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Veröffentlicht am 20.08.2021

Eine bedrohliche Alternative

Heimatsterben
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Das Cover ist ein Hingucker mit dem verfaulten Apfel - der trotz seiner Berechtigung im Kreislauf des Lebens zuallererst Ekel erzeugt - und dem unterschiedlichen Druck der Titel-Buchstaben. Da steht nicht ...

Das Cover ist ein Hingucker mit dem verfaulten Apfel - der trotz seiner Berechtigung im Kreislauf des Lebens zuallererst Ekel erzeugt - und dem unterschiedlichen Druck der Titel-Buchstaben. Da steht nicht nur Heimatsterben, sondern auch Heimat erben, schwarz umrahmt wie eine Trauerkarte! Eigentlich folgt das Erben auf das Sterben, aber auch das geerbte kann verkümmern und sterben, wenn die Erben es so weit kommen lassen... Eine großartige, aussagekräftige Gestaltung von Cover und Titel, wie ich sie selten erlebt habe.

Nach dem Tod ihrer Großmutter Tilde bemüht sich die freigeistige Journalistin Hanna, dem letzten Wunsch der Matriarchin nachzukommen, die Familie zusammenzuhalten, ist jedoch schnell überfordert mit dem Spagat zwischen Loyalität dem konservativen Schwager gegenüber, der tatsächlich mit seiner nationalistischen BürgerUnion neuer deutscher Regierungschef wird, und ihrer persönlichen Integrität.

Die zahlreichen Mitglieder der großen Familie Ahrens verkörpern die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten und politischen Überzeugungen, und gekonnt verknüpft die Autorin Familiengeschichte und politisches Geschehen. Hilfreich besonders zu Beginn der Lektüre ist der Familien-Stammbaum vorne im Buch.

Die Autorin schildert ausgesprochen spannend, wie schnell moralische und demokratische Grenzen überschritten werden und eine ungute Entwicklung eine Eigendynamik bekommt und eskaliert, wenn entsprechende Voraussetzungen gegeben sind und dass ein einzelner Akteur das dann nicht mehr aufhalten kann, selbst wenn er wollte.
Die Ereignisse spielen sich 2023 ab und Sarah Höflich zeichnet ein vielschichtiges Bild der immer stärker werdenden Rechten bis zum Faschismus, wie auch der Beweggründe der Protagonisten. Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse - auch die Übeltäter haben ein Gewissen, über das sie sich aber hinwegsetzen...

Der flüssige, bildhafte Schreibstil hat mich schnell gefangen genommen, der anhaltend hohe Spannungsbogen ließ mich das Buch kaum aus der Hand legen. Die Charaktere sind authentisch und realistisch beschrieben.
Glaubwürdig wird eine mögliche nahe Zukunft in Deutschland entworfen, die erschreckend und bedrohlich ist.

Ich empfehle das Buch allen gesellschaftspolitisch Interessierten, aber auch Lesern, mit einer Vorliebe für Familiengeschichten oder auch für Dystopien.

Ich gratuliere Sarah Höflich zu diesem grandiosen Romandebüt.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.08.2021

Ein neues Ermittler-Dream-Team

Tote schweigen nie
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Das Cover ist farblich und haptisch sehr schön gestaltet und passt zum Thema, es gefällt mir mit seinen organischen bunten Formen.

Cassie Raven ist Sektionsassistentin und auch optisch eine ganz besondere ...

Das Cover ist farblich und haptisch sehr schön gestaltet und passt zum Thema, es gefällt mir mit seinen organischen bunten Formen.

Cassie Raven ist Sektionsassistentin und auch optisch eine ganz besondere junge Frau, sie ist tätowiert, gepierced und bevorzugt einen Gothic-Look. Sie ist sehr mitfühlend und spricht mit den Toten und empfängt manchmal eine letzte Schwingung der Verstorbenen, eine Veränderung in der Atmosphäre, eine vage Information zum Tod der Person.

Als unerwartet ihre verehrte Mentorin Mrs. E auf ihrem Sektionstisch liegt, ist Cassie schockiert und fragt sich, woran die erst 50-jährige plötzlich gestorben ist. Sie erhält keine Antwort und auch die Sektion ergibt keine Anhaltspunkte. Damit eine umfassendere forensische Autopsie angeordnet wird, benötigt Cassie die Hilfe der zunächst steifen, unnahbaren Polizistin Flyte.
Zusammen mit der hartnäckigen Beamtin gelingt es der scharfsinnigen Cassie, nicht nur das Rätsel um den Tod ihrer Lehrerin zu lösen.
Dieser Auftaktband der neuen Forensik-Krimireihe ist stimmig und spannend bis zum Ende.

Sektionen und die Arbeit in der Leichenhalle werden detailliert, aber immer respektvoll und sachlich geschildert, die Autorin vermittelt medizinisches Wissen, wo es angebracht ist. Der Schreibstil ist flüssig, locker, bildhaft und sehr angenehm zu lesen.
Nicht nur die außergewöhnlichen Protagonistinnen werden authentisch und glaubwürdig beschrieben, auch viele andere Akteure werden zu lebendigen und teilweise ganz besonderen Charakteren.

Cassie Raven und Phyllida Flyte sind ein starkes und originelles Team, die beiden haben Gemeinsamkeiten und ergänzen sich andererseits. Ich wurde großartig unterhalten, freue mich auf den zweiten Band der Reihe und empfehle das Buch jedem Krimileser, der neugierig auf außergewöhnliche Charaktere ist und sich für Forensik interessiert.

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Veröffentlicht am 31.07.2021

Unkonventionell und sehr unterhaltsam

Pirlo - Gegen alle Regeln
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Strafverteidiger Dr. Anton Pirlo wird zum Sündenbock und verliert seine Anstellung in einer angesehenen großen Kanzlei. Nach einigen Tagen voller Selbstmitleid und Alkohol nimmt er einen neuen Fall an, ...

Strafverteidiger Dr. Anton Pirlo wird zum Sündenbock und verliert seine Anstellung in einer angesehenen großen Kanzlei. Nach einigen Tagen voller Selbstmitleid und Alkohol nimmt er einen neuen Fall an, der von den Indizien her aussichtslos erscheint. Damit nicht genug, nehmen auch noch seine Brüder Kontakt zu ihm auf, Clan-Mitglieder, von denen er sich sein ganzes Erwachsenenleben fern gehalten und derentwegen er sogar einen anderen Namen angenommen hat.

Selbstironisch, temporeich und spannend erzählt der Autor, selbst erfahrener und erfolgreicher Anwalt, die Geschichte des charismatischen Protagonisten und seiner neuen Co-Anwältin. Details aus dem Privatleben der beiden und die Schilderung der umfangreichen anwaltlichen Arbeit halten sich in diesem Justizkrimi angenehm die Waage. Sehr interessant waren für mich die realitätsnah beschriebene Arbeitsweise der Strafverteidiger in ihrer Wohnzimmerkanzlei, die verschiedenen Arten der Informationsbeschaffung und der Ablauf an den Verhandlungstagen bei Gericht.

Die Protagonisten sind glaubwürdig und authentisch beschrieben, auch die anderen Charaktere werden einfühlsam und lebensnah geschildert, nur die Tatverdächtige in Untersuchungshaft bleibt für mich auf Distanz, vielleicht ist das aber auch beabsichtigt, Herr Dr. Bott?
Auch das treffend eingefangene Düsseldorfer Lokalkolorit hat mich oft schmunzeln lassen. Genau so isset!

Das Cover zeigt ein zersplittertes Bild von Pirlo und zielt vielleicht auf seinen familiären Hintergrund ab. Es gefällt mir nicht, ist aber passend. Die optische Ähnlichkeit zum Autor halte ich für einen augenzwinkernden Marketing-Gag.
Ingo Bott hat einen unkonventionellen und doch gut lesbaren stimmigen Schreibstil, er verwendet oft kurze Sätze, die auch durch Kommata getrennt funktionieren würden, aber so das Tempo erhöhen. Den Lesefluss haben sie für mich nicht beeinträchtigt.
Jedes Kapitel beginnt mit einer Datums- und Ortsangabe, was sinnvoll ist, da der Roman nicht chronologisch erzählt wird. Darüber hinaus ist jedes Kapitel betitelt mit (mindestens) einem wichtigen, zusammenfassenden Schlagwort - unkonventionell und ein Wiedererkennungsmerkmal.

Dieser Justizkrimi der etwas anderen Art hat mich bestens unterhalten, er ist witzig, spritzig, spannend und ich freue mich auf den zweiten Fall für Pirlo.

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Veröffentlicht am 24.07.2021

So ist das Leben

Wir für uns
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Das Cover ist in freundlichen warmen Farben gehalten. Die abgebildeten geschwungenen stilisierten Pflanzen finden sich auch zum Auftakt jedes der fünf Teile des Romans - eine schöne Gestaltung des Buchs.
Die ...

Das Cover ist in freundlichen warmen Farben gehalten. Die abgebildeten geschwungenen stilisierten Pflanzen finden sich auch zum Auftakt jedes der fünf Teile des Romans - eine schöne Gestaltung des Buchs.
Die Erzähl-Perspektive wechselt kapitelweise zwischen den beiden Protagonistinnen, die Kapitel der jüngeren Frau sind aus der Ich-Perspektive geschrieben, von ihr erfährt der Leser mehr Gedanken und Gefühle, während die ältere Protagonistin oft ihre Vergangenheit reflektiert. Mir gefällt dieser Rhythmus beim Lesen.

Der Roman erzählt von der durch einen Zufall entstehenden Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen, der 41-jährigen schwangeren Josie, die sich für oder gegen das Kind entscheiden muss, und da ist die siebzigjährige Kathi, gerade Witwe geworden und ratlos, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen soll.

Beide akzeptieren die andere bedingungslos, sie unterstützen einander und ermutigen sich gegenseitig, zum jetzigen Zeitpunkt das zu tun, was sie wirklich für sich wollen. Neben dieser Freundschaft werden nach und nach die Erfahrungen geschildert, die beide Frauen in ihren Familien gemacht haben: die Konstellationen innerhalb einer Familie sind kompliziert und können verletzen und das ganze weitere Leben auf vielfältige Art und Weise beeinträchtigen. Die Autorin spricht hier viele unterschiedliche Themen an, die jede/n von uns im Laufe des Lebens beschäftigen oder auch konfrontieren können.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, die Autorin schreibt lebendig, zugewandt und herzlich, beschreibt sowohl Charaktere als auch Ereignisse authentisch und realitätsnah. Besonders mit Josie fällt die Identifikation leicht, viele Leserinnen werden sich in diesem Roman wiederfinden können.

Die Botschaft kommt an: lebe im Jetzt, sei mutig und trau Dich, Deine Träume wahr werden zu lassen, es ist nie zu spät.

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Veröffentlicht am 09.07.2021

Beckett bleibt sich auch mit der neuen Thriller-Reihe treu

Die Verlorenen
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Jonah Colley ist Mitglied einer bewaffneten Spezialeinheit der Londoner Polizei. Seine Arbeit ist sein Lebensinhalt, mehr ist da kaum, er ist ein gebrochener Mensch seit sein vierjähriger Sohn vor 10 Jahren ...

Jonah Colley ist Mitglied einer bewaffneten Spezialeinheit der Londoner Polizei. Seine Arbeit ist sein Lebensinhalt, mehr ist da kaum, er ist ein gebrochener Mensch seit sein vierjähriger Sohn vor 10 Jahren verschwand. Auch zu seinem ehemals besten Freund Gavin, ebenfalls Polizist, hat er seit Jahren keinen Kontakt mehr. Nun ruft ihn Gavin abends an und bittet verzweifelt um Hilfe. Als Jonah um Mitternacht am verabredeten Treffpunkt, einem verlassenen Lagerhaus, vergeblich auf Gavin wartet und sich auf die Suche nach ihm begibt, beginnt ein Albtraum, der ihn schwer verletzt im Krankenhaus aufwachen lässt.

Jonah wird von der Polizei verhört und verdächtigt, er wird nicht an den Ermittlungen beteiligt und stellt eigene Nachforschungen an, anfangs langsam und mühselig, durch seine Verletzungen sehr gehandicapt und während des ganzen Buchs weiter gesundheitlich sehr angeschlagen.

Vom fulminanten Beginn an ist der Leser mitten im Geschehen, stößt mit Jonah an seine physischen und psychischen Grenzen und teilt seine Erinnerungen an Theo und dessen Verschwinden vor 10 Jahren und daran, wie es zum Bruch mit Gavin kam.

Der Thriller ist vielschichtig und atmosphärisch dicht, sehr geschickt konstruiert. Mit Jonah gewinnt auch der Leser allmählich immer mehr Erkenntnisse, überraschende Wendungen halten die Spannung durchgehend hoch und den Leser gefesselt. Wozu auch der düstere, intensive und flüssig zu lesende Schreibstil beiträgt.

Aus dem schockierenden Showdown geht Jonah nach langer Rekonvaleszenz psychisch gestärkt hervor. Er scheint ein wenig neuen Lebensmut zu finden, was dem vom Schicksal gebeutelten sympathischen Protagonisten von Herzen zu wünschen ist, und ich freue mich auf ein Wiedersehen im zweiten Band der Reihe.

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