Als kleine Kinder waren die Schwestern Jette und Polly an einem regnerischen Aprilmorgen von ihrer Mutter verlassen und vom Vater und der Stiefmutter aufgezogen worden. Polly – damals zweieinhalbjährig – hat zwar keinerlei Erinnerungen an das Zusammensein, aber Jette – zu der Zeit fünf Jahre alt – erinnert sich lebhaft und gut an die Mutter, weswegen sie deren Verschwinden nach wie vor sehr bedrückt und sie Nachforschungen über deren Verbleib anstellt.

Jetzt hat Jette ihre Mutter auf einem Foto entdeckt und sie in Bar Harbor an der Ostküste in Maine aufgespürt. Sie überredet ihre jüngere Schwester, mit ihr dorthin zu reisen. Polly arbeitet als Übersetzerin und gibt neben Bedienungsanleitungen Erotikromanen den letzten Schliff. Während die Einunddreißigjährige eine geregelte kleinbürgerliche Einsiedlerexistenz in einer Dachgeschosswohnung in Stuttgart lebt, ist Jette in der ganzen Welt zu Hause und nimmt einen Job nach dem nächsten an. Obwohl sie schon unzählige Male die große Liebe gefunden zu haben glaubt und wieder verloren hat, ist sie immer noch auf der Suche danach. Polly hingegen will keinerlei Gefühle in eine Beziehung investieren, so sehr leidet sie darunter, von der Mutter nicht gewollt und geliebt worden zu sein.

In Maine angekommen, lernt Polly Liam und dessen Tochter Izyy kennen, die wie sie ohne ihre leibliche Mutter aufwächst. Und nicht nur diese beiden bringen sie dazu, ihr Dasein mit anderen Augen zu betrachten und ihre Ansichten zu hinterfragen. Doch wird sie sich je von ihren Ängsten lösen können und Liam gegenüber öffnen können?



Miriam Covis „Sehnsucht in Aquamarin“ ist ein Liebesroman, der trotz Vorhersehbarkeit hinsichtlich des erwarteten Ausgangs von seinen mit Stärken und Schwächen versehenen Figuren, wortgewandten Dialogen, einer mit Überraschungsmomenten bestückten Handlung und der detaillierten Darstellung des Geschehens profitiert. Einzelbilder von der einprägsamen Landschaft fügen sich zu einem ansprechenden Gemälde, das im „Betrachter“ selbst Sehnsucht entstehen lässt, an den Ort der Ereignisse reisen zu wollen.

Dabei beweist die Autorin, dass eine Geschichte mit durchaus ernsten Themen auch mit Witz, Humor und Augenzwinkern erzählt werden kann, weil sie Tiefen und Höhen mit feinspürigem Geschick ausbalanciert.

Miriam Covi bringt einem ihre Protagonisten sehr nahe und ermöglicht so die intensive Teilnahme an deren Schicksal. Ihr gelingt es, die Vielschichtigkeit ihrer Charaktere auszuloten, die ihnen innewohnenden Emotionen nachvollziehbar zu formulieren. Dies betrifft nicht allein die aus ihrer Sicht federführende Hauptfigur Polly, sondern ebenso die anderen mehr oder weniger im Mittelpunkt befindlichen Personen.

Polly hat sich in ihrem Leben eingerichtet, hängt sehr an ihren Ritualen. Spontan in ein fremdes Land zu fliegen, um eine Person zu suchen, die sie seit fast drei Jahrzehnten nicht gesehen hat, sieht ihr nicht ähnlich, diese Vorstellung macht ihr sogar Angst. Sie fährt eigentlich gar nicht gern in den Urlaub und bleibt lieber in ihrem Zuhause und ihrem vertrauten, sicheren Umfeld.

Die junge Frau lässt sich lediglich auf kurze Affären ein, möchte keine richtige Beziehung oder sich – im schlimmsten Fall – verlieben. Seit Jahren praktiziert sie dies so, ohne darüber nachzudenken warum das so ist. Zugleich versteckt sie ihr Innerstes vor ihrer Umgebung, schottet ihre Empfindungen ab. Niemand soll sehen, wie verletzbar, traurig und ratlos sie manchmal ist. Denn wie sollte sie jemals von jemandem geliebt werden, wenn die eigene Mutter dies nicht konnte? Jedenfalls nicht genug, um zu bleiben.

Bis sie am fast dunklen Atlantikufer einen Wildfremden küsst und Schmetterlinge im Bauch hat. Auch wenn sie die dummen Viecher gar nicht spüren will. Schließlich mag sie keine Insekten.

Aber die Schmetterlinge bleiben, denn Polly trifft Liam, jenen Fremden, wieder. Er ist Ranger im Acadia National Park und arbeitet gemeinsam mit der Mutter von Jette und Polly, Eve Moore. Außerdem erzieht er allein die achtjährige Izzy, die einfach zauberhaft ist und mit ihren oft scharfsinnigen Aussagen, Argumenten und ihrem niedlichen Charme alle um den Finger wickelt und für sich einnimmt. Ein heimlicher kleiner Star der Geschichte.

Liam ist ein attraktiver Mann mit Sex-Appeal. Er ruht in sich, ist verantwortungsbewusst und fürsorglich gleichermaßen. Mit Rücksicht auf seine Tochter will er allerdings keine flüchtigen Bettgeschichte, sondern eine feste Beziehung mit allem Drum und Dran. Ein Dilemma. Für Polly. Oder vielleicht doch nicht. Weil „wenn man sich so ansieht, kann man auch heiraten.“ Ob Izzy Recht hat?

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Veröffentlicht am 21.03.2021

Jedes Jahr im Juni

Jedes Jahr im Juni
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Mit Sechzehn lässt Emmie Blue auf dem Hof ihrer Schule einen roten Luftballon steigen, der neben ihrer E-Mail-Adresse auch ein Geheimnis enthält, in der Hoffnung, dass ihn jemand findet und ihr antwortet.

Jetzt ...

Mit Sechzehn lässt Emmie Blue auf dem Hof ihrer Schule einen roten Luftballon steigen, der neben ihrer E-Mail-Adresse auch ein Geheimnis enthält, in der Hoffnung, dass ihn jemand findet und ihr antwortet.

Jetzt ist Emmie Blue dreißig, und ihr bester Freund Lucas, der eben jenen Ballon damals an einem Strand in Frankreich entdeckt und ihr geschrieben und sie daraufhin persönlich kennengelernt hat, bittet sie, seine Trauzeugin zu sein. Die beiden verbindet nicht nur eine innige und intensive Freundschaft, sie haben auch am selben Tag Geburtstag. Und Lucas' Eltern und sein drei Jahre älterer Bruder Eliot waren in den letzten Jahren mehr Familie für sie, als es ihre Mutter jemals sein wird. Was Lucas nicht ahnt: Emmie ist verzweifelt in ihn verliebt und hofft und wartet bislang geduldig darauf, dass er erkennt, der Richtige für sie zu sein. Nicht allein für diesen Traum hat sie ihr eigentliches Leben vernachlässigt. Sie fühlt sich winzig klein, bedauernswert, bedeutungslos, arbeitet als unterbezahlte Küchenhilfe in einem Hotel und wohnt zur Untermiete bei einer alten Dame.

Obwohl sie tief in sich drin weiß, dass sie aus hartem Holz geschnitzt ist. Und dass sie ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen muss.

Denn nicht ohne Grund sagt ihr Eliot: „… wenn du … dich stattdessen zurücklehnst und darauf wartest, dass irgendjemand – irgendetwas – sie für dich regelt, bist du irgendwie verloren.“ (Seite 103)


Lia Louis hat es mir mit ihrem Debüt "Jedes Jahr im Juni" am Anfang nicht leicht gemacht. Ihre Heldin, die von der Erfüllung der großen Liebe zu ihrem besten Freund Lucas träumt, zeigt sich allzu unsicher für eine Dreißigjährige, und die Handlung verlor sich ohne deutbare Struktur in den Gedankengängen der jungen Frau.

Doch ich bin froh, dass ich mich vom ersten Eindruck nicht täuschen lassen habe. Letztlich erweist sich die Geschichte von Emmie Blue auf der Suche, die aus ihrer Ich-Position heraus erzählt wird, nicht nur als bezaubernd und gefühlvoll, unbeschwert und zugleich ergreifend geschrieben, sondern ist ebenso ein mit viel Romantik, freundlichem Humor, einem Hauch Melancholie und einer maßvollen Tiefe versehendes Lehrstück darüber, dass das Leben und die Liebe nicht planbar sind und Überraschungen manchmal unerwartet, indes nicht unwillkommen eintreffen.

Emmie Blue hat in den letzten Jahren einiges meistern müssen: Ein traumatisches Erlebnis, das ihre Existenz auch nach vierzehn Jahren immer noch bestimmt. Ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Die Suche nach ihrem unbekannten Vater. Trotzdem ist sie äußerst bodenständig und zu jeder Zeit hilfsbereit, besonders wenn Lucas sie braucht. Aber sie muss ihr Selbst finden und ihren Wert erkennen und erst lernen, Dinge einzufordern und mit Enttäuschungen abzuschließen. Nur so wird der Weg frei für die Liebe und das eigene Glück.

Es macht den Reiz der Lektüre aus, Emmie dabei in der Gegenwart und während der Rückblicke in die Vergangenheit zu begleiten. Außerdem entpuppen sich all jene liebenswerten, keinesfalls fehlerlosen Charaktere, die mit Witz und Weisheit Gefährten auf die eine oder andere Art von Emmie sind und werden, als wundervoll. Jeder von ihnen – ob nun Lucas, Eliot, Rosie, Fox oder Louise – füllt eine besondere Rolle aus, die zum Gelingen einer feinsinnig und herzenswarmen Geschichte beitragen.

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Veröffentlicht am 22.09.2020

Paul klaut blaue Prickelbrause

Paul klaut blaue Prickelbrause - Superfreche Zungenbrecher - ab 5 Jahren
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Haben Kinder heute noch Freude an sogenannten Zungenbrechern? Wenn sie „Paul klaut blaue Prickelbrause“ lesen, ist das bestimmt der Fall. Denn hier bekommen sie von Steffi Korda nicht nur lustige, kecke ...

Haben Kinder heute noch Freude an sogenannten Zungenbrechern? Wenn sie „Paul klaut blaue Prickelbrause“ lesen, ist das bestimmt der Fall. Denn hier bekommen sie von Steffi Korda nicht nur lustige, kecke und verdrehte Holterdiepolter-Sprüche vorgesetzt, sondern auch gleich passende frisch-fröhlich-freche Bilder von Antje von Stemm dazu geliefert. Die Illustrationen sind kreativ und mit detaillierten, schelmischen Bildwitz kreiert, so dass sich auf den farbenfrohen Doppelseiten stets weitere Kleinigkeiten entdecken lassen. Manches Mal, wenn beispielsweise ein Zungenbrecher nicht ganz so dolle zündet, bringen sie auf jeden Fall die Mundwinkel zum Zucken und bewirken Schmunzeln und Lachen.

Steffi Korda bietet in „Paul klaut blaue Prickelbrause“ eine bunte Mischung aus 30 munteren und schwungvollen Zungenbrechern. Sie hat nicht nur einige bekannte Klassiker abgewandelt und aufgepeppt, sondern außerdem eigens von ihr neu erdachte Wortstolpereien der Sammlung hinzugefügt.

„In stickigen Stuben pupst Ruben in Tuben, in Tuben pupst Ruben in stickigen Stuben.“

Das Buch kann selbst gelesen werden, aber viel mehr Vergnügen bereitet es beim Vorlesen. Für Leseanfänger oder Zuhörer stellen einzelne Sätze bestimmt eine Herausforderung dar, umso größer ist der Erfolg, einen Spruch immer schneller und korrekter sprechen zu können. Insofern fördert es durchaus die Sprachfertigkeit. Wobei es selbst erfahrenen Erwachsene gelegentlich und ordentlich an der Zunge kitzeln dürfte.

„Paul klaut blaue Prickelbrause“ ist ein Gute-Laune-Buch, das Spaß verspricht, und den bekommt der Leser jeden Alters auch.

Veröffentlicht am 29.08.2020

Feuertaufe

Feuertaufe. Lorenz Lovis ermittelt
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Nach dem Tod seines Onkels Sebastian, bei dem er seit seinem fünfzehnten Lebensjahr aufwuchs, erbt der Mittvierziger Junggeselle Lorenz Lovis den Messner-Hof. Seine Begeisterung hält sich jedoch in Grenzen. ...

Nach dem Tod seines Onkels Sebastian, bei dem er seit seinem fünfzehnten Lebensjahr aufwuchs, erbt der Mittvierziger Junggeselle Lorenz Lovis den Messner-Hof. Seine Begeisterung hält sich jedoch in Grenzen. Denn eines ist Lorenz auf keinen Fall – ein Bauer. Als Angestellter der italienischen Staatspolizei in Brixen hat er von Landwirtschaft überhaupt keine Ahnung, auch an Interesse mangelt es ihm. Er ist daher unsicher, ob er das am Totenbett des Onkels gegebene Versprechen, den Bauernhof weiterzuführen, einhalten will und vor allem kann.

Andererseits sind auch seine beruflichen Aussichten alles andere als rosig. Der Dienst unter seinem verhassten Chef Commissario Botta ist die Hölle und geprägt von ständigen Drangsalierungen, Beleidigungen und Demütigungen. Und als Lorenz von diesem dermaßen provozieren wird, dass er seinen Job und damit jahrelange „Knechtschaft“ als Schuhabstreifer hinschmeißt und kündigt, scheint der Hof so etwas wie Halt zu bieten. Der anfänglichen Erleichterung, sich nicht mehr den Schikanen ausgesetzt zu sehen, folgen unmittelbar Existenzängste. Wovon soll er leben und wie die Schulden abbezahlen, die Onkel Sebastian in den letzten Jahren angehäufte, auch wenn Knecht Paul, der Ahnung von der Bewirtschaftung hat, und Angelika, die ebenfalls auf dem Hof wohnt und sich um das leibliche Wohl kümmert, ihre Unterstützung zusagen.

Und ist die Idee, als Privatdetektiv zu arbeiten und so etwas wie der „Südtiroler Matula“ zu werden, wirklich die Lösung?

Noch immer voller Zweifel kommt neben einer Anfrage einer besorgten Mutter über den Aufenthalt ihres Sohnes der Auftrag des ortsansässigen „Barons“ Carlo Cavagna gerade recht. Lorenz soll ermittelt, wer tote Uhus auf dessen Grundstück wirft. Bringt dadurch jemand seinen Unmut über die umstrittenen Baupläne für ein Wellnessluxushotel gigomantischen Ausmaßes zu Ausdruck und will diese vereiteln? Doch nicht nur die sinnlos gemeuchelten Vögel bereiten Lorenz Kopfzerbrechen. Als sein Auftraggeber in der eigenen Jagdhütte in Flammen aufgeht, ist es mit der ohnehin trügerischen Ruhe im malerischen Brixner Talkessel vorbei. Ehe Lorenz Luft holen kann, steht er selbst unter Mordverdacht.


In „Feuertaufe“ von Heidi Troi ist von Anfang an die Hingabe zu ihrer Heimat Südtirol zu spüren. Die Autorin hat mich jedenfalls mühelos in eine wunderschöne Umgebung mit beeindruckenden Berggipfeln, grünen Tälern und Wäldern, Gewässern, Weinbergen, Städten und Dörfern versetzt, ohne dass ich jemals dort gewesen bin. Aber ihre Darstellung von Land und Leuten ist so detailliert, warmherzig und vorstellungsintensiv, dass ich Flachländerin mich sogleich eingeladen fühle.

„Die Ausläufer des Brixner Talkessels lagen vor ihm. Nach Osten hin, noch ganz in Sonne getaucht, schirmte die Plose Brixen vor allem Unbill ab, nach Westen hin erledigte der Radlsee dieselbe Arbeit. Die Sonne hing nur noch ein paar Fingerbreit über dem Kamm des Kühbergs und würde bald dahinter verschwinden und den Talkessel in Schatten und Kälte zurücklassen. Noch aber schickte sie ihre Strahlen ins Tal und tauchte alles in ein freundliches Licht.“

Der Erzählton, den Heidi Troi anschlägt, ist wohltuend undramatisch und behutsam. Sie kommt ohne die erschreckende Beschreibung von brutaler Gewalt aus, allerdings auch ohne Verklärung der tödlichen Situationen. Tatsächlich schafft sie es mit einer besonderen Form von Zuwendung und Hingabe, Leichtigkeit und viel Humor, dem Geschehen die Schwere zu nehmen.

Lediglich die italienischen Sätze, denen keine sofortige Übersetzung oder Erklärung folgen, gestalten sich für jemanden, der die Sprache nicht beherrscht, etwas umständlich.

Hiervon einmal abgesehen sorgen vor allem der Witz und die Ironie, mit denen die Autoren ihre Figuren ausgestattet hat, für amüsante Unterhaltung. Ich habe bei den schlagfertigen Dialogen und Gesprächen sehr oft geschmunzelt und sogar herzhaft gelacht.

Freude macht es insbesondere, den Protagonisten Lorenz Lovis kennen und seine reizende sympathische Art, mit den Dingen umzugehen, schätzen zu lernen.

Lorenz ist ein netter Kerl, wenn auch ungewöhnlich und aus der Sicht seiner Freunde ein Zauderer, der zu feige für das Geschenk ist, das ihm in Form des Hofes in bester Tallage mit Obstwiesen, Weinberg, Gemüsefeldern und sogar einer Alm in dichter Nähe zur Stadt in den Schoß gefallen ist. Enormer Tatendrang zeichnet ihn nicht unbedingt aus, und oft stolpert er über die eigenen Füße. Trotz seines Zögern und seiner Bedächtigkeit trägt er einen schlauen Kopf auf seinen Schultern, den er indes bislang wenig genutzt hat, so dass er sich deshalb von seinem Bauchgefühl leiten lässt. Neugier kann ihm nicht abgesprochen werden, seine Ermittlungsmethoden sind etwas unorthodox und seine Ausstattung mit einem Steinzeit-Handy hoffnungslos veraltet.

Aber er hat bemerkenswerte Unterstützer an seiner Seite: Paul, der den Hauptteil der Hofarbeit stemmt. Angelika, die (fast) immer eine positive Energie ausstrahlt, obwohl sie als Krankenschwester sich nahezu täglich mit schwerer Krankheit und Tod auseinandersetzen muss. Die drei Jungen Matthias, Iwan und Erik, die mehr Ahnung von moderner Technik haben, als Lorenz jemals von sich sagen kann. Und erwähnt werden muss noch Alma. Das Araucana-Huhn ist stets bereit, sich die Probleme ihres Herrchens "anzuhören".

Lorenz Lovis hat die „Feuertaufe“ bestanden. Die kurzweilige Lektüre überzeugt mit einem Gesamtkonzept, einer Mischung aus Lokalkolorit und authentischem Ermittler, in der es die eine oder andere Wendung und Überraschung gibt. Sie ist ein gelungener und empfehlenswerter Start der Krimireihe um den Südtiroler Privatdetektiv.

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